Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. Oktober 2003
Aktenzeichen: 11 W (pat) 304/02

(BPatG: Beschluss v. 27.10.2003, Az.: 11 W (pat) 304/02)

Tenor

Auf die Einsprüche wird das Patent 100 06 852 nach folgender Maßgabe beschränkt aufrechterhalten:

- Ansprüche 1 und 9 vom 27. Oktober 2003,

- Ansprüche 2 bis 8 und 10 bis 14 eingereicht am 21. Juli 2003;

- Beschreibung Seite 1 - 3b und 3d - 5b wie am 21. Juli 2003 eingegangen, Seite 3c vom 27. Oktober 2003 und im übrigen gemäß Patentschrift ab Spalte 3 Zeile 56;

- sowie Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Gründe

I Die Erteilung des am 16. Februar 2000 angemeldeten Patents mit der Bezeichnung "Verfahren und Vorrichtung zum Fügen von Werkstückteilen mittels eines Energiestrahls, insbesondere Laserstrahls" ist am 10. Januar 2002 veröffentlicht worden.

Gegen das Patent ist von der H... GmbH in S... (Einsprechende I) und von der E... GmbH in E... (Einsprechende II) jeweils gem. § 59 PatG Einspruch erhoben worden. Jeder Einspruch ist fristgerecht erhoben, mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, der Gegenstand des Patents sei nach §§ 3 und 4 PatG nicht patentfähig.

Die Patentinhaberin legt in der mündlichen Verhandlung neue Unterlagen vor und stellt den Antrag, das Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 und 9 vom 27. Oktober 2003, der am 21. Juli 2003 eingereichten Ansprüche 2 bis 8 und 10 bis 14, der Beschreibung Seite 1 - 3b und 3d - 5b, wie am 21. Juli 2003 eingegangen, Seite 3c vom 27. Oktober 2003 und im übrigen gemäß Patentschrift ab Spalte 3 Zeile 56 sowie den Zeichnungen gemäß Patentschrift beschränkt aufrechtzuerhalten.

Dazu führt sie aus, der Patentgegenstand sei in der verteidigten Fassung patentfähig.

Dem widersprechen die Einsprechenden und tragen zudem noch vor, die geltenden Ansprüche 1 und 9 seien durch Streichungen und Hinzufügungen unzulässig erweitert. Die Einsprechenden I und II beantragen gleichermaßen, das angegriffene Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die geltenden Patentansprüche 1 und 9 lauten:

1. Verfahren zum Fügen von Werkstückteilen mittels eines Energiestrahls, insbesondere Laserstrahls, unter Verwendung eines Zusatzwerkstoffes, der in Form eines Drahtes mittels einer Drahtzuführungseinrichtung zugeführt wird, wobei der Draht auch als mechanisches Tastelement verwendet und die am Energiestrahl abschmelzende Drahtspitze kraftschlüssig entlang der Werkstückoberfläche geführt wird, dadurch gekennzeichnet, dass auf einer Vorschubbahn einer Führungsmaschine die Kontur eines von den zu verbindenden Werkstückteilen (7, 8; 9, 10) definierten Stoßes über die Drahtspitze im Schmelzbadrand angetastet wird, wobeia) der Energiestrahl (1) mit einer Einrichtung fokussiert wird, die mit der Drahtzuführungseinrichtung automatisch mitbewegt wird, wobei die Drahtzuführungseinrichtung relativ zu der Einrichtung zur Fokussierung des Energiestrahls bewegbar ist und der Bezugspunkt für die Nachführung des Energiestrahlfokus am Schmelzbadrand liegt, oderb) die am Energiestrahl (1) abschmelzende Drahtspitze (4) kraftschlüssig entlang einer seitlichen Führungsfläche des von den zu verbindenden Werkstückteilen (7, 8; 9, 10) gebildeten Verbindungsstoßes geführt wird, wobei der Energiestrahl (1) und die Drahtzuführungseinrichtung miteinander fest verkoppelt durch eine lineare Verschiebung und/ oder eine Drehbewegung relativ zur seitlichen Führungsfläche nachgeführt werden.

9. Vorrichtung zum Fügen von Werkstückteilen mittels eines Energiestrahls, insbesondere Laserstrahls, unter Verwendung eines Zusatzwerkstoffes in Form eines Drahtes (2), mit einer Einrichtung zur Zuführung des Drahtes, die in Richtung der Energiestrahlachse derart beweglich gelagert ist, dass die am Energiestrahl (1) abschmelzende Drahtspitze (4) kraftschlüssig entlang der Werkstückoberfläche (5) geführt ist, und mit einer Führungsmaschine, dadurch gekennzeichnet, dassa) auf einer Vorschubbahn der Führungsmaschine die Drahtzuführungseinrichtung relativ zu einer Einrichtung zur Fokussierung des Energiestrahls (1) bewegbar ist, die mit der Drahtzuführungseinrichtung automatisch mitbewegt wird, wobei der Bezugspunkt für die Nachführung des Energiestrahlfokus am Schmelzbadrand liegt, oderb) auf einer Vorschubbahn der Führungsmaschine die Einrichtung zur Fokussierung des Energiestrahls und die Drahtzuführungseinrichtung linear verschiebbar und/oder drehbar sind, derart, dass die Drahtspitze (4) als mechanisches Tastelement kraftschlüssig entlang einer seitlichen Führungsfläche eines von den zu verbindenden Werkstückteilen (7, 8; 9, 10) definierten Verbindungsstoßes geführt ist, wobei die Bewegung der Einrichtung zur Fokussierung des Energiestrahls mit der Bewegung der Drahtzuführungseinrichtung fest verkoppelt ist.

Wegen der Unteransprüche 2 bis 8 und 10 bis 14 und weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Im vorliegenden Einspruchsverfahren hat gemäß § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG der Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

Die frist- und formgerecht erhobenen Einsprüche sind gem. § 59 Abs. 1 PatG hinreichend substantiiert und damit zulässig.

Die Einsprüche führen aus den nachfolgend dargelegten Gründen zur beschränkten Aufrechterhaltung des Patents.

Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum Fügen von Werkstückteilen mittels eines Energiestrahls, insbesondere Laserstrahls, unter Verwendung eines Zusatzwerkstoffes, der in Form eines Drahtes mittels einer Drahtzuführungseinrichtung zugeführt wird, wobei der Draht auch als mechanisches Tastelement verwendet wird, sowie eine entsprechende Vorrichtung.

Der Erfindung liegt das technische Problem (die Aufgabe) zugrunde, ein Verfahren sowie eine Vorrichtung anzugeben, mit denen ein verbessertes Fügeergebnis erzielbar ist.

Die Lösung dieses Problems wird in einem Verfahren bzw. einer Vorrichtung gesehen, welche entsprechend den Merkmalen der Ansprüche 1 bzw. 9 ausgestaltet sind.

Für ein derartiges Verfahren und eine Vorrichtung zum Fügen von Werkstückteilen mittels eines Energiestrahls ist ein Diplom-Ingenieur mit wenigstens Fachhochschulabschluss im allgemeinen Maschinenbau mit langjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet des Strahl-Schweißens und der hierfür eingesetzten Einrichtungen der zuständige Fachmann.

1. Die geltenden Ansprüche sind formal zulässig.

Die Ansprüche 1 und 9 sind gebildet aus dem ursprünglichen Anspruch 1 bzw. Anspruch 9, wozu Merkmale getreten sind, die sich in der ursprünglichen Beschreibung (S. 3, 3. Abs., S. 4, 1. Abs. und S. 6 letzte Zeile bis S. 7 erste Zeile sowie S. 9, 2. Abs.) und in der Patentschrift (Abs. 0010, 0012 und Sp. 4, Z. 23, 24 sowie Abs. 0031) sowie in den ursprünglichen und patentierten Ansprüchen 6, 8 und 9 finden. Obgleich in den genannten Unterlagen im unmittelbaren textlichen Zusammenhang mit der Führungsmaschine nur die Soll-Vorschubbahn genannt ist, sieht der Fachmann in den weiteren Angaben, dass insgesamt die Vorschubbahn der Führungsmaschine gemeint ist, die nach den Ansprüchen 1 und 9 die Soll-Vorschubbahn mit umfasst. Die Nichtaufnahme in die Ansprüche 1 und 9 von "in Richtung der Strahlachse" in der Alternative a) und von "in seitlicher Richtung" in der Alternative b) betreffen Überbestimmungen und Selbstverständlichkeiten. Zu einer unzulässigen Erweiterung führen die vorgenommenen Änderungen nicht.

Die Unteransprüche 2 bis 8 und 10 bis 14 sind auf die ursprünglichen Ansprüche zurückzuführen.

Für den Begriff Schmelzbadrand, der sich dem Fachmann als der Rand der durch den Laserstrahl aus Grund- und Zusatzwerkstoff erzeugten Schmelze, dem Schmelzbad darstellt, bedarf es keiner weiteren Definition. Eine Unklarheit, die die Ausführbarkeit der Lehre beeinträchtigen könnte, liegt deshalb in den Ansprüchen nicht vor.

2. Das offensichtlich gewerblich anwendbare Verfahren nach dem Anspruch 1 sowie die zugehörige Vorrichtung nach dem Anspruch 9 besitzen in jeweils beiden Alternativen a) und b) die für die Patenterteilung erforderliche Neuheit, da eine vollständige Merkmalsübereinstimmung des Beanspruchten zu jeder der Entgegenhaltungen nicht besteht.

Aus der US-Patentschrift 5 302 805 gehen ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Fügen von Werkstückteilen mittels eines Lichtbogens hervor, bei welchen ein Zusatzdraht als mechanisches Tastelement verwendet wird. Hierbei werden die Daten, die das Tastelement liefert, ausschließlich dazu verwendet, die richtige Position der Zusatzdrahtspitze einzustellen. Eine wie immer geartete Rückwirkung auf die Position des Energiestrahls auf der Grundlage der von der Drahtspitze als Tastelement gelieferten Daten ist nicht vorgesehen. Demzufolge unterscheiden sich die Gegenstände der Ansprüche 1 und 9 von diesem Stand der Technik dadurch, dass die Fokussiereinrichtung des Energiestrahles automatisch mit der Drahtzuführungseinrichtung mitbewegt wird, bzw. dass der Energiestrahl und die Drahtzuführeinrichtung fest miteinander verkoppelt nachgeführt werden.

Die deutsche Offenlegungsschrift 196 15 069 offenbart dem Fachmann ein Verfahren und eine Vorrichtung, bei welchen dem Werkzeug ein Taster beigeordnet ist. Der Taster ist gebildet durch einen taktilen Sensor, welcher schleppend in einem definierten Abstand zur Bearbeitungsstelle an einer Kante entlanggeführt wird (Sp. 2, Z. 36 - 42). Damit unterscheiden sich das patentgemäße Verfahren sowie die zugehörige Vorrichtung durch den patentgemäß selbst als mechanisches Tastelement verwendeten Zuführdraht.

In dem deutschen Gebrauchsmuster 87 13 471 findet der Fachmann wiederum einen mechanischen Taster 7, der als Tastrolle, als Nadel oder Gleitmesser ausgebildet sein kann. Ein Zusatzwerkstoff findet dort keine Erwähnung. Die Neuheit des Verfahrens nach Anspruch 1 und der Vorrichtung nach Anspruch 9 des Patents liegt diesem Stand der Technik gegenüber demzufolge ebenfalls darin begründet, dass bei der Erfindung ein den Zusatzwerkstoff liefernder Draht als mechanisches Tastelement verwendet wird.

Bei dem Verfahren und der Vorrichtung zur Steuerung einer Laserschweißmaschine nach der deutschen Offenlegungsschrift 44 12 093 wird zwischen dem einen Zusatzwerkstoff liefernden Draht 4, dessen Nachführung in bekannter Weise so erfolgt, dass sich seine Spitze stets im Fokus des Lasers befindet (Sp. 2, Z. 5, 6), und dem Werkstück eine Spannung (Führungsgrößen-Spannung VF) angelegt, deren Ist-Wert den Abstand des Laserfokus und damit der Drahtspitze von einer Idealebene des Werkstücks, das keine ideale Oberfläche aufweist, repräsentiert. Dies ergibt sich für den Fachmann dadurch, dass zwischen der Drahtspitze und dem Werkstück über einen sich im Schmelzbad einstellenden, abstandsabhängigen Widerstand (0 ² R ² °) ein Spannungsabfall eintritt, der zu einem Ist-Wert der Führungsgrößen-Spannung führt. Durch einen Vergleich mit vorgegebenen Sollspannungen (VV) werden Stellwertspannungen (VS) ermittelt, welche für die Einstellung des Fokussierkopfes zusammen mit der Zuführeinrichtung für den Zusatzwerkstoff zum Werkstück hin oder vom Werkstück weg verwendet werden, damit sich der Fokus stets an der gewollten Schweißstelle befindet (Sp. 1, Z. 44 - 47). Ein auswertbarer Ist-Wert (> 0) der Führungsgrößen-Spannung entsteht, wie der Fachmann weiß, auch dann, wenn kein mechanischer Kontakt zwischen der Drahtspitze und dem Werkstück besteht. Deshalb liegt dort weder ein Antasten des Werkstücks, noch eine kraftschlüssige Führung der Drahtspitze entlang der Werkstückoberfläche vor, weshalb ein mechanischer Taster in dieser bekannten Lösung entgegen der Auffassung der Einsprechenden nicht vorgegeben ist. Demzufolge unterscheidet sich die Erfindung nach Anspruch 1 oder 9 davon durch einen als mechanisches Tastelement verwendeten Draht, dessen abschmelzende Spitze kraftschlüssig entlang der Werkstückoberfläche geführt wird.

Gegenüber den sonstigen Druckschriften des Verfahrens ist die Neuheit offensichtlich gegeben, was von den Einsprechenden auch nicht in Frage gestellt wird.

3. Das Verfahren nach dem Anspruch 1 sowie die zugehörige Vorrichtung nach dem Anspruch 9 beruhen in jeweils beiden Alternativen a) und b) auch auf erfinderischer Tätigkeit, da sich dem Fachmann aus dem Stand der Technik wegweisende Vorbilder nicht erschließen.

Für den Fachmann bildet die US Patentschrift 5 302 805 einen möglichen Ausgangspunkt für die Erfindung. Daraus entnimmt er ein Verfahren zum Fügen von Werkstückteilen mittels eines Lichtbogens 44, der von einer sich nicht verbrauchenden Elektrode 46 erzeugt wird, unter Verwendung eines Zusatzwerkstoffes 38, der in Form eines Drahtes mittels einer Drahtzuführungseinrichtung zugeführt wird, wobei der Draht auch als mechanisches Tastelement verwendet und die am Energiestrahl abschmelzende Drahtspitze kraftschlüssig entlang der Werkstückoberfläche geführt wird. Er findet damit zusammenhängend dort auch eine Vorrichtung zum Fügen von Werkstückteilen, unter Verwendung eines Zusatzwerkstoffes in Form eines Drahtes, mit einer Einrichtung zur Zuführung des Drahtes, die in Richtung der Energiestrahlachse derart beweglich gelagert ist, dass die am Energiestrahl abschmelzende Drahtspitze kraftschlüssig entlang der Werkstückoberfläche geführt ist. Das Verfahren und die Vorrichtung dienen dort dem Zweck, die jeweilige Position der Spitze des Zusatzdrahtes zu erfassen und zu kontrollieren (Sp. 1, Z. 44 - 46), um ein stetes und zuverlässiges Nachführen des Drahtes zu gewährleisten. Dazu wird der Draht in Kontakt mit dem vorderen Rand des Schmelzbades gebracht (leading edge 48 of the weld pool 42, Sp. 3, Z. 7, 8) und durch eine entsprechende Regeleinrichtung, bei der mechanisch gewonnene Werte in elektrische Größen umgewandelt werden, auch dort gehalten. Über entsprechende Einrichtungen (position controller 13, automatic feed mechanism 19) erfolgt die Regelung der Position des Zusatzdrahtes relativ zum Werkstück und dessen Nachführung. Dort wird also über den Draht der gegenwärtige (in Schweißrichtung) vordere Rand des Schmelzbades angetastet und in Abhängigkeit davon allein die Drahtzuführungseinrichtung ohne Bezug auf die Schweißelektrode 46 bewegt, wobei der Bezugspunkt für diese Bewegung am vorderen Rand 48 des Schmelzbades 42 liegt.

Demgegenüber bleibt für den Fachmann noch das objektive Problem zu lösen, ein verbessertes Fügeergebnis durch eine koordinierte Nachführung der Strahlquelle z.B. des Laserschweißkopfes zu erreichen.

Im Unterschied zu der US-PS erfolgt deshalb die streitpatentgemäße Lösung durch ein Verfahren und eine Vorrichtung, bei welchen entwederdie Einrichtung zur Fokussierung des Energiestrahles mit der Drahtzuführungseinrichtung automatisch mitbewegt wird, wobei der Bezugspunkt für die Nachführung des Energiestrahlfokus am Schmelzbadrand liegt, [Alternative a)]

oderdie am Energiestrahl abschmelzende Drahtspitze kraftschlüssig entlang einer seitlichen Führungsfläche des von den zu verbindenden Werkstückteilen gebildeten Verbindungsstoßes geführt wird, wobei der Energiestrahl und die Drahtzuführungseinrichtung miteinander fest verkoppelt sind und durch eine lineare Verschiebung und/oder eine Drehbewegung relativ zur seitlichen Führungsfläche nachgeführt werden [Alternative b)].

In der US-PS selbst findet der Fachmann für beide Lösungen schon deshalb kein unmittelbares Vorbild, weil jene sich mit dem Lichtbogenschweißen befasst und dort weder eine Nachführung des Lichtbogens, noch die eines Fokus wie beim Energiestrahlschweißen erfolgt. Zu dem wird dort der Draht kraftschlüssig zwar über die Werkstückoberfläche, nicht aber entlang eines Verbindungsstoßes geführt. Deshalb erhält er zum Einen dort auch nicht den Hinweis darauf, den am (vorderen) Schmelzbadrand liegenden Bezugspunkt, der dort für das Nachführen des Zusatzdrahtes herangezogen wird, als Bezugspunkt für das Nachführen des Energiestrahles heranzuziehen. Zum Anderen erhält er auch keine Anweisung dahingehend, den Draht als mechanisches Tastelement entlang einer Kontur als Führungsfläche, nämlich entlang des von den zu verbindenden Werkstücken definierten Verbindungsstoßes zu führen.

Dergleichen Anregungen zum patentgemäßen Lösungsweg kann der Fachmann auch der deutschen Offenlegungsschrift 44 12 093 nicht entnehmen, die ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Fügen von Werkstückteilen unter Verwendung mittels eines Laserstrahles offenbart. Die Wirkungsweise basiert dort auf dem Umstand, dass zwischen dem Zusatzdraht und dem Werkstück eine Spannung angelegt ist und sich der Zusatzdraht beim Vorliegen einer Unebenheit vom Werkstück entfernt oder weiter an dieses annähert. Dadurch erfolgt eine Änderung der angelegten Führungsgrößen-Spannung, die als Regelgröße zum Nachführen der Fokussiereinrichtung dient. Damit ein Strom fließen und eine Änderung der angelegten Spannung eintreten kann, ist zwar, wie die Einsprechenden zutreffend ausführten, ein mechanischer (elektrisch leitender) Kontakt zwischen dem Draht und dem Schmelzbad wenigstens zeitweise erforderlich. Der Fachmann weiß aber, dass dort eine kraftschlüssige Führung des Drahtes nicht stattfindet, weil auf eine solche Weise bei Kurzschluss brauchbare Spannungsänderungen als Stellwertspannungen nicht zu erhalten wären. Zudem ist dort eine relative Bewegbarkeit der Fokussiereinrichtung zur Drahtzuführungseinrichtung, wie in der Alternative a) des Streitgegenstandes nicht vorgesehen und für die Nachführung des Energiestrahlfokus dient dort eine ideale Ebene (Sp. 1, Z. 31, 32) und nicht der Schmelzbadrand als Bezug. Zwar findet sich dort eine feste Kopplung der Bewegungen der Fokussiereinrichtung und der Drahtzuführeinrichtung, wie in der Alternative b) des Streitgegenstandes, da aber ein mechanisches Antasten im Sinne einer kraftschlüssigen Führung durch die Drahtspitze weder entlang der Werkstückoberfläche, noch entlang eines Verbindungsstoßes erfolgt, ergibt sich für den Fachmann hieraus keine Anregung dahingehend, zur Lösung des Problems eine solche Ausgestaltung auch bei der US-PS 5 302 805 vorzusehen. Die Alternative a) der Ansprüche 1 oder 9 wird dem Fachmann deshalb durch die deutsche Offenlegungsschrift 44 12 093 genauso wenig nahegelegt, wie die Alternative b).

Dies vermag auch weder die deutsche Offenlegungsschrift 196 15 069 noch das deutsche Gebrauchsmuster 87 13 471. Sie lehren den Fachmann die Verwendung von eigenständigen Messtastern, wobei entweder durch eine Kantenverfolgung oder das Eingreifen in einen Schlitz die Nachführung eines Laserstrahles veranlasst wird. Hinweise darauf, den eigenständigen Messtaster in funktioneller Verschmelzung durch die Spitze des Drahtes zu ersetzen, der den Zusatzwerkstoff liefert, finden sich in den Schriften nicht, schon weil dort das Schweißen ohne Zusatzdraht erfolgt und demzufolge weder ein Draht noch eine Drahtzuführungseinrichtung vorgesehen sind. Auch liegt der Bezugspunkt für die Nachführung der Fokussiereinrichtung dort jeweils abseits vom Schmelzbadrand, um die Messtaster nicht zu beschädigen. Somit können dort ergriffene Maßnahmen für die Nachführung der Fokussiereinrichtung dem Fachmann auch nicht als Vorbild dafür dienen, bei einem Verfahren oder einer Vorrichtung nach der US-PS 5 302 805, wo die am Energiestrahl abschmelzende Drahtspitze kraftschlüssig entlang der Werkstückoberfläche geführt wird, entsprechend der Alternative a) des Streitpatents im Falle einer relativen Bewegbarkeit zwischen der Fokussiereinrichtung und der Drahtzuführungseinrichtung den Schmelzbadrand als Bezugspunkt für die Nachführung des Fokus zu wählen bzw. entsprechend der Alternative b) des Streitpatents den Draht als mechanisches Tastelement heranzuziehen und die Bewegungen der Drahtzuführungseinrichtung und der Fokussiereinrichtung fest zu koppeln.

Auch nur in eine andere Richtung weisende Lösungen findet der Fachmann in der von der Einsprechenden II in der mündlichen Verhandlung noch am Rande erwähnten US Patentschrift 5 446 257 oder dem deutschen Gebrauchsmuster 296 06 375. Dort sind jeweils Sensoren, vorzugsweise optisch wirkende, vorgesehen, die entweder die Naht oder ein sogenanntes Schweißplasma (welding plasma) detektieren, wobei in Abhängigkeit von dabei erfassten Daten die Nachführung der Fokussiereinrichtung, der Drahtzuführeinrichtung und/oder des Drahtes erfolgt. Weil die Sensoren berührungslos arbeiten, kann der Fachmann diesen Schriften keinen Hinweis darauf entnehmen, auf die Sensoren zu verzichten und den Schweißdraht selbst als mechanischen Taster heranzuziehen wie bei der US-PS 5 302 805. Auch weil dort keine kraftschlüssige Führung des Drahtes entlang der Werkstückoberfläche oder eines Verbindungsstoßes gelehrt wird, führen den Fachmann diese Schriften auch unter Einbeziehung der US-PS 5 302 805 nicht zu den erfindungsgemäßen Lösungsalternativen a) oder b).

Weiter ab liegt die von der Einsprechenden II zuletzt genannte Entgegenhaltung GB 1 258 561, bei welcher der den Zusatzwerkstoff liefernde Draht 2 durch Aufbringen einer Vorspannung stets in Anlage auf der Werkstoffoberfläche auch bei geringfügigen Unebenheiten bleibt. Die Eigenschaft eines mechanischen Tastelements im Sinne des Streitpatents besitzt der Draht dort aber nicht, auch fehlen weitere Gemeinsamkeiten mit den streitpatentgemäßen Lösungen, weshalb der Fachmann bei der Suche nach einer Lösung seines Problems diese Schrift unberücksichtigt lässt.

Weder einzeln betrachtet, noch in beliebig zusammenfassender Betrachtung können die abgehandelten Schriften den Fachmann aus den einzeln dargelegten Gründen zur Erfindung führen.

Die weiteren im Verfahren schriftsätzlich von den Einsprechenden I und/oder II zwar genannten, in der mündlichen Verhandlung jedoch nicht wieder aufgegriffenen Druckschriften liegen erkennbar weiter ab als der vorstehend behandelte Stand der Technik, weshalb der Fachmann daraus weder Vorbilder noch Anregungen auf die erfindungsgemäße Lösung erhalten kann.

Nach alledem war für den Fachmann erfinderische Tätigkeit erforderlich, um zu einem Verfahren nach Anspruch 1 und einer Vorrichtung nach Anspruch 9 des geltenden Patents als Lösung des bestehenden Problems zu gelangen.

Folglich sind die geltenden Ansprüche 1 und 9 bestandsfähig und damit auch die auf sie bezogenen Ansprüche 2 bis 8 und 10 bis 14, die zweckmäßige, keinesfalls selbstverständliche Ausgestaltungen des erfindungsgemäßen Verfahrens und der zugehörigen Vorrichtung zum Inhalt haben.

Dellinger Dr. Henkelv. Zglinitzki Schmitz Ko






BPatG:
Beschluss v. 27.10.2003
Az: 11 W (pat) 304/02


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