Verwaltungsgericht Berlin:
Urteil vom 16. Dezember 2014
Aktenzeichen: 21 K 54.14

(VG Berlin: Urteil v. 16.12.2014, Az.: 21 K 54.14)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einer filmförderungsrechtlichen Abgabe.

Die Klägerin ist ein Betrieb der Videowirtschaft und vertreibt unter anderem unter den Labels X..., Z... und €T... DVD´s€ Bildträger, die mit Filmen von mehr als 58 Minuten Laufzeit bespielt sind. Die Filmförderungsanstalt forderte die Klägerin auf, über den erzielten Umsatz Auskunft zu erteilen. Auf Einwand der Klägerin, sie sei nicht Inhaber von Lizenzrechten, sondern lediglich Großhändlerin, forderte die Filmförderungsanstalt sie erfolglos auf, dies durch Benennung der Bezugsquellen und Darlegung der Vertragsverhältnisse zu belegen. Daraufhin zog sie die Klägerin mit Heranziehungsbescheid vom 23. Mai 2002 zu einer Filmabgabe über 230 € für den Zeitraum Januar 1999 im Wege der Schätzung heran. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Filmförderungsanstalt mit Widerspruchsbescheid vom 1. August 2008 zurück.

Mit der hiergegen am 2. September 2008 (zum Aktenzeichen VG 22 A 161.08) erhobene Klage € das Verfahren wurde zwischenzeitlich ausgesetzt und im Februar 2014 zum obigen neuen Aktenzeichen wieder aufgenommenen € macht die Klägerin geltend, Umsätze aus dem Verkauf von direkt bei einem EU-ausländischen Filmproduzenten gekauften und nach Deutschland importierten Bildträgern seien nicht abgabepflichtig. Insbesondere erwerbe sie mit dem Kauf derartiger Bildträger kein Lizenzrecht, was aber die Voraussetzung für eine Abgabepflicht sei. Wegen des urheberrechtlichen Erschöpfungsgrundsatzes setze die Veräußerung eines Bildträgers nicht das Innehaben eines Lizenzrechtes voraus. Daher komme es auch nicht darauf an, ob der Kauf direkt vom Hersteller oder von einem Zwischenhändler erfolge. Schließlich verkenne die Beklagte den Umfang der Auskunftspflicht, da diese nur die abgabenpflichtigen Umsätze, nicht aber sämtliche Umsätze € zwecks Prüfung, ob sich eine Abgabepflicht ergebe € umfassen könne. Für eine derart weit reichende Auskunftspflicht sei eine Rechtsgrundlage nicht gegeben.

Die Klägerin beantragt,

den Heranziehungsbescheid der Filmförderungsanstalt vom 23. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. August 2008 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hierzu trägt sie vor, abgabepflichtig seien nach dem Leitbild des Gesetzgebers die deutschen Videoprogrammanbieter und die Importeure ausländischer Filme. Dabei sei der Gesetzgeber bei der Neuverabschiedung des Gesetzes zum Januar 1993 davon ausgegangen, dass die deutschen Videoprogrammanbieter und die Importeure Inhaber der notwendigen Lizenzrechte seien. Der Klägerin sei nur im Ausgangspunkt zuzustimmen, dass eine nähere Definition des Tatbestandsmerkmals €Inhaber der Lizenzrechte€ nicht existiere. Zum besseren Verständnis werde auf die üblichen Vertragsbeziehung bei der Produktion und dem Vertrieb von Videos hingewiesen. Soweit die Klägerin davon ausgehe, deshalb nicht Inhaberin der Lizenzrechte zu sein, weil durch den Kauf der Bildträger Erschöpfung eingetreten sei, habe dies auf die Frage der Passivlegitimation (Lizenzinhaberschaft) keinen Einfluss und führe lediglich dazu, dass der Urheber oder sonst zur Verbreitung Berechtigte sein Verbreitungsrecht nicht mehr ausüben könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte des Gerichts und dem Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen. Die genannten Unterlagen haben vorgelegen und sind € soweit wesentlich € Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Gründe

Die (Anfechtungs-) Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Filmförderungsanstalt vom 23. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. August 2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid über die Heranziehung zu einer filmförderungsrechtlichen Abgabe ist § 66 a Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über Maßnahmen zur Förderung des deutschen Films in der Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Filmförderungsgesetzes vom 6. August 1998 (BGBl. I S. 2046) € FFG 1999 €. Diese Fassung ist hier maßgeblich, weil nach der jeweiligen (gleichlautenden) Übergangsregelung der nachfolgenden Fassungen des Filmförderungsgesetzes (§ 73 Abs. 2) Verwaltungsverfahren, die bei Inkrafttreten der jeweiligen Neufassung liefen, nach den zuvor geltenden Vorschriften fortgesetzt werden.

Nach § 66 a Abs. 1 Satz 1 FFG 1999 hat, wer als Inhaber der Lizenzrechte Bildträger, die mit Filmen mit einer Laufzeit von mehr als 58 Minuten bespielt sind, in der Bundesrepublik Deutschland zu Vermietung oder zum Weiterverkauf in den Verkehr bringt oder unmittelbar an Letztverbraucher verkauft (Programmanbieter), vom Umsatz eine Filmabgabe zu entrichten. Die genannten tatbestandlichen Voraussetzungen liegen hier vor. Die von der Klägerin vertriebenen DVDs enthielten unstreitig Spielfilme mit einer Länge von mehr als 58 Minuten. Eine Ausnahme nach Satz 2 der Vorschrift € hiernach sind von der Abgabepflicht Special-Interest-Programme aus dem Bildungs-, Hobby-, Ausbildungs- und Tourismusbereich sowie Bildträger ausgenommen, die mit aneinander gereihten und bebilderten Auszügen von Musikstücken bespielt sind, befreit € liegt nicht vor (vgl. hierzu OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. Juni 2014 - 6 B 11.13 - Juris Rdnr. 21 mit dem Schlagwort €Sex ist kein Hobby.€). Die Klägerin ist auch Inhaberin der Lizenzrechte und Programmanbieterin im Sinne der Vorschrift.

1. Die Klägerin ist Inhaberin der Lizenzrechte im Sinne von § 66 a Abs. 1 Satz 1 FFG 1999.

a. Die Vorschrift ist nach systematischem Zusammenhang, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck nicht streng urheberrechtlich, sondern filmabgaberechtlich auszulegen. Lizenzrecht bedeutet danach jedes Vertriebsrecht im weiteren Sinne, d.h. jedes Recht zur Vermietung oder Vorführung oder zum Weiterverkauf oder zum Verkauf an Letztverbraucher, das einem als Händler auf der ersten Vertriebsstufe zusteht. Dies ist insbesondere bei Importeuren und Großhändlern der Fall, bei denen schon der Gesetzgeber typisierend davon ausging, dass diese als erstmalige Verteiler im Bundesgebiet entsprechende Vertriebsrechte haben (müssen). Ursprünglich wurde die Filmabgabe, soweit sie von der Videowirtschaft zu leisten ist, auf der Endverbraucherstufe erhoben, nämlich insbesondere von den Videotheken oder Einzelhandelsgeschäften, die ausschließlich oder neben einem anderen Sortiment auch mit Bildträgern (Videokassetten, DVD) handeln. Der Versuch einer Abgabenerhebung auf dieser Stufe hat sich aber als nicht praktikabel erwiesen. Er wurde vom Bundesrechnungshof als zu aufwändig kritisiert. Mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S. 2135) wurde deshalb die Abgabepflicht auf den €überschaubaren Kreis der Inhaber der originär deutschen und der ausländischen Lizenzrechte, nämlich deutsche Programmanbieter und Importeure€ beschränkt, deren Gesamtzahl damals zwischen 50 und 100 € gegenüber etwa 10.000 Videotheken € vermutet wurde (vgl. BT-Drs. 12/2021 S. 22). Der Gesetzgeber ist dabei ersichtlich davon ausgegangen, dass die Filmabgabe von den Inhabern der Lizenzrechte (Programmanbieter) über den Preis an die Videotheken und Einzelhändler weitergegeben wird. Bei der Inanspruchnahme der Programmanbieter handelt es sich mithin der Sache nach nur um eine Vereinfachung des Abrechnungs- und Erhebungsvorgangs innerhalb der Videowirtschaft. Es sollten nicht mehr die Einzelhändler auf der letzten Stufe der Vertriebskette Filmabgabe leisten, sondern die Händler auf der früheren bzw. ersten Stufe der Vertriebskette, die auf mehreren Handelsstufen gleichzeitig aktiv sind bzw. die unmittelbar an den Großhandel, die Supermärkte oder die sonstigen Großmärkte verkaufen (vgl. zum Vorstehenden BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2011 - 6 C 22.20 - Juris Rdnr.45 und Beschluss vom 20. Dezember 1995 - 6 B 35.95 - Juris Rdnr. 12; BVerfG, Urteil vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12 u.a. - Juris Rdnr. 137 ff.). Eine systematische Auslegung bestätigt das Ergebnis, weil nach der Vorschrift ausdrücklich auch als Programmanbieter angesehen werden die Fälle des unmittelbaren Verkaufs (des Lizenzinhabers) an den Letztverbraucher. Diese Regelung würde aber leerlaufen, sollte eine rein urheberrechtliche Betrachtung angestellt werden müssen, die über den sogenannten Erschöpfungsgrundsatz des § 17 Abs. 2 UrhG dazu führen würde, beim bloßen Weiterverkauf von DVDs ein gesondertes €Lizenzrecht€ hierfür zu verneinen oder zu bezweifeln und sämtliche DVDs, die ein Importeur kauft und unmittelbar an den Endverbraucher weiterkauft, filmabgabefrei zu stellen. Der Gesetzgeber ging vielmehr typisierend € wie das von ihm gewählte Beispiel des Importeurs zeigt € davon aus, dass der auf einer höheren Handelsstufe tätige €DVD-Verwerter€ entsprechende Weitervertriebsrechte € vom Gesetzgeber als €Lizenzrechte€ bezeichnet € hat, ohne dass es darauf ankommt, wie weitgehend diese Rechte sind, ob sie also sämtliche Verwertungsrechte umfassen oder nur Weiterverkaufsrechte betreffen und auf welcher Grundlage diese beruhen, also ob auf einem Videolizenzvertrag, einem Videovertriebsvertrag oder einem sonstigen Recht wie z.B. einem Weiterverbreitungsrecht nach § 17 Abs. 2 UrhG.

b. Danach ist die Klägerin schon deswegen als Inhaberin der Lizenzrechte anzusehen, weil sie selbst einräumt, dass sie bei einem (EU-) Hersteller DVDs einkauft und nach Deutschland importiert, um sie hier weiterzuverkaufen.

c. Im Übrigen durfte hier die Beklagte jedenfalls auf Grund der Regelung des § 70 Abs. 7 FFG 1999 davon ausgehen, dass die Klägerin Lizenzrechte (im obigen Sinne) innehat. Nach dieser Vorschrift kann die Filmförderungsanstalt, wenn sich ein zur Auskunft Verpflichteter weigert, eine Auskunft nach § 70 Abs. 1 bis 3 zu erteilen oder entsprechende Unterlagen vorzulegen, die für die Festsetzung der Filmabgabe erforderlichen Feststellung auch im Wege der Schätzung treffen. Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Nach § 70 Abs. 1 FFG 1999 ist nicht nur derjenige zur Auskunft verpflichtet, dessen Abgabepflicht bereits feststeht, sondern jeder, bei dem eine Abgabepflicht in Betracht kommt (vgl. hierzu Urteile der 22. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin vom 16. Oktober 1997 - VG 22 A 315.93 - und vom 20. November 2007 - VG 22 A 294.03 -. Dies war hier der Fall. Die Klägerin hat am 1. April 1988 ein Gewerbe angemeldet, das unter anderem den Vertrieb (und Medienmarketing) betrifft. Ausweislich der sich im Verwaltungsvorgang der Beklagten befindlichen Werbematerialien zu dem DVD-Label T..., Z... und X... vertreibt die Klägerin mit Filmen bespielte Bildträger. Darüber hinaus wird sie in dem Magazin ... sign 2/99 als Kundin des Video-Kopierwerks Hamburg benannt. Mit Schreiben vom 11. Januar 2000 hat die Klägerin erklärt, sie würde (lediglich) einen Großhandel betreiben, und am 12. April 2000 telefonisch mitgeteilt, sie sie Händlerin von DVDs. Die Klägerin ist ihrer Auskunftspflicht nicht nachgekommen. Die Beklagte hat sie wiederholt aufgefordert, ihre Bezugsquellen und Vertragsverhältnisse offenzulegen, um das Vorliegen der Abgabevoraussetzungen prüfen zu können. Die Klägerin hat sich darauf beschränkt, ihre Qualifizierung als Programmanbieterin pauschal zu bestreiten und das Vorliegen der Voraussetzungen in Abrede zu stellen, ohne aber anhand von Nachweisen eine Überprüfung ihrer Angaben durch die Beklagte zu ermöglichen. Das Auskunftsverlangen der Beklagten war auch nicht unverhältnismäßig, da § 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FFG 1999 ausdrücklich eine Auskunftspflicht u.a. bestimmt hat für den Umsatz der abgabepflichtigen Tätigkeiten, wobei die Umsätze hieraus gesondert von anderen Umsätzen auszuweisen sind, und damit eine Auskunftspflicht für sämtliche Umsätze, und im Übrigen nach Satz 2 der Vorschrift eine Auskunftserteilung auf Grund und nach Maßgabe der Filmförderungsanstalt anordnet.

d. Unabhängig von Vorstehendem ist die Klägerin schon deswegen als Inhaberin von Lizenzrechten anzusehen, weil sie auch Umsätze aus Vermietungen getätigt hat € wie sie selbst bei ihrem Anruf vom 17. August 2001 nicht in Abrede gestellt hat € und DVDs selbst vervielfältigt hat € wie sich aus ihrer Kundeneigenschaft des Videokopierwerkes Hamburg ergibt €, was vom Erschöpfungsgrundsatz des § 17 Abs. 2 UrhG nicht erfasst ist und entsprechende (Vermietungs- bzw. Vervielfältigungs-) Lizenzrechte voraussetzt, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt hat.

Die Klägerin ist schließlich Programmanbieterin im Sinne der Vorschrift. Sie hat die Bildträger (hier: DVDs) zum Weiterverkauf in den Verkehr gebracht (vgl. hierzu das Urteil der Kammer vom 2. November 2010 - VG 21 K 24.10 - sowie den Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg vom 17. August 2012 - 6 N 1.12 - BA S. 3 f.).

2. Die im Wege der Schätzung festgesetzte Höhe der Filmabgabe ist nicht zu beanstanden. Denn die Beklagte hat zur Ermittlung des Schätzbetrages nach eigenen Angaben einen Mittelwert aus den bei ihr erfassten Programmanbietern gebildet und zugunsten der Klägerin die Umsätze der zehn größten Programmanbieter unberücksichtigt gelassen. Gegen diese Schätzung ist rechtlich nichts einzuwenden und von der Klägerin auch nichts vorgetragen worden.

Die Berufung ist nicht gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, da keine der dafür im Gesetz genannten Voraussetzungen vorliegt (§ 124 a VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO), insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil es aus dem zu Punkt 2.d genannten Grund auf die von der Klägerin als rechtsgrundsätzlich erachtete Frage nicht ankommt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.






VG Berlin:
Urteil v. 16.12.2014
Az: 21 K 54.14


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