Bundespatentgericht:
Beschluss vom 31. Januar 2005
Aktenzeichen: 9 W (pat) 7/03

(BPatG: Beschluss v. 31.01.2005, Az.: 9 W (pat) 7/03)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 9, Beschreibung Seiten 1, 2, 2a, 3 und 4, jeweils eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 31. Januar 2005.

Gründe

I.

Die Patentabteilung 51 des Deutschen Patent- und Markenamts hat nach Prüfung des Einspruchs das am 18. Mai 1990 angemeldete Patent mit der Bezeichnung

"Sicherungsvorrichtung für den Betrieb eines Kraftfahrzeugs"

durch Beschluss vom 17. September 2002 widerrufen, weil der Patentgegenstand gegenüber der JP 61-44 057 A nicht neu sei. Im Verfahren befinden sich auch noch folgende Druckschriften:

DE 36 05 229 A1, DE 34 38 540 A1, DE 35 44 934 C2, DE 33 08 803 A1, FR 26 52 677 A1, FR 26 24 076 A1, GB 22 33 487 A1, GB 21 87 794 A1, US 4 866 296, US 4 805 722, US 4 023 138, US 4 315 160, US 4 371 052, US 4 958 084, EP 03 19 428 A1, EP 02 42 099 A2 und JP 61-150853 A.

Gegen den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin. Sie verteidigt das Streitpatent in beschränktem Umfang und meint, die nunmehr beanspruchte Sicherungsvorrichtung sei neu und durch den Stand der Technik nicht nahegelegt.

Mit Eingabe vom 27. Januar 2005 hat sie die Teilung des Patents erklärt.

Sie beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1 bis 9, Beschreibung Seiten 1, 2, 2a, 3 und 4, jeweils eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 31. Januar 2005.

Die Einsprechenden beantragen übereinstimmend, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Einsprechende I bestreitet die Ausführbarkeit der beanspruchten Sicherungsvorrichtung, weil nicht erkennbar sei, ob mit den Worten "kurz vor ihrer Wirksamschaltung" eine absolute oder eine relative Größe gemeint sei. Abgesehen davon erachtet sie das Beanspruchte durch eine Zusammenschau der JP 61-44 057 A mit der GB 21 87 794 A1 als nahegelegt.

Für die Einsprechende II ist die beanspruchte Sicherungsvorrichtung durch die JP 61-44 057 A iVm dem Wissen eines einschlägigen Durchschnittsfachmannes nahegelegt.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

Sicherungsvorrichtung für den Betrieb eines Kraftfahrzeugs durch den berechtigten Benutzer mit einer Betriebssperre, die selbsttätig bei Eintritt einer vorgegebenen Benutzungsbedingung wirksam schaltbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Betriebssperre nur innerhalb eines zeitlichen und/oder räumlichen Toleranzbandes und nur kurz vor ihrer Wirksamschaltung aufhebbar ist.

An ihn schließen sich die rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 9 als Unteransprüche an.

II.

Die Beschwerde ist zulässig; in der Sache hat sie Erfolg in dem sich aus der Beschlussformel ergebenden Umfang.

1. Die Patentansprüche 1 bis 9 sind unbestritten zulässig, sie ergeben sich ohne weiteres aus dem Streitpatent sowie den Ursprungsunterlagen.

2. Das Streitpatent vermittelt eine so hinreichend klare Lehre, dass ein Fachmann sie ausführen kann, PatG § 21 (2). Als Durchschnittsfachmann setzt der Senat einen mit der Entwicklung von Sicherungsvorrichtungen bei einem Kfz-Hersteller oder -Zulieferer befassten Ingenieur voraus. Dieser wird durch den Patentanspruch 1 insbesondere dazu aufgefordert, bei einer gattungsgemäßen Sicherungsvorrichtung eine Möglichkeit vorzusehen, die Betriebssperre nur kurz vor ihrer Wirksamschaltung aufzuheben. Aus seinem Fachwissen ist ihm geläufig, dass die Aufhebung der Betriebssperre zBsp durch Eingabe eines Codes, einen Identifizierungskarte oder auf vergleichbare Weise erfolgen kann. Die Beschreibung der Streitpatentschrift konkretisiert zudem, dass mit den Worten "nur kurz vor ihrer Wirksamschaltung" entweder eine Zeitdauer von z.Bsp. 2 Minuten vor und/oder eine Entfernung von z.Bsp. 2 km vor Eintritt der Betriebssperre gemeint sind, vgl insb Sp 1 Z 47 bis 54. Diese Zeitdauer bzw diese Entfernung ist in der Streitpatentschrift auch als (kurzes) Toleranzband bezeichnet, vgl insb Sp 1 letzter Abs. Es liegt im Ermessen des Fachmannes, abhängig von der gesamten Benutzungsdauer bzw von der insgesamt zurückgelegten Entfernung ein ihm geeignet erscheinendes solches Toleranzband festzulegen.

3. Nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten und des Senats kommt dem Streitgegenstand am nächsten die Diebstahlsicherungsvorrichtung gemäß der JP 61-44 057 A. Bei dieser Vorrichtung gibt ein berechtigter Benutzer dem Kraftfahrzeug in einem ersten Schritt über eine Tastatur oder durch Spracheingabe eine Benutzungsbedingung dergestalt vor, dass er einen erlaubten Bereich definiert, vgl insb S 6 letzter Abs bis S 7 erster Abs der englischen Übersetzung. Dies kann beispielsweise ein bestimmter Bereich um eine Privatwohnung herum sein oder ein mehrere hundert Meter breiter Korridor entlang einer bestimmten Transportroute usw, vgl insb S 7 Abs 1 aaO. Gleichfalls möglich ist die Eingabe eines erlaubten Nutzungsbereiches und die anschließende Entfernung der Eingabemöglichkeit, vgl insb S 10 Abs 2 aaO. Verlässt das Kraftfahrzeug den erlaubten Bereich, zBsp weil es gestohlen wurde, wird dies durch Vergleich mit einer GPS gestützten Positionserkennungsvorrichtung im Fahrzeug festgestellt, vgl insb S 4 Abs 2 aaO. In diesem Fall schaltet sich selbsttätig eine Betriebssperre ein, zBsp indem die Treibstoff- oder Luftzufuhr zum Motor beschränkt wird, die Zündung unterbrochen wird, optische/akustische Signale abgegeben werden u.ä., vgl insb S 6 Abs 3 bis 4 aaO.

Bezüglich einer eingeschränkt möglichen Aufhebung der Betriebssperre vor ihrer Wirksamschaltung, wie sie nunmehr Gegenstand des Streitpatents ist, enthält die Druckschrift keine Angaben. Für den eingangs definierten Durchschnittsfachmann ergibt sich entsprechend der Gesamtoffenbarung der Druckschrift ohne weiteres, dass der berechtigte Benutzer die Benutzungsbedingung über die Tastatur oder durch Spracheingabe jederzeit unbeschränkt ändern kann. Für den ebenfalls offenbarten Fall der einmaligen Bereichsvorgabe und anschließenden Entfernung der Eingabemöglichkeit besteht hingegen keine Möglichkeit mehr, die Betriebssperre vor ihrer Wirksamschaltung aufzuheben. Damit vermittelt diese Druckschrift keinen Hinweis auf die nunmehr beanspruchte spezielle Lösung.

Aus der GB 21 87 794 A1 ist ein versteckter Schalter bekannt, mit dem eine Betriebssperre zeitverzögert eingeschaltet werden kann, vgl insb S 1 Z 109 bis 116. Es liegt auf der Hand, dass eine derartige Einschaltmöglichkeit übertragen auf die Betriebssperre gemäß der JP 61-44 057 A nicht zu der beanspruchten eingeschränkt möglichen Aufhebung der Betriebssperre führen kann. Die Einsprechende I kommt zu ihrer gegenteiligen Auffassung daher offensichtlich nur in Kenntnis des Beanspruchten und damit in patentrechtlich unzulässiger Weise.

Die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften führen ebenfalls nicht zum Beanspruchten, weder für sich noch in einer beliebigen Zusammenschau mit dem vorstehend genannten Stand der Technik. Diese Druckschriften offenbaren nämlich nur einfache Schalter zur Betriebsstoff- oder Zündunterbrechung, manuelle Zündschalter, fernsteuerbare Anlassstromunterbrecher, versteckte Knöpfe sowie Transponder mit oder ohne verschlüsselten Signalen u.ä.. Sie sind deshalb von untergeordneter Bedeutung, insbesondere im Hinblick auf den beschränkt verteidigten Patentanspruch 1. Von den Einsprechenden sind diese Druckschriften im Beschwerdeverfahren zu recht nicht mehr aufgegriffen worden.

Wie vorstehend aufgezeigt, war die spezielle Art der eingeschränkt möglichen Aufhebung der Betriebssperre vor ihrer Wirksamschaltung durch die Kenntnis des in Betracht gezogenen Standes der Technik am Anmeldetag nicht zu erreichen. Da sie sich auch unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens des Durchschnittsfachmannes nicht ohne weiteres ergibt, beruht sie auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Mithin ist der geltende Patentanspruch 1 bestandsfähig.

Dies gilt ebenso für die darauf zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 9, die konkrete Weiterbildungen der Sicherheitsvorrichtung nach dem Patentanspruch 1 beinhalten.

Petzold Dr. Fuchs-Wissemann Bork Bülskämper Bb






BPatG:
Beschluss v. 31.01.2005
Az: 9 W (pat) 7/03


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