Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. Dezember 2004
Aktenzeichen: 19 W (pat) 329/02

(BPatG: Beschluss v. 06.12.2004, Az.: 19 W (pat) 329/02)

Tenor

Das Patent 100 38 568 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 4 nach Hauptantrag mit zugehöriger Beschreibung, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 6. Dezember 2004, mit Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Gründe

I Für die am 3. August 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Anmeldung ist die Erteilung des Patents am 27. Juni 2002 veröffentlicht worden. Das Patent hat die Bezeichnung "Schwenktor o. dgl., insbesondere Garagenschwenktor, sowie elektrische Antriebsvorrichtung dafür".

Gegen das Patent hat die Fa. H... KG Antriebstechnik am 25. September 2002 Einspruch erhoben. Zur Begründung hat sie auf § 21 (1) 1 und § 21 (1) 2 PatG verwiesen und behauptet, der Gegenstand des Patents sei unter Berücksichtigung des Standes der Technik nicht neu, beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, und sei nicht so deutlich offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen kann.

Der geltende, in der mündlichen Verhandlung übergebene (mit einer eingefügten Gliederung in Merkmalsgruppen versehene) Patentanspruch 1 lautet:

O1) "Schwenktor (3), insbesondere Garagenschwenktor, O2) mit einem Torrahmen (4) und einem daran schwenkbar gelagerten Torblatt (5), O3) mit an dem Torblatt (5), insbesondere nahe dem oberen Rand, seitlich angeordneten Laufrollen (6), die in insbesondere annähernd horizontal liegenden Laufschienen (7) laufen, O4) mit einem elektrischen, am Torblatt (5), vorzugsweise zwischen den Laufrollen (6), angeordneten Antriebsmotor (9) mit einem zugeordneten Untersetzungsgetriebe (10), O5) wobei die Laufrollen (6) mit dem Untersetzungsgetriebe (10) antriebstechnisch verbunden sind O6) wobei die Laufrollen (6) mit den Laufschienen (7) als Antriebskraft übertragende Verbindung ausgeführt sind und die Schwenkung des Torblattes (5) durch die Antriebsbewegung der Laufrollen (6) erfolgt, O7) wobei am Torblatt (5) ein vom elektrischen Antriebsmotor (9) über das Untersetzungsgetriebe (10) mittels einer Schleppkupplung (16) gegen die Kraft einer Rückstellfeder (17) rückziehbarer Verriegelungsbolzen (18) vorgesehen ist, der in ein Gegenlager (19) am Torrahmen (4) eingreift, dadurch gekennzeichnet, K1) dass die Schleppkupplung (16) einen mit dem Untersetzungsgetriebe (10) in Eingriff stehenden Mitnehmer (34) aufweist, K2) dass der Mitnehmer (34) auf der Antriebswelle (11) in Achsrichtung gegen die Kraft der Rückstellfeder (17) verschiebbar angeordnet und der Verriegelungsbolzen (18) durch die Verschiebung des Mitnehmers (34) zurückziehbar ist und K3) dass zwischen dem Mitnehmer (34) und der Antriebswelle (11) ein in Öffnungsrichtung wirkender Freilauf (35) angeordnet ist, der bei Anlaufen des Antriebsmotors (9) zuerst bei stehender Antriebswelle (11) die Verschiebung des Mitnehmers (34) erlaubt und anschließend die Kraftübertragung auf die Antriebswelle (11) bewirkt."

Der nebengeordnete Anspruch 4 lautet:

"Elektrische Antriebsvorrichtung für ein Schwenktor o. dgl., insbesondere für ein Garagenschwenktor, mit einem am Torblatt (5) anbringbaren elektrischen Antriebsmotor (9) mit angeschlossenem Untersetzungsgetriebe (10) und zwei vom Untersetzungsgetriebe (10) abgehende Antriebswellen (11) oder eine durchgehende Antriebswelle (11), an deren Ende Laufrollen (6) zum Eingriff in entsprechende gebäudefeste Laufschienen (7) angebracht oder anbringbar sind, wobei die Antriebsvorrichtung eine Schleppkupplung 16 aufweist, über die bei am Torblatt (5) montierter Antriebsvorrichtung ein am Torblatt (5) angeordneter Verriegelungsbolzen (18) vom elektrischen Antriebsmotor (9) über das Untersetzungsgetriebe (10) gegen die Kraft einer Rückstellfeder (17) rückziehbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Schleppkupplung (16) einen mit dem Untersetzungsgetriebe (10) in Eingriff stehenden Mitnehmer (34) aufweist, dass der Mitnehmer (34) auf der Antriebswelle (11) in Achsrichtung gegen die Kraft der Rückstellfeder (17) verschiebbar angeordnet und der Verriegelungsbolzen (18) durch die Verschiebung des Mitnehmers (34) zurückziehbar ist unddass zwischen dem Mitnehmer (34) und der Antriebswelle (11) ein in Öffnungsrichtung wirkender Freilauf (35) angeordnet ist, der bei Anlaufen des Antriebsmotors (9) zuerst bei stehender Antriebswelle (11) die Verschiebung des Mitnehmers (34) erlaubt und anschließend die Kraftübertragung auf die Antriebswelle (11) bewirkt".

Die im übrigen gleichlautenden Ansprüche 1 und 4 nach Hilfsantrag wurden jeweils am Ende mit dem Merkmal "und daß der Freilauf (35) als Freischnitt im Mitnehmer (34) ausgestaltet ist" ergänzt.

Es soll die Aufgabe gelöst werden, das Schwenktor bzw. die Antriebsvorrichtung so auszugestalten, dass sie einfacher und universeller einsetzbar ist (Abs. 0006 der Streit-PS).

Die Einsprechende erklärt, dass sie keine Einwände gegen die Patentfähigkeit der nunmehr beschränkten Ansprüche habe.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent 100 38 568 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1 bis 4 nach Hauptantrag mit zugehöriger Beschreibung, hilfsweisemit Patentansprüchen 1 bis 4 nach Hilfsantrag mit zugehöriger Beschreibung, sämtlich überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 6. Dezember 2004, in beiden Fällen mit Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Die Patentinhaberin ist der Meinung, der Gegenstand der Ansprüche 1 und 4 sei weder durch die DE 1 959 441 U1 noch durch eine Zusammenschau der DE 1 959 441 U1 mit der DE 30 21 724 A1 nahegelegt. In der DE 1 959 441 U1 sei zwar eine Schleppkupplung erwähnt, die aber mit der patentgemäßen Schleppkupplung, wie sie im Anspruch 1 und 4 definiert sei, kaum etwas gemeinsam habe. Die Patentinhaberin ist (im Unterschied zu ihrer letzten Eingabe) der Meinung, der Fachmann verstehe unter dem Begriff "Schleppkupplung" ganz allgemein eine Kupplung, bei der ein angetriebenes Teil mitgeschleppt werde. Wie das geschehe, sage der Begriff "Schleppkupplung" nicht. Bei der DE 1 959 441 U1 könne eine Schleppkupplung der im Anspruch 1 und 4 festgelegten Art gar nicht zum Einsatz kommen.

Die DE 31 20 159 A1 rege zwar dazu an, bei dem in ihr beschriebenen Schwenktor einen Freilauf vorzusehen. Das sei aber mit dem schwenkbaren Gehäuse ganz anders gelöst als mit dem patentgemäßen Mitnehmer, der allenfalls dem in Achsrichtung verschiebbaren Schneckenrad entspreche.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Gemäß §147 Abs 3 PatG liegt Entscheidungsbefugnis bei dem hierfür zuständigen 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts.

Dieser hatte - wie in der Entscheidung in der Einspruchssache 19 W (pat) 701/02 (mwN; vgl BPatGE 46,134) ausführlich dargelegt ist - aufgrund öffentlicher mündlicher Verhandlung zu entscheiden.

Gegenstand des Verfahrens ist das erteilte Patent.

Der Einspruch ist zulässig und hat insoweit Erfolg, als das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 bis 4 beschränkt aufrechtzuerhalten war.

1. Zulässigkeit der geltenden Patentansprüche Der zuständige Fachmann ist ein Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Berufserfahrung auf dem Gebiet der Schwenktore und der Torantriebe.

Die Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hauptantrag sind zulässig.

Der Anspruch 1 entspricht dem erteilten Anspruch 2 und dem ursprünglichen Anspruch 4. Der Anspruch 4 geht auf den erteilten Anspruch 7 - entsprechend dem ursprünglichen Anspruch 9 zurück, der mit Merkmalen des erteilten Anspruchs 2 ergänzt wurde. Das ist zulässig, denn der Fachmann konnte dem urprünglichen Anspruch 9 und dem erteilten Anspruch 7 ohne weiteres entnehmen, dass damit auch ein Antrieb für ein Schwenktor nach dem erteilten Anspruch 2 bzw. dem dem ursprünglichen Anspruch 4 beansprucht war.

2. Verständnis der Ansprüche Der Begriff "Schleppkupplung" wird in der Fachwelt verwendet. Der Fachmann versteht darunter nach Überzeugung des Senats eine Kupplung, die ein angetriebenes Teil mitnimmt, nachdem der Antrieb einen bestimmten Freilaufwinkel zurückgelegt hat. Der Begriff wird aber offensichtlich auch für andere Kupplungsarten verwendet, wie nachfolgend noch im Zusammenhang mit der DE 1 959 441 U1 erläutert wird.

Ein Mitnehmer, der mit einem Untersetzungsgetriebe "im Eingriff" steht, weist dafür nach dem Verständnis des Fachmanns eine Wirkverbindung, zB Verzahnung mit dem Getriebe auf.

Dass der Freilauf eine Verschiebung des Mitnehmers "erlaubt", versteht der Fachmann im vorliegenden Zusammenhang so, dass er die Verschiebung in Achsrichtung beim Anlauf auch tatsächlich bewirkt.

3. Neuheit Die Vorrichtung gemäß dem Patentanspruch 1 ist neu, da aus den im Prüfungs- und Einspruchsverfahren entgegengehaltenen Druckschriften eine Anordnung mit allen im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen nicht bekannt ist.

Die DE 1 959 441 U1 zeigt in Fig 1 bis 3 in Verbindung mit Seite 10 und 11 ein Garagenschwenktor (Titel), mit einem Torrahmen (Anschlagrahmen 2) und einem daran schwenkbar gelagerten Torblatt 1, mit an dem Torblatt 1 nahe dem oberen Rand, seitlich angeordneten Laufrollen 7 die in annähernd horizontal liegenden Laufschienen 8 laufen, mit einem elektrischen, am Torblatt zwischen den Laufrollen 7, angeordneten Antriebsmotor 11 mit einem zugeordneten Untersetzungsgetriebe 14,15, wobei die Laufrollen 7 mit dem Untersetzungsgetriebe (unterschiedliche Keilriemenscheiben 15) antriebstechnisch (über die Verbindungswelle 13) verbunden sindwobei die Laufrollen 7 mit den Laufschienen 8 als Antriebskraft übertragende Verbindung ausgeführt sind und die Schwenkung des Torblattes 1 durch die Antriebsbewegung der Laufrollen 7 erfolgt (S 11, Abs 2 le Satz).

Damit sind die Merkmale O1 bis O6 bekannt.

Neben der elektromagnetischen Betätigung des Verriegelungsbolzens (Schließkolben 9; eine Rückstellfeder liest der Fachmann bei derartigen Verriegelungsbolzen mit) wird auf Seite 13, Zeile 8 bis 11 vorgeschlagen, an der Verbindungswelle 13 eine Schleppkupplung zu befestigen, welche beim Einschalten des Motors den Verriegelungsbolzen 9 anhebt. Damit ist gemäß Merkmal O7:

am Torblatt ein vom elektrischen Antriebsmotor über das Untersetzungsgetriebe mittels einer Schleppkupplung gegen die Kraft einer Rückstellfeder rückziehbarer Verriegelungsbolzen vorgesehen, der in ein Gegenlager (Querriegel in Fig 2) am Torrahmen eingreift.

Im Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 ist in der DE 19 59 441 U1 weder die Ausbildung noch die Funktion der Schleppkupplung angegeben. Eine Schleppkupplung, die der im Punkt 2 dieses Beschlusses gegebenen Definition entspricht, kann hier nicht gemeint sein, denn eine solche würde den Lauf der Antriebswelle 13 und der Keilriemenscheiben 15 blockieren, sobald der Verriegelungsbolzen zurückgezogen ist und seinen Endanschlag erreicht. Der Fachmann würde hier wohl eher eine Schlupfkupplung annehmen.

Das Schwenktor nach DE 30 21 724 A1 unterscheidet sich von dem patentgemäßen Schwenktor schon dadurch, dass es keine Laufrollen und Laufschienen hat.

Antriebsräder 17, die über die Seile 18, 27 das Tor betätigen, und somit eine mit den Laufrollen vergleichbare Funktion haben, sind mit einem elektrischen, am Torblatt 1, vorzugsweise zwischen den Rädern angeordneten Antriebsmotor 5 und mit einem zugeordneten Untersetzungsgetriebe antriebstechnisch verbunden (S 8 (handschriftliche Nummerierung), Abs 1) wobei die Räder 17 als Antriebskraft übertragende Verbindung ausgeführt sind und die Schwenkung des Torblattes durch die Antriebsbewegung der Räder erfolgt.

Der Motor 5 mit Getriebe ist schwenkbar angebracht und zieht den Verriegelungsbolzen 30 gegen die Kraft einer Feder 36 mit dem Hilfszug 28 zurück (S 10 Abs 3). Als patentgemäßer Mitnehmer kann das Gehäuse des Motors 5 nicht angesehen werden, denn es steht nicht mit dem Getriebe im Eingriff.

Ein mit dem Untersetzungsgetriebe in Eingriff stehenden Mitnehmer (Schneckenrad 20) ist auf der Antriebswelle 11 in Achsrichtung angeordnet und bildet zusammen mit der Mitnehmerscheibe 19 eine Überlastkupplung (S 8, 9, seitenübergreifender Absatz). Dazu ist eine Rückstellfeder nötig.

Damit sind die Merkmale O1, O2 ganz, und die Merkmale O4 bis O7 sowie K1, K2 teilweise bekannt.

Eine Schleppkupplung ist beim Schwenktor nach der DE 30 21 724 A1 nicht vorgesehen.

Die weiteren noch im Verfahren befindlichen Druckschriften wurden in der mündlichen Verhandlung weder vom Senat noch von den Beteiligten aufgegriffen. Sie bringen auch keine neuen Gesichtspunkte, so daß auf sie nicht eingegangen zu werden braucht.

4. Erfinderische Tätigkeit Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Ausgehend von der Anordnung nach der DE 1 959 441 U1 stellt sich die Aufgabe das Schwenktor bzw. die Antriebsvorrichtung so auszugestalten, dass sie einfacher und universeller einsetzbar ist (Abs. 0006) von selbst, denn das sind immer gültige Entwicklungsziele.

Zur Lösung dieser Aufgabe mag der Fachmann aus der DE 30 21 724 A1 die Anregung erhalten, für die Entriegelungszeit einen Freilauf für den Antrieb der Laufrollen vorzusehen, wobei er aber entweder die - wie auch immer gestaltete - Schleppkupplung zwischen Antriebswelle 13 und Verriegelungsbolzen beibehalten oder nach der Lehre der DE 30 21 724 A1 durch ein schwenkbares Antriebsgehäuse mit einem Hilfszug 28 zum Verriegelungsbolzen ersetzen würde.

Für eine Schleppkupplung, deren Mitnehmer sowohl durch die Verschiebung in Achsrichtung bei zunächst stehender Welle den Verriegelungsbolzen zurückzieht als auch anschließend die Kraftübertragung auf die Antriebswelle bewirkt, gibt es keinerlei Anregung. Das axial bewegliche Schneckenrad 20 beim Schwenktor nach der DE 30 21 724 A1 hat als Teil einer Überlastkupplung eine andere Funktion.

Der Erfinder hat nun erkannt, dass durch eine einzige Schleppkupplung mit zwei Abtriebszweigen - einerseits zum Verriegelungsbolzen (Merkmal K2) und andererseits zur Antriebswelle (Merkmal K3) - eine sehr einfache und kompakte Antriebskonstruktion möglich wird.

Um zur Vorrichtung nach Anspruch 1 zu kommen, bedurfte es somit erfinderischer Überlegungen.

Das Gleiche gilt für den auf die entsprechende Antriebsvorrichtung gerichteten Anspruch 4.

5. Die Gegenstände nach den Ansprüchen 1 und 4 sind somit patentfähig.

Damit ist auch das Schwenktor nach Anspruch 2 und 3 patentfähig.

Dr. Kellerer Dipl.-Ing. Groß

Schmöger Dr.-Ing. Scholz Pr/Be






BPatG:
Beschluss v. 06.12.2004
Az: 19 W (pat) 329/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/9ca7b8f5ecdc/BPatG_Beschluss_vom_6-Dezember-2004_Az_19-W-pat-329-02




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share