Brandenburgisches Oberlandesgericht:
Beschluss vom 31. Mai 2006
Aktenzeichen: 6 W 52/06

(Brandenburgisches OLG: Beschluss v. 31.05.2006, Az.: 6 W 52/06)

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Streithelfers der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss - Nichtzulassungsbeschwerde - des Landgerichts Potsdam vom 15.11.2005 € 3 O 89/03 € teilweise abgeändert und unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen wie folgt neu gefasst:

Die auf Grund des Beschlusses des Bundesgerichtshofs vom 7.7.2005 von dem Streithelfer der Klägerin an die Beklagten zu erstattenden Kosten werden auf

1.849,16 Euro

(i. B.: eintausendachthundertneunundvierzig und 16/100 EUR)

nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB ab dem 1.9.2005 festgesetzt.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens haben der Streithelfer der Klägerin 20 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 80 % zu tragen. Eine Gerichtsgebühr ist nicht zu erheben.

Der Beschwerdewert beträgt 4.149,90 Euro.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten Vollstreckungsgegenklage erhoben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt und dem Streitverkündeten den Streit verkündet. Dieser ist dem Rechtsstreit auf ihrer Seite beigetreten. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Der Streitverkündete hat am 30.12.2004 beim Bundesgerichtshof Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Weil sich das Klagebegehren der Klägerin im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren erledigt hatte, telefonierte der Prozessbevollmächtigte des Streitverkündeten daraufhin mit dem zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten und vereinbarte mit ihm, dass der Streitverkündete und die Beklagten das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren übereinstimmend für erledigt erklären würden. Entsprechend wurde verfahren, auch die Klägerin gab eine Erledigungserklärung ab. Der Bundesgerichtshof erlegte mit Beschluss vom 7.7.2005 dem Streithelfer der Klägerin die im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde entstandenen Kosten auf.

Der Rechtspfleger des Landgerichts hat mit Beschluss vom 15.11.2005 die von dem Streitverkündeten an die Beklagten zu erstattenden Kosten wegen der Nichtzulassungsbeschwerde auf insgesamt 5.169,08 Euro festgesetzt und dabei eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3506 VV RVG in Höhe von 1,9 einschließlich einer 0,3-Erhöhungsgebühr wegen zweier Auftraggeber und eine 1,2-Terminsgebühr gemäß Nr. 3516 VV RVG als erstattungsfähig angesehen.

Gegen diesen, ihm am 17.11.2005 zugestellten Beschluss, wendet sich der Streithelfer der Klägerin mit der am 1.12.2005 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde, mit der er geltend macht, es sei allenfalls eine Verfahrensgebühr für sonstige Einzeltätigkeiten gemäß Nr. 3403, 3404 VV RVG zu erstatten. Daneben könne eine Terminsgebühr nicht entstehen.

Der zuständige Rechtspfleger hat mit Beschluss vom 7.3.2006 dem Rechtsbehelf nicht abgeholfen und diesen dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß den §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 und 2, 569 Abs. 1 ZPO zulässig.

Sie ist jedoch nur teilweise begründet. Die Beklagten können von dem Streithelfer der Klägerin keine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3506 VV RVG und keine Terminsgebühr gemäß Nr. 3516 VV RVG für das Rechtsbeschwerdeverfahren erstattet verlangen. Erstattungsfähig ist lediglich eine 1,1 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3403 VV RVG.

Es kann dabei offen bleiben, ob die zweitinstanzlichen Beklagtenvertreter überhaupt von den Beklagten das Mandat hatten, sie im Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesgerichtshof umfassend zu vertreten. Daran bestehen Zweifel. Zum einen haben sich die zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor Abgabe der übereinstimmenden Erledigungserklärung nicht förmlich bestellt. Zum anderen sind sie beim Bundesgerichtshof nicht zugelassen. Selbst wenn die Beklagten ihnen einen solchen Auftrag erteilt hätten, würde dies nicht dazu führen, dass die dadurch ausgelösten Rechtsanwaltsgebühren von dem Streithelfer der Klägerin zu erstatten wären.

Die Kostenerstattung setzt voraus, dass die entstandenen Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Nach § 78 Abs. 1 Satz 4 ZPO müssen sich die Parteien im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesgerichtshof durch einen dort zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist der zur Vertretung bestellte Anwalt dort nicht zugelassen, kann er für die von ihm vertretene Partei keine wirksamen Anträge stellen. Aus der Sicht einer wirtschaftlich denkenden Partei ist deshalb die Bestellung eines nicht postulationsfähigen Rechtsanwalts im Nichtzulassungsbeschwerde- bzw. Revisionsverfahren nicht erforderlich. Durch eine solche nicht erforderliche Beauftragung entstandene Kosten sind nicht erstattungsfähig (so auch Brandenburgisches

Oberlandesgericht, Beschluss vom 6.1.2006, 6 W 228/05).

Da der Streithelfer der Klägerin und die von ihm unterstützte Partei die Nichtzulassungsbeschwerde für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, hatten die Beklagten hierauf prozessual zu reagieren. Sie haben sich dafür entschieden, sich der Erledigungserklärung der Gegenseite anzuschließen. Die Erledigungserklärung ist eine Prozesshandlung, die ausnahmsweise nicht dem Anwaltszwang unterliegt, sie kann zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden (§ 91a Abs. 1 ZPO). Dass die Beklagten nun allerdings aus erstattungsrechtlicher Sicht gehalten gewesen wären, sich der Erledigungserklärung des Streithelfers der Klägerin und der Klägerin ohne anwaltlichen Beistand anzuschließen, hat nicht einmal der Streithelfer der Klägerin gemeint. Bei einem bis zum Bundesgerichtshof getriebenen Verfahren kann keiner Partei zugemutet werden, ohne anwaltlichen Beistand zu entscheiden, ob es im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren geraten ist, sich einer Erledigungserklärung der Gegenseite anzuschließen oder nicht.

Die anwaltliche Beratung der Partei, ob sie sich einer Erledigungserklärung der Gegenseite anschließen sollte oder nicht, die Abgabe der Erledigungserklärung und die Stellung eines Kostenantrages ist für den Rechtsanwalt, der nicht Prozessbevollmächtigter ist, eine Einzeltätigkeit i. S. von Nr. 3403 VV RVG. Die Verfahrensgebühr nach dieser Vorschrift gilt nicht nur die Tätigkeit gegenüber dem Gericht ab, sondern auch für ein direktes Tätigwerden gegenüber dem Prozessgegner (Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl. 2006, 3403 VV RVG Rn 5).

Die Anwendung dieser Vorschrift scheitert nicht daran, dass die Beklagtenvertreter vor dem Bundesgerichtshof nicht postulationsfähig sind. Die Kosten eines nicht postulationsfähigen Rechtsanwalts sind erstattungsfähig, wenn er im Rechtsstreit eine sinnvolle Tätigkeit entfaltet hat (so auch für die ähnliche Vorgängervorschrift § 56 BRAGO - OLG Nürnberg, Beschluss vom 11.9.2001, 10 WF 2428/01, zitiert nach Juris; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 17.5.2000, 5 WF 50/00, zitiert nach Juris; Hanseatisches OLG, Beschluss vom 20.5.1997, 8 W 93/97, zitiert nach Juris). Das ist hier der Fall.

Eine Terminsgebühr ist demgegenüber nicht entstanden. Eine Terminsgebühr kann bei Einzeltätigkeiten nur dann entstehen, wenn dies das Gebührenverzeichnis ausdrücklich bestimmt (Vorbemerkung 3, 4 zu Abschnitt 4 VV RVG). Eine solche Bestimmung ist für Nr. 3403 VV RVG nicht vorgesehen.

Die Tätigkeit des anwaltlichen Vertreters der Beklagten erschöpft sich allerdings nicht, wie der Streithelfer der Klägerin unter Berufung auf Nr. 3404 VV RVG meint, in einem einfachen Schreiben. Die vom anwaltlichen Vertreter der Beklagten abgegebene Erledigungserklärung hat die Beendigung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens herbeigeführt. Diese Prozesserklärung hatte zur Folge, dass das obsiegende Urteil, das die Beklagten durch zwei Instanzen hindurch erstritten hatten, in Wegfall geriet, weil die Rechtshängigkeit entfiel. Anwaltliches Handeln, das eine derartige Tragweite hat, kann nicht einer einfachen Anfrage bei Gericht gleichgestellt werden, die lediglich die ermäßigte Gebühr der Nr. 3404 VV RVG ausgelöst hätte.

Die anwaltlichen Vertreter der Beklagten haben mithin eine 0,8-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3403 VV RVG verdient. Hinzu kommt der Mehrvertretungszuschlag gemäß der im Rahmen von Nr. 3403 VV RVG anwendbaren (Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl. 2006, Nr. 3403 VV RVG Rn 1) Nr. 1008 VV RVG von 0,3, so dass die festzusetzende Verfahrensgebühr insgesamt 1,1 beträgt. Hinzuzurechnen sind die Auslagenpauschale und die Mehrwertsteuer, so dass sich ein festzusetzender Betrag von 1.849,16 Euro ergibt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Von der Erhebung einer Gerichtsgebühr wird gemäß Nr. 1811 KV GKG nach billigem Ermessen abgesehen. Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf den §§ 47 Abs. 1 GKG, 3 ZPO (Differenz zwischen einer 0,6-Verfahrensgebühr gemäß Nrn. 1008, 3404 VV RVG zzgl. Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer in Höhe von 1.019,18 Euro einerseits und dem vom Landgericht festgesetzten Betrag in Höhe von 5.169,08 Euro andererseits).

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO vorliegen. Die Sache hat zum einen grundsätzliche Bedeutung, weil es sich bei der Tätigkeit eines nicht postulationsfähigen Rechtsanwalts vor dem Bundesgerichtshof nicht um einen Einzelfall handelt. Zum anderen ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. In der Vergangenheit haben Oberlandesgerichte in dem inzwischen obsoleten Fall, dass ein nicht postulationsfähiger Rechtsanwalt vor dem Landgericht tätig geworden ist, nicht lediglich Gebühren für Einzeltätigkeiten nach § 56 BRAGO, sondern die volle Prozessgebühr nach § 31 BRAGO für erstattungsfähig gehalten, wenn dieser Rechtsanwalt eine sinnvolle Tätigkeit entfaltet hat (so z. B. OLG Koblenz, Beschluss vom 4.11.1994, 14 W 608/94; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.1.1991, 11 WF 25/90; jeweils zitiert nach Juris).

Es ist anzunehmen, dass diese Gerichte im hier vorliegenden Fall anders entscheiden würden als der hiesige Beschwerdesenat. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage bisher nicht entschieden, er hat sie auch in seiner Entscheidung vom 4.5.2006 (III ZB 120/05) ausdrücklich offen gelassen.






Brandenburgisches OLG:
Beschluss v. 31.05.2006
Az: 6 W 52/06


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