Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg:
Beschluss vom 26. Juli 2010
Aktenzeichen: OVG 1 K 60.09

(OVG Berlin-Brandenburg: Beschluss v. 26.07.2010, Az.: OVG 1 K 60.09)

Tenor

Die Beschwerde der Erinnerungsführerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

Die Erinnerungsführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Rechtsanwaltskosten in folgender Angelegenheit: Die Erinnerungsführerin war Klägerin des Ausgangsverfahrens VG 2 A 28.07; sie wandte sich gegen einen im Zusammenhang mit der staatlichen Parteienfinanzierung stehenden Widerrufs- und Rückforderungsbescheid des Präsidenten des Deutschen Bundestages über einen Betrag von 869.353,89 Euro. Der Erinnerungsgegner war Liquidator und als solcher Verfahrensbevollmächtigter einer der zu dem Verfahren beigeladenen 17 Parteien, hier der zu 13. beigeladen gewesenen Partei P.. Der Erinnerungsgegner nahm an der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht teil und stellte für die Beigeladene zu 13. - als einzige der beigeladen gewesenen 17 Parteien € einen eigenen Antrag. Mit Urteil vom 20. Mai 2008 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab und legte der Klägerin bzw. jetzigen Erinnerungsführerin die Kosten des Verfahrens auf, und zwar einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 13. und mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der übrigen Beigeladenen, die diese selbst zu tragen hatten. Den Streitwert setzte es mit Beschluss vom 4. Juni 2008 (einheitlich) auf 869.353,89 Euro fest.

Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 13. August 2008 bat der Erinnerungsgegner für die damalige Beigeladene zu 13. um Festsetzung außergerichtlicher Kosten in Höhe von 12.728,24 Euro, und zwar ausgehend von dem festgesetzten Streitwert von 869.353,89 Euro. Dem trat die Erinnerungsführerin mit dem sinngemäßen Vorbringen entgegen, dass das Interesse der seinerzeitigen Beigeladenen zu 13. nicht dem (gesamten) streitgegenständlichen Rückforderungsbetrag entsprechen könne, sondern nur dem Betrag, der hiervon gegebenenfalls später durch die Bundestagsverwaltung anteilig - neben entsprechenden Zahlungen an die 16 übrigen Beigeladenen - an die Beigeladene zu 13. auszukehren sei. Den zugleich gestellten, hierauf bezogenen Antrag der Erinnerungsführerin auf gesonderte Wertfestsetzung des Interesses der Beigeladenen zu 13. lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 29. Januar 2009 ab. Hierauf setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit dem hier angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3. Februar 2009 die von der Erinnerungsführerin an den Erinnerungsgegner bzw. die seinerzeitige Beigeladene zu 13. zu erstattenden Kosten € ausgehend von dem Streitwert von 869.353,89 Euro € auf 12.719,31 Euro fest. Am 19. Februar 2009 erhob die Erinnerungsführerin gegen den die gesonderte Wertfestsetzung ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 29. Januar 2009 Beschwerde und legte gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3. Februar 2009 unter dem gleichen Datum Erinnerung ein. Die Beschwerde wies das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss vom 8. Mai 2009 zurück (OVG 3 L 15.09). Die Erinnerung hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 24. Juni 2009 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Erinnerungsgegner dürfe als Liquidator auch Rechtsanwaltskosten nach Maßgabe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes geltend machen, und die Streitwertfestsetzung für die Gebührenbemessung sei im Kostenerstattungsverfahren bindend. Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 8. Mai 2009 hatte die Erinnerungsführerin Verfassungsbeschwerde erhoben, über die das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 30. Juli 2009 entschieden und die es nicht zur Entscheidung angenommen hat (Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom genannten Tage - 2 BvR 1274/09 -). Es hat die Verfassungsbeschwerde wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Subsidiarität für unzulässig erachtet, weil die Erinnerungsführerin noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft habe, einer möglichen Verletzung ihrer Grundrechte auf fachgerichtlichem Wege vorzubeugen; so seien noch ein Verfahren auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 20. Mai 2008 sowie das Verfahren gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss anhängig.

Durch zwischenzeitlich ergangenen Beschluss vom 15. Juni 2010 hat das Oberverwaltungsgericht den vorerwähnten Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 20. Mai 2008 abgelehnt (OVG 3 N 107.08).

II.

Die gemäß §§ 146 Abs. 1 und 3, 147 VwGO zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 24. Juni 2009 bleibt ohne Erfolg. Der Erinnerungsgegner bzw. die seinerzeitige Beigeladene zu 13. hat im Ausgangsverfahren VG 2 A 28.07 dem Grunde nach einen Anspruch auf Erstattung der durch die Prozessvertretung entstandenen Gebühren und Auslagen nach Maßgabe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes erworben (s. dazu unter 1.). Die Gebühren waren dabei auch nach dem erstinstanzlich festgesetzten Streitwert von 869.353,89 Euro zu bemessen (dazu unter 2.). Im Einzelnen:

1. Aufgrund des Kostenausspruchs im Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 20. Mai 2008, das zwischenzeitlich - nach Ablehnung des dagegen gerichteten Antrags auf Zulassung der Berufung durch Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 15. Juni 2010 € unanfechtbar geworden ist, hat die Erinnerungsführerin (auch) die außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsgegners bzw. der damaligen Beigeladenen zu 13. zu tragen. Erstattungsfähig im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sind gem. § 162 Abs. 1 VwGO u.a. die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Hiernach hat der Erinnerungsgegner - unbeschadet seiner Ende 2007 vorgenommenen Bestellung als Liquidator der damaligen Beigeladenen zu 13. - in seinem Kostenfestsetzungsantrag vom 13. August 2008 für die Wahrnehmung ihrer Prozessvertretung vor dem Verwaltungsgericht zu Recht Gebühren und Auslagen nach Maßgabe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) in Ansatz gebracht. Der Bundesgerichtshof hat die Maßstäbe, nach denen ein Liquidator, der zugleich Rechtsanwalt ist, unbeschadet der ihm als Liquidator zustehenden Vergütung Sonderansprüche nach anwaltlichem Gebührenrecht - insoweit noch nach der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung - geltend machen kann, überzeugend wie folgt formuliert:

€2. Der Kläger verlangt eine Vergütung nach der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO); dieses Begehren ist nach der gesetzlichen Regelung gerechtfertigt.

a) Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 BRAGO gilt dieses Gesetz nicht, wenn der Rechtsanwalt als Vormund, Betreuer, Pfleger, Testamentsvollstrecker, Konkursverwalter, Vergleichsverwalter, Mitglied des Gläubigerausschusses oder Gläubigerbeirats, Nachlaßverwalter, Zwangsverwalter, Treuhänder, Schiedsrichter oder in ähnlicher Stellung tätig wird. Dies beruht im wesentlichen auf der gesetzgeberischen Erwägung, daß es sich bei den hier genannten Aufgaben um Tätigkeiten handelt, die entweder ehrenamtlich erfolgen, in erheblichem Umfang auch Nicht-Rechtsanwälten übertragen werden oder nicht im Auftrag einer Partei oder in deren Interesse übernommen werden. Ihnen fehlt daher in dem einen oder anderen Aspekt ein typisches Merkmal anwaltlicher Berufsausübung. Die Tätigkeit als Liquidator ist eine "ähnliche Stellung" im Sinne dieser Vorschrift (OLG Hamburg MDR 1973, 54, 55; Madert in: Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO 13. Aufl. § 1 Rdnr. 37); denn sie ist mit der Aufgabe eines Konkursverwalters vergleichbar. Nach § 70 GmbHG soll der Liquidator die Geschäfte beendigen, die Verpflichtungen der aufgelösten Gesellschaft erfüllen, deren Forderungen einziehen und das Vermögen der Gesellschaft in Geld umsetzen. Die diese Aufgaben umfassende Tätigkeit wird ebenfalls in nicht unerheblichem Umfang Personen übertragen, die keine Rechtsanwälte sind, und kommt auch den Interessen Dritter, insbesondere den Gesellschaftsgläubigern, zugute.

b) Trotzdem kann der Anwalt für die Wahrnehmung bestimmter Einzelaufgaben im Rahmen der genannten Tätigkeiten Honoraransprüche nach anwaltlichem Gebührenrecht geltend machen. Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 BRAGO bleibt die Vorschrift des § 1835 BGB unberührt. Nach dieser Norm kann der Vormund Ersatz seiner Aufwendungen verlangen; als solche gelten gemäß Absatz 3 auch Dienste, die zu seinem Gewerbe oder Beruf gehören. Der in dieser Bestimmung enthaltene Rechtsgedanke ist auf die übrigen von § 1 Abs. 2 Satz 1 BRAGO erfaßten Tätigkeiten sinngemäß zu übertragen (Eickmann, Vergütungsverordnung 2. Aufl. vor § 1 Rdnr. 19 f; Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 85 Rdnr. 11; Siegmann in: MK-BGB 3. Aufl. § 1987 Rdnr. 3; Steiner/Hagemann, Zwangsvollstreckung und Zwangsverwaltung 9. Aufl. § 153 Rdnr. 59). Daher kann der Rechtsanwalt als Insolvenzverwalter zusätzliche Gebühren nach der BRAGO in Rechnung stellen, wenn er in seiner amtlichen Tätigkeit eine Aufgabe wahrgenommen hat, die besonderer rechtlicher Fähigkeiten bedurfte und daher von einem Verwalter, der nicht selbst Volljurist ist, bei sachgerechter Arbeitsweise in der Regel einem Rechtsanwalt hätte übertragen werden müssen. Dabei macht es grundsätzlich keinen Unterschied, ob es sich um eine gerichtliche oder eine außergerichtliche Tätigkeit gehandelt hat (Delhaes, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch § 120 Rdnr. 28 ff; Eickmann, aaO vor § 1 Rdnr. 22 a, 23; Kilger/Karsten Schmidt, Insolvenzgesetze 17. Aufl. § 85 KO Anm. 2 a; Kuhn/Uhlenbruck, aaO § 85 Rdnr. 11 - 12 a; Madert, aaO Rdnr. 22; BFH NJW 1965, 2271, 2272; OLG Köln KTS 1977, 56, 59; LG Dresden ZIP 1995, 1035, 1036; vgl. auch BGHZ 55, 101, 102). Diese Grundsätze gelten sinngemäß ebenfalls für einen Liquidator.

Bei Prüfung der Frage, ob dem Anwalt als Konkursverwalter oder Liquidator eine Sondervergütung analog § 1 Abs. 2 Satz 2 BRAGO in Verbindung mit § 1835 Abs. 3 BGB zusteht, sind allerdings strenge Maßstäbe anzulegen. Jede derartige Verwaltung ist schon ihrer Natur nach mit zahlreichen Rechtshandlungen verbunden. Auch eine Person ohne rechtswissenschaftliche Ausbildung, die eine solche Tätigkeit übernommen hat, muß daher grundsätzlich in der Lage sein, entsprechende Aufgaben, die keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten aufweisen, ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts zu bewältigen. Alles dies ist durch die nicht nach den Regeln der BRAGO geschuldete Vergütung abgegolten. Der als Verwalter oder Liquidator tätige Rechtsanwalt kann daher für rechtliche Aufgaben, die eine geschäftserfahrene Person üblicherweise ohne fremden Beistand erledigt, kein über diese Vergütung hinausgehendes Honorar verlangen€ (BGH, Urteil vom 17. September 1998 € IX ZR 237/97 -, BGHZ 139, 309, 311-313).

Nach diesen Maßstäben, die auch für das insoweit unverändert gebliebene Rechtsanwaltsvergütungsgesetz gelten (vgl. § 1 Abs. 2 RVG sowie insb. Satz 2 dieser Vorschrift, wonach § 1835 Abs. 3 BGB unberührt bleibt), steht dem Erinnerungsgegner die geltend gemachte (Sonder-)Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zu. Die Vertretung der seinerzeitigen Beigeladenen zu 13. in der Verwaltungsstreitsache VG 2 A 28.07 hätte auch von einem Liquidator, der nicht Volljurist ist, bei sachgerechter Arbeitsweise einem Rechtsanwalt übertragen werden müssen bzw. hätte von einer lediglich geschäftserfahrenen Person ohne fremden (rechtlichen) Beistand nicht sachgerecht erledigt werden können. In dem genannten Rechtsstreit, der mit einem 24-seitigen Urteil abgeschlossen worden war, ging es um offensichtlich - selbst für einen mit dem öffentlichen Recht vertrauten Rechtsanwalt - schwierige Fragen der staatlichen Parteienfinanzierung und der Anwendung und Auslegung u.a. des Parteiengesetzes, die für einen Verfahrensbeteiligten ohne anwaltliche Unterstützung sachgerecht nicht zu bewältigen waren.

Soweit die Beschwerde demgegenüber geltend macht, es gebe beim Verwaltungsgericht keinen Anwaltszwang, es habe sich ferner um einen Rechtsstreit zwischen der Erinnerungsführerin und der Bundestagsverwaltung (und nicht der damaligen Beigeladenen zu 13.) gehandelt und die damalige Beigeladene zu 13. hätte auch im Hinblick auf die dies auslösende Kostenfolge keinen Anwalt beauftragen dürfen bzw. dürfe von daher jetzt auch keine Anwaltskosten ihres Liquidators abrechnen, greift all das nicht durch. Der fehlende Anwaltszwang ändert nichts daran, dass sich ein Beteiligter vor dem Verwaltungsgericht in jeder Lage des Verfahrens durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen kann (vgl. § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Damit soll es den Beteiligten ermöglicht werden, den Verwaltungsrechtsschutz wirksamer zu gestalten (s. nur Beschluss des Senats vom 19. März 2010 € OVG 1 K 8.10 -, S. 4 des Entscheidungsabdrucks), und auch deswegen sind, worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat, gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO im Gerichtsverfahren die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig, also kraft Gesetzes als notwendig anzusehen. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei dem Beteiligten, der sich - wie hier der Sache nach - eines Rechtsanwalts bedient, nicht um den Hauptbeteiligten eines Verwaltungsrechtsstreits, sondern lediglich um einen Beigeladenen handelt; denn die Beiladung soll gerade seinen Interessen dienen, und wiewohl er nicht Hauptbeteiligter ist, wird die Rechtskraft der das Verfahren beendenden Entscheidung gemäß § 121 VwGO auch auf ihn erstreckt (vgl. dazu etwa Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 65 VwGO, Rdn. 19 ff.). Soweit sich die Beschwerde im Übrigen gegen die Beiladung als solche richtet, ist diese gem. § 65 Abs. 4 Satz 3 VwGO unanfechtbar und hier im Übrigen auch in der Rechtsmittelinstanz (OVG 3 N 107.08) nicht beanstandet worden.

Die Auffassung der Beschwerde schließlich, die seinerzeitige Beigeladene zu 13. hätte im Hinblick auf ihre bloße Stellung als Beigeladene und gerade mit Blick auf die dies auslösende Kostenfolge keinen Anwalt beauftragen dürfen bzw. dürfe von daher jetzt auch keine Anwaltskosten ihres Liquidators abrechnen, vermag auch unter Berücksichtigung des Umstandes nicht zu verfangen, dass sich mit Ausnahme der damaligen Beigeladenen zu 17. - die freilich im Termin vor dem Verwaltungsgericht keinen Antrag gestellt hatte - die übrigen seinerzeitigen Beigeladenen anwaltlich nicht haben vertreten lassen. Wie ausgeführt, sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts - auch die des Beigeladenen - im Gerichtsverfahren gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO stets erstattungsfähig. Mit Rücksicht auf diese Regelung sind in der Rechtsprechung Ausnahmen zutreffend nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, nämlich dann anerkannt worden, wenn das entsprechende Erstattungsverlangen des obsiegenden Prozessbeteiligten unter Berücksichtigung des gegenseitigen Prozessrechtsverhältnisses als treuwidrig angesehen werden musste. Der eine Ausnahme rechtfertigende Verstoß gegen Treu und Glauben ist nach einer Formulierung des OLG Hamm (NJW 1970, 2217) dann anzunehmen, wenn die anwaltliche Vertretung für die Partei offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan ist, dem Gegner Kosten zu verursachen. Auf der Grundlage dieser Formel hat die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung eine Kostenerstattungspflicht ausnahmsweise verneint, wenn eine Behörde oder juristische Person des öffentlichen Rechts auf eine ersichtlich unzulässige oder aus sonstigen Gründen offensichtlich aussichtslose Klage mit anwaltlicher Hilfe reagiert hat (OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2004, 155 f.; OVG Berlin, NVwZ-RR 2001, 613 m.w.N. [Klage gegen ZVS-Bescheid]; VGH Mannheim, Beschluss vom 29. November 2004 - NC 9 S 411.04 - m.w.N. [Vertretungsanzeige nach unstreitiger Hauptsachenerledigung], juris) oder etwa bei der Beauftragung des Bevollmächtigten zu erkennen war, dass das Verfahren bereits beendet war und es deshalb keiner anwaltlichen Vertretung mehr bedurfte (Beschluss des Senats vom 12. Juni 2008 - OVG 1 K 94.07 -, S. 3 des Entscheidungsabdrucks; zum Ganzen zuletzt Beschluss des Senats vom 19. März 2010 € OVG 1 K 8.10 -, S. 4 f. des Entscheidungsabdrucks). Davon, dass das Erstattungsverlangen des Erinnerungsgegners hier treuwidrig wäre bzw. seine Tätigkeit als Rechtsanwalt für die seinerzeitige Beigeladene zu 13. etwa offensichtlich nutzlos bzw. objektiv nur als dazu angetan angesehen werden kann, dem Gegner Kosten zu verursachen, kann hier nicht gesprochen werden. Hält wie hier das Verwaltungsgericht eine Beiladung der in die staatliche Parteienfinanzierung eingebundenen übrigen Parteien für geboten oder für sachgerecht, kann es nicht als treuwidrig bezeichnet werden, wenn sich eine solche Partei unter Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe am Verfahren beteiligt.

2. Die danach erstattungsfähigen Gebühren hat die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts zu Recht auch nach dem mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 4. Juni 2008 für das Verfahren festgesetzten Streitwert von 869.353,89 Euro bemessen. Dieser Streitwert ist maßgeblich geblieben, nachdem das Verwaltungsgericht den Antrag der Erinnerungsführerin vom 26. November 2008 auf (gesonderte) Festsetzung des Wertes der anwaltlichen Tätigkeit (§ 33 Abs. 1 RVG) des Erinnerungsgegners für die damalige Beigeladene zu 13. mit Beschluss vom 29. Januar 2009 (VG 2 A 28.07), bestätigt durch Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 8. Mai 2009 (OVG 3 L 15.09), abgelehnt hatte. Wird - wie vorliegend geschehen - der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert gerichtlich festgesetzt, ist gemäß § 32 Abs. 1 RVG die Festsetzung auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle ist deswegen, soweit eine gerichtliche Streitwertfestsetzung vorliegt, bei der Berechnung der Anwaltsgebühren an diese gebunden (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 22. Oktober 1951 € I B 529/51 -, OVGE 5, 134, 135; Bayerischer VGH, Beschluss vom 3. November 1976 € Nr. 1 XIV 70 -, BayVBl. 1977, S. 59; s. ferner etwa Olbertz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Std. September 1998, § 164 VwGO, Rdn. 4); er darf die erstattungsfähigen Gebühren nicht nach einer anderen eigenen Wertermittlung festsetzen (vgl. Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 164 VwGO, Rdn. 16). Soweit nach den Ausführungen des von der Erinnerungsführerin erwirkten Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juli 2009 eine Ausnahme von diesen Grundsätzen zu erwägen sein sollte, liegen die dafür von ihm aufgestellten Voraussetzungen hier jedenfalls nicht vor. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem genannten Beschluss u.a. wie folgt ausgeführt:

€€Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, das geringere wirtschaftliche Interesse der Beigeladenen zu 13. sei zu berücksichtigen, kann sie im nach ihren Ausführungen ebenfalls noch anhängigen Erinnerungsverfahren gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss geltend machen, dass der Erstattungsanspruch nur nach dem wirtschaftlichen Interesse der Beigeladenen zu 13. zu bemessen ist. Unterliegt ein Kläger in einem verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren mit einer Mehrzahl von Beigeladenen, für deren außergerichtliche Kosten eine Erstattungspflicht des Klägers gemäß § 162 Abs. 3 VwGO in Betracht kommt, haben die Gerichte verschiedene Möglichkeiten, ein geringeres wirtschaftliches Interesse der Beigeladenen zur Begrenzung der Kostenlast des Klägers zu berücksichtigen. Unter anderem wird erwogen, unabhängig von einer selbständigen Gegenstandswertfestsetzung im Sinne von § 33 Abs. 1 RVG den Erstattungsanspruch im Kostenfestsetzungsverfahren nach dem € notfalls pauschal zu schätzenden € Anteil der Beteiligung Beigeladener am Streitgegenstand zu bemessen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Oktober 1971 € VIII C 6/69 -, MDR 1973, S. 161; OVG Hamburg, Beschluss vom 23. August 1994 € Bs II 30/94 -, juris; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 162 Rd. 25; Olbertz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 162 Rn. 100 <Okt. 2008>)€ (a.a.O., S. 3 des Beschlussabdrucks).

Eine solche Schätzung des Anteils der Beteiligung der damaligen Beigeladenen zu 13. ist hier im Ergebnis nicht geboten. Der Erinnerungsführerin ist zwar zuzugeben, dass sich eine unverhältnismäßige und den Zugang zu Gericht im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG womöglich unangemessen erschwerende Kostenlast jedenfalls dann ergeben würde, wenn eine Mehrzahl oder gar sämtliche der 17 Beigeladenen die Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten nach dem (Gesamt-) Streitwert von 869.353,89 Euro von der Erinnerungsführerin verlangen könnten; dies wäre in der Tat nicht zu billigen (in diesem Sinne entsprechend auch BVerwG, Beschluss vom 4. Oktober 1971 € VIII C 6/69 -, MDR 1973, 161) und in geeigneter Weise - sei es bei der Streitwertbemessung, sei es bereits im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 162 Abs. 3 VwGO oder ggf. auch im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens - zu begrenzen. Kann freilich nicht eine Mehrzahl, sondern wie hier nureinevon 17 Beigeladenen Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten verlangen, besteht für eine solche Begrenzung allerdings noch kein zwingender Anlass. Muss ein Kläger in einem Verfahren wie dem hier in Rede stehenden, das dem Kostenstreit zugrunde lag, mit einer Beiladung der übrigen in die staatliche Parteienfinanzierung eingebundenen Parteien rechnen, kann er bei der Einschätzung des Kostenrisikos für den von ihm angestrengten Prozess nicht davon ausgehen, im Falle seines Unterliegens vollkommen von deren außergerichtlichen Kosten verschont zu bleiben, wenn diese sich am Verfahren beteiligen und € wie die seinerzeitige Beigeladene zu 13. € durch Stellung eines eigenen Antrages sich auch einem eigenen Kostenrisiko aussetzen (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Hier kann er im günstigsten Falle erwarten, durch diese lediglich mit Kosten belastet zu werden, die ihrem Anteil der Beteiligung am Rechtsstreit entsprechen (s. BVerwG, Beschluss vom 4. Oktober 1971, a.a.O.). Diese werden zusammengenommen - bei einer Beteiligung Aller, womit der Kläger rechnen muss - freilich den Betrag der hier geltend gemachten außergerichtlichen Kosten lediglich eines Beigeladenen, wiewohl bemessen am Gesamtstreitwert, wohl übersteigen bzw. diesem bestenfalls entsprechen, so dass das Argument der unangemessenen Einschränkung des Zugangs zu Gericht (Art. 19 Abs. 4 GG) jedenfalls im vorliegenden Fall nicht verfangen kann. Der Fall liegt strenggenommen insoweit nicht anders, als wenn lediglich ein (weiterer) Beteiligter beigeladen worden und dem unterliegenden Kläger auch dessen außergerichtliche Kosten auferlegt worden wären; in diesem (Normal-)Fall der Beiladung werden nach der Rechtsprechungspraxis der Verwaltungsgerichte grundsätzlich weder eine gesonderte Streitwertfestsetzung in Bezug auf das Interesse des Beigeladenen noch sonst eine Begrenzung der diesbezüglichen Kostenlast des Klägers vorgenommen.

Nach alledem hat das Verwaltungsgericht auch den Antrag der Erinnerungsführerin, die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss bis zu dessen Rechtskraft einstweilen einzustellen, zu Recht abgelehnt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren bedurfte es nicht, weil für das Verfahren eine Festgebühr von 50.- Euro vorgesehen ist (vgl. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 VwGO).






OVG Berlin-Brandenburg:
Beschluss v. 26.07.2010
Az: OVG 1 K 60.09


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