Bundespatentgericht:
Beschluss vom 31. März 2004
Aktenzeichen: 28 W (pat) 54/03

(BPatG: Beschluss v. 31.03.2004, Az.: 28 W (pat) 54/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 5. März 2001 und 27. November 2002 aufgehoben, soweit der Widerspruch bezüglich der Waren "Nahrungsergänzungsmittel, die eiweißhaltig oder kohlenhydrathaltig sind" zurückgewiesen worden ist.

Insoweit wird die Löschung der jüngeren Marke 399 25 939 wegen des Widerspruchs aus der Marke 398 00 930 angeordnet.

Gründe

I.

In das Markenregister wurde am 8. November 1999 unter der Registernummer 399 25 939 die Wort-Bild-Markesiehe Abb. 1 am Endefür die Waren und Dienstleistungen

"Diätische Ernährung für medizinische Zwecke; Tees, Suppen, Nahrungsergänzungsmittel auf Vitaminbasis, Nahrungsergänzungsmittel, die eiweißhaltig oder kohlenhydrathaltig sind; Verpflegung von Gästen"

eingetragen.

Die Inhaberin der rangälteren, seit dem 28. Mai 1998 eingetragenen Wort-Bild-Marke 398 00 930 siehe Abb. 2 am Endedie für die Waren der Klassen 29 und 30 Back- und Konditorwaren, Speiseeis, Honig, Melassesirup, Hefe, Backpulver, Puddingpulver, Soßenpulver, Speiseeispulver, süße Soßen, Gewürze, Gewürzmischungen, Fertigpuddinge, Getreideerzeugnisse als Nahrungsmittel, vorzugsweise durch Aufblähen oder Backen von Getreide hergestellte Lebensmittel, insbesondere tellerfertige Getreidekost unter Zusatz von Zucker und/oder Honig und/oder Kakao und/oder Früchten und/oder Schokolade und/oder Nüssen sowie Getreideerzeugnisse als Nahrungsmittel in Riegelform unter Zusatz von Zucker und/oder Honig und/oder Kakao und/oder Schokolade und/oder Nüssen und/oder getrockneten und/ oder zubereiteten Früchten; Müsli, nämlich Nahrungsmittelmischungen im wesentlichen Getreideflocken und Trockenfrüchte enthaltend, Backmischungen; Brühen sowie süße und salzige Suppen und Soßen einschließlich Salatsoßen in flüssiger, trockener und Instantform, süße und salzige Brotaufstriche, im wesentlichen bestehend auf Hefeextrakt und/ oder pflanzlichem Eiweiß und Gewürzen, Pasten, alle vorstehenden Waren ausschließlich auf pflanzlicher Basis; auf pflanzlicher Basis hergestellte Fertiggerichte, im wesentlichen bestehend aus Gemüse und/oder zubereitetem Obst und/oder Reis und/oder nicht unter Verwendung tierischer Fette hergestellte Teig- und Backwaren und/oder Kartoffeln sowie Fleisch- und Wurstersatz, im wesentlichen hergestellt unter Verwendung von Sojaeiweiß und/oder Pflanzeneiweiß und/oder Hefeextrakt; auf pflanzlicher Basis hergestellte Fleisch- und Wurstersatzwaren, auch in zubereiteter Form, im wesentlichen bestehend aus Sojaeiweiß und/oder Pflanzeneiweiß und/oder Hefeextrakt, vorstehende Waren, soweit möglich, auch in tiefgekühlter oder konservierter Form; Sirupe und andere Präparate zur Herstellung von alkoholfreien Getränken, auch in Pulverformgeschützt ist, hat hiergegen Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch zurückgewiesen mit der Begründung, die Marken hielten auch bei identischen Waren einen ausreichenden Abstand zueinander ein, da es angesichts der Kennzeichnungsschwäche des gemeinsamen Wortbestandteils "vital" entscheidungserheblich auf die Unterschiede an den Wortenden ankomme.

Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt und rügt, dass die Markenstelle zu einseitig auf die Wortenden der Vergleichsmarken abgestellt habe, nicht aber auf die Marken als ganzes. Das sei aber unerlässlich, weil die Widerspruchsmarke aufgrund starker Benutzung einen erweiterten Schutzumfang beanspruchen könne, was die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen, insbesondere eine eidesstattliche Versicherung und Benutzungsdaten für den Zeitraum 1994 bis 2003 deutlich belegten. So seien mit der - dazu noch stark beworbenen - Widerspruchsmarke für "Getreideerzeugnisse, nämlich Müsli, in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen" Jahresumsätze von ... DM (1994) über ... DM (1998) bis zu ... Euro (2003) erzielt worden. Stelle man aber die Vergleichs- zeichen im Gesamteindruck gegenüber, müsse eine klangliche und schriftbildliche Verwechslungsgefahr bejaht werden.

Die Widersprechende hat in der mündlichen Verhandlung ihren Widerspruch auf die Waren

"Nahrungsergänzungsmittel, die eiweißhaltig oder kohlenhydrathaltig sind"

beschränkt und beantragt nur noch, die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke für die Waren "Nahrungsergänzungsmittel, die eiweißhaltig oder kohlenhydrathaltig sind" anzuordnen.

Die Markeninhaberin hat keinen Antrag gestellt und sich auch sonst nicht zur Sache geäußert. Den Termin zur mündlichen Verhandlung hat sie nicht wahrgenommen.

Wegen weitere Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und hat nach Beschränkung des Widerspruchs auch Erfolg. Zwischen den Marken besteht in dem im Beschlusstenor genannten Umfang Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr ist von der Ähnlichkeit der Waren, der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke und der Ähnlichkeit der Marken auszugehen. Zwischen diesen Faktoren besteht eine Wechselwirkung, so dass ein gringerer Grad der Ähnlichkeit der Zeichen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND).

Da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen sind, ist bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit von der Registerlage auszugehen. Danach bewegen sich die noch streitigen Waren im engsten Ähnlichkeits- bis hin zum Identitätsbereich. Denn bei den Widerspruchswaren "Getreideerzeugnisse als Nahrungsmittel, ... insbesondere tellerfertige Getreidekost ...; Müsli, nämlich Nahrungsmittelmischungen im wesentlichen Getreideflocken und Trockenfrüchte enthaltend" kann es sich ebenfalls um "Nahrungsergänzungsmittel, die eiweißhaltig oder kohlenhydrathaltig sind" handeln. Bedenkt man, dass die streitigen Waren Artikel des täglichen Verbrauchs sind, die auch von durchschnittlich informierten Verbrauchern häufig mit einer gewissen Flüchtigkeit erworben werden, sind an den zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr zu stellenden Abstand der Marken eher strengere Anforderungen zu stellen, denen die angegriffene Marke angesichts deutlicher Übereinstimmungen in Klang und Bild nur dann noch genügen könnte, wenn die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke im Wortteil äußerst schwach wäre und allenfalls noch als unterdurchschnittlich angesehen werden könnte. Davon kann vorliegend aber nicht mehr uneingeschränkt ausgegangen werden. Zwar ist richtig, dass in Fällen, in denen sich die Gemeinsamkeiten der Marken im wesentlichen in schutzunfähigen oder kennzeichnungsschwachen Elementen erschöpfen, eine Verwechslungsgefahr in der Regel bereits aus Rechtgründen zu verneinen ist (Ströbele/Hacker, MarkenG, 7.Aufl. 2003, § 9 Rdn. 331 m.w.N.). Das ist etwa der Fall, wenn die Vergleichsmarken auf der Abwandlungen derselben freihaltungsbedürftigen Sachangabe basieren und sich die Übereinstimmungen hierauf beschränken; erstrecken sich die Gemeinsamkeiten jedoch auf weitere Elemente in ihrer Eigenprägung, ist eine Einschränkung des nach dieser Eigenprägung zu bemessenden Schutzumfanges nicht gerechtfertigt (vgl. Ströbele/ Hacker, aaO., Rdn. 323 m.w.N.)

Unter Beachtung dieser Grundsätze gilt vorliegend folgendes:

Die ältere Marke enthält den für die streitigen Waren an sich eher kennzeichnungsschwachen, wenn nicht gar schutzunfähigen Bestandteil "VITAL" und kann daher selbst in der kennzeichnungskräftigen Abwandlung, .d.h. in der Kombination mit der Wortendung "IS", kaum noch einen durchschnittlichen Schutzumfang beanspruchen, zumal es auf dem jeweils beanspruchten Warengebiet eine Vielzahl von Marken gibt, die sich des Wortstammes "VITA(L)" bedienen, was allerdings für sich allein genommen nicht zu einer Schwächung der Gesamtmarke führen muß. Zudem ist über die Benutzung dieser Marken nichts bekannt (vgl BGH, MarkenR 2001, 307 - CompuNet/ComNet). Die Widersprechende hat jedoch in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen eine umfangreiche Benutzung der Widerspruchsmarke mit Umsätzen im ...stelligen ...bereich pro Jahr vorgetra- gen und belegt, woraus zumindest auf einen gesteigerten Bekanntheitsgrad geschlossen werden kann (im übrigen auch schon im Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke), der geeignet erscheint, eine möglicherweise von Haus aus gegebene Kennzeichnungsschwäche des Wortbestandteils der Widerspruchsmarke zu überwinden. Damit ist bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit aber wieder auf die Marke als Ganzes bzw. das sie prägende Schlagwort abzustellen, das zwar erkennbar auf der Abwandlung einer beschreibenden Angabe beruht, die indes in gleicher Weise auch bei angegriffenen Marke vollzogen wird, d.h. im wesentlichen durch Anhängen einer vor allem klanglich sehr ähnlichen Buchstabenfolge. Die Vokale "e" und "i" sind sehr klangverwandt und die Konsonanten "s" und "x" verfügen über denselben markanten Zischlaut. Unter Berücksichtigung dieser Faktoren stehen sich nach Auffassung des Senates die Marken bei hochgradig ähnlichen bzw. identischen Waren zu nahe, wobei im klanglichen Bereich auch noch die - ohnehin nur geringe - grafische Gestaltung unberücksichtigt bleiben muss. Es muss daher von der Gefahr ausgegangen werden, dass es beim Verkehr im klanglichen Vergleich der beiden Markenwörter vor allem aus der Erinnerung heraus im Umfang des Beschlusstenors zu Verwechslungen kommen wird, so dass die Beschwerde Erfolg hat.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, § 71 Abs 1 Satz 2 Markengesetz.

Stoppel Schwarz-Angele Richter Paetzold hat Urlaub und kann daher nicht selbst unterschreiben Stoppel Ko Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/D93872.3.gif Abb. 2 http://agora/bpatgkollision/docs/D93873.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 31.03.2004
Az: 28 W (pat) 54/03


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