Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 23. März 2006
Aktenzeichen: 4b O 289/05

(LG Düsseldorf: Urteil v. 23.03.2006, Az.: 4b O 289/05)

Tenor

I.

Die Beklagten werden verurteilt,

1.

es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,

Niederspannungs-Leistungsschalter in einem Isolierstoffgehäuse, die eine Drehkontaktbrücke, ein mit der genannten Kontaktbrücke zusammenwirken-des Paar feststehender Kontakte, Stromzuführungsleiter zur Einspeisung der genannten feststehenden Kontakte, die so ausgeführt sind, dass sie die Kon-taktbrücke in Richtung einer Abstoßausschaltstellung zurückstoßen, elektro-dynamische Kräfte erzeugen, wenn sie von einem Kurzschlussstrom durch-flossen werden, eine Schaltwelle mit einer quer verlaufenden Aussparung zur Spiel behafteten Lagerung der beidseitig aus der Schaltwelle hervorstehenden Kontaktbrücke sowie mindestens ein Paar von zwischen der Schaltwelle und der Kontaktbrücke angeordneten Zugfedern umfassen, die dazu dienen, in der Einschaltstellung des Leistungsschalters einen von der Kontaktbrücke auf die feststehenden Kontakte ausgeübten Kontaktdruck zu gewährleisten und gleichzeitig eine Drehung der Kontaktbrücke unter Einwirkung der genannten elektrodynamischen Kräfte in Richtung der Abstoßausschaltstellung zu ermöglichen, wobei die genannten Federn symmetrisch auf beiden Seiten der Drehachse der Kontaktbrücke angeordnet sind und jeweils ein an der Kontaktbrücke gelagertes Ende aufweisen,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

bei denen ein entgegengesetztes Ende der genannten Federn auf einer glei-tend verschiebbar in einer Rastkerbe der Schaltwelle angeordneten Stange gelagert ist und die genannte Kontaktbrücke ein Paar von symmetrisch zur genannten Achse angeordneten Steuerkurven aufweist, die jeweils so ausgelegt sind, dass sie im Endabschnitt des Abstoßungshubs der Kontaktbrücke mit einer der Stangen zusammenwirken, um die Bewegung der Kontaktbrücke abzubremsen;

2.

der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 04.10.1996 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, An-gebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger, wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernehmen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Her-stellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbrei-tungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese können ausnahmsweise den im Urteilsausspruch zu Ziffer I. l. genannten Gegenständen unmittelbar zugeordnet werden,

wobei die Beklagten hinsichtlich der Angaben zu lit. a) und b) Bestell-, Liefer-scheine und Rechnungen vorzulegen haben;

3.

die in der Bundesrepublik Deutschland im unmittelbaren und mittelbaren Be-sitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen unter Ziffer I. 1. beschriebenen Erzeugnisse zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.

II.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 04.10.1996 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.

IV.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1 Mio. € vorläufig voll-streckbar.

V.

Der Streitwert wird auf 1 Mio. € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin ist Inhaberin des u.a. mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents X (Klagepatent; Anlage B K1, Übersetzung Anlage B K2), dessen Erteilung am 04. September 1996 veröffentlicht wurde. Der deutsche Teil des Klagepatents wird unter dem Aktenzeichen X geführt. Das Klagepatent betrifft einen Schutzschalter mit Verzögerung am Bewegungsende der Kontaktbrückenabstoßung.

Der Patentanspruch 1 des in französischer Sprache abgefassten Klagepatents hat in der deutschen Übersetzung (Anlage B K2) folgenden Wortlaut:

Niederspannungs-Leistungsschalter in einem Isolierstoffgehäuse, der eine Drehkontaktbrücke (13), ein mit der genannten Kontaktbrücke zusammenwirkendes Paar feststehender Kontakte (11, 12) Stromzuführungsleiter (24, 25) zur Einspeisung der genannten feststehenden Kontakte (11, 12), die so ausgeführt sind, dass sie, die Kontaktbrücke (13) in Richtung einer Abstoß-Ausschaltstellung zurückstoßende, elektrodynamische Kräfte erzeugen, wenn sie von einem Kurzschlussstrom durchflossen werden, eine Schaltwelle (20) mit einer quer verlaufenden Aussparung (21) zur spielbehafteten Lagerung der beidseitig aus der Schaltwelle (20) hervorstehenden Kontaktbrücke (13) sowie mindestens ein Paar von zwischen der Schaltwelle (20) und der Kontaktbrücke (13) angeordneten Zugfedern (22, 23) umfasst, die dazu dienen, in der Einschaltstellung des Leistungsschalters einen von der Kontaktbrücke (13) auf die feststehenden Kontakte (11, 12) ausgeübten Kontaktdruck zu gewährleisten und gleichzeitig eine Drehung der Kontaktbrücke (13) unter Einwirkung der genannten elektrodynamischen Kräfte in Richtung der Abstoß-Ausschaltstellung zu ermöglichen, wobei die genannten Federn (22, 23) symmetrisch auf beiden Seiten der Drehachse (37) der Kontaktbrücke (13) angeordnet sind und jeweils ein an der Kontaktbrücke (13) gelagertes Ende (38, 38’) aufweisen,

d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t,

dass ein entgegengesetztes Ende (41, 41’) der genannten Federn (22, 23) auf einer gleitend verschiebbar in einer Rastkerbe (43) der Schaltwelle (20) angeordneten Stange (42, 42’) gelagert ist und dass die genannte Kontaktbrücke (13) ein Paar von symmetrisch zur genannten Achse 37 angeordneten Steuerkurven (44, 44’) aufweist, die jeweils so ausgelegt sind, dass sie im Endabschnitt des Abstoßungshubs der Kontaktbrücke (13) mit einer der Stangen (42, 42’) zusammenwirken, um die Bewegung der Kontaktbrücke (13) abzubremsen.

Eine der technischen Lehre des Klagepatents gemäße Ausführungsform ist in Fig. 1 der Klagepatentschrift wie nachfolgend abgebildet dargestellt.

Die Beklagten haben gegen den deutschen Teil des Klagepatents Nichtigkeitsklage zum Bundespatentgericht erhoben, die unter dem Az. 2 Ni 51/05 (EU) geführt wird und über die derzeit noch nicht entschieden ist.

Die Beklagte zu 1) ist die Muttergesellschaft eines Konzerns, der Leistungsschalter herstellt. Die Beklagte zu 2) ist die deutsche Generalvertreterin, die auf ihrer Homepage X Leistungsschalter der Baureihe X anbietet und in Deutschland vertreibt.

Die nachfolgende Abbildung, die der von der Klägerin als Anlage B K5 zur Akte gereichten Anlage entnommen ist, zeigt auf dem oberen und unteren Lichtbild eine Schaltwelle eines streitgegenständlichen Leistungsschalters und auf den mittleren Lichtbildern ein der Schaltwelle entnommenes Federnpaar und eine Kontaktbrücke im Detail.

XDie Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Mit ihrer Klage nimmt sie die Beklagten daher auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung und Feststellung der Verpflichtung zum Schadenersatz in Anspruch.

Die Klägerin beantragt,

zu erkennen wie geschehen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen; hilfsweise,

ihr einen umfassenden, auch die Abnehmer beinhaltenden Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen, ihr Vollstreckungsschutz zu gewähren, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen den deutschen Teil des europäischen Patentes 0 560 697 erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Die Beklagten stellen den Vorwurf der Patentverletzung in Abrede und machen geltend: Die angegriffene Ausführungsform verfüge nicht über eine Schaltwelle, die mindestens ein Paar von Zugfedern aufweist. Die angegriffene Ausführungsform weise vielmehr nur eine Feder auf, die von dem an einer Stange angeordneten Ende über das jeweils an der Kontaktbrücke gelagerte Ende hinweg zur anderen Seite der Kontaktbrücke und dem dort wiederum an einer Stange angeordneten Ende führe.

Unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Nichtigkeitsverfahren vertreten die Beklagten ferner die Auffassung, das Klagepatent werde sich im anhängigen Nichtigkeitsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen, so dass jedenfalls eine Aussetzung des Rechtsstreits geboten sei. Die technische Lehre des Klagepatents sei in dem zeitlich vor dem Klagepatent angemeldeten, nachveröffentlichten europäischen Patent X (X) neuheitsschädlich vorweggenommen. Jedenfalls aber fehle es dem Gegenstand des Klagepatents angesichts des Standes der Technik, wie er in der EP-Schrift X und der britischen Patentanmeldung X dokumentiert sei, an einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Beklagten sowie unter Hinweis auf ihre Erwiderung im Nichtigkeitsverfahren dem Aussetzungsantrag entgegen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist in der Sache gerechtfertigt. Mit dem Vertrieb der angegriffenen Leistungsschalter der Baureihe X machen die Beklagten wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Sie sind gegenüber der Klägerin deshalb im zuerkannten Umfang zur Unterlassung, zur Rechnungslegung, zur Vernichtung und zum Schadenersatz verpflichtet. Anlass, den Verletzungsrechtsstreit im Hinblick auf die erhobene Nichtigkeitsklage einstweilen auszusetzen, besteht nicht.

I.

Das Klagepatent betrifft einen Niederspannungs-Leistungsschalter in einem Isolierstoffgehäuse und mit einer am Ende des Abstoßungshubs abgebremsten Kontaktbrücke.

Der Klagepatentschrift zufolge öffnet die Kontaktbrücke eines strombegrenzenden Leistungsschalters bei Auftreten eines Kurzschlussstroms mit hoher Geschwindigkeit. Sobald kein Strom mehr fließt, versucht die Kontaktbrücke, in die Einschaltstellung zurückzukehren, wobei die von den Federn auf die Kontaktbrücke in Richtung der Einschaltstellung ausgeübte Rückstellkraft durch den Rückprall der Kontaktbrücke am Endlagenanschlag des Abstoßungshubs noch verstärkt wird. Diese Effekte können vor der Bestätigung der Abschaltung durch den Auslösemechanismus bzw. vor dem Ansprechen eines nachgeschalteten Leistungsschalters das Wiedereinschalten der Kontakte bewirken.

Ein bekannter Leistungsschalter weist eine Verrastung auf, die den abgestoßenen Kontakt in der Ausschaltstellung zurückhält, um ein ungewolltes Wiedereinschalten der Kontakte zu verhindern. Die Klagepatentschrift stellt dabei heraus, dass diese Anordnung zusätzliche Teile zur Verrastung und zur erneuten Freigabe des Kontakts erfordert.

Als Aufgabe der Erfindung bezeichnet es die Klagepatentschrift, eine einfache Brems- und gegebenenfalls Verrastungsvorrichtung für die bewegliche Kontaktbrücke zu schaffen, , die keinerlei zusätzliche Teile erfordert.

Zur Lösung schlägt die Klagepatentschrift einen Leistungsschalter wie in Anspruch 1 beschrieben vor. Patentanspruch 1 enthält diesbezüglich die nachfolgenden Lösungsmerkmale:

1 Niederspannungs-Leistungsschalter mit

1.1 einem Isolierstoffgehäuse 10,

1.2 einer Drehkontaktbrücke 13,

1.3 einem mit der genannten Kontaktbrücke 13 zusammenwirkendem Paar feststehender Kontakte 11, 12

1.4 Stromzuführungsleitern 24, 25 zur Einspeisung der genannten feststehenden Kontakte 11, 12,

1.5 und einer Schaltwelle 20:

2. Die Stromzuführungsleiter 24, 25 sind so ausgeführt, dass sie, wenn sie von einem Kurzschlussstrom durchflossen werden, elektrodynamische Kräfte erzeugen, die die Kontaktbrücke 13 in Richtung einer Abstoßausschaltstellung zurückstoßen.

3. Die Schaltwelle 20 weist eine quer verlaufende Aussparung auf zur Spiel behafteten Lagerung der beidseitig aus der Schaltwelle 20 hervorstehenden Kontaktbrücke 13.

4. Die Schaltwelle 20 weist mindestens ein Paar von zwischen der Schaltwelle 20 und der Kontaktbrücke 13 angeordneten Zugfedern 22, 23, auf.

4.1 Die Zugfedern 22, 23 dienen dazu,

(a) in der Einschaltstellung des Leistungsschalters einen von der Kontaktbrücke 13 auf die feststehenden Kontakte 11, 12 ausgeübten Kontaktdruck zu gewährleisten, und

(b) gleichzeitig eine Drehung der Kontaktbrücke 13 unter Einwirkung der genannten elektrodynamischen Kräfte in Richtung der Abstoßausschaltstellung zu ermöglichen.

4.2 Die Zugfedern 22, 23 sind symmetrisch auf beiden Seiten der Drehachse 37 der Kontaktbrücke 13 angeordnet.

4.3 Die Zugfedern 22, 23 weisen jeweils ein an der Kontaktbrücke 13 gelagertes Ende auf.

4.4 Das entgegengesetzte Ende der Zugfedern 22, 23 ist auf einer in einer Rastkerbe 43, 43’ der Schaltwelle 20 gleitend verschiebbar angeordneten Stange 42, 42’ gelagert.

5 Die Kontaktbrücke 13 weist ein Paar symmetrisch zur genannten Achse 37 angeordneter Steuerkurven 44, 44’ auf,

5.1 die jeweils so ausgelegt sind, dass sie im Endabschnitt des Abstoßungshubs der Kontaktbrücke 13 mit einer der Stangen 42, 42’ zusammenwirken, um die Bewegung der Kontaktbrücke 13 abzubremsen.

Die Kontaktbrücke schlägt bei einer patentgemäßen Ausführung am Ende des Abstoßungshubs gegen das Lagerelement einer Feder, das kontinuierlich verschoben wird. Dadurch wird die aufgenommene Energie in der entsprechenden Feder gespeichert abgebremst und der Stoß auf den Endlagenanschlag begrenzt oder aufgehoben. Die durch das Aufliegen der Stangen des Lagerelements auf der Steuerkurve erzeugte Reibkraft bewirkt eine weitere Aufnahme der Energie der Kontaktbrücke. Bei einer bevorzugten Ausführung ist die Steuerkurve so ausgebildet, dass die Stangen des Lagerelements eine Verriegelung der Kontaktbrücke in der Ausschaltstellung bewirken.

II.

Die angegriffene Leistungsschalterbaureihe X der Beklagten macht von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Die Beklagten bestreiten, dass die angegriffene Ausführungsform über eine Schaltwelle, die mindestens ein Paar von Zugfedern, aufweist, die zwischen der Schaltwelle und der Kontaktbrücke angeordnet sind, im Sinne des Merkmales 4 verfügt

Im Hinblick auf die übrigen Anspruchsmerkmale ist die Benutzung zwischen den Parteien zu Recht unstreitig.

Entgegen der Auffassung der Beklagten verwirklicht die angegriffene Ausführungsform auch Merkmal 4 wortsinngemäß. Nachfolgend ist zur Verdeutlichung eine Detailansicht einer Kontaktbrücke eingeblendet, die der Klagepatentschrift entnommen ist (Fig. 5) und eine beispielhafte Ausführungsform zeigt.

Die angegriffene Ausführungsform, bei der die Federn von dem an einer Stange 42, 42’ angeordneten Ende über das jeweils an der Kontaktbrücke 13 gelagerte Ende hinweg zur anderen Seite der Kontaktbrücke und dem dort wiederum an einer Stange 42, 42’ angeordneten Ende führen, verfügt über ein Paar von zwischen der Schaltwelle und der Kontaktbrücke angeordneten Zugfedern. Dem steht nicht entgegen, dass die gleichgerichtet auf beiden Seiten liegenden Federn bei der angegriffenen Ausführungsform praktisch einstückig ausgebildet sind und das aus Fig. 5 der Klagepatentschrift ersichtliche Lager nicht als gesondertes Bauteil ausgestaltet ist. Denn der Fachmann entnimmt der Klagepatentschrift, dass das Paar von Federn, welches nach der technischen Lehre des Klagepatents Verwendung finden soll, symmetrisch auf beiden Seiten der Drehachse (der Kontaktbrücke) anzubringen ist (S. 1 Mitte, S. 3 2. Abs., S. 6 der Übersetzung Anlage B K2). Es ist in dieser Hinsicht sogar unbeachtlich, ob die zu beiden Seiten der Kontaktbrücke - nicht deren Drehachse - plazierten Federn aus einem oder zwei Teilen bestehen.

Auch bei der einstückigen Ausgestaltung bleibt die Anordnung der jeweils zu betrachtenden Federpaare, wie vom Klagepatent gefordert und als vorteilhaft beschrieben, symmetrisch parallel zur Drehachse. Ebenso bleibt die von der Klagepatentschrift mit der (zweifach) symmetrischen Anordnung in Bezug auf die Längsebene einerseits und die Drehachse andererseits verbundene Funktion, eine ideale Positionierung der Kontaktbrücke in jeder Lage zu ermöglichen, erhalten. Bei der einstückigen Ausgestaltung der Federn bildet der in den Öffnungen 39, 39’ ruhende Abschnitt des Federelements das in der Klagepatentschrift beschriebene Lager 40.

Zudem handelt es sich in technischer Hinsicht auch um zwei Federn, wenn man der Betrachtung der Beklagten folgt, denn auf das Federlager an der Kontaktbrücke wirkt die gleiche Federkraft wie bei der Verwendung zweier von einander getrennter Federn, d. h. die doppelte Federkraft im Vergleich zu einer nur auf einer Seite der Brücke angebrachten einzelnen Feder.

III.

Da die Beklagten wie dargestellt von der technischen Lehre des Klagepatents widerrechtlich Gebrauch gemacht haben, sind sie der Klägerin gemäß Artikel 64 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet. Die Beklagten haben schuldhaft gehandelt, da sie als Fachunternehmen die ihnen obliegende Sorgfalt verletzt haben und ihnen mithin zumindest fahrlässiges Verhalten zur Last fällt. Sie haften der Klägerin gemäß Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG deswegen zudem auf Schadenersatz. Da die genaue Schadenshöhe derzeit noch nicht feststeht, hat die Klägerin ein rechtliches Interesse daran, dass die Schadenersatzverpflichtung der Beklagten zunächst dem Grunde nach festgestellt wird (§ 256 ZPO). Um die Klägerin in die Lage zu versetzen, den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch der Höhe nach zu beziffern, sind die Beklagten im zuerkannten Umfang zur Auskunftserteilung und zur Rechnungslegung verpflichtet (§ 140b PatG, §§ 242, 259 BGB). Für die Einräumung eines Wirtschaftsprüfervorbehaltes im Hinblick auf die Abnehmer der Beklagten besteht keine Veranlassung. Die - insoweit darlegungs- und beweispflichtigen - Beklagten haben nichts dafür vorgetragen, dass ihnen die Offenbarung der Abnehmer gegenüber der Klägerin ausnahmsweise unzumutbar sei. Der Vernichtungsanspruch der Klägerin beruht auf § 140a PatG.

IV.

Das Vorbringen der Beklagten gibt keinen Anlaß, den Verletzungsrechtsstreit im Hinblick auf die anhängige Nichtigkeitsklage gegen den deutschen Teil des Klagepatents auszusetzen (§ 148 ZPO). Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der deutsche Teil des Klagepatents für nichtig erklärt werden wird.

Die als neuheitsschädlich entgegengehaltene Schrift X (X), die bereits Gegenstand des Erteilungsverfahrens war und in der Klagepatentschrift ausdrücklich gewürdigt wird, lässt den Erfindungsgedanken nicht in neuheitsschädlicher Weise erkennen. Weder in den Ansprüchen noch in der Beschreibung der - einen vollständig anderen Aspekt bei Schutzschaltern betreffenden - Entgegenhaltung kommt der das Klagepatent kennzeichnende Gedanke, mittels Steuerkurven und verschiebbar gelagerten Stangen eine Abbremsung bis hin zur Verrastung herbeizuführen, auch nur im Ansatz zum Ausdruck. Die Beklagten würdigen vielmehr die in der Entgegenhaltung gezeigte Fig. 3 in Kenntnis des Klagepatents, ohne dass diese aber bei unbefangener Betrachtung Steuerkurven auf der Kontaktbrücke bzw. eine damit zusammenwirkende, die Enden der Zugfedern aufnehmende und in einer Rastkerbe der Schaltwelle gleitende Stange offenbart. Vielmehr verweist die Entgegenhaltung auf die X, welche der X entspricht und der zu entnehmen ist, dass die Zugfedern an Mitnehmerlaschen der Schaltwelle befestigt sind. Mithin weist die Entgegenhaltung gerade keine Stangen auf; die in der Kontaktbrücke vorhandenen Mulden zur Befestigung der Zugfeder an der Brücke sind lediglich Arretierungsmittel, die sich dem Fachmann nicht als Steuerkurven erschließen.

Die Kombination des gattungsbildenden Standes der Technik nach der auch im Klagepatent erwähnten Entgegenhaltung X (Anlage LR4; entspricht X) und der GB-Schrift X (Anlage LR9) legt dem Fachmann die technische Lehre des Klagepatents nicht nahe. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zum X ergibt, zeigt das X nicht die das Klagepatent kennzeichnenden Merkmale. Der Fachmann hat zudem keine Veranlassung die GB-Schrift, die keine Kontaktbrücke betrifft, heranzuziehen, da er diese als gattungsfremd ansieht. Schließlich haben die Beklagten, die entgegen der Auflage der Kammer keine deutsche Übersetzung der GB-Schrift vorgelegt haben, den von der Klägerin dargelegten Umstand, dass eine Ausführung entsprechend der Lehre der X gerade eine Beschleunigung des beweglichen Kontaktes beinhaltet, aber keine Bremsfunktion durch die Ausgestaltung der Konstruktion lehrt, nicht widerlegt.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 709, 108 ZPO. Der Vollstreckungsschutzantrag der Beklagten ist unbegründet. Es ist nichts dafür vorgetragen, dass eine Vollstreckung der Beklagten einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 23.03.2006
Az: 4b O 289/05


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