Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Juli 2004
Aktenzeichen: 28 W (pat) 360/03

(BPatG: Beschluss v. 14.07.2004, Az.: 28 W (pat) 360/03)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen

Gründe

I.

In das Markenregister eingetragen wurde die dreidimensionale Marke 301 31 896 als Kennzeichnung für folgende Waren:

Kartoffelchips und Kartoffelsticks; im Extrudierverfahren hergestellte Kartoffel-, Weizen-, Getreide-, Reis-Maisprodukte; Snackprodukte auf Kartoffelbasis; Snackprodukte, nämlich getrocknete, geröstete, gesalzene und/oder gewürzte Erdnusskerne, Nüsse, Mandeln, Cashewkerne, Salzgebäck als Knabbererzeugnis, Salz- und Laugengebäck, Chips und Flips, hergestellt aus Kartoffeln, Getreide, Mais, Nüssen und/ oder gebackenem Teig, mit Käse und Zwiebeln; Kartoffelprodukte, soweit in Klasse 30 und 31 enthalten, insbesondere Pommes frites, Kroketten, Knödel; Kartoffelprodukte, frisch, gekühlt oder tiefgekühlt, nämlich Pommes frites, Kroketten, Bratkartoffeln, Rösties, Herzoginkartoffeln, Kartoffelklöße, Kartoffelbrei, Kartoffelpuffer, vorgenannte Waren auch mit Käse und Schinken als Pizzapuffer, Chips, Sticks, geröstete und gebackene Kartoffelteile, auch gesalzen und gewürzt, frittiertes Kartoffelgebäck; Kartoffelzubereitungen als Halbfertig- und Fertiggerichte, frisch, gekühlt oder tiefgekühlt; vorgegarte Kartoffelprodukte; Feinkostsalate, insbesondere Kartoffelsalate, Krautsalat, Gurkensalat; Feinkostsaucen, insbesondere Ketchup und Mayonnaise oder unter Verwendung von Ketchup und/oder Mayonnaise; Wurstwaren, Gemüse, soweit in Klasse 29 enthalten; Knabbereien, hergestellt unter Verwendung von Kartoffeln; Gemüse; Fleisch, Fleischwaren; Geflügelspezialitäten, nämlich Truthahnsteaks und Putenschnitzel; Hackfleischprodukte, nämlich Cevapcici, Hacksteaks, Frikadellen, Hamburger, Hot Dogs; Fisch; Eintöpfe; Suppen; Konvenienzprodukte, nämlich Sauerkraut, Apfelrotkohl, Hühnerfrikassee (jeweils gekocht); Back- und Konditorwaren, alle vorgenannten Waren, soweit möglich, auch in Form von Fertiggerichten und Fertigmenüs.

Die Inhaberin der für die Waren Back- und Konditorwaren in verschiedenen Würzrichtungen; im Extrudierverfahren hergestellte Kartoffel-, Weizen-, Mais- und Reisprodukte für Nahrungszwecke; Kartoffelchips, Kartoffelstickseingetragenen rangälteren Bild-Marke 394 10 691 hat hiergegen Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 29 hat den Widerspruch zurückgewiesen, denn trotz teilweise identischer Waren sei - ausgehend von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke - eine Verwechslungsgefahr zu verneinen. Die Marken würden sich schon in ihrer jeweiligen Erscheinungsform unterscheiden (3 D Marke / Bildmarke) und hätten auch im bildlichen Vergleich noch ausreichend Unterschiede.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie trägt vor, beide Marken stellten "Gespenster" dar, es sei bisher unüblich, Backwaren in derartigen Formen anzubieten, so dass die Marken zumindest gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden könnten.

Die Markeninhaberin beruft sich insbesondere auf einen nur geringen Schutzumfang der Widerspruchsmarke und hält im übrigen die Ausführungen der Markenstelle für zutreffend.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden (§§ 66 Abs 1, 165 Abs 4 MarkenG) ist nicht begründet, denn zwischen den Marken besteht keine Verwechslungsgefahr iSd § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr ist von der Ähnlichkeit der Waren, der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke und der Ähnlichkeit der Marken auszugehen. Zwischen diesen Faktoren besteht eine Wechselwirkung, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Zeichen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st Rspr zB BGH, MarkenR 2004, 253 - dcfix/CD-FIX). Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob sich Wort-, Bild-, Wort/Bild- oder dreidimensionale Marken gegenüber stehen und auch dann, wenn unterschiedliche Markenformen miteinander zu vergleichen sind. Denn Marken wirken auf den Verkehr meist in mehrfacher Hinsicht, nämlich in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Weise; die Übereinstimmung in nur einer dieser Wirkungsweisen aber kann schon zur Verwechslungsgefahr führen (BGH MarkenR 2000, 140, Leitsatz 1 - ATTACHÉ/TISSERAND).

Im vorliegenden Fall kann die Widerspruchsmarke zumindest im Bereich der identischen Waren einen besonders deutlichen Abstand der jüngeren Marke verlangen, diese Anforderungen werden von der jüngeren Marke jedoch erfüllt.

Die Widerspruchsmarke - bei der es sich um die Ware selbst handelt - stellt sich dem unbefangenen Betrachter als die Abbildung zweier Kartoffelchips dar, auf die jeweils ein lachendes Gesicht gemalt ist. Weil die natürliche Form eines Kartoffelchips in etwa den Umrissen eines mit einem Tuch bedeckten menschlichen Kopfes entspricht, kann die Marke unter Aufbringung einer gewissen Phantasie auch als Gesichter von lachenden Gespenstern gedeutet werden. Bei der Betrachtung und Bewertung der Marke spielt es keine Rolle, dass es sich dabei in Wirklichkeit nicht um "klassische" Kartoffelchips handelt, die Form also durch das Aussehen einer natürlichen Kartoffel begrenzt ist, die Marke vielmehr aus sog. "indirekt extrudierten Snacks" besteht, deren Form als Teigprodukt keinerlei Begrenzung unterliegt, denn dies bleibt dem Betrachter angesichts der Form und Konsistenz der Marke, die unzweideutig auf einen Kartoffelchip hinweist, verborgen und ist damit markenrechtlich unbeachtlich. Die Grundform eines Kartoffelchips ist dem markenrechtlichen Schutz nicht zugänglich, die Widerspruchsmarke besitzt aber durch die Kombination dieser Grundform und der Bemalung mit einem Gesicht eine gewisse schutzbegründende Eigentümlichkeit. Auf diese Ausgestaltung ist der Schutzumfang der Marke beschränkt, denn gerade auf dem Gebiet der Backwaren und Kartoffelprodukten gibt es unzählige Warenformen und Produktgestaltungen, so dass insoweit ein deutliches Allgemeininteresse an der Freihaltung dieser Formen- und Dekorationsvielfalt besteht. Auch wenn man den Schutzumfang zugunsten der Widersprechenden als durchschnittlich wertet - denn es ist weder vorgetragen noch konnte von Amts wegen festgestellt werden, dass es üblich ist, Kartoffelchips mit Gesichtern zu bemalen - so wird dieser von der jüngeren Marke nicht tangiert.

Die jüngere dreidimensionale Marke zeigt ein Backprodukt, das zunächst eher an eine klassische Teig-Backware erinnert, nicht ausgeschlossen ist aber auch ein Kartoffelprodukt oder ein entsprechend zurechtgeschnittener Kartoffelchip. Anders als bei der Widerspruchsmarke entspricht die äußere Form des Produkts jedoch gerade nicht der natürlichen Grundform eines Kartoffelchips, die Form erscheint vielmehr beliebig gewählt und ohne weiteres veränderbar. Zudem sind Mund und Augen bei der jüngeren Marke nicht aufgemalt, sondern ausgestanzt oder durch Aussparungen dargestellt, wodurch die Konturen unscharf und undeutlich werden. Der Mund selbst ist zwar ungewöhnlich breit, insgesamt aber eher gerade gestaltet, so dass nicht erkennbar ist, ob er ein lachendes oder traurig aussehendes Gesicht darstellen soll. Der Gesamteindruck der jüngeren Marke lässt weit weniger an ein Gespenst oder gar lachendes Gespenst denken, sondern eher an ein kleines Männchen, das die Arme in die Höhe wirft. Damit fehlt der jüngeren Marke die phantasievolle Eigenheit der älteren Marke, in der die Grundform eines Kartoffelchips benutzt wird, um die Umrisse eines Gespensterkopfes darzustellen. Beim bildlichen Vergleich halten die Marken also genügend Abstand zueinander.

Eine Verwechslungsgefahr besteht auch nicht deshalb, weil beiden Marken einen übereinstimmenden Sinngehalt hätten und deshalb vom Verkehr mit der gleichen Bezeichnung benannt würden. Eine sichere Aussage dahingehend, wie eine Bildmarke oder eine dreidimensionale Marke benannt werden wird, lässt sich ohnehin kaum treffen. Die bloße Möglichkeit jedoch, dass beide Marken als "lachendes Gespenst" (etwa bei einer entsprechenden Bewerbung) bezeichnet werden, reicht für die Bejahung einer Übereinstimmung in begrifflicher Hinsicht nicht aus. Wie oben dargestellt weisen beide Marken in ihrer Form und Gestaltung derart deutliche Unterschiede auf, dass die Anhaltspunkte für eine Übereinstimmung in begrifflicher Hinsicht für die Bejahung einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr nicht ausreichend sind. Andernfalls erhielte die ältere Marke Schutz gegen alle Produktformen, die in gewisser gedanklicher Nähe zu ihrer Form stehen.

Mangels Vorliegen einer Verwechslungsgefahr hatte die Beschwerde der Widersprechenden damit keinen Erfolg. Anlass zur Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen bestand nicht (§ 71 Abs 1 MarkenG).

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BPatG:
Beschluss v. 14.07.2004
Az: 28 W (pat) 360/03


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