Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 21. Oktober 2011
Aktenzeichen: 6 U 42/11

(OLG Köln: Urteil v. 21.10.2011, Az.: 6 U 42/11)

Tenor

Die Berufung gegen das am 26. Januar 2011 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen - 84 O 45/11 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsgegner.

Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig.

Gründe

Begründung

I.

Die Antragsstellerin gehört zu den führenden Herstellern von Radlader-Fahrzeugen (sog. Hoflader), die vornehmlich in der Landwirtschaft Verwendung finden. Sie vertreibt diese ebenfalls. Ein besonders erfolgreiches Modell ist der Hoflader "I", das sie durch das Modell "K" der Antragsgegnerin zu 1) nachgeahmt sieht.

Der Antragsgegner zu 2) ist "Sales Manager" der Antragsgegnerin zu 1); der Antragsgegner zu 3) ist Direktor der Antragsgegnerin zu 1).

Das Landgericht hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Beschluss vom 05. März 2010 stattgegeben und die einstweilige Verfügung anschließend mit Urteil vom 26. Januar 2011, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen wird, bestätigt. Es hat in dem Hoflader der Antragsgegnerin zu 1) eine wettbewerbswidrige Nachahmung des Modells der Antragsstellerin gesehen.

Gegen das Urteil haben die Antragsgegner Berufung eingelegt und beantragt,

das Urteil des Landgerichts vom 26. Januar 2011 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Sie meinen, für eine Verletzungshandlung auf dem deutschen Markt bestehe schon keine Begehungsgefahr. Außerdem sei der Antragsgegner zu 2) nicht passivlegitimiert. Schließlich scheide auch ein Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 9 a UWG aus, weil die wettbewerbliche Eigenart des Modells der Antragsstellerin inzwischen geschwächt worden sei. Zu der Schwächung sei es zum einen durch den Vertrieb des eigenen Modells unter anderer Herstellerkennzeichnung durch die Firma H gekommen und zum andern durch den Vertrieb der Modelle "B" der Firma H sowie "B2" der Firma Mustang. Des Weiteren führe die Anbringung der Bezeichnung "K" auf dem Hoflader der Antragsgegnerin zu 1) aus einer Herkunftstäuschung heraus. Die Antragsstellerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

II Der zulässigen Berufung bleibt der Erfolg in der Sache versagt. Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung zu Recht - gestützt auf §§ 3, 4 Nr. 9 a UWG - erlassen.

1. Die Bewerbung des Hofladers "K" über die Homepage der Antragsgegnerin zu 1) begründet eine Erstbegehungsgefahr für einen Wettbewerbsverstoß auf dem deutschen Markt. Aus der Gestaltung der Website ergibt sich die ernstlich drohende und unmittelbar bevorstehende Gefahr, dass der dort beworbene Hoflader "K" nicht nur - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - auf dem osteuropäischen Markt, sondern auch auf dem deutschen Markt angeboten und in den Verkehr gebracht wird. Zwar findet sich die Website der Antragsgegnerin zu 1) unter einer ".com" Topleveldomain, doch kann daraus nicht gefolgert werden, dass die dort angebotenen Waren auf dem deutschen Markt nicht erhältlich seien. Für die Frage, ob die Gefahr besteht, dass die auf einer Website angebotenen Waren auf den deutschen Markt gelangen, ist weniger die Topleveldomain entscheidend, als vielmehr, ob durch die Website bestimmungsgemäß deutsche Verkehrskreise angesprochen werden (BGH GRUR 2005, 431, 432 - HOTEL MARITIM). Dies beurteilt sich insbesondere nach der auf der Website verwendeten Sprache sowie nach ihrer Gestaltung. Eine Würdigung dieser Kriterien ergibt, dass mit der Website der Antragsgegnerin zu 1) auch die deutschen Verkehrskreise bestimmungsgemäß angesprochen werden. So suggeriert die deutsche Flagge auf der Website sowie das deutsche Wort "Kontakt" dem Betrachter, dass es möglich ist, den streitgegenständlichen Hoflader aus und nach Deutschland zu bestellen. Der von dem Prozessbevollmächtigten der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung angeführte Umstand, dass das Wort "Kontakt" mit identischer Bedeutung auch in der dänischen Sprache vorkommt, ändert an dem Verständnis der deutschen Adressaten nichts. Schließlich spricht auch die Tatsache, dass der streitgegenständliche Hoflader in englischer Sprache beworben wird, nicht gegen eine bestimmungsgemäße Ansprache der deutschen Verkehrskreise, weil der Text angesichts seiner Einfachheit ohne Weiteres von diesen verstanden werden kann. Anhaltspunkte dafür, dass aus dem Sortiment der Antragsgegnerin zu 1) ausgerechnet der streitgegenständliche Hoflader nicht in Deutschland vertrieben werden sollte, sind nicht ersichtlich.

Gestützt wird die Annahme einer Erstbegehungsgefahr durch die Äußerung des Antragsgegners zu 3) sowie seines Verfahrensbevollmächtigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht. Sie haben sich sinngemäß dahingehend geäußert, dass die Sache durch Urteil entschieden werden müsse, da die Antragsgegnerin zu 1) den Hoflader unbedingt auf dem deutschen Markt anbieten und vertreiben wolle. Die Antragsgegner stellen auch im Berufungsverfahren nicht in Abrede, dass eine solche Bemerkung gefallen sei. Sie meinen aber, diese Aussage sei eine bloße Berühmung, die im Zuge einer effektiven Rechtsverteidigung erlaubt sein müsse. Diese Argumentation kann schon im Ausgangspunkt nicht verfangen, denn das Verhalten in der mündlichen Verhandlung stellt keine Berühmung dar. Eine solche läge vor, wenn der Beklagte geltend gemacht hätte, er halte sein Verhalten für rechtmäßig. So liegt der Fall hier aber nicht, denn der Antragsgegner zu 2) hat keine Rechtsauffassung geäußert, sondern ein tatsächliches Verhalten in Aussicht gestellt. Ebenso wenig vermag die vermeintliche Klarstellung dahingehend, man habe nur auf den deutschen Markt kommen wollen, wenn das streitgegenständliche Modell durch einen Rechtsbeistand freigezeichnet worden wäre, die Erstbegehungsgefahr entfallen lassen. Ein solcher interner Vorbehalt hat auf die Erstbegehungsgefahr, die objektiv zu bestimmen ist, jedenfalls unter den gegebenen Umständen keinen Einfluss. Es wäre dem Antragssteller nicht zumutbar, die Beantragung einer einstweiligen Verfügung von einem solchen Beratungsergebnis abhängig zu machen, nachdem die Antragsgegnerin das Modell bereits auf ihrer Internetseite anbietet.

2. Zu Recht hat das Landgericht die Passivlegitimation des Antragsstellers zu 2) bejaht, weil er Area Sales Manager der Antragsgegnerin zu 1) ist. Zwar hat der Antragssteller zu 2) im Berufungsverfahren eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt, in der er versichert, dass seine geographische Zuständigkeit stets auf den osteuropäischen Raum beschränkt war, doch ist dieses Vorbringen nach § 531 ZPO verspätet. Darüber hinaus ändert der Inhalt der eidesstattlichen Versicherung nichts an der rechtlichen Beurteilung des Landgerichts, weil die Aussage, die sich nur auf die Vergangenheit bezieht, die Begehungsgefahr für die Zukunft nicht entfallen lässt. Die Aussage widerspricht zudem dem Inhalt der Website, auf der die Handynummer des Antragsstellers zu 2) als Kontakt unter der Rubrik "Sales" angegeben wird, aber eine Beschränkung auf den osteuropäischen Raum - etwa durch entsprechende Flaggensymbole - nicht vorgenommen wird.

3. Das Angebot des Hofladers "K" begründet die Gefahr eines Verstoßes gegen §§ 3, 4 Nr. 9 a UWG. Im Anschluss an die Erwägungen des Landgerichtes und des OLG München (Beschluss v. 22.02.2011, Az. 6 U 597/11) geht auch der Senat von einer durchschnittlich wettbewerblichen Eigenart des Hofladers der Antragsstellerin aus. Insoweit wird auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen.

Zu einer nachträglichen Schwächung der wettbewerblichen Eigenart ist es nicht gekommen. Soweit in der Berufung erstmalig vorgetragen wird, im Zeitpunkt des Erlasses der einstweiligen Verfügung befänden sich zwei Hoflader auf dem Markt, die mit dem Gesamteindruck des Modells der Antragsstellerin übereinstimmten, ist dieser Vortrag bereits unsubstantiiert, weil nicht bekannt ist, in welchen Stückzahlen und über welchen Zeitraum diese Modelle auf dem deutschen Markt verkauft wurden.

Die wettbewerbliche Eigenart des klägerischen Hofladers ist auch nicht dadurch geschwächt worden, dass Originalprodukte unter anderer Herstellerkennzeichnung vertrieben wurden. Zwar kann die wettbewerbliche Eigenart eines Erzeugnisses grundsätzlich abnehmen oder gar entfallen, wenn seine konkrete Ausgestaltung oder seine Merkmale auf Grund der Entwicklung der Verhältnisse auf dem Markt nicht mehr geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf eine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH GRUR 2007, 984 Tz. 25- Gartenliege). Umstände, die zu einer solchen Schwächung geführt haben, wurden jedoch nicht vorgetragen. Der Vertrieb von jeweils 68 bzw. 61 Modelle unter anderer Herstellerkennzeichnung im Vergleich zu 451 bzw. 479 Originalmodellen mit eigener Kennzeichnung ist schon wegen der eher geringen Stückzahl kaum geeignet, die Vorstellung der angesprochene Verkehrskreise maßgeblich zu beeinflussen. Hinzu kommt, dass die Hoflader mit anderer Herstellerkennzeichnung ausschließlich in den Jahren 2005 und 2006 vertrieben wurden, so dass bis zum Kollisionszeitpunkt im Jahr 2010 mehrere Jahre vergangen waren, in denen der Vertrieb ausschließlich durch die Antragsstellerin erfolgte und damit eine Zuordnung ausschließlich an diese erfolgte.

Die vom Landgericht nach Besichtigung der Hoflader festgestellte Nachahmung wird von der Berufung nicht angegriffen. Der Senat schließt sich dem an.

Schließlich hat das Landgericht - im Ergebnis zu Recht - die Gefahr der vermeidbaren Herkunftstäuschung als gegeben erachtet. Aufgrund der weitgehenden Übereinstimmungen in der Technik und der äußeren Formgestaltung der beiden Hoflader besteht die Gefahr, dass ein Betrachter, der die Fahrzeuge regelmäßig nacheinander und nicht gleichzeitig sehen wird, die Nachahmung für ein unter einer Zweitmarke vertriebenes Produkt der Antragsstellerin hält oder dass er von geschäftlichen oder organisatorischen Beziehungen zwischen den Parteien ausgeht (sog. mittelbare Herkunftstäuschung). Nach Überzeugung des Senats kann auch die Anbringung der Bezeichnung "K" nicht aus dem Bereich der Herkunftstäuschung herausführen. Zwar wird der Verkehr - anders als es das Landgericht angenommen hat - die Bezeichnung "K" als Herstellerzeichen und nicht etwa als Handelsmarke erkennen, so dass die Bezeichnung grundsätzlich geeignet ist, eine Herkunftstäuschung auszuschließen. Im konkreten Fall vermag sie dies aber aufgrund ihrer Ähnlichkeit zur der von der Antragsstellerin gewählten Bezeichnung nicht zu leisten. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die angesprochenen Verkehrskreise aufgrund der hohen Anschaffungskosten einen erhöhten Grad an Aufmerksamkeit beim Kauf eines Hofladers walten lassen, sind sie nicht in allen Details mit den Marktverhältnissen und den Produktpaletten der verschiedenen Hersteller vertraut. Insofern liegen die tatsächlichen Verhältnisse anders als in dem Urteil des BGH "Femur-Teil" (WRP 2010, 1465 Rn. 32) sowie dem Urteil des Senats vom 29.10.2010, Az. 6 U 119/10 (WRP 2011, 109, 111), in denen ausschließlich auf mit dem Einkauf beschäftigte Fachleute abgestellt wurde. Die beteiligten Verkehrskreise werden nur erkennen, dass die Hoflader verschiedene Bezeichnungen tragen. Damit scheidet zwar eine unmittelbare Herkunftstäuschung aus. Eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne dergestalt, dass sie annehmen, es bestehe eine gesellschaftsvertragliche oder organisatorische Verbindung zwischen den Anbietern der beiden Hoflader, bleibt weiterhin möglich. Hierzu trägt auch bei, dass die Antragsgegnerin zu 1) sich mit ihrer Bezeichnung zu weit an die Bezeichnung der Antragsstellerin angenähert hat. Beide Zeichen weisen zwei parallele Balken auf (nur um 90 Grad gedreht), beide enden auf die Silbe "Mann" und bei beiden Produkten ist die Bezeichnung an derselben Stelle angebracht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 S. 1 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.






OLG Köln:
Urteil v. 21.10.2011
Az: 6 U 42/11


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