Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 30. Dezember 2010
Aktenzeichen: I-20 U 96/09

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 30.12.2010, Az.: I-20 U 96/09)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 2a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 13. Mai 2009 wird zurückgewiesen, soweit sie die Unterlassungsverpflichtung betrifft. Die Verurteilungen zu Auskunft und Schadensersatz werden für kraftlos erklärt.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin zu 1/6 und der Beklagten zu 5/6 auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 35.000,00 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin ist ein japanisches Unternehmen, das sich unter anderem mit der Herstellung und dem Vertrieb von Motorrädern befasst. Sie ist Inhaberin der am 13. August 2003 angemeldeten und am 3. November 2004 eingetragenen, nachstehend wiedergegebenen Gemeinschaftsbildmarke „Honda“, Registernummer CTM 3310034, die unter anderem für Fahrzeuge sowie für Teile und Zubehör von Fahrzeugen (Klasse 12) eingetragen ist:

Die Beklagte handelt mit Motorrädern nebst Ersatzteilen und Zubehörprodukten. Sie unterhält zu diesem Zweck ein Ladenlokal an ihrem Geschäftssitz und weitere Filialen. Über die Internetseiten „www.ztk.de“ und „www.mobile.de“ bietet sie ihre Waren auch bundesweit an.

Im Februar 2008 stellte die Beklagte in ihrem Ladenlokal ein mit dem Honda-Schriftzug gekennzeichnetes Motorrad „Honda CBR 600 RR“ zum Zwecke des Weiterverkaufs aus. Dieses Motorrad stammte aus der Produktion der Klägerin, es war von dieser jedoch nicht in der Europäischen Gemeinschaft in Verkehr gebracht, sondern an die B. PTE Ltd. in Singapur ausgeliefert worden. Von dieser hatte es die Beklagte erworben und nach Deutschland verbracht. Die Klägerin mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 10. März 2008 ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Später erweiterte sie diese Abmahnung auf zwei im Januar 2007 von der Beklagten nach Spanien gelieferte Motorräder, die die Beklagte zuvor aus Singapur und Hongkong importiert hatte. Lieferanten waren die schon erwähnte B. PTE Ltd. und die C. Co. Ltd., Honkong. Ein Erfolg war diesen Abmahnungen nicht beschieden.

Die Klägerin sieht in diesem Verhalten eine Verletzung ihres Markenrechts. Eine Erschöpfung sei nicht eingetreten, die Motorräder seien ohne ihre Zustimmung in die Europäische Gemeinschaft verbracht worden. Von diesen Importgeschäften der Beklagten habe sie erstmals im Februar 2008 erfahren.

Die Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen, die Klägerin habe ihre Zustimmung zum Import ihrer Motorräder in den Europäischen Wirtschaftsraum erteilt. So habe die Klägerin selbst die Zulassung ihres Modells „Honda CBR 600 RR“ in der Gemeinschaft betrieben; den Motorrädern würden deutschsprachige Bedienungsanleitungen beigegeben. Zudem habe sie ihr Importgeschäft jahrelang mit Kenntnis und jedenfalls stillschweigender Billigung der Klägerin betrieben, im Rahmen von Rückrufaktion sei sie regelmäßig angeschrieben worden. Zumindest aber seien die Ansprüche Klägerin verwirkt. Sie importiere seit 25 Jahren Honda-Motorräder aus Singapur, Hongkong und den USA. Seit über 20 Jahren bewerbe sie diese Motorräder in den einschlägigen Fachmagazinen wie „Motorrad“, wobei ausdrücklich auf die US-amerikanische beziehungsweise die japanische Herkunft der Motorräder hingewiesen werde. Teilweise ergebe sich dies auch aus den Typenbezeichnungen, da diese Motorräder nur auf dem amerikanischen oder japanischen Markt angeboten würden. So habe sie 1989 für ein Fahrzeug „Honda X4“ geworben, welches nur für den japanischen Markt bestimmt gewesen sei. Ihre Tätigkeit sei der Klägerin nicht verborgen geblieben. Im Laufe dieser 25 Jahre habe sie sich einen umfangreichen Kundenstamm aufgebaut, 20 bis 40 Prozent ihrer Umsätze erwirtschafte sie mit dem Verkauf von Honda-Motorrädern.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, Bl. 96 ff. d. GA., Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung, zur Auskunft und zum Schadensersatz verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Verkauf der Motorräder verletze das Markenrecht der Klägerin, eine Erschöpfung sei nicht eingetreten, die Motorräder seien nicht mit Zustimmung der Klägerin in der Europäischen Gemeinschaft in Verkehr gebracht worden. Allein dem Umstand, dass die Motorräder über die erforderliche Zulassung verfügten und mit einer auch deutschsprachigen Bedienungsanleitung versehen gewesen seien, lasse sich eine konkludente Zustimmung nicht entnehmen. Gleiches gelte für Anschreiben, die die Beklagte im Rahmen von Rückrufaktionen für Motorräder außereuropäischer Herkunft von der Honda Motor Europe (North) GmbH mehrfach erhalten habe. Diese seien Teil des Kundendienstes gewesen, eine Billigung der Importtätigkeit könne daraus nicht abgeleitet werden. Die Ansprüche seien auch nicht verwirkt. Die in der Gemeinschaftsmarkenverordnung und in § 125b MarkenG geregelten Verwirkungstatbestände seien nicht einschlägig, die allgemeinen Verwirkungsgrundsätze fänden auf die Gemeinschaftsmarke keine Anwendung.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und innerhalb der wiederholt verlängerten Berufungsbegründungsfrist ordnungsgemäß begründeten Berufung.

Die Beklagte trägt vor, das Landgericht habe zu Unrecht eine Erschöpfung des klägerischen Markenrechts verneint. Doch selbst wenn eine Erschöpfung nicht angenommen werden könne, sei der Anspruch jedenfalls verwirkt. Die allgemeinen Grundsätze der Verwirkung seien auch auf die Ansprüche nach der Gemeinschaftsmarkenverordnung anzuwenden. Aus der Verweisung auf § 21 Abs. 1 MarkenG in § 125b Nr. 3 MarkenG könne auf einen Ausschluss der allgemeinen Verwirkung nicht geschlossen werden. Der Fall des Aufeinandertreffens einer Gemeinschaftsmarke mit einer jüngeren nationalen Marke sei geregelt worden, weil es sich um eine Durchbrechung des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Gemeinschaftsmarke handele. Die Verwirkung wurzele im Grundsatz von Treu und Glauben, der auch im Gemeinschaftsrecht gelte. Ein Widerspruch zum Zweck der Gemeinschaftsmarke bestehe nicht. Die Verwirkung wirke nur inter partes und sei von daher mit der Verjährung vergleichbar, bei der zu Recht § 20 MarkenG angewendet werde. Die Anwendbarkeit innerstaatlicher Regelungen zur Rechtsmissbräuchlichkeit auf gemeinschaftsrechtliche Ansprüche sei anerkannt. Die Verwirkung könne als Fall rechtsmissbräuchlichen Verhaltens in der Form einer illoyal verspäteten Rechtsausübung verstanden werden. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft und Schadensersatz richteten sich ohnehin nach nationalem Recht.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 13.05.2009, Az. 2a O 267/08, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin trägt vor, die Voraussetzungen der Verwirkung seien aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht gegeben. Die Unterlassungsansprüche seien in der Gemeinschaftsmarkenverordnung abschließend geregelt, wie sich aus Art. 14 Abs. 1 GMV ergebe. Die in der Gemeinschaftsmarkenverordnung geregelten Verwirkungstatbestände seien nicht erfüllt. Ein Rückgriff auf die allgemeine Verwirkung sei mit der Gesetzessystematik nicht zu vereinbaren. Zudem seien die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Verwirkung nicht gegeben. Hinsichtlich der Verkäufe im Januar 2007 und Februar 2008 fehle es schon am Zeitmoment. Jeder Parallelimport stelle eine neue Störung dar, für die die Zeit neu zu laufen beginne. Der in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch könne von daher gar nicht verwirkt sein, andernfalls stünde sich die Beklagte besser als jeder Lizenznehmer, dessen Vertrag gekündigt werden könne. Soweit die Vergangenheit betroffen sei, fehle es an einer Kenntnis ihrerseits von den angeblichen Nutzungshandlungen der Beklagten. Zur Überprüfung von Werbeanzeigen, ob ein Parallelimport vorliege, sei sie nicht verpflichtet.

Der Senat hat die Parteien mit Beschluss vom 7. September 2010 darauf hingewiesen, dass er für eine Verwirkung des Unterlassungsanspruchs wegen des Einzelaktcharakters der in den Importen liegenden Markenverletzungen in Ermangelung eines Zeitmoments keinen Raum sieht und dass zur Prüfung einer Verwirkung des Schadensersatzanspruchs weiterer Vortrag erforderlich sei. Zugleich hat er im Interesse einer Beschränkung auf die zentrale Rechtsfrage eine Rücknahme des Auskunfts- und des Schadensersatzantrags bei Vereinbarung einer hälftigen Teilung der hierauf entfallenden Kosten angeregt.

Die Klägerin hat daraufhin ihre auf Auskunft und Schadensersatzfeststellung gerichteten Anträge zurückgenommen. Beide Parteien haben sich mit der insoweit hälftigen Teilung der Kosten einverstanden erklärt. Zugleich haben beide Parteien mit Schriftsatz vom 6. beziehungsweise 13. Oktober 2010 einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt. Durch Beschluss vom 14. Oktober 2010 hat der Senat das schriftliche Verfahren angeordnet und Termin, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, auf den 23. November 2010 bestimmt.

Die Beklagte ist der vom Senat geäußerten Rechtsansicht entgegengetreten. Die vom Senat angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (NJW-RR 2006, 235) stamme aus dem Nachbarrecht und könne auf das Markenrecht nicht übertragen werden. Zudem stehe sie isoliert. Träfe die Ansicht des Senats zu, dann wäre eine Verwirkung in den Graumarktimportfällen denknotwendig ausgeschlossen, was den Grundsätzen von Treu und Glauben widerspräche. Es sei daher allein darauf abzustellen, ob der Verletzer habe darauf vertrauen können, der Berechtigte dulde die Benutzung seines Zeichens an sich.

Wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache, soweit über sie noch zu entscheiden war, keinen Erfolg.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung des Angebots, des Inverkehrbringens und der Bewerbung von Motorrädern der Marke Honda, die ohne Zustimmung der Klägerin im Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht worden sind, sowie der Einfuhr in den Europäischen Wirtschaftsraum ohne Zustimmung der Klägerin aus Art. 9 Abs. 1 lit. a. GMV. Durch den Import und Vertrieb der zuvor von der Klägerin an Firmen in Singapur und Hongkong ausgelieferten Motorräder hat die Beklagte das Recht der Klägerin aus ihrer Gemeinschaftsmarke „Honda“, Registernummer CTM 3310034, verletzt.

Nach Art. 9 Abs. 1 lit. a. GMV kann der Inhaber einer Gemeinschaftsmarke Dritten verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein mit der Gemeinschaftsmarke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist.

Die Beklagte hat unstreitig mit dem Honda-Schriftzug gekennzeichnete Motorräder in den Europäischen Wirtschaftsraum verbracht und hier weiterveräußert sowie zur Weiterveräußerung angeboten. Streitig ist allein, ob bezüglich der Markenrechte der Klägerin Erschöpfung eingetreten war und ob diese - für die Zukunft - verwirkt sind.

Das klägerische Markenrecht an den von der Beklagten vertriebenen Motorrädern war nicht erschöpft. Nach Art. 13 Abs. 1 gewährt die Gemeinschaftsmarke ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden sind.

Die Klägerin hat die Motorräder nicht selbst im Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht, ihre Zustimmung hierzu hat sie weder ausdrücklich noch konkludent erteilt worden. Zu Recht und aufgrund zutreffender Erwägungen hat das Landgericht sowohl eine ausdrückliche Zustimmung im Hinblick auf die Homologationsunterlagen für das Modell Honda CBR 600 RR als auch eine konkludente Zustimmung durch Duldung der Parallelimporte oder die Beifügung auch deutschsprachiger Bedienungsanleitungen verneint. Der landgerichtlichen Argumentation ist die Beklagte im Berufungsrechtszug nur unter Verweis auf ihr erstinstanzliches Vorbringen entgegengetreten.

Der Umstand, dass die Klägerin die rechtlichen Voraussetzungen für einen Vertrieb ihres Modells Honda CBR 600 RR in der Europäischen Gemeinschaft geschaffen hat, rechtfertigt nicht den Rückschluss auf eine (Global-)Zustimmung zum Import aller Fahrzeuge dieses Typs in den Europäischen Wirtschaftsraum. Das Zustimmungserfordernis gilt für jeden einzelnen mit der Marke gekennzeichneten Gegenstand. Eine auf einen bestimmten Typ abstellende Betrachtung würde zur faktischen Wiedereinführung des in der Zeit des Warenzeichengesetzes bestehenden Grundsatzes der internationalen Erschöpfung führen.

Aus einem Zuwarten der Klägerin kann keine konkludente Zustimmung abgeleitet werden. Darauf, seit wann die Klägerin Kenntnis von der Importtätigkeit der Beklagten hatte, kommt es nicht an. Aus dem bloßen Schweigen des Markeninhabers kann sich eine konkludente Zustimmung zu einem Vertrieb von Waren im Europäischen Wirtschaftsraum, die außerhalb dieses Gebiets in Verkehr gebracht worden sind, nicht ergeben (EuGH, GRUR 2002, 156 Tz. 55 - Davidoff). Soweit die Beklagte im Rahmen von Rückrufaktionen für Motorräder außereuropäischer Herkunft von der Honda Motor Europe (North) GmbH angeschrieben worden ist, sind diese Schreiben nur Ausdruck der gerade Motorradhersteller treffenden Verkehrssicherungspflicht (BGH, GRUR 1987, 191, 192, 193 - Motorrad-Lenkerverkleidung). Ein Motorradhersteller muss mit legalen Privateinfuhren, aber auch mit Graumarktimporten rechnen. Um die Besitzer dieser Maschinen zuverlässig zu erreichen, sollte er sich nicht auf eine Information seiner Vertragshändler beschränken, sondern alle einschlägig tätigen Betriebe unterrichten.

Die Abfassung der Betriebsanleitung auch in deutscher Sprache beruht nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin auf einer Rationalisierungszwecken dienenden Vereinheitlichung. Gerade bei Bedienungsanleitung ist es üblich geworden, alle in Betracht kommenden Sprachen in einem Heft zusammenzufassen.

Der in die Zukunft gerichtete markenrechtliche Unterlassungsanspruch der Klägerin ist nicht verwirkt, § 242 BGB.

Zwar erachtet der Senat die Auffassung des Landgerichts, die Grundsätze der allgemeinen Verwirkung könnten auf Gemeinschaftsmarken nicht angewandt werden, für zweifelhaft. Ein Ausschluss der allgemeinen Grundsätze der Verwirkung kann weder aus § 125b Nr. 3 MarkenG abgeleitet werden, weil § 125b Nr. 3 MarkenG einen konkreten Fall regelt und für diesen auf § 21 Abs. 1 MarkenG Bezug nimmt, noch aus dem Fehlen einer Bezugnahme auf die allgemeinen Grundsätze der Verwirkung in der Gemeinschaftsmarkenverordnung und der Markenrechtsrichtlinie, da allgemeine Rechtsprinzipien in der Regel nicht ausdrücklich in Bezug genommen werden, weil sie vom Grundsatz her ohnehin universell gelten.

So wird aus dem Fehlen einer Regelung zur Anspruchsverjährung in der Gemeinschaftsmarkenverordnung nicht abgeleitet, der Unterlassungsanspruch unterliege der Verjährung nicht, vielmehr wird insoweit auch ohne Verweisung auf § 20 MarkenG zurückgegriffen (Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 125b, Rz. 12). Mit der Gesetzesbegründung zum Markenrechtsänderungsgesetz 1996 kann dies nicht gerechtfertigt werden, da dem nationalen Gesetzgeber bereits die Kompetenz zur Änderung der Gemeinschaftsmarkenverordnung fehlen würde. Vielmehr ist die Verjährbarkeit eines Anspruchs ein allgemeines Rechtsprinzip, weshalb die Verjährung gemeinschaftsrechtlicher Ansprüche nach nationalem Recht mit diesem zu vereinbaren ist (vgl. EuGH, Urteil vom 15. April 2010, C-542/08, Tz. 41).

Zu diesen allgemeinen Rechtsprinzipien gehört der Grundsatz von Treu und Glauben, der auch auf gemeinschaftsrechtliche Ansprüche Anwendung findet (vgl. EuGH, EuWZ 2009, Tz. 29). Hierzu gehört die Zulässigkeit des Einwands rechtsmissbräuchlichen Verhaltens; die missbräuchliche Berufung auf Gemeinschaftsrecht ist nicht gestattet (EuGH, EuWZ 1999, 56 Tz. 20). Deswegen hat es der Europäische Gerichtshof als mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar angesehen, dass die nationalen Gerichte eine Bestimmung des innerstaatlichen Rechts anwenden, um zu prüfen, ob ein sich aus einer Gemeinschaftsbestimmung ergebendes Recht missbräuchlich ausgeübt worden ist (EuGH, EuWZ 1999, 56 Tz. 29).

Dies kann jedoch letztendlich dahinstehen, da die Voraussetzungen der Verwirkung vorliegend nicht erfüllt sind.

Die Verwirkung von Abwehransprüchen setzt im Kennzeichenrecht voraus, dass in Folge eines länger andauernden ungestörten Gebrauchs der angegriffenen Bezeichnung beim Anspruchsgegner ein schutzwürdiger Besitzstand entstanden ist, der ihm nach Treu und Glauben erhalten bleiben soll, weil er auf Grund des Verhaltens des Rechtsinhabers darauf vertrauen konnte, dieser dulde die Verwendung des Zeichens (BGH, GRUR 2008, 1104 Tz. 33 - Haus & Grund II; BGH, GRUR 2004, 783, 784 - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX; Ströbele/Hacker Markengesetz, 9. Aufl., § 21 Rn. 36).

Vorliegend ist jedenfalls die erste Voraussetzung, der länger andauernde ungestörte Gebrauch der angegriffenen Bezeichnung bei der Beklagten, nicht erfüllt. Die Beklagte hat das Zeichen „Honda“ nicht als eigenes, also zur Kennzeichnung ihrer Motorräder gebraucht, sondern als fremdes, auf die Klägerin hinweisendes Kennzeichen verwandt. Damit stellte jede Einfuhr eines mit der Marke „Honda“ versehenen Motorrads in den Europäischen Wirtschaftsraum eine eigene Rechtsverletzung dar. Es handelt sich folglich um eine Vielzahl von Einzelakten, nicht um eine Dauerhandlung. Wiederholte einzelne Störungen können, auch wenn sie gleichartig sind, eine Verwirkung des in Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruchs nicht begründen. Jede neue Einwirkung löst einen neuen Anspruch aus; die für die Beurteilung des Zeitmoments maßgebliche Frist beginnt jeweils neu zu laufen, so dass es an einem Zeitmoment fehlt (BGH, NJW-RR 2006, 235, 236).

Der vorstehend zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die im Übrigen an eine reichsgerichtliche Rechtsprechung anknüpft (JW 1935, 1775), steht der von der Beklagten angeführte Beschluss vom 25. März 2010, V ZR 159/09, (BeckRS 2010, 11495) nicht entgegen. Zentraler Punkt dieses Falles waren nicht die wiederholten Lärm- und Geruchsbelästigungen, sondern die der Zweckbestimmung in der Teilungserklärung widersprechende Nutzung des Ladenlokals als Gaststätte, die als Dauerhandlung zu qualifizieren ist.

Davon, dass der Parallelimport von Markenwaren keine, einem fortwährenden Schutz zugängliche Dauerhandlung darstellt, sondern Einzelaktcharakter hat, ist der Gesetzgeber bei Einführung des Markengesetzes ausgegangen. Im Geltungsbereich des Warenzeichengesetzes galt der Grundsatz der internationalen Erschöpfung des Zeichenrechts (BGH, GRUR 1996, 271, 273 - Gefärbte Jeans). Bis zum 31. Dezember 1994 war die Geschäftspraxis der Beklagten - das Bestehen nationaler Marken/Warenzeichen der Klägerin unterstellt - vollkommen legal. Erst mit Inkrafttreten des Markengesetzes zum 1. Januar 1995 wurde ihr mit dem restriktiven Erschöpfungsgrundsatz aus § 24 Abs. 1 MarkenG der Boden entzogen, mit der Folge, dass der von der Zustimmung der Klägerin nicht gedeckte Import der Motorräder unter ihrer Marke in den Europäischen Wirtschaftsraum gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG für die Zukunft untersagt ist (BGH, GRUR 1996, 271, 274 - Gefärbte Jeans). Der Gesetzgeber sah sich nicht gehindert, den Grundsatz der internationalen Erschöpfung durch eine Beschränkung der Erschöpfung auf den Europäischen Wirtschaftsraum abzulösen (BT-Drucks. 12/6581 S. 81 re. Sp. o.) und Unterlassungsansprüche, welche bisher an einer internationalen Erschöpfung scheiterten, nunmehr gemäß § 14 Abs. 5 i.V. mit § 24 Abs. 1 MarkenG zu gewähren (BGH, GRUR 1996, 271, 274 - Gefärbte Jeans). Eine Übergangsregelung hielt er nicht für erforderlich (BT-Drucks. 12/6581 S. 129 li. Sp. u.). Einen geschützten Besitzstand des etablierten Importeurs hat er somit verneint.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO sowie der Einigung der Parteien zur hälftigen Teilung der auf den zurückgenommen Teil entfallenden Kosten. Eine Vereinbarung der Parteien geht jeder anderen Regelung, auch § 269 Abs. 3 ZPO, vor (BGH, NJW-RR 2004, 1506, 1507). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen, da dies als zur Fortbildung des Rechts geboten erscheint. Zur Frage der Verwirkung von Unterlassungsansprüchen aus Kennzeichenrechten bei sich wiederholenden Parallelimporten sind keine höchstrichterlichen Entscheidungen ergangen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird für die Zeit bis zum 7. Oktober 2010 auf 100.000,00 Euro und für die Zeit ab dem 8. Oktober 2010 auf 70.000,00 Euro festgesetzt.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 30.12.2010
Az: I-20 U 96/09


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