Landgericht Köln:
Urteil vom 19. Januar 2010
Aktenzeichen: 28 O 810/10

(LG Köln: Urteil v. 19.01.2010, Az.: 28 O 810/10)

Tenor

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Verfügungsklägerin auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin ist ein Unternehmen mit Sitz in C, welches sich auf die Dienstleistung des Webdesigns und Hostings solcher Inhalte spezialisiert hat. Für den Vertrieb hat sie mehrere Vertriebsagenturen.

Die Verfügungsbeklagte ist Host-Provider der Internetseite www.anonym2, die sich an Verbraucher in ganz Deutschland richtet. Die Verfügungsbeklagte hat den Speicherplatz für diese Webseite und die darauf befindlichen streitgegenständlichen Inhalte an einen Zwischenhändler vermietet, der seinerseits Kunden die Möglichkeit gibt, Inhalte auf dem Speicherplatz zu veröffentlichen. Der im Impressum der Internetseite www.anonym2 genannte inhaltlich verantwortliche L ist nicht Kunde der Verfügungsbeklagten. Eine E-Mailadresse der Verfügungsbeklagten, ...@..., ist als Kontakt für den Fall des Missbrauchs der Domain angegeben.

Mit Schreiben vom 19.10.2010 teilte der Prozessbevollmächtigte der Verfügungsklägerin der Verfügungsbeklagten mit, dass er von der Verfügungsklägerin wegen eines Videos auf der Internetseite www.anonym2, genauer unter http://www.anonym2 beauftragt sei. In diesem Beitrag werde über die Verfügungsklägerin verbreitet, dass "Alles was in dem Präsentationsgespräch unserer Mandantin gesagt wird, im Grund genommen falsch sei und nicht damit zu tun habe, was sich nachher in den schriftlichen Verträgen befände." Diese Behauptung sei falsch.

Die Verfügungsbeklagte schrieb zurück, dass sie ihren Kunden zur Sperrung des Videos aufgefordert hätten und ihm eine Frist bis zum 21.10.2010, 12 Uhr gesetzt hätte, ehe der Server gesperrt würde.

Die Verfügungsklägerin behauptet, dass auf der Internetseite www.anonym2, genauer unter http://www.anonym2 das Video verbreitet worden sei, welches sie als Anlage AS1 dem Antrag beigefügt hat - auf die insoweit verwiesen wird. Es handelt sich dabei um die Sendung "A" des "B" vom 00.00.0000 und dabei um den Beitrag "Vorwürfe gegen Z". Dieser sei ursprünglich unter dem Link www.anonym1.de verbreitet worden, ohne dass die Verfügungsklägerin dies bemerkt habe. In diesem Beitrag sagt der Prozessbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten etwa ab Minute 2:50:

"Was meine Mandanten ihnen vorwerfen, was auch ich ihnen vorwerfe, nach ja nun mehrjähriger Prüfung dieses Geschäftsmodells, ist die systematische Täuschung der Kunden. Alles, was in dem Präsentationsgespräch gesagt wird, ist im Grund genommen falsch. Es hat nichts damit zu tun, was sich nachher in den schriftlichen Verträgen wieder findet. Eine ganz üble, systematische Geschäftsmasche, um Kunden in Verträge zu binden."

Die Verfügungsklägerin ist der Auffassung, es handle sich bei der beanstandeten Äußerung um eine unwahre Tatsachenbehauptung. Sie behauptet, die Mitarbeiter der Verfügungsklägerin täuschten nicht die potentiellen Kunden, mit denen sie sich in einem Verkaufsgespräch befänden. Es sei falsch, dass alles was in den Verkaufsgesprächen durch die Mitarbeiter der Verfügungsklägerin gesagt werde, falsch sei und nichts mit dem zu tun habe, was man später in den Verträgen wieder finde. Sie stützt ihren Anspruch auch auf das UWG und ist der Auffassung, dass zwischen den Parteien ein Wettbewerbsverhältnis besteht. Sie trägt vor, der Prozessbevollmächtigte der Beklagten sei Vorstand eines unmittelbaren Wettbewerbers der Klägerin, der W AG mit Sitz in O. Die Gesellschaft sei wenigstens potentieller Wettbewerber, da sich aus ihrer Internetseite ergeben, dass sie die Erstellung der vollständigen Webpräsentation von Unternehmen anbiete.

Die Verfügungsklägerin beantragt, nachdem sie den Antrag einmal geändert hat,

der Antragsgegnerin wird verboten, in Bezug auf die von den Vertriebsmitarbeitern der Antragstellerin durchgeführten Vertriebsgespräche durch die Verbreitung der Äußerung:

"Alles, was in dem Präsentationsgespräch gesagt wird, ist im Grund genommen falsch. Es hat nichts damit zu tun, was sich nachher in den schriftlichen Verträgen wieder findet."

den Eindruck zu vermitteln, dass die Vertriebsmitarbeiter der Antragstellerin generell und von der Vertriebs- und Geschäftsleitung der Antragstellerin gewollt hinsichtlich der essentialia negotii eines abzuschließenden Vertrages ihre Vertragspartner dadurch täuschen, dass sie entweder wesentliche Vertragsbestandteile verschweigen oder dass sie hinsichtlich wesentlicher Vertragsbestandteile Angaben machen, die von der später zur Unterschrift überreichten Vertragsurkunde abweichen,

wie geschehen durch die Verbreitung des aus der Anlage AS1 ersichtlichen, des in der Anlage AS 2 beschriebenen und des unter dem Link: http://www.anonym2 nach wie vor einsehbaren Beitrages.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Sie behauptet, dass der aus der Anlage AS1 ersichtliche Beitrag nicht in der vollen Länge auf der angegebenen Internetseite verbreitet wird, insbesondere fehle die Anmoderation des Senders. Vielmehr werde lediglich ein Ausschnitt wiedergegeben, nämlich nur der Bericht der Journalisten als kommentierter Zusammenschnitt verschiedener Interviews. Bei der Äußerung handle es sich um eine Wertung, nämlich eine Schlussfolgerung, die auf ausreichenden Tatsachen basiere. Im Übrigen hafte die Beklagte nicht als Störerin, da sie keine vertraglichen Beziehungen zu den Äußernden habe und zu einer Sperrung der Inhalte nicht berechtigt sei.

Die Beklagte trägt weiter vor, die W AG habe keinerlei Überschneidungen mit dem Geschäftsfeld der Klägerin. Bei der Gesellschaft handle es sich um eine Designagentur mit der Spezialisierung auf hochwertige grafische Visualisierungen, überwiegend in 3D. Internetdesign sei ein Randgeschäft gewesen, das stets an externe Programmierer vergeben worden sei. Eigene Webdesigner habe das Unternehmen nie gehabt. Jedenfalls nehme die Gesellschaft seit 2006 keine Aufträge im Webdesign mehr entgegen. Das Unternehmen beteilige sich lediglich an der Erstellung von Werbetexten, die u.a. in Internetseiten verwendet würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze und die von den Parteien eingereichten Urkunden, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Der zulässige Antrag ist unbegründet. Es fehlt an einem Verfügungsanspruch.

I.

Das Gericht ist örtlich gemäß § 32 ZPO zuständig, da sich die streitgegenständliche Internetseite bundesweit an Adressaten richtet.

II.

1.

Die Verfügungsklägerin ist aktivlegitimiert, da sich die Äußerung unstreitig auf sie bezieht, wie sich aus dem Zusammenhang des streitgegenständlichen Videos auch ergibt. Es kann dahinstehen, ob die Verfügungsbeklagte als Störerin passivlegitimiert ist, da ein Unterlassungsanspruch bereits aus anderen Gründen scheitert.

2.

a.

Die Verfügungsklägerin hat keinen Anspruch gemäß §§ 823, 1004 BGB auf Untersagung der Verbreitung der streitgegenständlichen Textpassage gegen die Verfügungsbeklagte, da diese lediglich eine von der Meinungsfreiheit umfasste Wertung enthält.

Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung findet nach Art. 5 Abs. 2 GG seine Grenze an den allgemeinen Gesetzen, zu denen auch §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB gehören (vgl. BVerfGE 3, 337, 345). Auch Unternehmen genießen Persönlichkeitsschutz, soweit sie in ihrem Tätigkeitsbereich in ihrem sozialen Geltungsanspruch als Wirtschaftsunternehmen betroffen werden (Hans.OLG, Urt. v. 10.04.2007, Az. 7 U 143/06, LG C, Urt. v. 14.05.2009, Az. 27 O 250/09) Auf das durch diese Vorschriften geschützte Unternehmerpersönlichkeitsrecht gewährleistet u.a. den Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen des Unternehmens, insbesondere ihr Bild in der Öffentlichkeit auszuwirken. Dies ist bei der angegriffenen Berichterstattung insofern der Fall, als die Äußerung, der Inhalt von Präsentationsgesprächen sei falsch und habe nichts mit dem Inhalt der schriftlichen Verträge zu tun, geeignet ist, sich negativ auf das Bild der Antragstellerin in der Öffentlichkeit auszuwirken, weil es als gute kaufmännische Praxis gesehen wird, dass mündliche Präsentation und schriftliche Vereinbarung übereinstimmen.

Um die Zulässigkeit der angegriffenen Äußerung zu beurteilen, sind die betroffenen Interessen gegeneinander abzuwägen, wobei alle wesentlichen Umstände und die betroffenen Grundrechte interpretationsleitend zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfG, NJW 2008, 358, 359; BVerfGE 114, 339, 348 m.w.N.).

Auch wenn sich wertende und tatsächliche Elemente in einer Äußerung so vermengen, dass diese insgesamt als Werturteil anzusehen ist, kann die Richtigkeit der tatsächlichen Bestandteile im Rahmen dieser Abwägung eine Rolle spielen. Enthält die Meinungsäußerung erwiesen falsche oder bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen, so wird regelmäßig das Grundrecht der Meinungsfreiheit hinter dem durch das grundrechtsbeschränkende Gesetz geschützten Rechtsgut zurücktreten (vgl. BVerfGE 85, 1, 17, 20 f.; 90, 241, 248 f.; BGH, Urt. v. 11.03.2008, Az. VI ZR 189/06, Rz. 18). Jedenfalls fällt die Richtigkeit des tatsächlichen Äußerungsgehalts, der dem Werturteil zu Grunde liegt, regelmäßig bei der Abwägung ins Gewicht (vgl. BVerfGE 94, 1, 8; BVerfG, NJW 2008, 358, 359; vgl. auch BVerfG, NJW 2003, 1856, 1857; NJW 2004, 277, 278; NJW-RR 2006, 1130, 1131; BGH aaO). Anders liegt es jedoch, wenn der tatsächliche Gehalt der Äußerung so substanzarm ist, dass er gegenüber der subjektiven Wertung in den Hintergrund tritt. Wenn sich einer Äußerung die Behauptung einer konkret greifbaren Tatsache nicht entnehmen lässt und sie ein bloß pauschales Urteil enthält, tritt der tatsächliche Gehalt gegenüber der Wertung zurück und beeinflusst die Abwägung nicht (vgl. BVerfGE 61, 1, 9 f.; BVerfGE 3, 337, 344; BVerfG, NJW-RR 2001, 411).

Davon ist hier auszugehen. Die Einrahmung der Behauptung "Alles, was ... gesagt wird ist im Grund genommen falsch." ist denkbar weit. Es wird jedem aufmerksamen Betrachter deutlich, dass damit keine konkrete, dem Beweis zugängliche Tatsache mehr behauptet, sondern vielmehr eine zugespitzte Wertung getroffen wird. Zudem macht die Bezugnahme auf ein Präsentationsgespräch ("dem Präsentationsgespräch") deutlich, dass hier eine ganz pauschale Wertung getroffen wird. Denn aus dem Kontext geht hervor und hier ist auch unstreitig, dass es eine Vielzahl von Präsentationsgesprächen gibt, von denen mit der Äußerung jedoch nicht etwa ein konkretes Gespräch gemeint ist, sondern alle Gespräche. Zudem wird die Aussage noch mit einem deutlich wertenden Begriff relativiert, nämlich "im Grunde genommen". Damit ist nicht nur nicht feststellbar, auf welche Äußerungen in welchen Gesprächen sich die Äußerung konkret bezieht, es wird auch auf die Wertung verwiesen, was "unter im Grunde genommen falsch" zu verstehen ist.

Ebenso verhält es sich mit dem zweiten Satz der Äußerung "Es hat nichts damit zu tun, was sich nachher in den schriftlichen Verträgen wieder findet." Auch insoweit ist die Formulierung denkbar weit ("nichts damit zu tun") und bezieht sich - bei der hohen denkbaren Zahl an Gesprächen und Verträgen - auf keinen konkreten Verträge ("den schriftlichen Verträgen") und keine konkreten Gespräche oder Gesprächsinhalte ("Es"). Die Formulierung ist zudem zeitlich und inhaltlich unbeschränkt.

Die Bewertung der Verfügungsbeklagten beruht nicht auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage. Sie hat mit den mit Schriftsatz vom 13.12.2010 eingereichten Unterlagen, insbesondere den eidesstattlichen Versicherungen der Zeuginnen Q und F glaubhaft gemacht, dass die Verfügungsklägerin über die kostenlose Erstellung einer Internetseite planmäßig einen besonders günstigen Internetauftritt verspricht, der sich auf Grund der laufenden Kosten -deren Höhe nicht deutliche gemacht wird- als den üblichen Preisen entsprechend darstellt. Durch den bewusst hergestellten zeitlichen Druck wird der Interessent daran gehindert, sich die tatsächlichen Kosten selbst vor Unterzeichnung auszurechnen.

b.

Die Verfügungsklägerin kann ihren Antrag auch nicht mit Erfolg auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche stützen. Die streitgegenständliche Äußerung wurde nicht unter Mitbewerbern abgegeben und verstößt daher insbesondere nicht gegen § 4 Nr. 7 UWG. Mangels Rechtsverletzung kommt eine Störerhaftung der Beklagten auch insoweit bereits nicht in Betracht.

Der Äußernde, der Prozessbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten, steht nicht in einem Wettbewerbsverhältnis zur Klägerin. Die Verfügungsklägerin hat auf das substantiierte Bestreiten der Verfügungsbeklagten nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen ihr und der W AG besteht. Allein aus der Werbeaussage auf der Internetseite der W AG "Wir erstellen die vollständige Webpräsentation ihres Unternehmens oder ihrer Produkte und Dienstleistungen unter Einbindung von 3D-Grafiken und Filmen" ergibt sich nicht, dass die W AG mit der Verfügungsklägerin als Anbieterin von Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht, mithin Mitbewerberin im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG ist. Zwar kann Mitbewerber i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 auch ein Unternehmen sein, das sich erst anschickt, auf einem bestimmten Markt tätig zu werden, und somit nur potenzieller Mitbewerber ist. Allerdings reicht die bloß abstrakte Möglichkeit eines Marktzutritts nicht aus, vielmehr muss die konkrete Möglichkeit eines Marktzutritts bestehen (Köhler/Bornkamp-Köhler, § 2 UWG, Rz. 96f). Eine solche ist jedoch weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht.

Es wird von der Klägerin auch nicht etwa vorgetragen, dass derjenige, der den Beitrag auf der streitgegenständlichen Internetseite eingestellt hat, zur Klägerin in einem Wettbewerbsverhältnis steht.

Schließlich hat die Verfügungsbeklagte auch nach dem Vortrag der Verfügungsklägerin die streitgegenständlichen Äußerungen nicht veranlasst. Sie steht unstreitig nicht einmal mit dem gemäß Impressum der Webseite Verantwortlichen in vertraglichen Beziehungen. Ihre für die Äußerung ursächliche Leistung beschränkt sich unstreitig auf die neutrale Tätigkeit der Zurverfügungstellung von Speicherplatz für den Betrieb von Internetseiten.

Unbeachtlich ist dann, ob zwischen der Beklagten und der Klägerin ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht. Denn als Täterin einer Verletzung des § 4 Nr. 7 UWG kommt sie, wie dargestellt, nicht in Betracht. Als Störerin müsste die Beklagte auf die Unterlassung nur im Falle einer Rechtsverletzung durch die Äußerung haften. Eine solche Rechtsverletzung durch die Äußerung liegt jedoch weder äußerungsrechtlich noch wettbewerbsrechtlich vor.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 6, 711 ZPO.

Streitwert: bis 09.11.2010 25.000 EUR, danach 15.000 EUR






LG Köln:
Urteil v. 19.01.2010
Az: 28 O 810/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/a092ada5ff74/LG-Koeln_Urteil_vom_19-Januar-2010_Az_28-O-810-10




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