Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 5. Juli 2012
Aktenzeichen: I-4 U 40/12

(OLG Hamm: Urteil v. 05.07.2012, Az.: I-4 U 40/12)

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 27. Januar 2012 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A.

Die Klägerin verfolgt nach § 2 ihrer Satzung (Anlage zum klägerischen Schriftsatz vom 13.09.2011/Bl. 57ff. d.A.) den Zweck, durch die Beteiligung an der Rechtsforschung sowie durch Aufklärung und Belehrung zur Förderung des lauteren Geschäftsverkehrs beizutragen und gegebenenfalls im Zusammenwirken mit den zuständigen Organen der Rechtspflege den unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen.

Der Beklagte ist ausweislich des Bescheides der Bezirksregierung Münster vom 07.09.2011 in Verbindung mit dem Bescheid vom 17.07.2008 (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 30.11.2011 /Bl. 76ff. d.A.) als „Ausbildungsstätte für die beschleunigte Grundqualifikation und die Weiterbildung von Berufskraftfahrern gemäß § 7 Abs. 1 Ziffer 5, Abs. 2 Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz in Verbindung mit § 6 Berufskraft­fahrerqualifikationsverordnung“ anerkannt.

Er besitzt jedoch keine für eine Ausbildung der Führerscheinklasse C/CE erforderliche Fahrschulerlaubnis und führt deshalb die für die Umschulung zum Berufskraftfahrer erforderliche Fahrschulausbildung nicht selbst durch. Vielmehr betreibt der Beklagte hierfür eine eigene Fahrschule in Form einer eigenen Rechtspersönlichkeit, und zwar die X in N. Ferner kooperiert er mit anderen Fahrschulen, über die die Ausbildung, soweit sie durch einen Fahrlehrer erbracht werden muss, durchgeführt wird.

Der Beklagte warb am 15.05.2010 in der Zeitschrift „P Aktuell“ (Anlage A1/ Bl. 6 d.A.) u.a. für die Umschulung und Qualifikation zum „Berufskraftfahrer/-in IHK“. Dies beanstandete die Klägerin mit ihrer Abmahnung vom 02.06.2010 (Anlage A2/ Bl. 7f. d.A.), mit der sie den Beklagten zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufforderte. Der Beklagte wies dieses Ansinnen wie auch die Aufforderung zur Übernahme eines Anteils der der Klägerin entstandenen Aufwendungen für die Rechtsverfolgung i.H.v. 208,65 € brutto ab.

Am 11.07.2011 wurde in der Zeitung „P2“ eine insoweit geänderte Anzeige (Anlage A7/ Bl. 17 d.A.) veröffentlicht, in der die Beklagte nunmehr gesondert darauf hinwies, dass „Fahrschulausbildungen in Verbindung mit unseren Kooperations- und Fahrschulpartnern“ erfolgen. Daraufhin ließ die Klägerin die ursprünglich gerügte Verletzungshandlung auf sich beruhen.

Am 18.06.2011 erschien in der Zeitschrift „P Aktuell“ auf Seite 24 erneut eine Werbeanzeige des Beklagten (Anlage A10/Bl. 21 d.A.), in der auch die Umschulung und Qualifikation zum Berufskraftfahrer angeboten wird, und zwar wiederum ohne Hinweis, dass die Fahrschulausbildung nicht von der Beklagten selbst erbracht wird.

Mit der am 08.08.2011 bei Gericht eingegangenen Klage beanstandet die Klägerin die vorgenannte Werbung in der Zeitschrift „P Aktuell“ wie auch die Internetauftritte des Beklagten vom 20.06. und 28.07.2011 unter www.X.de (Anlagen 11 und 12/Bl. 22 und 23 d.A.), in denen für die Umschulung und Qualifikation zum Berufskraftfahrer gleichfalls ohne einschränkenden Hinweis geworben wird, als irreführend. Sie hat die Unterlassung solcher Werbung und zudem die Erstattung der Kosten der Abmahnung vom 02.06.2010 i.H.v. 208,65 € verlangt. Die Beklagte hat in ihrem Werbeverhalten keine irreführende geschäftliche Handlung gesehen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien erster Instanz einschließlich der Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und dies wie folgt begründet:

Unbeschadet der Frage, ob der Kläger klagebefugt sei, sei die Klage unbegründet, weil eine Irreführung durch die beanstandeten Werbemaßnahmen des Beklagten nicht feststellbar sei. Bei dem Leser der Werbung werde nach Auffassung der Kammer nicht der unzutreffende Eindruck erweckt, der Beklagte selbst erbringe die erforderliche Fahrlehrerleistung im Rahmen der Umschulungsmaßnahme.

Es sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte ein Bildungswerk sei, das ausweislich des vorgelegten Bescheides der Bezirksregierung Münster vom 07.09.2011 in Verbindung mit dem Bescheid vom 17.07.2008 als „Ausbildungsstätte für die beschleunigte Grundqualifikation und die Weiterbildung von Berufskraftfahrern gemäß § 7 Abs. 1 Ziffer 5, Abs. 2 Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz in Verbindung mit § 6 Berufskraftfahrerqualifikationsverordnung“ anerkannt sei. Die Vorschriften des fraglichen Gesetzes sähen nicht vor, dass das betreffende Bildungswerk in eigener Person die für die Umschulung entsprechenden Fahrlehrerleistungen erbringe.

Bezüglich der gegebenenfalls im Rahmen der Umschulung erforderlichen Praktika ergebe sich das deutlich aus der Sache selbst.

Der Beklagte erwecke in seinen Werbemaßnahmen an keiner Stelle den Eindruck, entsprechende Fahrlehrerleistungen in eigener Person zu erbringen. Auch im Übrigen ergäben sich aus dem Anzeigeninhalt keinerlei Hinweise, die nur entfernt in diese Richtung weisen könnten. Es sei im Gegenteil so, dass in der Anzeige vom 11.07.2011 ein entsprechender Hinweis enthalten sei.

Dass die Fahrlehrerleistungen von dem Beklagten lediglich vermittelt würden, sei rechtlich nicht zu beanstanden.

Hiergegen richtet sich die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens mit der Berufung wie folgt:

Es werde klargestellt, dass Streitgegenstand die Anzeige des Beklagten in „P Aktuell“ vom 18.06.2011, Anlage 10 zur Klageschrift sein solle, mit der der Beklagte eine Umschulung und Qualifikation zum Berufskraftfahrer beworben bzw. angeboten habe.

Für den angesprochenen Verkehr sei der wesentlichste Abschnitt der Ausbildung zum Berufskraftfahrer der Erwerb des Führerscheins der für den Berufskraftfahrer erforderlichen Klasse. Potentielle Interessenten würden die Anzeige daher dahingehend verstehen, dass zum Leistungsangebot des Beklagten auch die jeweilige Führerscheinausbildung gehöre. Auf den Gedanken, dass dieser Teil gar nicht von demjenigen vorgenommen werde, der die Ausbildung vom Wortlaut her als eigene Leistung bewerbe, könne kaum jemand kommen.

Die Anzeige des Beklagten sei daher irreführend, da sie über den Leistungserbringer bzw. den Umfang seiner Leistung täusche. Der Beklagte erbringe die für den Führerscheinerwerb notwendige Fahrschulleistung nicht und dürfe sie gar nicht erbringen, weil er nicht im Besitz einer dafür erforderlichen Fahrschulerlaubnis sei.

Das Landgericht habe trotz des einschränkungslosen Angebots des Beklagten gewissermaßen entgegen dem Wortlaut eine Irreführung nicht zu erkennen vermocht.

Die Begründung des Landgerichts überzeuge nicht. Ohne aufklärenden Hinweis, dass Fahrschulleistungen nicht zum Leistungsumfang gehören, könne man die Werbemaßnahme kaum anders verstehen, als dass auch Fahrschulleistungen erbracht würden. Ohne die Fahrschulleistungen mit Führerscheinerwerb könne der Beruf Berufskraftfahrer nämlich nicht ausgeübt werden.

Die streitgegenständliche Anzeige enthalte keinen Hinweis darauf, dass der Beklagte ausweislich des von ihm vorgelegten Bescheides der Bezirksregierung Münster anerkannte Ausbildungsstätte für die beschleunigte Grundqualifikation und die Weiterbildung von Berufskraftfahrern im Sinne des Berufskraftfahrerqualifikationsgesetzes sei. Ein Großteil des angesprochenen Verkehrskreises werde überhaupt nicht wissen, was eine solche Ausbildungsstätte sei und welche Aufgabe sie habe.

Zudem sei gerade diese amtliche Anerkennung als Ausbildungsstätte im Sinne des Berufskraftfahrerqualifikationsgesetzes geeignet, das Verständnis des Verkehrs zu stützen, der Beklagte erbringe sämtliche Leistungen, die im Rahmen einer Ausbildung zum Berufskraftfahrer notwendig seien, also auch Fahrschulleistungen.

Im Übrigen gehe es vorliegend gerade darum, dass der Beklagte in einer Art und Weise werbe, die das Verständnis erzeuge, er erbringe eine Leistung, die er von Gesetzes wegen tatsächlich nicht erbringen könne und dürfe.

Schließlich habe das Landgericht auf die Anzeige des Beklagten vom 11.07.2010, Anlage 7 zur Klageschrift verwiesen und gemeint, darin sei ein klarstellender Hinweis enthalten. Diese Anzeige sei jedoch nie Streitgegenstand gewesen.

Die Klägerin beantragt deshalb,

in teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils nach dem Klageantrag der Klägerin in erster Instanz zu 1. zu erkennen,

vorsorglich den Berufungsantrag konkretisierend und klarstellend,

den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, geschäftlich handelnd Umschulungen und Qualifizierungen zum Berufskraftfahrer zu bewerben und anzubieten, wenn dies geschieht wie mit der Anzeige Anlage 10 zur Klageschrift und der Beklagte nicht im Besitz einer Fahrschulerlaubnis ist, die ihn berechtigt, Personen auf die Fahrerlaubnisprüfung für Berufskraftfahrer vorzubereiten.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens wie folgt:

Der von der Anzeige angesprochene Adressatenkreis sei sehr viel weiter gefasst, als dies die Klägerin nunmehr im Rahmen des Berufungsverfahrens - und mit diesem Vortrag sei sie ohnehin präkludiert - geltend machen wolle. Denn die als Anlage 10 vorgelegte Anzeige spreche in erster Linie Arbeitssuchende im Hinblick auf die Qualifikation zum Berufskraftfahrer an. Die Qualifikation und Umschulung zum Berufskraftfahrer sei nur eine von weiteren Berufsfeldern.

Der angesprochene Verbraucher werde die Anzeige gerade nicht dahin verstehen, dass zum Leistungsangebot des Beklagten auch die Führerscheinausbildung durch den Beklagten selbst gehöre. Vielmehr zeige der Text der Anzeige „…jeweils mit Praktikum und vielen Zusatzleistungen“, dass je nach Berufsbild externe Ausbildungsabschnitte erfolgen, die der Beklagte nicht selbst erbringe. Von einer eigenen Fahrschulausbildung sei in der Anzeige nicht die Rede.

Das Landgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Auslegung der Anzeige nicht den Eindruck erwecke, der Beklagte selbst erbringe die erforderliche Zusatzleistung im Rahmen der Umschulungsmaßnahme.

Die Klägerin unterliege auch einem Irrtum, wenn sie davon ausgehe, dass im Rahmen der Umschulung/Qualifikation zum Berufskraftfahrer die Führerscheinausbildung einen wesentlichen Teil der Ausbildung darstelle. Denn der Anteil der Fahrschulausbildung mache nur 80 von insgesamt 3.000 Stunden der gesamten Ausbildung aus. Im Rahmen dieser Ausbildung sei auch zwingend ein 3- bis 6-monatiges Praktikum bei einem Transportunternehmen erforderlich. Auch daraus sei ersichtlich, dass Ausbildungsabschnitte durch Dritte erbracht würden.

Der angesprochene Verbraucher gehe ohnehin nicht davon aus, dass der Beklagte als Bildungswerk die Führerscheinausbildung selbst durchführe und Fahrlehrerleistungen selbst erbringe. Dies werde durch den Hinweis: „Wir überzeugen seit 1979 durch Kompetenz und passgenaue Vermittlung“ klargestellt. „Passgenaue Vermittlung“ bedeute die Vermittlung der für den jeweiligen Bewerber und dessen Ausrichtung am besten erscheinenden Ausbildungsabschnitte, seien sie intern oder extern. Folglich werde nicht über den Umfang der angefochtenen Leistung getäuscht. Zudem unterhalte der Beklagte als Tochterunternehmen eine eigene Fahrschule.

Das Landgericht habe zutreffend auf das Urteil des Senates vom 28.02.2008 hingewiesen. In diesem Zusammenhang habe der Senat keine wettbewerbliche Beeinträchtigung darin gesehen, dass der dortige Beklagte mit Partner-Fahrschulen zusammen arbeite. Die Klägerin irre, wenn sie davon ausgehe, dass derjenige, der Fahrschulleistungen anbiete, einer besonderen Erlaubnis bedürfe. Das Anbieten von Fahrschulleistungen sei nicht nach § 1 Abs. 1 FahrlehrerG erlaubnispflichtig. Als Fahrschule geriere der Beklagte sich nicht.

Zu Gunsten des Beklagten sei auch die Anerkennung als Ausbildungsstätte für die beschleunigte Grundqualifikation durch die Bezirksregierung mit Bescheid vom 07.09.2011 zu werten. Denn damit habe die Bezirksregierung festgestellt, dass der Beklagte über die personellen und sachlichen Voraussetzungen hierfür verfüge.

Da er damit Fahrlehrerleistungen nicht in eigener Person erbringen müsse, handele es sich bei der Anzeige nicht um eine Täuschung oder Irreführung.

Der durch die Werbung angesprochene Verbraucher mache sich gar keine Gedanken darüber, ob der Beklagte die Ausbildung selbst ganz oder zum Teil durch Dritte erbringe. Sein Ziel sei es, die Umschulung bzw. Ausbildung zum Berufskraftfahrer zu erlangen. Ob einzelne Module der Ausbildung durch Drittpartner erbracht würden, sei für den durch die Anzeige angesprochenen Verbraucher irrelevant.

Eine Irreführung im Hinblick auf § 5a UWG sei nicht gegeben. Es bestehe keine Notwendigkeit, darauf hinzuweisen, dass im Rahmen der Berufsausbildung zum Berufskraftfahrer die Fahrschulausbildung extern erfolge. Jedenfalls berufe die Klägerin sich nicht auf § 3 Abs. 1 UWG. Eine spürbare Beeinträchtigung liege jedoch auch nicht vor.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Die Klägerin hat dadurch, dass sie die im ursprünglichen Klageantrag zu 1. enthaltene Formulierung „und/oder durchzuführen“ nicht in den Berufungsantrag übernommen hat, die Klage teilweise i.S.d. § 269 ZPO zurückgenommen.

Die damit noch zur Entscheidung stehende Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Die Klage ist zwar zulässig.

1.

Die Klage trägt jedenfalls mit den im „hilfsweise“ gestellten Klageantrag zu 1. aufgenommenen Konkretisierungen durch die Einbeziehung der konkreten Verletzungshandlung den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO Rechnung, wenngleich es sich insoweit nicht um einen Hilfsantrag im eigentlichen Sinne handelt, da in der Berufungsbegründung von vorneherein klargestellt wird, dass Streitgegenstand nur die Anzeige des Beklagten in „P Aktuell“ vom 18.06.2011 sein soll.

2.

Die Klägerin hat aufgrund ihrer Mitgliederstruktur auch anerkanntermaßen die umfassende Verbandsklagebefugnis für das gesamte Bundesgebiet nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG (vgl. Köhler/Bornkamm, 30. Aufl., UWG Einl. Rdnr. 2.29 m.w.N.).

II.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Der gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimierten Klägerin steht der von ihr verfolgte Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 2; 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 2 UWG nämlich nicht zu.

Die von der Klägerin beanstandete Anzeigenwerbung stellt zwar zweifellos ein Handeln im geschäftlichen Verkehr im Sinne der § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar.

Dieses ist jedoch nicht gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 UWG unlauter. Denn die Werbung enthält weder eine irreführende Angabe i.S.d. von Nr. 1 noch eine solche i.S.d. Nr. 3.

Die Anzeige des Beklagten wäre nur dann irreführend i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 oder Nr. 3 UWG, wenn durch sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen ein unrichtiger, da von den tatsächlichen Gegebenheiten abweichender Eindruck vermittelt würde (vgl. u.a. Piper/Ohly/Sosnitza, 5. Aufl., § 5 UWG, Rn. 107 m.w.N.).

Dies ist jedoch nicht der Fall.

1.

Wie eine Werbung verstanden wird, hängt von der Verkehrsauffassung, und zwar dem Personenkreis ab, an den sie sich richtet.

Die in Rede stehende Werbung richtet sich ausweislich ihrer als Frage formulierten Überschrift explizit an Personen, die an einer Umschulung oder Qualifikation in der Logistikbranche interessiert sind, weil ihnen die Arbeitslosigkeit droht oder sie bereits arbeitslos sind. Ihr Adressat ist also ein durch („lediglich“) diese gleiche Interessenlage charakterisierter Teil des allgemeinen Publikums, mithin im Prinzip jedermann - und dessen Verkehrsauffassung können die Mitglieder des erkennenden Senates aufgrund eigener Sachkunde und Lebenserfahrung beurteilen, ohne dass es hierfür besonderer Sachkunde bedürfen würde (vgl. hierzu Köhler/Bornkamm, 30. Aufl., § 5 UWG, Rn. 2.77; 3.11f.).

2.

Durch den Inhalt der hier allein noch in Rede stehenden Zeitungsanzeige vom 18.06.2010 wird bei den damit angesprochenen Verkehrskreisen nicht der falsche Eindruck erweckt, die für Qualifikation oder Umschulung zum Berufskraftfahrer erforderlichen Fahrschulleistungen würden von dem Beklagten selbst erbracht, obwohl dies unstreitig nicht der Fall ist.

Die beanstandete Werbung mit der Umschulung und Qualifikation zum Berufskraftfahrer ist insoweit nicht objektiv falsch, sondern allenfalls unklar, ohne dass dies im vorliegenden Fall zu Lasten des Werbenden, mithin des Beklagten ginge.

a)

Hierbei kann allerdings nicht darauf abgestellt werden, dass der Beklagte ausweislich des Bescheides der Bezirksregierung Münster vom 07.09.2011 in Verbindung mit dem Bescheid vom 17.07.2008 als „Ausbildungsstätte für die beschleunigte Grundqualifikation und die Weiterbildung von Berufskraftfahrern gemäß § 7 Abs. 1 Ziffer 5, Abs. 2 Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz in Verbindung mit § 6 Berufskraftfahrerqualifikationsverordnung“ anerkannt ist, und dass die Vorschriften des fraglichen Gesetzes nicht vorsehen, dass das betreffende Bildungswerk in eigener Person die für die Umschulung entsprechenden Fahrlehrerleistungen erbringt. Denn selbst dem durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher, der sich für eine solche Umschulung interessiert, dürfte weder dieser Bescheid noch die diesem zugrunde liegenden Vorschriften bekannt sein. Beides ist demnach für das Verständnis der mit der Anzeige angesprochenen Verkehrskreise irrelevant.

b)

Ohne Belang ist ebenfalls, dass sich in einer vorangegangenen Anzeige der Beklagten vom 11.07.2010 (Anlage 7 zur Klageschrift vom 05.08.2011/Bl. 17 d.A.) ein Hinweis findet, dass die Fahrerlaubnisausbildungen in Verbindung mit Kooperationspartnern erfolgen. Streitgegenständlich ist die Zeitungsanzeige vom 18.06.2011 und damit allein die Frage, wie der durch sie angesprochene Verkehr die Werbung versteht. Hierbei mag noch der Gesamteindruck der Anzeige maßgeblich sein, nicht jedoch ihre dem allgemeinen Publikum regelmäßig nicht bekannte Historie.

c)

Sodann lässt sich allerdings weder dem in Rede stehenden Text noch dem Gesamteindruck der Anzeige entnehmen, dass und ggf. in welchem Umfang der Beklagte die Umschulung zum Berufskraftfahrer tatsächlich als eigene Leistung selbst erbringt.

Der Beklagte geriert sich nämlich nicht als Fahrschule - und diesen Aspekt hat der Senat im Urteil vom 28.02.2008 in dem Rechtsstreit 4 U 168/07 offen gelassen.

Zwar wird nach allgemeinem Verständnis in der Regel derjenige, der eine Leistung bewirbt, diese auch selbst erbringen. Zwingend ist dies gerade hier aber nicht.

Denn gerade die Betonung, dass man seit 1979 auch durch „passgenaue Vermittlung“ überzeuge, spricht dafür, dass der Beklagte nicht sämtliche Abschnitte der jeweiligen Umschulung selbst erbringt, sondern auch an Dritte vermittelt. Denn hiermit ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht die spätere Arbeitsvermittlung gemeint.

Auch der Zusatz, dass die unterschiedlichen Umschulungen, von denen diejenige zum Berufskraftfahrer nur eine von weiteren Berufsfeldern darstellt, „jeweils mit Praktikum“ erfolgen, deutet darauf hin, dass der Beklagte jedenfalls diesen und damit gerade nicht ausnahmslos sämtliche Bausteine selbst erbringt. Denn dies dürfte dem Beklagten allein in Anbetracht der Vielfalt des aufgeführten Angebots auch aus Sicht des verständigen Verbrauchers schon rein praktisch nicht möglich sein.

d)

Damit handelt es sich bei dem Text der in Rede stehenden Zeitungsanzeige zwar insoweit um eine („lediglich“) unklare Werbeaussage, als offen bleibt, ob der Beklagte oder ein Drittunternehmen die Fahrerlaubnisausbildung für die Umschulung oder Qualifikation zum Berufskraftfahrer durchführt.

Die Verwendung einer solchen unklaren Werbeaussage ist jedoch nicht von vorneherein wettbewerblich bedenklich. Vielmehr stellt die Werbung mit einer unklaren Aussage, über deren Sinn bei keinem rechtlich beachtlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise eine klare und eindeutige Vorstellung festzustellen ist, keinen Verstoß gegen § 5 UWG dar (vgl. Köhler/Bornkamm, 30. Aufl., § 5 UWG, Rn. 2.112).

3.

Hinzu kommt, dass selbst eine - hier nach den vorstehenden Ausführungen nicht festzustellende - diesbezügliche Irreführung wettbewerblich nicht relevant i.S.d. § 5 UWG wäre.

a)

Jedoch kann der Beklagte sich insoweit nicht darauf berufen, dass der durch die Werbung angesprochene Interessent, der sich an ihn wendet, über sämtliche Einzelheiten, mithin auch die durch Dritte erbrachten Module später aufgeklärt wird.

Denn der zunächst erzeugte Irrtum hat damit schon bewirkt, dass sich der Verbraucher mit dem Angebot des Werbenden näher auseinandersetzt, was aus kaufmännischer Sicht bereits ein großer Vorteil für den Werbenden und dementsprechend ein Nachteil für den Mitbewerber ist (vgl. insoweit zur sog. Anlockwirkung Köhler/Bornkamm, 30. Aufl. § 5 UWG, Rn. 2.192ff. m.w.N.)

b)

Allerdings ist die Angabe desjenigen, der die Fahrerlaubnisleistungen durchführt, für eine sachgerechte Entscheidung des angesprochenen Verkehrskreises, die Leistungen der Beklagten in Anspruch zu nehmen, nur von marginaler Bedeutung und stellt demnach im Übrigen auch keine i.S.d. § 5a UWG wesentliche Information dar.

Denn die Fahrschulausbildung ist nur ein Abschnitt auf dem Weg der ggf. mittels Bildungsgutscheinen geförderten, von dem Beklagten organisierten und von der IHK anerkannten Umschulung respektive Qualifikation zum Berufskraftfahrer als Weg aus der drohenden oder bestehenden Arbeitslosigkeit. Hierbei steht das reibungslose Erreichen des Ziels für den Interessenten im Vordergrund. Ob der Beklagte als Koordinator die dafür erforderlichen Leistungen selbst erbringt oder durch andere Betriebe ihrer Wahl erbringen lässt, spielt sodann für die angesprochenen Verbraucher im Hinblick auf seine Marktentscheidung nur eine untergeordnete Rolle (vgl. Senat, Urt. v. 10.02.2009 - 4 U 201/08 zu dem insoweit vergleichbaren Fall der TÜV-Untersuchung in einer Kfz-Werkstatt).

C.

Die Entscheidungen zur Kostentragung und vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 91 Abs.1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 05.07.2012
Az: I-4 U 40/12


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