Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 10. Dezember 1999
Aktenzeichen: 6 U 147/99

(OLG Köln: Urteil v. 10.12.1999, Az.: 6 U 147/99)

Auch der Gewerbetreibende handelt wettbewerbswidrig, der eine Kleinanzeige (hier: für Marmor, Granit, Natursteinarbeiten und Zuschnitte), die nach Inhalt und Wortfolge nahezu identisch mit derjenigen eines Konkurrenten ist, in die einschlägige Rubrik eines Anzeigenblattes, in dem beide werben, einrücken lässt.

Tenor

1.) Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 17.6.1999 verkündete Urteil des Landgerichts Bonn - 14 O 65/99 - abgeändert und im Hauptausspruch wie folgt neu gefaßt:Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft untersagt, in dem Anzeigenblatt "Schaufenster", Wochenblatt für Bonn, wie nachstehend wiedergegeben zu werben:pp.2.) Die Kosten des Verfahrens auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung beider Instanzen hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Schaltung der verfahrensgegenständlichen Anzeige stellt sich als sittenwidrige Ausnutzung fremder Werbung dar und ist deswegen nach § 1 UWG zu untersagen.

Die Werbung der Antragstellerin weist die auch bei dem Schutz gegen Ausnutzung der Werbung erforderliche (BGH WRP 97, 306 f - "Wärme fürs Leben") wettbewerbliche Eigenart auf. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß es sich um eine gewöhnliche Kleinanzeige handelt, die sich in ihrer Aufmachung nicht von durchschnittlichen anderen derartigen Anzeigen unterscheidet. Denn es macht die Werbewirkung einer Kleinanzeige der vorliegenden Art aus, daß sie ohne Zusätze in knapper Form ausschließlich die Besonderheiten des beworbenen Angebotes beschreibt, also allein aus den verwendeten Wörtern ihre Werbewirkung erzielt. Aus diesem Grunde wird eine kurze Anzeige geringen Umfanges (z.B. "VW Golf Bj.93, 130.000 km, 9.800 DM") in der Regel nicht von wettbewerblicher Eigenart sein. Anders ist dies aber dann, wenn die gewerbliche Anzeige in bestimmter nicht vorgegebener und damit eigenartiger Weise und Reihenfolge eine Vielzahl von Elementen der angebotenen Arbeiten beschreibt und so in komprimierter Form die gesamte Palette des Angebotes des Werbenden umfaßt. In diesem Fall kann die Formulierung Herkunftsvorstellungen auslösen und im Wiederholungsfalle Erinnerungen bei dem Leser bewirken. Dies belegt im übrigen der Umstand, daß es üblich ist - und auch von den Parteien selbst praktiziert wird - regelmäßig mit identischem Wortlaut zu werben.

Vor diesem Hintergrund ist auch der Kleinanzeige der Antragstellerin wettbewerbliche Eigenart zuzuerkennen. Das ergibt sich aus der Anzahl der beworbenen Tätigkeiten und Waren und ihrer sprachlichen Anordnung. Die Antragstellerin bewirbt zunächst zwei Steinarten (Marmor und Granit) und Natursteinarbeiten sowie Zuschnitt für insgesamt fünf im einzelnen aufgelistete Verwendungen. Sodann werden Marmorfliesen angeboten und der direkte Vertriebsweg angepriesen. Schließlich sind die Verlegung, Ausstellung und fachmännische Beratung angesprochen und die Geschäftszeiten angegeben. Bei diesen Angaben handelt es sich zwar - anders als dies bei anderen Werbeformen als Kleinanzeigen der Fall ist - um reine Beschreibungen der Tätigkeit der Antragstellerin, gleichwohl erhält die Anzeige durch ihre konkrete Gestaltung wettbewerbliche Eigenart. Diese mag gering sein, sie genügt indes den Anforderungen, weil es sich bei der angegriffenen Anzeige der Antragsgegnerin - wie sogleich darzulegen ist - um eine nahezu identische Übernahme des Wortlautes und damit der ganzen Kleinanzeige handelt.

Es besteht auch Verwechslungsgefahr. In der Anzeige der Antragsgegnerin werden exakt dieselben Stein- und Fliesenarten sowie dieselben Verwendungen für die Steine und die Steinarbeiten und schließlich ebenfalls die direkte Bezugsquelle angesprochen und die Geschäftszeiten angegeben. Der Wortlaut der Kleinanzeige ist - von geringfügigen Wortumstellungen, die nicht ins Gewicht fallen, abgesehen - mit demjenigen der Anzeige der Antragstellerin identisch. Insbesondere ist sie auch identisch aufgebaut, indem zunächst die Steinarten, dann die Verwendungsformen, sodann der Vertriebsweg und schließlich die Geschäftszeiten angegeben werden. Vor diesem Hintergrund besteht die Gefahr, daß Leser die Anzeigen verwechseln und die Antragsgegnerin so von der Werbewirkung der von der Antragstellerin geschalteten Werbung profitiert, weil die angesprochenen Verbraucher sich nicht an die Antragstellerin, sondern infolge der Verwechslung stattdessen an die Antragsgegnerin wenden werden.

Die Verwechslungsgefahr setzt nicht voraus, daß die Antragstellerin entsprechend ihrer - nicht glaubhaft gemachten - Behauptung bereits seit 10 Jahren gleichlautend wirbt. Denn es ist jedenfalls durch Vorlage von Anzeigen glaubhaft gemacht und im übrigen auch nicht bestritten, daß sie zumindest derzeit regelmäßig gleichlautend das von ihr vorgetragene Inserat schaltet. Das genügt indes zur Begründung der Verwechslungsgefahr, weil der Interessent typischerweise alle Kleinanzeigen der betreffenden Branche durchsehen und so beide Anzeigen zur Kenntnis nehmen und auf eine Wiederholungswerbung schließen wird. Dies gilt umso eher, als die Kleinanzeigen, wie dies im Interesse der Leser allgemein üblich ist, in dem "Schaufenster" nach Branchen geordnet sind und beide Anzeigen daher von den einschlägig interessierten Lesern in engem zeitlichen Zusammenhang oder sogar gleichzeitig wahrgenommen werden.

Schließlich liegen auch die subjektiven Voraussetzungen des Anspruches vor, weil die Antragsgegnerin die Anzeige in Kenntnis des Wortlautes der Anzeige der Antragstellerin schaltet. Dabei kann dahinstehen, ob der Text der angegriffenen Anzeige auf einem Vorschlag des Redakteurs Becker beruht. Denn auch wenn die Antragsgegnerin bei der ersten Schaltung der Anzeige von den massiven Übereinstimmungen keine Kenntnis gehabt haben sollte, hatte sie sie jedenfalls bei den zumindest drei weiteren Schaltungen, die noch nach Zugang der Abmahnung erfolgt sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.

Das Urteil ist gemäß § 545 Abs.2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.

Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 15.000 DM.






OLG Köln:
Urteil v. 10.12.1999
Az: 6 U 147/99


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