Landgericht Hamburg:
Urteil vom 10. November 2006
Aktenzeichen: 324 O 569/06

(LG Hamburg: Urteil v. 10.11.2006, Az.: 324 O 569/06)

Tenor

I. Im Wege der einstweiligen Verfügung wird dem Antragsgegner bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre),

verboten,

im Zusammenhang mit dem Abschluss von Kaufverträgen - insbesondere via Internet - in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber Verbrauchern und ausgenommen gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich rechtlichen Sondervermögen, folgende oder inhaltsgleiche Klauseln zu verwenden oder sich auf diese zu berufen:

1. "Schäden, die auf dem Transportweg entstanden sind, sind uns sofort nach Erhalt der Sendung (innerhalb eines Werktages) zu melden. Weist die Sendung äußerliche Schäden auf, so ist dieser direkt beim Spediteur anzuzeigen." ("Versand und dessen Kosten", Abs. 2)

in Verbindung mit

"Jede Verzögerung der Schadenmeldung kann dazu führen, dass der Schaden nicht mehr anerkannt werden kann." ("Versand und dessen Kosten", Abs. 3, Satz 1)

2. "Lieferungen erfolgen ausschließlich gegen Vorkasse." ("Zahlungsweise", Satz 1)

II. Die Kosten des Verfahrens fallen dem Antragsgegner nach einem Streitwert von EUR 3.000,- zur Last.

Tatbestand

Der Antragsteller begehrt vom Antragsgegner im Wege der Verbandsklage die Unterlassung der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Verträgen mit Verbrauchern.

Der Antragsteller ist ein rechtsfähiger Verband, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen. Er ist mit Wirkung zum 1.1.2001 in die Liste qualifizierter Einrichtungen im Sinne des seinerzeitigen § 22a AGBG eingetragen (Anlage ASt 1).

Der Antragsgegner betreibt ein Unternehmen in Hamburg. Er verkauft über das Internet verschiedene Produkte wie Haushaltsgegenstände, Büroartikel und DVDs an Verbraucher. Hierbei verwendet der Antragsgegner allgemeine Geschäftsbedingungen, die die aus dem Verbotstenor ersichtlichen Klauseln enthalten (Anl. ASt 2).

Mit Schreiben vom 20.6.2006 forderte der Antragsteller den Antragsgegner zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung in Bezug auf diese und weitere Klauseln auf (Anl. Ast. 3); hinsichtlich der streitgegenständlichen Klauseln gab der Antragsgegner eine solche Erklärung indes nicht ab (Anl. ASt 4).

Der Antragsteller ist der Ansicht, dass ihm ein Unterlassungsanspruch gem. §§ 1, 3 UKlaG zustehe, da die angegriffenen Klauseln gegen die §§ 307 - 309 GBG verstießen. Er behauptet, dass er Kenntnis von der Verwendung dieser Klauseln am 20.6.2006 erlangt habe.

Der Antragsteller beantragte,

dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten,

zu unterlassen,

im Zusammenhang mit dem Abschluss von Kaufverträgen - insbesondere via Internet - in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber Verbrauchern und ausgenommen gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich rechtlichen Sondervermögen, folgende oder inhaltsgleiche Klauseln zu verwenden oder sich auf diese zu berufen:

1. Versand und dessen Kosten, Abs. 2:

"Schäden, die auf dem Transportweg entstanden sind, sind uns sofort nach Erhalt der Sendung (innerhalb eines Werktages) zu melden. Weist die Sendung äußerliche Schäden auf, so ist dieser direkt beim Spediteur anzuzeigen."

in Verbindung mit

Versand und dessen Kosten, Abs. 3:

"Jede Verzögerung der Schadenmeldung kann dazu führen, dass der Schaden nicht mehr anerkannt werden kann."

2. Zahlungsweise, Satz 1:

"Lieferung erfolgen ausschließlich gegen Vorkasse."

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Der Antragsgegner ist der Ansicht, dass es bereits an einem Verfügungsanspruch (gemeint ersichtlich: Verfügungsgrund) fehle, da nicht glaubhaft gemacht sei, dass der Antragsteller erst am 20.6.2006 Kenntnis von den streitgegenständlichen Klauseln erlangt habe. Die angegriffenen Klauseln seien aber auch als wirksam anzusehen.

Wegen der Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

I.

Der Antrag ist zulässig. An der Antragsbefugnis des Antragstellers als qualifizierter Einrichtung im Sinne des § 4 UKlaG bestehen angesichts der vorgelegten Bescheinigung des Bundesverwaltungsamtes (Anl. ASt 1) gemäß dem damaligen § 22a AGBG (der weitgehend § 4 UKlaG entspricht) keine Bedenken. Unterlassungsansprüche nach dem UKlaG können gemäß § 5 UKlaG i.V.m. § 12 Abs. 2 UWG i.V.m. §§ 935, 940 ZPO in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden. Das Landgericht Hamburg ist gemäß § 6 UKlaG zuständig.

II.

Der Antrag ist auch begründet.

1. Dem Antragsteller steht aus §§ 1, 3 UKlaG ein Anspruch gegen den Antragsgegner darauf zu, die inkriminierten Klauseln im Zusammenhang mit Kaufverträgen mit Verbrauchern nicht zu verwenden. Diese Klauseln sind nach § 307 Abs. 1, 2 BGB bzw. nach § 475 Abs. 1 BGB unwirksam.

a. Die angegriffenen Passagen aus der Klausel "Versand und dessen Kosten" sind gemäß § 475 Abs. 1 BGB unwirksam. Die Geschäftsbedingungen verstoßen insoweit gegen die Regelungen in den §§ 474 Abs. 2, 475 Abs. 1 Satz 1, 447 Abs. 2, 434, 437 BGB. Beim Versendungskauf von Verbrauchsgütern geht unabdingbar (§ 475 Abs. 1 Satz 1 BGB) die Gefahr entgegen § 447 BGB nicht mit der Übergabe an den Transporteur auf den Käufer über (§ 474 Abs. 2 BGB), so dass ein Transportschaden einen Mangel darstellt. Der sich daraus ergebende Mängelgewährleistungsanspruch wird durch die angegriffene Klausel beschränkt. Bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung wird nämlich hiermit bei nicht sofortiger Mängelrüge (innerhalb eines Werktages) bei bestimmten Schäden jegliche Gewährleistung ausgeschlossen. Die Formulierung "Jede Verzögerung der Schadensmeldung kann dazu führen, dass der Schaden nicht mehr anerkannt wird" legt nahe, dass bei Unterlassung oder Verspätung der Schadensmeldung Gewährleistungsansprüche des Verbrauchers für jeglichen Transportschaden nicht mehr greifen können sollen. Diese Regelung zur Rechtsfolge einer verzögerten oder unterlassenen Schadensmeldung unterscheidet die angegriffene Klausel entscheidend von Klauseln, die lediglich eine allgemeine, ohnehin bestehende Nebenpflichten des Käufers konkretisieren und ihm darüber hinaus nicht zumuten, was er nicht ohne übermäßigen Aufwand leisten könnte, wie etwa eine formularmäßige Vereinbarung von Mitwirkungspflichten bei der Feststellung und Mitteilung von Transportschäden (vgl. hierzu etwa BGH NJW-RR 1987, 742, 743), hinsichtlich derer lediglich eine schuldhafte Verletzung durch den Käufer zum Schadensersatz wegen positiver Vertragsverletzung führen kann.

Außerdem verstößt die angegriffene Klausel gegen § 309 Ziff. 8 b. ee. BGB, denn es wird nicht zwischen offensichtlichen und nicht offensichtlichen Mängeln unterschieden und für nicht offensichtliche Mängel die zu beachtende Rügefrist nicht auf die Dauer der Verjährungsfrist beschränkt (vgl. Palandt / Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 309 Rz. 71f). Hierbei folgt auch aus der Beschränkung der streitgegenständlichen Klausel auf Transportschäden nicht anderes, denn auch derartige Schäden müssen keineswegs offensichtlich sein; gerade bei Artikeln mit elektronischen Bauteilen kann es zu Transportschäden kommen, die äußerlich nicht einmal vom Fachmann zu erkennen sind und sich erst nach einem längeren Zeitraum auswirken. An diesem Ergebnis vermag auch der Einwand des Antragsgegners nicht zu ändern, dass ihn selbst gegenüber seinem Transportversicherer eine Meldeobliegenheit von einer Woche treffe, denn dies kann nicht entgegen der gesetzlichen Wertung zu Lasten des Verbrauchers gehen.

b. Die angegriffene Passage aus der Klausel "Zahlungsweise" ist gemäß § 307 BGB unwirksam, da diese die Vertragspartner des Antragsgegners unangemessen benachteiligt, indem sie von der Regelung des Gesetzes abweicht und diese Abweichung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren ist. Durch diese Klausel wird eine formularmäßige Vorleistungspflicht des Käufers festgelegt, was indes in Verbrauchsgüterkaufverträgen gemäß §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 320 BGB unwirksam ist. Denn bei den abzuschließenden Kaufverträgen handelt es sich um gegenseitige Verträge, bei denen die beiderseitigen Leistungen synallagmatisch verknüpft sind, wobei die Einrede des § 320 BGB den Erfüllungsanspruch des Käufers sichert und auf den Verkäufer Druck ausübt, damit dieser seine Verpflichtung alsbald erfüllt. Deshalb ist eine Vorleistungsverpflichtung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur dann wirksam, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist, der auch bei der Abwägung mit den hierdurch für den Käufer entstehenden Nachteilen Bestand hat (vgl. BGH NJW 1999, 2180, 2182; Palandt / Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 307 Rz. 114). Derartige sachliche Gründe sind hier indes weder ersichtlich noch von der Antragsgegnerin vorgetragen, folgen insbesondere nicht aus dem vom Antragsgegner angeführten Wesen des Versendungskaufs, denn für die hier alleine in Rede stehende Versendung von Verbrauchsgütern hat der Gesetzgeber gerade die genannte Gefahrenverteilung unabdingbar festgeschrieben. Hieran ändern auch die vom Antragsgegner angeführten Umstände - Üblichkeit einer Vorkasse beim Versand von Waren, Möglichkeit der Einschaltung eines Treuhänders bei der Abwicklung von Zahlungen durch den Käufer - nichts.

2. Dieser Unterlassungsanspruch kann vom Antragsteller im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden, da ein Verfügungsgrund vorliegt. Hierbei kann offen bleiben, ob der Antragsteller erst am 20.6.2006 (dem Datum der an den Antragsgegner versandten Abmahnung) oder - wie der Antragsgegner vermutet - bereits eine gewisse Zeit zuvor Kenntnis erlangt hat, denn auch dieser Umstand stünde einer Eilbedürftigkeit nicht entgegen. In Verfahren zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen nach dem UKlaG ist nämlich - anders als in Pressesachen - eine Eilbedürftigkeit nicht bereits nach einem Zeitraum von fünf Wochen ab Kenntnisnahme von inkriminierten Klauseln kontraindiziert, vielmehr wird in Verfahren wie dem vorliegenden die vermutete Eilbedürftigkeit im Regelfall erst nach einem Zeitraum von drei Monaten entfallen (vgl. Palandt / Bassenge, BGB, 62. Aufl., § 5 UKlaG Rz. 10). Diese Unterscheidung rechtfertigt sich in erster Linie daraus, dass bei Unterlassungsklagen nach dem UKlaG kein besonders zeitnahes Reagieren erforderlich ist, da es keinen Aktualitätsdruck wie bei der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen gegen Presseveröffentlichungen gibt. Zudem wird in § 5 UKlaG für das Verfahren u.a. auf Vorschriften des UWG verwiesen, was es nahe legt, hinsichtlich der Eilbedürftigkeit die in Wettbewerbssachen geltenden Maßstäbe heranzuziehen, wonach ein Verfügungsgrund grundsätzlich erst nach einem Zeitraum von drei Monaten ab Kenntnis des Wettbewerbsverstoßes entfällt. Dass der Antragsteller bereits Mitte Mai 2006 Kenntnis von den streitgegenständlichen Klauseln gehabt hätte, behauptet indes auch der Antragsgegner nicht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt § 91 Abs. 1 ZPO, die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 3 ZPO, wobei entsprechend dem Streitwertgefüge der Kammer ein Wert von EUR 1.500,- pro angegriffener Klausel zugrunde gelegt wurde.






LG Hamburg:
Urteil v. 10.11.2006
Az: 324 O 569/06


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