Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Februar 2007
Aktenzeichen: 32 W (pat) 72/05

(BPatG: Beschluss v. 21.02.2007, Az.: 32 W (pat) 72/05)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. September 2004 und vom 4. Mai 2005 aufgehoben.

Gründe

I.

Die am 3. Juni 2004 angemeldete Wortmarke Feine Ernteist für folgende Waren bestimmt:

5: Tee und teeähnliche Erzeugnisse (Kräuter- und Früchtetees) für medizinische Zwecke, auch vitaminisiert und/oder aromatisiert und/oder instantisiert und/oder mineralisiert;

30: Tee und teeähnliche Erzeugnisse (Kräuter- und Früchtetees) für Genußzwecke, auch vitaminisiert und/oder aromatisiert und/oder instantisiert und mineralisiert;

Eistee; Getränke mit oder auf der Basis von Tee/Kräutertee/Früchtetee; trinkfertige alkoholfreie Getränke, insbesondere Tee/Kräutertee/Früchtetee unter Beimischung von Fruchtgetränken und/oder Fruchtsäften;

Kakao; Kakaoextrakte für Nahrungs- und Genusszwecke; Kakao-Erzeugnisse; Schokoladenpulver (auch in Mischung mit Milchpulver), insbesondere als Trinkschokoladenpulver;

32: alkoholfreie Getränke, insbesondere Fruchtgetränke und Fruchtsäfte unter Beimischung von Tee; Energy-Getränke;

Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Mineralwässer und andere kohlensäurehaltige Wässer; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken Seitens der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts ist die Anmeldung nach vorangegangener Beanstandung in einem ersten Beschluss vom 29. September 2004 wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen worden. Die Bezeichnung "Feine Ernte" verweise lediglich auf eine erlesene, exquisite Ernte und beschreibe in dieser Bedeutung die beanspruchten Waren dahingehend, dass diese selbst oder ihre Zutaten aus einer entsprechend hochwertigen Ernte stammten, was namentlich bei "Tee", "Kakao" oder "Fruchtgetränken" ohne weiteres der Fall sein könne. Der Verkehr werde "Feine Ernte" nicht als betrieblichen Herkunftshinweis verstehen.

Die Erinnerung der Anmelderin ist durch Beschluss einer Beamtin des höheren Dienstes derselben Markenstelle vom 4. Mai 2005 zurückgewiesen worden. Die angemeldete Marke weise in Verbindung mit den beanspruchten Waren auf Qualitätseigenschaften der so bezeichneten Produkte hin (hergestellt aus Rohstoffen, die besonders erlesen sind). Sie werde vom inländischen Verkehr ohne weiteres und unmittelbar als beschreibender Sachhinweis verstanden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie bei sach- und interessengerechter Auslegung die Aufhebung der ergangenen Beschlüsse der Markenstelle erstrebt.

Anders als dem Wort "fein" könne dem Begriff "Ernte" keinerlei Aussage bezüglich Qualität, Geschmack, Aroma, Herkunftsstätte, Inhaltsstoffe oder sonstige Eigenschaften der betreffenden Waren entnommen werden. Der Sinngehalt der Wortfolge "Feine Ernte" bleibe unklar, diese eigne sich jedenfalls nicht zur Warenbeschreibung. Der Verkehr werde sie so akzeptieren, wie sie ihm entgegentritt, und die auf diese Weise gekennzeichneten Erzeugnisse durchaus einem bestimmten Herkunftsbetrieb zuordnen. Ergänzend weist die Anmelderin auf einige ihrer Ansicht nach vergleichbare eingetragene deutsche Marken hin.

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und begründet, weil einer Registrierung der angemeldeten Bezeichnung als Marke keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 MarkenG entgegenstehen.

Die Wortfolge "Feine Ernte" stellt für die beanspruchten Waren in den Klassen 5, 30 und 32 keine Produktmerkmalsbezeichnung i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dar; auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt hat die Markenstelle ihre Entscheidung auch nicht gestützt. Der Bedeutungsgehalt von "Feine Ernte" ist zu ungenau, als dass diese Angabe für eine konkrete Beschreibung dienen könnte. Mit einem sachbezogenen Verständnis in maßgeblichen Verkehrskreisen wäre allenfalls bei eingehender begrifflicher Analyse zu rechnen, die aber regelmäßig nicht zu erwarten ist (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 8 Rdn. 196, 197). "Feine Ernte" wird somit zwar möglicherweise als sog. sprechende Marke aufgefasst, nicht aber als die betreffenden Waren unmittelbar beschreibende Angabe. Ein Interesse von Mitbewerbern der Anmelderin, sich gerade dieses, im Sinngehalt unklaren Ausdrucks bei der Kennzeichnung ihrer Erzeugnisse zu bedienen, lässt sich nicht feststellen.

In der Gesamtheit ihrer Teile - auf die bei Mehrwortmarken hinsichtlich der Beurteilung der (konkreten) Schutzfähigkeit maßgeblich abzustellen ist (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdn. 54, 92, 103) - entbehrt die angemeldete Wortfolge auch nicht jeglicher Unterscheidungskraft (gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die beanspruchten Waren (und Dienstleistungen) eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235, Nr. 45 - Standbeutel; BGH GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2006, 850, 854, Nr. 18, 19 - FUSSBALL WM 2006). Bei Wortmarken ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von fehlender Unterscheidungskraft auszugehen, wenn der Marke ein für die beanspruchten Waren im Vordergrund stehender beschreibender Sinngehalt zugeordnet werden kann oder wenn es sich um ein gebräuchliches Wort bzw. eine Wortfolge der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das (die) vom Verkehr, etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien, stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice; - FUSSBALL WM 2006, a. a. O.).

Zwar mögen die Einzelteile, aus denen die Marke besteht (d. h. die Wörter "fein" und "Ernte"), je für sich nicht unterscheidungskräftig sein. Die Zusammenfassung lässt aber nicht ohne weiteres erkennen, was hier - produktbezogen - gemeint sein könnte.

Der Begriff "Ernte" weist zwei Hauptbedeutungen auf: Zum einen den Vorgang des Erntens (der jeweiligen Früchte, Naturprodukte usw.), zum anderen den Ertrag des Erntens (d. h. die geernteten Früchte, das Getreide usw.). Für beide Verständnisvarianten ist die Voranstellung des Adjektivs "fein" nicht naheliegend. Eine Ernte, die ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, z. B. weil die Witterungsverhältnisse günstig sind, wird als "leichte Ernte" oder "schnelle Ernte" bezeichnet, nicht aber als "feine Ernte". Sofern der Ertrag einer Ernte erfreulich ist, wird man - bezogen auf die Qualität - von einer "guten Ernte", - bezogen auf die Menge - von einer "reichen Ernte" sprechen, aber gleichfalls nicht von einer "feinen Ernte". Auch in dem Fall, dass bei oder nach der Ernte eine (weitere) Auslese stattfindet, z. B. Obst ohne Blätter und Stängel eingesammelt bzw. von letzteren getrennt wird, liegt die Bezeichnung dieses Vorgangs oder des Ergebnisses mit "feine Ernte" nicht nahe. Diese Wortfolge stellt somit eine zwar den Regeln der deutschen Sprache entsprechende, aber letztlich künstliche Zusammenstellung als solcher bekannter Begriffe dar, der vielleicht (bei einiger Überlegung) in Bezug auf Tee und Fruchtgetränke ein vager beschreibender Anklang entnommen werden kann, keinesfalls aber - wie die Markenstelle unterstellt hat - der unmittelbar beschreibende Sachhinweis auf feine (erlesene) Teesorten. Insoweit kann ein Phantasiebegriff wie "Feine Ernte" auch nicht mit geläufigen Angaben wie "erste Ernte" (etwa bei Darjeeling-Tee) oder "aus frischer Ernte" bzw. "aus neuer Ernte" gleichgesetzt werden.

Eine vom Senat - wie stets in derartigen Fällen - getätigte Internet-Recherche (mit der Suchmaschine Google) hat, neben der markenmäßigen Verwendung dieser Bezeichnung durch die Anmelderin selbst und zumindest ein weiteres Unternehmen, nur den Gebrauch des Wortspiels "eine kleine, aber feine Ernte" (in Anlehnung an das bekannte Sprichwort "klein aber fein") ergeben. Daraus lässt sich nicht ableiten, dass "Feine Ernte" nicht als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden wird. Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass zudem für einige der beanspruchten Getränke (z. B. Mineralwässer) der Begriff "Ernte", verstanden als Gewinnung oder Produktion, kaum sinnvoll ist.

Eines Eingehens auf sonstige Argumente der Anmelderin, insbesondere die Bedeutung der Schutzgewährung für vermeintlich ähnliche Marken, bedarf es nicht.

Der Markenstelle bleibt es unbenommen, vor einer endgültigen Registrierung der angemeldeten Marke das Warenverzeichnis einer nochmaligen Überprüfung - wie im ersten Beanstandungsbescheid angedeutet - zu unterziehen.






BPatG:
Beschluss v. 21.02.2007
Az: 32 W (pat) 72/05


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