Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. November 2003
Aktenzeichen: 28 W (pat) 45/03

(BPatG: Beschluss v. 19.11.2003, Az.: 28 W (pat) 45/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 25. November 2002 aufgehoben.

Wegen des Widerspruchs aus der Marke 396 56 004 wird die Löschung der angegriffenen Marke 300 00 487 angeordnet.

Gründe

I.

Gegen die für

"Milch, Milcherzeugnisse, nämlich Trinkmilch, Sauermilch, Buttermilch, Joghurt, Fruchtjoghurt, Joghurt mit Schokolade oder Kakaozusätzen, alkoholfreie Milchmischgetränke, Kefir, Sahne, Quark, Frucht- und Kräuterquarkspeisen, Dessertspeisen, im wesentlichen bestehend aus Milch und Geschmackszusätzen mit Gelatine und/oder Stärke als Bindemittel, Butter, Butterschmalz, Käse- und Käsezubereitungen, Milch- und Molkepulver als Humannahrungsmittel, diätetisches Joghurt für nicht medizinische Zwecke; Puddings, Speiseeis, Speiseeispulver."

eingetragene Wortmarke Prolacist Widerspruch erhoben aus der für die Waren

"Milch und Milchprodukte, nämlich Butter, Käse, Frischkäse, Sahne, Rahm, Sauerrahm, Kondensmilch, Joghurt, Buttermilch, Kefir, alkoholfreie Milch- und Mischmischgetränke mit überwiegendem Milchanteil, Fertigdesserts aus Joghurt, Quark und Sahne, auch mit Zusatz von Kräutern und/oder zubereiteten Früchten, Müslizubereitungen, im wesentlichen bestehend aus Sauerrahm, Sauermilch, Joghurt, Kefir, Quark, zubereiteten Früchten und Zerealien; Milchreis, Grießbrei; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränkte und Fruchtsäfte"

eingetragenen prioritätsälteren Wortmarke 396 56 004 PRO'AC.

Die Markenstelle für Klasse 29 hat den Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Marken selbst vor dem Hintergrund teilweise identischer Waren im Gesamteindruck noch einen ausreichenden Abstand in Klang und Bild einhielten, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen, zumal die Widerspruchsmarke angesichts zahlreicher vergleichbarer Markeneintragungen im Register eher kennzeichnungsschwach bzw. allenfalls nur durchschnittlich kennzeichnungskräftig sei.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die die Markenwörter angesichts des Unterschiedes nur im Mittelkonsonanten "l" in Klang und Bild für hochgradig ähnlich hält, was vor dem Hintergrund identischer bzw. hochgradig ähnlicher Waren, bei denen es sich dazu noch um billige Verbrauchsgüter handele, zwingend zur Annahme einer Verwechslungsgefahr führe. Vor diesem Hintergrund könne auch nicht erwartet werden, dass der Verbraucher in der angegriffenen Marke in der 2.Silbe "lac" etwa einen Hinweis auf Milch erblicke.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie hält den Abstand der Marken zueinander für ausreichend, da die Widerspruchsmarke zum einen wegen des unübersehbaren Hinweises auf die Vitamine "A" und "C" nicht als einheitliches Wort, sondern wie "proahce" ausgesprochen werde und zum anderen aufgrund des zeichenrechtlich verbrauchten Bestandteils "pro" eine deutliche Kennzeichnungsschwäche aufweise.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig und auch begründet, da die Vergleichsmarken verwechselbar ähnlich im Sinne von §§ 42 Abs 2 Nr 1, 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG sind.

Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG ab von der Identität oder Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Marken einerseits und andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der von den beiden Marken erfaßten Waren. Darüber hinaus sind auch alle weiteren Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, insbesondere die Kennzeichnungskraft der älteren Marke. Nach diesen Grundsätzen muss im vorliegenden Fall eine Verwechslungsgefahr bejaht werden.

Was die Warensituation betrifft, können sich nach der Registerlage identische bzw. hochgradig ähnliche Waren gegenüber stehen, bei denen weiter kollisionsfördernd wirkt, dass von diesen Artikeln des täglichen Bedarfs breiteste Verkehrskreise angesprochen werden, die auch als mündige und situationsadäquat verständige Endverbraucher im Umgang mit Kennzeichnungen erfahrungsgemäß nicht immer besondere Sorgfalt walten lassen. Bei dieser Ausgangslage sind im System der Wechselwirkung zwischen Waren- und Markenähnlichkeit die Anforderungen an den zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr einzuhaltenden Abstand der Marken wesentlich höher anzusetzen, als das die Markenstelle getan hat, zumal die hierfür gegebene Begründung einer vermeintlichen Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke schon deshalb nicht überzeugen kann, weil die Markenstelle an anderer Stelle des angefochtenen Beschlusses der Widerspruchsmarke (richtigerweise) "durchschnittliche Kennzeichnungskraft" zubilligt. Dass im Register eine Vielzahl vergleichbar gebildeter Marken mit dem Bestandteil "pro" oder "ac" zu finden sind, besagt für sich genommen allenfalls, dass es sich hierbei um zeichenrechtliche beliebte Kürzel handelt, die indes ohne Kenntnis der tatsächlichen Benutzungslage keine zwingenden Rückschlüsse auf die Kennzeichnungskraft erlauben (BGH GRUR 2002,626 "IMS"; Ströbele/Hacker, MarkenG 7.Aufl.2003 § 9 Rdnr.316).

Diesen erhöhten Anforderungen werden die Marken vorliegend ersichtlich nicht mehr gerecht, da der einzige Unterschied in der Wortmitte klanglich wie bildlich überhaupt nicht ins Gewicht fällt, zumal die Gefahr besteht, dass dieser bei zB schlechten Übermittlungsbedingungen im verbalen Bereich untergeht oder bei entsprechender graphischer Darstellung wegen der Ähnlichkeit des Buchstaben "l" mit dem bei der Widerspruchsmarke an dieser Stelle befindlichen Apostroph erst gar nicht wahrgenommen wird. Für die von der Markeninhaberin favorisierte Aussprache der Widerspruchsmarke sieht der Senat keinen hinreichenden Anhaltspunkt, da der Apostroph nicht trennt, sondern regelmäßig den Ausfall eines Buchstaben anzeigt, vorliegend mithin eher die Nähe zur angegriffenen Marke verstärkt. Im übrigen bieten die Bezeichnungen von der Wort- und Begriffsbildung her auch keine Hilfestellung gegen ein eventuelles Verhören oder ein fehlerhaftes Erinnerungsbild. Dass der Verkehr den Marken ihm ggfls. vertraute Kürzel entnehmen kann, ändert solange nichts an der rechtlichen Beurteilung, wie diese in beiden Marken gleichermaßen vorkommen. Um die Silbe" lac" in der angegriffenen Marke als Hinweis auf Milchprodukte zu identifizieren und als Merkhilfe heranzuziehen, müsste der Verkehr die Marken einer analytischen Betrachtung unterziehen, wovon erfahrungsgemäß aber gerade nicht ausgegangen und diesem Argument daher markenregisterrechtlich keine entscheidungsrelevante Bedeutung beigemessen werden kann. Wegen der klanglichen wie schriftbildlichen, fast schon als identisch anzusehenden Nähe der Markenwörter tangiert die angegriffene Marke damit in einem nicht mehr hinnehmbaren Umfang den Schutzbereich der Widerspruchsmarke, so dass auf den Widerspruch ihre Löschung anzuordnen war.

Der angefochtene Beschluss der Markenstelle war damit auf die Beschwerde der Widersprechenden aufzuheben. Für eine Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen bestand nach der Sach- und Rechtslage keine Veranlassung.

Stoppel Schramm Paetzold Bb






BPatG:
Beschluss v. 19.11.2003
Az: 28 W (pat) 45/03


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