Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Februar 2002
Aktenzeichen: 27 W (pat) 274/00

(BPatG: Beschluss v. 26.02.2002, Az.: 27 W (pat) 274/00)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die Wortmarke CHA CHA ist im Register eingetragen für "Bekleidungsstücke, Schuhwaren und Kopfbedekkungen".

Hiergegen legte die Widersprechende am 20. Juni 1996 aus der Wortmarke CHOU CHOU eingetragen am 7. September 1984 unter der Nr 1 067 950 für "Bekleidungsstücke, Schuhe, Stiefel und Schuhwaren", Widerspruch ein. Die Marke wurde am 25. September 1997 aufgrund der Bewilligung der Widersprechenden vom 16. August 1996 auf die jetzigen Inhaber B... und J... J... in W..., um- geschrieben.

Die Inhaberin der jüngeren Marke hat mit Schriftsatz vom 13. November 1996 die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten.

Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren erging, den Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, ungeachtet der Frage der Benutzung der Widerspruchsmarke bestehe zwischen den Vergleichszeichen keine Verwechslungsgefahr. Es sei nicht damit zu rechnen, dass die Verkehrskreise die Widerspruchsmarke wie "tschotscho" aussprechen würden, selbst wenn ihnen die Bedeutung des Markenwortes (frz. "Liebling") nicht bekannt sei. Sowohl bei einer Aussprache wie "tschutschu" als auch "tschautschau" seien die klanglichen Unterschiede zu der angegriffenen Marke so deutlich, dass trotz Warenidentität mit rechtserheblichen Verwechslungen nicht zu rechnen sei. Darüber hinaus würden die Verkehrskreise sich angesichts der jüngeren Marke unmittelbar an den lateinamerikanischen Tanz Cha-Cha-Cha erinnern und nicht an die Widerspruchsmarke. Auch schriftbildlich sei mit einer Verwechslung beider Zeichen nicht zu rechnen. Es gebe auch keine Anzeichen für ein gedankliches In-Verbindung-Bringen beider Marken.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Nach ihrer Auffassung steht die Übertragung der Widerspruchsmarke auf B... und J... J... der Beschwerdeberechtigung nicht entgegen. Die Wider- spruchsmarke sei sehr bekannt und genieße daher einen entsprechend weiten Schutzbereich; hierzu verweist sie unter Vorlage entsprechender Unterlagen auf die erzielten Umsätze, die starke Bewerbung der mit der Marke versehenen Bekleidungsstücke und die zahlreichen Verkaufs- und Vertriebsstätten, an denen diese Produkte angeboten würden. Die jüngere Marke löse eine klangliche Verwechslungsgefahr aus, da bedeutende Teile des Verkehrs die Widerspruchsmarke in Anlehnung an eine englische Aussprache "tschautschau" aussprächen, wobei das "a" betont und das "u" verschluckt werde. Darüber hinaus seien der Zeichenaufbau, die Wiederholung der ersten Silbe und der Anfangslaut der Silben identisch sowie der nachfolgende Vokal klangverwandt. Von einem Verständnis des Sinngehalts der jüngeren Marke im Sinne des Cha-Cha-Cha-Tanzes könne nicht ausgegangen werden, weil dieser Tanz eben nicht Cha-Cha heiße und das Publikum einer ihm nicht geläufigen Wortfolge keinen bestimmten Sinngehalt entnehmen könne.

Nach Auffassung der Inhaberin der angegriffenen Marke ist die Beschwerde bereits unzulässig, weil die Beschwerdeführerin sowohl bei Erhebung der Erinnerung als auch bei Einlegung der Beschwerde nicht mehr Markeninhaberin gewesen sei. Darüber hinaus werde die Widerspruchsmarke deren behauptete erhöhte Kennzeichnungskraft sie bestreite, richtigerweise stets nur wie "tschutschu" ausgesprochen, was sich von der angegriffenen Marke deutlich absetze. Diese werde zudem als bekannter Ausdruck für einen Tanz erkannt, zumal sich als dessen Bezeichnung bereits neben "Cha Cha Cha" auch - wie ein Blick ins Internet bestätige - die Wortfolge "Cha Cha" eingebürgert habe. Selbst wer aber die Widerspruchsmarke wörtlich wiedergebe und "Chou Chou" ausspreche, könne sie deutlich von der jüngeren Marke abgrenzen.

In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihre jeweiligen Standpunkte aufrechterhalten und vertieft.

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Entgegen der Auffassung der Markeninhaberin ist die Beschwerde zulässig. Zwar war die Widersprechende im Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung (19. Juni 2000) und auch schon der Erinnerungseinlegung (23. Mai 1998) nicht mehr Inhaberin der älteren Marke, nachdem die Umschreibung der Widerspruchsmarke auf ihre jetzigen Inhaber bereits am 25. September 1997 erfolgt war. Da sie aber bei Widerspruchserhebung am 20. Juni 1996 noch Inhaberin der Widerspruchsmarke und damit auch zur Widerspruchseinlegung berechtigt war (vgl § 42 Abs 1 i.V.m § 28 Abs 1 MarkenG), hat die nachfolgende Übertragung der Widerspruchsmarke nach § 82 Abs 1 MarkenG iVm § 265 Abs 2 ZPO keinen Einfluss auf die formelle Stellung der Widersprechenden im Widerspruchs- und Beschlussverfahren, so daß sie somit trotz Inhaberwechsels zulässig Beschwerde (und auch Erinnerung) einlegen konnte (vgl BGH GRUR 1998, 940 - Sanopharm).

Die Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat die Markenstelle den Widerspruch zurückgewiesen, weil eine Gefahr von Verwechslungen der Marken im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG nicht besteht. Das Beschwerdevorbringen bietet für eine abweichende Beurteilung keine Veranlassung.

Ungeachtet der Frage der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke hält die jüngere Marke trotz Identität, zumindest aber hochgradiger Ähnlichkeit der jeweiligen Waren den auch unter Anlegung strengster Maßstäbe erforderlichen Abstand zur älteren Marke ein. Dies gilt selbst dann, wenn man - wie von der Widersprechenden behauptet, von der Inhaberin der angegriffenen Marke allerdings bestritten - eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke unterstellen würde, was der Senat den vorgelegten Unterlagen mangels Bekanntgabe der erforderlichen Bezugsgrößen, insbesondere des Gesamtumsatzes der Branche, jedoch nicht entnehmen kann.

Entgegen der Auffassung der Widersprechenden ist nicht zu erwarten, dass ein maßgeblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise die Widerspruchsmarke "chou chou" wie "tschau tschau" aussprechen wird. Selbst die - sicherlich nicht vernachlässigbaren - Teile der Verbraucher, die des Französischen nicht mächtig sind und daher den korrekt wie "schu schu" gesprochenen französischen Ausdruck "chou chou" für "Liebling" nicht kennen, werden die ältere Marke allenfalls "deutsch" - also "tschou tschou", "chou chou" oder "schou schou" - aussprechen, kaum aber mit "tschau tschau" wiedergeben. Hiergegen spricht schon, dass die Schreibweise nicht an irgendwelche bekannte englische Ausdrücke erinnert, die in dieser Weise ausgesprochen werden. Darüber hinaus lässt sich aber auch dem englischen Grundwortschatz, dessen Kenntnis bei inländischen Verbrauchern vorauszusetzen ist, nicht entnehmen, dass der Diphthong "ou" stets wie "au" auszusprechen ist; so ist er zwar etwa in dem Wort "house" dem deutschen "au" ähnlich (wenn auch nicht gleich), in dem englischen Wort "soul" wird er aber als "ou" wiedergegeben. Selbst wenn daher der angesprochene Verbraucher die Widerspruchsmarke als "englisches" Wort ansehen sollte, drängt sich ihm nicht eine Aussprache als "tschau tschau" auf. Dann wird er aber "chou chou" im Zweifel eher in der oben dargelegten Weise aussprechen, wenn er nicht ohnehin die zutreffende französische Wiedergabe kennt.

Angesichts der Kürze beider Zeichen werden die angesprochenen Verkehrskreise die Widerspruchsmarke unter diesen Umständen aber ohne Mühe von der angegriffenen Marke unterscheiden können.

Im übrigen ist selbst dann, wenn die Widerspruchsmarke mit unter wie "tschau tschau" gesprochen werden sollte, eine Verwechslung beider Zeichen auszuschließen, denn es ist kaum ein Grund ersichtlich, weshalb bei einer solchen klanglichen Wiedergabe der älteren Marke der Endvokal "u" verschluckt werden sollte; dem steht schon entgegen, dass das Deutsche üblicherweise deutlich zwischen bloßen Vokalen und Umlauten unterscheidet, mithin den Umlaut "au" nicht auf einen, geschweige denn auf den ersten Vokal verkürzt. Der Unterschied bleibt dann aber bei den beiden sehr kurzen Marken klanglich noch ausreichend deutlich wahrnehmbar.

Schließlich kann auch nicht außer Betracht bleiben, dass die weitaus größte Zahl der angesprochenen Verkehrskreise bei akustischer Wahrnehmung der jüngeren Marke "CHA CHA" unmittelbar an den allgemein bekannten Tanz Cha-Cha-Cha erinnert werden, wenn sie nicht gar - wie die Markeninhaberin unter Vorlage von Internet-Seiten geltend gemacht hat, - das Markenwort mit diesem Begriff gleichsetzen, weil der Tanz Cha-Cha-Cha mittlerweile nachweislich auch verkürzt als Cha-Cha bezeichnet wird. Diese begriffliche Stütze wirkt in Verbindung mit den vorhandenen Klangunterschieden der Gefahr von Markenverwechslungen mit Sicherheit entgegen. Das gilt erst recht, wenn auch der Sinngehalt der Widerspruchsmarke erfaßt wird, wovon bei einem nicht unbeachtlichen Teil des Verkehrs auszugehen ist.

Auch eine schriftbildliche Ähnlichkeit beider Zeichen ist zu verneinen. Denn es ist keine Schreibweise denkbar, bei denen "a" und "ou" sich so annähern könnten, dass mit einer Gefahr von Verwechslungen in rechtserheblicher Weise zu rechnen ist.

Da somit selbst bei Anlegung strengster Maßstäbe eine Markenähnlichkeit nicht vorliegt, hat die Markenstelle den Widerspruch zu Recht zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde konnte somit keinen Erfolg haben.

Wegen der Kosten des Beschwerdeverfahrens wird auf § 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG verwiesen.

Dr. Schermer Albert Schwarz Pü






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Az: 27 W (pat) 274/00


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