Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Februar 2000
Aktenzeichen: 10 W (pat) 77/99

(BPatG: Beschluss v. 07.02.2000, Az.: 10 W (pat) 77/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der B... AG wird der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. Dezember 1998 aufgehoben.

Es wird festgestellt, daß die G... GmbH & Co KG in die Einsprechendenstellung der B... AG eingetreten ist.

Gründe

I.

Gegen das ein "Verfahren zur Aufarbeitung von Rückständen der Direkten Synthese von Organochlor- und/oder Chlorsilanen und deren Verwendung" betreffende Patent 195 07 602 hat die B... AG am 2. Januar 1997 Einspruch erhoben.

Mit Schriftsatz vom 2. Juli 1998 hat die Einsprechende mitgeteilt, sie habe ihr Silicongeschäft mit Wirkung zum 1. Juli 1998 in ein joint venture mit der G1... Company eingebracht. Das neu gegründete Unternehmen führe die Bezeichnung " G... GmbH & Co KG ". Wegen der Einzelheiten der Vereinbarung verweise sie auf den überreichten Auszug aus dem "Foundation Agreement". Sie hat beantragt, "die Übertragung des Einspruchs auf die G... GmbH & Co KG vorzunehmen".

Durch Beschluß vom 18. Dezember 1998 hat das Patentamt den Antrag der Einsprechenden zurückgewiesen, weil weder eine Gesamtrechtsnachfolge noch eine Rechtsnachfolge in ein Sondervermögen vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der B... AG.

Sie beantragt sinngemäß, den Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. Dezember 1998 aufzuheben und den Übergang ihrer Einsprechendenstellung auf die G... GmbH & Co KG festzu- stellen.

Die Patentinhaberin hat sich im die Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet, denn die Verfahrensstellung der Einsprechenden ist auf die G... GmbH & Co KG (iF G... genannt) übergegangen.

1. Die Einsprechendenstellung ist im Hinblick auf das Wesen dieser Stellung als bloßem Prozeßrechtsverhältnis nicht frei übertragbar (BGH, GRUR 1968, 613 f - Gelenkkupplung). Sie ist indes vererblich und geht bei jeder Gesamtrechtsnachfolge, wie zB der "Verschmelzung" (§§ 2 ff UmwG) sowie bei der Rechtsnachfolge in ein Sondervermögen auf den Rechtsnachfolger über (BGH, aaO, S 614), wenn der Einspruch im Interesse des Sondervermögens eingelegt ist. Gegen den Eintritt in die Einsprechendenstellung bestehen auch keine Bedenken bei der Eingliederung einer Aktiengesellschaft nach §§ 319 ff AktG (vgl BGH aaO), der vollständigen Übernahme eines weiterzuführenden Handelsgeschäfts (vgl BPatGE 30,24), dem Erwerb sämtlicher Anteile einer Gesellschaft oder der Übernahme eines Unternehmens durch ein anderes Unternehmen (vgl Schulte, PatG, 5. Aufl, § 59 Rdnr 101 mwN).

Dies beruht auf folgenden, vom Erbfall ausgehenden, Überlegungen:

a) Die Lage nach dem Erbfall ist hinsichtlich des durch den Erblasser eingelegten Einspruchs einmal dadurch gekennzeichnet, daß mit den gesamten Vermögenswerten das Recht des Erblassers auf die Interessenssphäre, zu deren Verteidigung der Erblasser gegen die Erteilung eines Patents eingesprochen hat, auf den Erben übergegangen und nunmehr dessen Interessensphäre geworden ist; die Versagung des Übergangs der Einsprechendenstellung würde zum Ergebnis haben, daß Interessen, deren Verteidigung rechtzeitig in die Wege geleitet worden ist, nunmehr schutzlos bleiben würden und daß andererseits dem Patentinhaber aus dem Ableben seines Gegners ein ungerechtfertigter Vorteil erwachsen könnte (vgl BGH, aaO).

b) Dieselben Gründe sprechen dafür, den Übergang der Einsprechendenstellung bei jeder Gesamtrechtsnachfolge zuzulassen. Auch hier fällt das Rechtssubjekt, das den Einspruch erhoben hat, weg; seine gesamten Interessen gehen auf ein anderes Rechtssubjekt über, das sich darüber hinaus den kostenrechtlichen Folgen des Einspruchs gegenübersieht; und für den Patentinhaber ist der Rechtsnachfolger des Einsprechenden faktisch kein völlig neuer Gegner, mit dessen Auftreten er nach Ablauf der Einspruchsfrist nicht mehr zu rechnen brauchte, sondern nur ein anderer Träger derjenigen Interessen, mit denen er bereits im Streit liegt (vgl BGH, aaO).

c) Aufgrund dieser Erwägungen hat der Bundesgerichtshof den Übergang der Einsprechendenstellung darüberhinaus in einem Fall zugelassen, in dem die ursprüngliche Einsprechende - ohne ihre Rechtspersönlichkeit aufzugeben - in eine bereits bestehende Hauptgesellschaft eingegliedert wurde (BGH aaO). Die eingegliederte, ursprüngliche Einsprechende unterlag gemäß dem der Eingliederung zugrundeliegenden Vertrag den Weisungen der Hauptgesellschaft, die auch für deren Verbindlichkeiten als Gesamtschuldner mithaftete (§ 322 AktG). Außerdem war vereinbart worden, daß die gesamten geschäftlichen Aktivitäten, in deren Interesse der Einspruch eingelegt war, von der Hauptgesellschaft mit Einverständis der ursprünglichen Einsprechenden selbst ausgeübt wurde und dieser im übrigen die personellen und sachlichen Möglichkeiten zur Weiterverfolgung des bereits eingelegten Einspruchs weitgehend genommen waren.

2. Diese bislang von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Wechsel der Einsprechendenstellung sind auch auf den vorliegenden Fall anwendbar (vgl auch Senatsentscheidung BPatGE 30,24 ff).

Wie sich aus dem "Foundation Agreement" ergibt, hat die B... AG - unter Bei- behaltung ihrer Rechtspersönlichkeit - den gesamten Silicon-Geschäftsbereich ausgegliedert und auf die G... übertragen. Dabei wurde vereinbart, daß weder die B... AG noch ihre Beteiligungsgesellschaften direkt oder indirekt, sei es als (Mit- )Inhaber, Anteilseigner, Investor, Kapital- oder Kreditgeber ua auf die Übernehmerin Einfluß nehmen werden. Ausdrücklich wurden ihr sämtliche Rechte, Ansprüche, Aktiva und Passiva, Personal ua übertragen. Damit ist das Interesse der Übernehmerin, das eine Erfindung zur Aufarbeitung von Rückständen der Direkten Synthese von Organochlor- und/oder Chlorsilanen und deren Verwendung betreffende Einspruchsverfahren fortzuführen, ersichtlich vgl Busse, PatG, 5. Aufl, § 59 Rdn 136). Daß die Ausgliederung und Übertragung des Silicongeschäfts durch die Einsprechende nicht in ein bereits bestehendes Unternehmen erfolgte, sondern der ausgegliederte und übertragene Geschäftsbereich einen Teil einer neu gegründeten Gesellschaft bildet, veranlaßt keine andere Beurteilung.

Dem Eintritt der G... in die Einsprechendenstellung der B... AG stehen Interessen der Patentinhaberin nicht entgegen. Wie oben dargelegt, ist es gleichgültig, welche der beiden Gesellschaften ihr als Einsprechende gegenübersteht.

Bei dieser Sachlage ist daher weder aus dem Wesen der Einsprechendenstellung als dem eines bloßen Prozeßrechtsverhältnisses noch aus dem Wesen des Einspruchs als solchem ein Grund zu entnehmen, der es rechtfertigen könnte, dem von den beiden beteiligten Gesellschaften gewollten und die Patentinhaberin nicht zusätzlich belastenden Eintritt der G... GmbH & Co KG in die Einsprechendenstellung der B... AG nicht zuzulassen.

Bühring Winkler Winter Hu






BPatG:
Beschluss v. 07.02.2000
Az: 10 W (pat) 77/99


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