Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. April 2005
Aktenzeichen: 14 W (pat) 326/03

(BPatG: Beschluss v. 12.04.2005, Az.: 14 W (pat) 326/03)

Tenor

Das Patent 101 03 716 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht erhalten:

Patentansprüche 1 bis 8, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Seiten 2 und 3 mit Einschub im Anschluss an Absatz [0008], überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Seiten 4 bis 7 gemäß Patentschrift.

Gründe

I Die Erteilung des Patents 101 03 716 mit der Bezeichnung

"Poröses Tintenstrahlaufzeichnungsmaterial"

ist am 6. Februar 2003 veröffentlicht worden.

Gegen dieses Patent ist am 26. April 2003 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist auf die Behauptung gestützt, das Streitpatent sei in unzulässiger Weise über den ursprünglichen Offenbarungsgehalt hinaus erweitert worden, der erteilte Patentanspruch 1 enthalte keine ausreichend klare Lehre zum technischen Handeln und der Gegenstand des Patents sei gegenüber dem durch die Entgegenhaltungen

(1) DE 695 10 502 T2

(2) EP 1 048 480 A1

(3) EP 0 803 374 A2

(4) WO 99/21703 A1

(5) EP 0 850 777 A2

(6) EP 0 878 322 A2 belegten Stand der Technik nicht patentfähig.

Die Patentinhaberin verfolgt ihr Patentbegehren in eingeschränktem Umfang mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 bis 8 weiter, von denen Anspruch 1 wie folgt lautet:

"Tintenstrahl-Aufzeichnungsmaterial mit einem Träger und mindestens einer unteren Pigment enthaltenden Schicht und einer oberen Pigment enthaltenden Schicht, dadurch gekennzeichnet, dass das Pigment der oberen Schicht in zwei Korngrößenfraktionen (A, B) vorliegt und eine Korngrößenfraktion (A) in einem Bereich von 10 bis 100 nm und die andere Korngrößenfraktion (B) in einem Bereich von 1.000 bis 3.000 nm liegt und das Pigment der unteren Schicht verschieden ist von dem der oberen Schicht und dessen Korngrößenverteilung im Bereich von 150 bis 1.000 nm liegt, wobei die mittlere Teilchengröße der Korngrößenfraktion A 70 bis 90 nm, die mittlere Teilchengröße der Korngrößenfraktion B 2.300 bis 2.800 nm und die mittlere Teilchengröße des Pigments der unteren Schicht 240 bis 350 nm beträgt."

Zum Wortlaut der unmittelbar oder mittelbar auf diesen Anspruch rückbezogenen Ansprüche 2 bis 8 wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die Einsprechende macht insbesondere geltend, Anspruch 1 habe in seiner ursprünglichen Fassung das Merkmal beinhaltet, wonach die mittlere Korngröße des Pigments der unteren Schicht verschieden sei von den mittleren Korngrößen des Pigments der oberen Schicht. Dieses Merkmal könne sich zunächst nur auf den für beide Schichten jeweils zu ermittelnden gewichteten Mittelwert der Korngrößen aller in der jeweiligen Schicht enthaltenen Pigmente beziehen. Es sei aber lediglich die mittlere Korngröße des Pigments der unteren Schicht zahlenmäßig ursprünglich definiert. In seiner erteilten und auch in der geltenden Fassung weise der Anspruch aber weder eine Nennung einer mittleren Korngröße des Pigments der oberen Schicht noch deren zahlenmäßiges Verhältnis auf. Die in der mündlichen Verhandlung überreichten Figuren 1 und 2 verdeutlichten zeichnerisch, dass die aus den Angaben des erteilten Anspruchs 1 berechneten, gewichteten Mittelwerte der Korngrößen aller in der jeweiligen Schicht enthaltenen Pigmente sich nicht unterschieden. Anspruch 1 sei daher unzulässig erweitert, weil die ursprünglich enthaltene Bedingung nicht erfüllt sei.

Ferner enthalte Anspruch 1 keine ausreichend klare Lehre zum technischen Handeln, weil das Merkmal, wonach das Pigment der unteren Schicht verschieden sei von dem der oberen Schicht, offen lasse, worin dieser Unterschied bestehe; der Begriff "verschieden" könne sich sowohl auf einen stofflichen Unterschied als auch auf einen Unterschied in der Korngröße beziehen.

Der Gegenstand nach Anspruch 1 des Streitpatents sei nach diesen Darlegungen nicht ausführbar, was einen weiteren Widerrufsgrund darstelle.

Schließlich beruhe das Tintenstrahl-Aufzeichnungsmaterial nach geltendem Anspruch 1 gegenüber der Zusammenschau der Entgegenhaltungen (1), (3) und (4) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der Fachmann habe, ausgehend von der bekannten Verwendung eines Pigmentes in bimodaler Form in der oberen Schicht eines Aufzeichnungsmaterials, aus dem Stand der Technik die Anregung erhalten können, die Korngrößen der Fraktionen A und B in der oberen Schicht und die Korngröße des Pigmentes der unteren Schicht in den nunmehr beanspruchten Größenordnungen einzusetzen, wobei die Ergänzung dieser Zahlenwerte um die Angabe der jeweiligen mittleren Teilchengrößen zu keiner weiteren Konkretisierung geführt habe bzw durch den Stand der Technik ebenfalls bereits nahe gelegt sei.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 8, der Beschreibung Seiten 2 und 3 mit Einschubseite im Anschluss an Absatz [0008], jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, sowie der Beschreibung Seiten 4 bis 7 gemäß Patentschrift.

Sie ist der Ansicht, die ursprüngliche Offenbarung, Ausführbarkeit und Patentfähigkeit des eingeschränkten Patentbegehrens seien gegeben. Eine Unklarheit des geltenden Anspruches 1 liege nicht vor, wäre aber ohnehin kein Widerrufsgrund.

Wegen weiterer Einzelheiten des schriftlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II 1. Der Einspruch ist frist- und formgerecht erhoben und mit Gründen versehen, somit zulässig. Er führt zur beschränkten Aufrechterhaltung des Patents.

2. Der Widerrufsgrund der unzulässigen Erweiterung (§ 21 Abs 1 Nr 4 PatG) liegt nicht vor.

Der geltende Patentanspruch 1 geht inhaltlich auf die ursprünglichen Ansprüche 1 und 4 in Verbindung mit Seite 4, Absatz 2 und Seite 5, Absatz 3 der ursprünglichen Beschreibung bzw auf den erteilten Anspruch 1 in Verbindung mit den Abschnitten [0013] und [0017] der Patentschrift zurück.

Die geltenden Ansprüche 2 und 3 sowie die Ansprüche 4 bis 8 sind die ursprünglichen Ansprüche 2, 3 und 5 bis 9 und entsprechen den erteilten Ansprüchen 2 bis 8.

Mit den Bereichsgrenzen für die mittleren Teilchengrößen ist das Merkmal des ursprünglichen Anspruchs 1, dass die mittlere Korngröße des Pigments der unteren Schicht verschieden ist von den mittleren Korngrößen des Pigments der oberen Schicht zahlenmäßig konkretisiert, denn 240 bis 350 nm ist verschieden von 70 bis 90 nm und von 2.300 bis 2.800 nm.

Die Patentansprüche 1 bis 8 sind zulässig.

3. Die von der Einsprechenden behauptete Unklarheit des geltenden Anspruchs 1 ist kein Widerrufsgrund (Schulte PatG 7. Auflage § 21 Rdn 36), sie kann im Übrigen auch nicht festgestellt werden.

Der Einwand der Einsprechenden, wonach das Pigment der oberen Schicht bimodal vorliege und daher eine mittlere - nicht ursprünglich zahlenmäßig offenbarte - Korngröße aus den angegebenen Bereichen für die Korngrößenfraktionen A und B mit der Korngrößenverteilung des Pigments der unteren Schicht zu vergleichen sei, muss ins Leere gehen.

Der zuständige Durchschnittsfachmann - hier ein mit der Herstellung von Spezialpapieren vertrauter Chemiker - hat nämlich keinerlei Veranlassung, aus den mittleren Korngrößen des (bimodalen) Pigments der oberen Schicht die mittlere Korngröße beider Anteile zu ermitteln, zumal die es an keiner Stelle in den ursprünglichen Unterlagen und in der Patentschrift irgendeinen Hinweis in diese Richtung gibt.

Die Einsprechende hat weiter beanstandet, das Merkmal der Verschiedenheit der Pigmente der unteren und oberen Schicht sei unklar, weil es eine stoffliche Gleichheit bei unterschiedlicher Korngrößenverteilung nicht ausschließe.

Mit dieser Argumentation räumt aber die Einsprechende selbst ein, dass das Merkmal "verschieden" eindeutig identifizierbar ist; eine Einschränkung auf ein spezifisches Merkmal ist hierfür nicht erforderlich.

4. Das Tintenstrahl-Aufzeichnungsmaterial nach dem geltenden Anspruch 1 ist so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann es ausführen kann.

Zur Erfüllung dieses Kriteriums genügt es nach der Rechtsprechung bereits, wenn ein einziger gangbarer Weg nacharbeitbar aufgezeigt ist (vgl hierzu BGH, GRUR 2001, 813 (IV) - "Taxol" mwN). Vorliegend sind mehrere Ausführungsbeispiele gegeben, deren Nacharbeitbarkeit auch von der Einprechenden nicht bestritten worden ist.

5. Das Tintenstrahl-Aufzeichnungsmaterial nach Anspruch 1 ist neu. Es weist folgende Merkmale auf:

1. Einen Träger mit 2. mindestens einer unteren Pigment enthaltenden Schicht und 3. einer oberen Pigment enthaltenden Schicht, dadurch gekennzeichnet, dass 4. das Pigment der oberen Schicht in zwei Korngrößenfraktionen

(A, B) vorliegt und 5. eine Korngrößenfraktion (A) in einem Bereich von 10 bis 100 nmund 6. die andere Korngrößenfraktion (B) in einem Bereich von 1.000 bis 3.000 nm liegt und 7. das Pigment der unteren Schicht verschieden ist von dem deroberen Schicht und 8. dessen Korngrößenverteilung im Bereich von 150 bis 1.000 nmliegt, 9. wobei die mittlere Teilchengröße der Korngrößenfraktion A 70 bis 90 nm, 10. die mittlere Teilchengröße der Korngrößenfraktion B 2.300 bis 2.800 nm und 11. die mittlere Teilchengröße des Pigments der unteren Schicht 240 bis 350 nm beträgt.

Keine der dem Senat vorliegenden Druckschriften beschreibt einen Gegenstand mit der Gesamtheit dieser Merkmale.

So sind die vorstehend mit 10 und 11 bezeichneten Merkmale in (3) weder erwähnt noch aus dem sonstigen Inhalt abzuleiten.

Nach Entgegenhaltung (1) weisen die beiden Korngrößenfraktionen des Pigments der oberen Schicht Teilchen mit einer mittleren Teilchengröße von höchstens 300 nm auf (Ansp 1 bis 4 iVm S 51 Z 15 bis 24), so dass zumindest das Merkmal 6 nicht erfüllt ist.

Die Druckschrift (4) beschreibt ein Tintenstrahl-Aufzeichnungsmaterial, bei dem zwischen dem Träger und der Tinte aufnehmenden Beschichtung keine untere Schicht im Sinne des Streitpatents vorgesehen ist (Ansp 1).

Die weiteren dem Senat vorliegenden Druckschriften können die Neuheit des Tintenstrahl-Aufzeichnungsmaterials nicht in Frage stellen, weil sie entweder keine bimodalen Pigmente in einer oberen Schicht des Aufzeichnungsmaterials oder keine Schichten mit unterschiedlichen Pigmenten aufweisen.

5. Das Tintenstrahl-Aufzeichnungsmaterial nach Anspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Aufgabe des vorliegenden Patents ist es, ein Aufzeichnungsmaterial für das Ink-Jet-Druckverfahren bereitzustellen, das einen hohen Glanz, hohe Farbdichte, Lichtstabilität, großen Tonumfang und hohe Bildauflösung aufweist. Das Aufzeichnungsmaterial soll ferner eine kurze Trocknungszeit, gute Wasserfestigkeit und eine hohe Tintenaufnahmefähigkeit besitzen ([0009]).

Die Aufgabe wird gelöst mit einem Tintenstrahl-Aufzeichnungsmaterial gemäß Anspruch 1.

Die Druckschrift (3) ist hierzu als die dem Streitpatent am nächsten liegende mit gleicher Aufgabenstellung anzusehen (S 4 Z 25 bis 27). Sie offenbart für das Pigment der oberen Schicht für eine erste Korngrößenfraktion eine durchschnittliche Partikelgröße von 10 bis 300 nm (Ansp 1 iVm S 6 Z 26 bis 39) und für ein zusätzliches Pigment der oberen Schicht eine Teilchengröße von ² 2.000 nm (S 7 Z 8 bis 10). Das Pigment der unteren Schicht weist bei (3) eine durchschnittliche Teilchengröße von ³ 500 nm auf (S 9 Z 35 bis 39). Diese Angaben führen ersichtlich von den vorstehend mit 10 und 11 bezeichneten Merkmalen weg, denn die mittlere Teilchengröße muss damit zwangsläufig für das zusätzliche Pigment der oberen Schicht unterhalb von 2.000 nm und für das Pigment der unteren Schicht oberhalb von 500 nm liegen.

Auch eine Kombination der Entgegenhaltungen (1) und (4) führt, entgegen der von der Einsprechenden vertretenen Auffassung, nicht zum Tintenstrahl-Aufzeichnungsmaterial nach Anspruch 1. Zwar sind in (4) für die Oberflächenschicht ua Teilchengrößen von 10 bis 70 nm für kolloidale Partikel und von 2.500 nm für poröse Partikel angegeben (Ansp 1 iVm S 8 Z 24 bis S 9 Z 3 bis 5), wobei allerdings mittlere Teilchengrößen nicht angegeben sind. Doch aus (1) weiß der Fachmann, dass der Glanz des Aufzeichnungsmaterials durch die Verwendung kleiner Teilchen verbessert wird (S 9 Z 19 bis 22). Die Lehre der Druckschrift (1) besteht folglich dann auch darin, dass in einem Tintenstrahlaufzeichnungsblatt mit doppelschichtigem Aufbau die obere Glanz vorsehende Schicht im Wesentlichen ein Pigment aufweisen soll, bei dem mindestens 70 von 100 Gewichtsteilen aus kolloidalen Teilchen mit einer durchschnittlichen Teilchengröße von höchstens 300 nm bestehen (Ansp 1). Zur Verwendung einer Kombination von porösen und kolloidalen Teilchen lehrt (1) jedoch weiter, dass damit der beabsichtigte Glanz offensichtlich doch nicht erhalten werden kann (S 9 Z 22 bis 25). Der Fachmann wird in Kenntnis dessen in der oberen Glanz vorsehenden Schicht die in (4) erwähnten groberen Partikel - die auch oberhalb der in (3) angegebenen Grenze von ² 2.000 nm liegen - nicht in Betracht ziehen, zumal (4) auch kein Material mit dem Schichtaufbau gemäß den Merkmalen 1 bis 3 betrifft.

Wie sich aus den Ausführungen zur Neuheit ergibt, enthalten die übrigen Entgegenhaltungen keine Gesichtspunkte, die über den durch (3), (1) und (4) belegten und vorstehend abgehandelten Stand der Technik hinausweisen.

6. Das Tintenstrahl-Aufzeichnungsmaterial nach Anspruch 1 weist somit alle Kriterien der Patentfähigkeit auf; der Anspruch ist daher rechtsbeständig.

Mit ihm haben die auf besondere Ausführungsformen des Aufzeichnungsmaterials gerichteten Ansprüche 2 bis 8 Bestand.

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BPatG:
Beschluss v. 12.04.2005
Az: 14 W (pat) 326/03


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