Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 7. Januar 2011
Aktenzeichen: 2 AGH 36 - 38/10

(OLG Hamm: Urteil v. 07.01.2011, Az.: 2 AGH 36 - 38/10)

Tenor

1.

Die Klagen werden abgewiesen.

2.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits nach einem Gegenstandswert von 30.000,-- €

Gründe

I. Tatbestand

Die Kläger wehren sich mit den Klagen vom 25.01.2010 gegen belehrende Hinweise der Rechtsanwaltskammer Hamm, die diese mit drei Schreiben vom 06.01.2010 den Klägern erteilt hat.

Die Kläger bilden gemeinsam mit Rechtsanwalt L eine Sozietät. In dem Briefkopf, den die Anwaltssozietät benutzt, sind für Rechtsanwalt H der Hinweis "Zert. Testamentsvollstrecker (B2)" und für Rechtsanwältin N die Zusätze "Zert. Testmanentsvollstreckerin (B2)" und "Vorsorgeanwältin" angegeben.

Die Rechtsanwaltskammer Hamm sieht in diesen Angaben eine berufswidrige Werbung und einen Verstoß gegen § 43 b BRAO und § 6 Abs. 1 BORA. Sie hat deshalb den Klägern belehrende Hinweise mit drei Schreiben vom 06.01.2010 erteilt, wogegen sich diese mit Klage vom 25.01.2010 wehren.

Die Kläger tragen vor, dass Rechtsanwalt H und Rechtsanwältin N bei der B2 einen

Testamentsvollstreckerlehrgang besucht und mit einem Testat abgeschlossen haben. Entsprechende Teilnahmebescheinigungen haben sie vorgelegt. Der Tagungsplan für die zweitätige Veranstaltung sieht am zweiten Tag von 15.30 Uhr bis 17.00 Uhr ein "Testat" vor, wobei der Inhalt eines solches Testats jedoch nicht konkretisiert ist.

Aus den Teilnahmebescheinigungen ergibt sich die Bestätigung der Teilnahme für

10 ½ Unterrichtszeitstunden sowie das erfolgreiche Bestehen des anschließenden Testats.

Die Kläger tragen weiter vor, dass Rechtsanwältin N Mitglied im Verein der Vorsorgeanwälte sei. Die Mitglieder würden bei regelmäßigen vom Verein organisierten Treffen geschult. Die Kläger sind der Auffassung, dass eine berufswidrige Werbung nicht vorliege. Der Tagungsplan des B2-Testamentsvollstreckerlehrgangs mache deutlich, dass sich Rechtsanwalt H und Rechtsanwältin N in 10,5 Unterrichtszeitstunden ausführlich mit dem gerade einmal 32 Paragraphen umfassenden sechsten Teil des fünften Abschnitts des fünften Buches des BGB auseinandergesetzt hätten und sich dadurch erheblich von Mitbewerbern um das Amt des

Testamentsvollstreckers unterscheiden. Hinsichtlich der Bezeichnung von Rechtsanwältin N als Vorsorgeanwältin führen die Kläger aus, dass ein Vorsorgeanwalt derjenige sei, welcher die Übernahme einer unterstützenden bzw. kontrollierenden Bevollmächtigung für einen Mandanten im Versorgungsfall zur Vermeidung einer Betreuung übernimmt. Rechtsanwältin N qualifiziere sich durch die Übernahme verschiedener Betreuungsmandate für eine Tätigkeit als Vorsorgeanwältin. Sie verfüge auch über Vorsorgevollmachten, womit sie auch faktisch als Vorsorgeanwältin tätig werde.

Der Senat hat die Verfahren 2 AGH 36/10, 2 AGH 37/10 und 2 AGH 38/10 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden, wobei er das Aktenzeichen 2 AGH 36/10 führt.

Die Kläger beantragen,

die belehrenden Hinweise der Beklagten vom 06.01.2010 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer in den belehrenden Hinweisen zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung fest und nimmt auf diese Bezug.

II. Entscheidungsgründe

Die zulässigen Klagen sind nicht begründet. Die im Briefkopf von den Klägern benutzen Hinweise für Rechtsanwalt H als "zert. Testamentsvollstrecker (B2)" und für Rechtsanwältin N als "zert. Testamenstvollstreckerin (B2)" und "Vorsorgeanwältin" sind berufswidrig und stellen einen Verstoß gegen § 43 b BRAO und § 6 Abs. 1 BORA dar.

1.

Mit den Angaben auf dem Briefkopf der Sozietät wenden sich die Kläger an das rechtssuchende Publikum. Die Angaben stellen eine Werbung dar. Dem Rechtsanwalt ist Werbung grundsätzlich erlaubt, wobei Art, Umfang und Schranken von

Werbemaßnahmen an den Maßstäben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts NJW 2004, Seite 2656 ff. zu messen sind. Werbung ist unter anderem einem Rechtsanwalt nur erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet. Zur durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheit der Berufsausübung gehört auch die Werbung, die ein Rechtsanwalt für die Inanspruchnahme seiner Dienst betreibt. Werbung ist mithin ein Teil der Berufsausübung und deshalb auch grundsätzlich erlaubt. Sie muss über berufsbezogene Umstände informieren und dem Gebot der Sachlichkeit in Form und Inhalt entsprechen.

Diesen Maßstäben wird die Werbung der Kläger nicht gerecht. Vielmehr verursacht die Verwendung der beanstandeten Zusatzbezeichnungen eine Irreführung des rechtssuchenden Publikums und ist deshalb zurecht von der Beklagten beanstandet worden.

2.

Die Bezeichnung als Testamentsvollstrecker ist alleine deshalb irreführend, weil es sich hierbei nach §§ 2197 ff. BGB um ein Amt im Einzelfall handelt. Es handelt sich also nicht um eine allgemeine Berufsbezeichnung, sondern lediglich um ein im Einzelfall übertragenes Amt (AGH Celle, Beschluss vom 12.01.2009, AGH 23/08, Rn 41 zitiert nach Juris). Dieses Amt beginnt mit der Annahme durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht, § 2202 Abs. 2 Satz 1 BGB. Das Amt endet spätestens dann, wenn der Wille des Erblassers durchgeführt wurde, also die letztwilligen Verfügungen des Erblassers ausgeführt wurden. Die Bezeichnung als Testamentsvollstrecker

- unabhängig davon, ob hier eine Zertifizierung durch eine Schulung erfolgt - erweckt beim rechtssuchenden Publikum den Eindruck, als sei eine Berufsbezeichnung erworben worden, die dauerhaft geführt werden kann. Damit verweist aber der Briefbogen auf eine Tätigkeit, die nicht den Tatsachen und nicht der gesetzlichen Regelung entspricht. Eine solche Werbung ist keine sachliche Unterrichtung im Sinne von

§ 43 b BRAO. Sie ist deshalb berufswidrig.

Hinzu kommt, dass auch der Hinweis auf eine Zertifizierung berufswidrig ist. Für den außenstehenden Rechtssuchenden wird durch die Bezeichnung "zertifiziert" eine amtliche Verleihung suggeriert, die es tatsächlich nicht gibt (so auch AGH Celle, a.a.O., Rn 40). Wäre eine Bezeichnung als zertifizierter Testamentsvollstrecker als qualifizierender Zusatz im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 2 BORA aufzufassen, so dürften solche Zusätze nur dann Verwendung finden, wenn eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt über entsprechende theoretische Kenntnisse verfügt und auf dem

genannten Gebiet in erheblichem Umfang tätig gewesen wäre. Im Hinblick auf den in Betracht kommenden weiten Aufgabenbereich eines Testamentsvollstreckers ist eine Schulung von 10 ½ Unterrichtsstunden schon kein geeigneter Nachweis entsprechender theoretischer Kenntnisse, erstrecht keine Dokumentation erheblicher Tätigkeiten in diesem Rechtsgebiet, also von praktischen Erfahrungen.

3.

Auch die Bezeichnung von Rechtsanwältin N als "Vorsorgeanwältin" ist berufswidrig im Sinne von § 43 b BRAO und § 6 BORA.

Die Auffassung der Kläger, es handele sich nicht um eine Werbeaussage, ist unzutreffend. Die Bezeichnung befindet sich auf dem Briefbogen der Kanzlei. Sie wird wiedergegeben im direkten räumlichen Zusammenhang mit der Fachanwaltsbezeichnung. Ebenso wie die Angaben von Fachanwaltschaften auf dem Briefbogen soll die Bezeichnung als Vorsorgeanwältin das rechtssuchende Publikum über spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten informieren. Diese an eine Vielzahl von Lesern gerichtete Information hat den erkennbaren Zweck, Dienstleistungen in diesem Spektrum anzubieten. Eine andere nachvollziehbare Erklärung ist hierfür nicht

erkennbar.

Es liegt auch keine Bezeichnung eines Teilbereichs der Berufstätigkeit nach § 7

Abs. 1 BORA vor. Neben der Benennung von Rechtsgebieten können auch rechtsübergreifende Teilbereiche ebenfalls beworben werden. Entscheidend ist, dass für den Rechtssuchenden die Benennung eines Teilbereichs einen brauchbaren Informationswert hat. Ein bestimmter Teil der Tätigkeit des Anwalts muss für den juristischen Laien erfassbar und damit erkennbar sein, womit sich der Anwalt befasst (Prütting in Henssler, Prütting, Bundesrechtsanwaltsordnung, 3. Aufl., § 7 BORA,

Rn 6). So ist die Angabe von Tätigkeitsschwerpunkten auf einem Kanzleibriefbogen nicht zu beanstanden, obwohl sie nur auf einer entsprechenden Mitteilung einer eigenen Einschätzung des Rechtsanwalts beruht. Ihr liegt aber ein objektiv nachprüfbarer Sachverhalt zugrunde (BGH, Senat für Anwaltssachen, Beschluss vom 26.05.1997, Aktenzeichen ANWZ (B) 64/96 zu § 43 b BRAO, zitiert nach Juris Rn 5). Eine solche Angabe von Tätigkeitsschwerpunkten ist eine angemessene Information für potentielle Mandanten. Ein bestimmter Tätigkeitsbereich muss jedoch inhaltlich hinreichend konkret hervortreten. Der Laie muss nachvollziehen können, womit sich der Rechtsanwalt vorwiegend befasst (BGH a.a.O., Rn 6). Auch eine fachübergreifende Aufgabe darf benannt werden, wenn der Rechtssuchende daraus einen hinreichend abgrenzbaren Tätigkeitsschwerpunkt erkennen kann. Dies ist bei der Bezeichnung als "Vorsorgeanwältin" aber gerade nicht der Fall. Die Beklagte weist in den belehrenden Hinweisen zurecht darauf hin, dass das Wort Vorsorge im Zusammenhang mit unterschiedlichen Lebensbereichen verwandt wird, dass es Vorsorgepauschalen, Vorsorgeaufwendungen, Vorsorgemedizin, Vorsorgeuntersuchungen, Vorsorgevollmacht, Vorsorgeprinzip und ähnliche Bezeichnungen gibt, dass es aber einen Begriff des Vorsorgerechts gerade nicht gibt. Es ist also aus der Bezeichnung für den Rechtssuchenden nicht erkennbar, welche speziellen Kenntnisse hier angeboten werden. Der erforderliche brauchbare Informationswert ist der Bezeichnung "Vorsorgeanwältin" nicht zu entnehmen, sodass es sich gerade nicht um eine sachgerechte Information handelt und die Werbung mit der Bezeichnung als "Vorsorgeanwältin" mithin berufswidrig ist.

4.

Die Berufung war gemäß §§ 124 VwGO, 112 e Abs. 1 BRAO nicht zuzulassen.

Weder weist die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 125 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO). Auch liegt ein Fall der Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht vor.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 1, 167 Abs. 2 VwGO, § 709

Satz 1 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag ist bei dem Anwaltsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Heßlerstraße 53,

59065 Hamm, zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen,

wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, wenn das Urteil von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs, des

Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrens-

mangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen

kann.

Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Das gilt auch für

Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Ferner sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein nach dem Vorstehenden Vertretungsberechtigter kann sich selbst vertreten; es sei denn, dass die sofortige Vollziehung einer Widerrufsverfügung angeordnet und die aufschiebende Wirkung weder ganz noch teilweise wiederhergestellt worden ist. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Die Festsetzung des Streitwerts ist unanfechtbar.






OLG Hamm:
Urteil v. 07.01.2011
Az: 2 AGH 36 - 38/10


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