Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. März 2004
Aktenzeichen: 21 W (pat) 326/02

(BPatG: Beschluss v. 11.03.2004, Az.: 21 W (pat) 326/02)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 11. März 2004 das Patent 43 26 050 nach einer Einspruchsprüfung widerrufen. Das Patent wurde für einen "Gurtstraffer für einen Sicherheitsgurt eines Kraftfahrzeugs" erteilt. Gegen das Patent wurde Einspruch erhoben, jedoch hat die Einsprechende ihren Einspruch zurückgenommen und ist auch nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen. Die Patentinhaberin hat beantragt, das Patent unverändert aufrechtzuerhalten.

Der Senat des Bundespatentgerichts entscheidet aufgrund einer mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren. Der Einspruch wurde zurückgenommen, weshalb das Verfahren von Amts wegen fortgesetzt wird. Der Senat ist nicht an den Antrag der Einsprechenden gebunden und kann auch über andere Ansprüche entscheiden.

Der Einspruch war zulässig, da die Einsprechende innerhalb der Einspruchsfrist die den Einspruch rechtfertigenden Tatsachen dargelegt hat.

In Bezug auf den Gegenstand des Patentanspruchs 1 konnte die Frage der unzulässigen Erweiterung unerörtert bleiben, da dieser Gegenstand nicht neu war. Aus einer bestimmten Druckschrift geht hervor, dass ein Gurtstraffer bekannt ist, der die Merkmale des Patentanspruchs 1 erfüllt.

Die Unteransprüche 2 bis 8 fallen aus formalen Gründen mit dem Hauptanspruch zusammen.

Der Beschluss erging durch den Senat, bestehend aus den Mitgliedern Dr. Winterfeldt, Klosterhuber, Kätker und Dr. Strößner.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 11.03.2004, Az: 21 W (pat) 326/02


Tenor

Das Patent 43 26 050 wird nach Prüfung des Einspruchs widerrufen.

Gründe

I.

Auf die am 3. August 1993 beim deutschen Patent- und Markenamt eingereichte und am 9. Februar 1995 offengelegte Patentanmeldung ist das nachgesuchte Patent unter der Bezeichnung "Gurtstraffer für einen Sicherheitsgurt eines Kraftfahrzeugs" erteilt worden; die Veröffentlichung der Erteilung ist am 11. Juli 2002 erfolgt.

Gegen das Patent ist Einspruch erhoben worden.

Dem Einspruchsverfahren liegt der erteilte Patentanspruch 1 zugrunde, der, mit Gliederungspunkten versehen, lautet:

a) Gurtstraffer für einen Sicherheitsgurt eines Kraftfahrzeugs mitb) einem mit dem Sicherheitsgurt verbindbaren Antriebsmittel, c) einem im Normalbetrieb des Fahrzeugs gesperrten Energiespeicher, der im freigegebenen Zustand das Antriebsmittel antreibt, d) einem trägheitssensitiven Sensor, der eine um eine Pendelachse (3) bewegliche Sensormasse aufweist und der bei überhöhter Fahrzeuggeschwindigkeitsänderung (Crashfall) aufgrund der daraus resultierenden Schwenkbewegung der Sensormasse, e) die mit Teilen der Zündeinrichtung des Gurtstraffers verbunden ist, f) in einer bestimmten Drehrichtung um die Pendelachse (3) die Freigabe des Energiespeichers verursacht, g) wobei ein Gehäuse (1) für den Gurtstraffer und ein Rahmen (12) für einen Gurtaufrollautomaten (13) starr miteinander verbunden sind, h) der Rahmen (12) des Gurtaufrollautomaten (13) am Fahrzeugaufbau in einer Befestigungsstelle (4) befestigt ist, i) die Befestigungsstelle (4) von einem Befestigungsbolzen, der durch eine am Rahmen (12) des Gurtaufrollautomaten vorgesehene Öse gesteckt ist, gebildet ist, j) und die Pendelachse (3) und die Achse des Befestigungsbolzens sich senkrecht zur Fahrtrichtung (F) des Fahrzeugs erstrecken.

Bezüglich der Unteransprüche 2 bis 8 wird auf die Akten verwiesen.

Dem Gegenstand des Patents liegt die Aufgabe zugrunde, einen Gurtstraffer für einen Sicherheitsgurt eines Kraftfahrzeugs zu schaffen, bei dem der Sensor zur Freigabe der Antriebseinrichtung für das Gurtstraffen ein verbessertes Ansprechverhalten hat (Patentschrift Spalte 1, Absatz [0003]).

Zur Begründung des Einspruchs hat die Einsprechende u.a. auf die Druckschrift

(1) EP 0 456 853 A1 verwiesen.

Sie führt dazu im Wesentlichen aus, dass Anspruch 1 in der erteilten Fassung unzulässig erweitert sei, weil ursprünglich nur ein Gurtstraffer offenbart sei, bei dem zusätzlich zu der Drehung der Sensormasse um ihre Pendelachse auch eine Bewegung der Pendelachse selbst verwirklicht sei. Ein solches Merkmal fehle aber im Anspruch 1.

Davon abgesehen fehle es dem Gegenstand des Anspruchs 1 angesichts des Gegenstands der Druckschrift (1) an der erforderlichen Neuheit. Auch die Gegenstände der Unteransprüche 7 und 8 seien nicht patentfähig.

Mit Schriftsatz vom 8. Januar 2004 hat die Einsprechende ihren Einspruch zurückgenommen, sie ist auch zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Ihr Nichterscheinen hat sie mit dem gleichen Schriftsatz angekündigt.

Zuvor hat die Einsprechende schriftsätzlich (Schriftsatz vom 11. Oktober 2002) den Antrag gestellt, das Patent im Umfang der Patentansprüche 1, 7 und 8 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt schriftsätzlich (Schriftsatz vom 6. Februar 2004) den Antrag, das Patent im erteilten Umfang unverändert aufrechtzuerhalten.

Sie hat sich zu dem Vorbringen der Einsprechenden nicht geäußert und ist auch zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen, was sie mit Schriftsatz vom 3. Februar 2004 angekündigt hat.

II.

Der Senat entscheidet im Einspruchsverfahren aufgrund mündlicher Verhandlung in entsprechender Anwendung von PatG § 78 (vgl. BPatG Mitt. 2002, 417, 418 - Etikettierverfahren).

Über den Einspruch war zu entscheiden, da das Verfahren von Amts wegen ohne den Einsprechenden fortgesetzt wird, wenn der Einspruch, wie im vorliegenden Fall, zurückgenommen wird (PatG §61 Abs.1 S2).

Der frist- und formgerecht eingelegte Einspruch ist zulässig, denn es sind innerhalb der Einspruchsfrist die den Einspruch rechtfertigenden Tatsachen im Einzelnen dargelegt, so dass die Patentinhaberin und insbesondere der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ziehen können.

Bei der Entscheidung über den Einspruch ist der Senat nicht an den eingeschränkten, nur auf den Widerruf der Ansprüche 1, 7 und 8 gerichteten Antrag der Einsprechenden gebunden (vgl. BGH BlfPMZ 2003, 241, re.Sp u. - Automatisches Fahrzeuggetriebe; soweit hingegen Busse, Patentgesetz, 6. Aufl, § 59, Fßn. 318 zu Rdn. 160, die Frage der Antragsbindung als noch nicht höchstrichterlich geklärt ansieht, schließt sich der Senat den überzeugenden Gründen des 17. Senats (GRUR 2002, 55 - Branddetektion)) an.

1.) Die Frage der unzulässigen Erweiterung des Gegenstands des Anspruchs 1 kann im vorliegenden Fall unerörtert bleiben, denn dieser Gegenstand ist nicht neu.

Aus der Druckschrift (1) ist ein Gurtstraffer für einen Sicherheitsgurt eines Kraftfahrzeugs bekannt (Merkmal a); (1) Spalte 1, 1. Absatz). Dieser bekannte Gurtstraffer weist auch ein mit dem Sicherheitsgurt verbindbares Antriebsmittel auf (Merkmal b)), denn das dort aus der pyrotechnischen Rückstrammeinrichtung 10 austretende Seil ist in den Sicherheitsgurtaufroller 14 eingeführt und muss dort mit dem Sicherheitsgurt verbunden sein, da ansonsten keine Rückstrammung im Crashfall erfolgen kann (vergl. Fig. 1, Pos. 10, 14 und Beschr. Sp.3, Z. 36 bis 42). Auch ein im Normalbetrieb des Fahrzeugs gesperrter Energiespeicher 18, der im freigegebenen Zustand das Antriebsmittel antreibt (Merkmal c)) ist beim Gegenstand von (1) ebenso vorgesehen (vergl. die pyrotechnische Zündeinrichtung 10 mit dem Energiespeicher 18 in Figur 1) wie ein trägheitssensitiver Sensor (Ansteuermechanismus 12 in Figur 1), der eine um eine Pendelachse (Lagerung von 30) bewegliche Sensormasse 30 aufweist und der bei überhöhter Fahrzeuggeschwindigkeitsänderung (Crashfall) aufgrund der daraus resultierenden Schwenkbewegung der Sensormasse (Merkmal d); (1) Beschreibung zu Fig. 1 ab Sp. 3, Z. 28) in einer bestimmten Drehrichtung um die Pendelachse die Freigabe des Energiespeichers verursacht (Merkmal f); (1) Sp. 1, Zeile 15 bis 22, Figur 1, Spalte 3, Zeile 28ff). Da beim Gegenstand von (1) die Sensormasse 30 über die Rolle 34, das Schlagstück 32, das von einer nicht näher bezeichneten Feder beaufschlagt ist, auf den Schlagbolzen 22 einwirkt, der dann die Auslösung der pyrotechnischen Ladung 18 bewirkt, stellen die Elemente 34 und 32 Teile der Zündeinrichtung dar. Damit ist auch beim Gegenstand von (1) das Merkmal e), wonach die Sensormasse mit Teilen der Zündeinrichtung des Gurtstraffers verbunden ist, erfüllt. Des Weiteren sind beim Stand der Technik nach (1) ein Gehäuse für den Gurtstraffer und ein Rahmen für einen Gurtaufrollautomaten starr miteinander verbunden (Merkmal g); (1) Figuren 1 und 4, Beschr. Spalte 4, Zeile 58 bis Spalte 5 Zeile 7) und ist der Rahmen des Gurtaufrollautomaten am Fahrzeugaufbau in einer Befestigungsstelle befestigt (Merkmal h); (1) wie vor und Figur 4, Position 44, 50, 52). Außerdem ist die Befestigungsstelle von einem Befestigungsbolzen (Montageschraube 50), der durch eine am Rahmen (bei 16) des Gurtaufrollautomaten vorgesehene Öse gesteckt ist, gebildet (Merkmal i); (1) Figur 4, vergl. die nicht näher bezeichnete Öffnung durch die die Schraube 50 gesteckt wird) und erstreckt sich die Pendelachse und die Achse des Befestigungsbolzens senkrecht zur Fahrtrichtung (F) des Fahrzeugs (Merkmal j). Wie den Figuren 1 und 3 einerseits zu entnehmen ist, sind die beiden Achsen (vom Pendel und dem Befestigungsbolzen) parallel zueinander angeordnet und wie andererseits aus der Figur 4, die die Einbaulage der Anordnung wiedergibt, ersichtlich ist, sind die beiden Achsen damit senkrecht zur Fahrtrichtung des Fahrzeugs, die in Figur 4 senkrecht zur Zeichenebene verläuft, eingebaut.

Damit sind alle Merkmale des Anspruchs 1 dem in (1) beschriebenen Gegenstand zu entnehmen.

2.) Die Unteransprüche 2 bis 8 fallen schon aus formalen Gründen (Antragsgrundsatz, vgl. Busse, aaO, § 99, Rdn 158, § 61 Rdn 19) mit dem Hauptanspruch.

Dr. Winterfeldt Klosterhuber Kätker Dr. Strößner Pr






BPatG:
Beschluss v. 11.03.2004
Az: 21 W (pat) 326/02


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