Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 12. November 2009
Aktenzeichen: I-2 U 121/08

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 12.11.2009, Az.: I-2 U 121/08)

Tenor

I.

Auf die Berufung wird das am 7. Oktober 2008 verkündete Urteil der 4a Zivil-kammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert.

1.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in wel-chem Umfang sie in der Zeit vom 22. Juni 2003 bis 30. September 2009

Vakuumpumpen, insbesondere für Bremskraftverstärker-Anlagen in Kraftfahr-zeugen, mit einem antreibbaren Rotor, über den ein Flügel in einem Gehäuse in Rotation versetzbar ist, wobei der Rotor aus Kunststoff besteht und einstückig ausgebildet ist und wobei am Rotor jeweils eine Gegenfläche für eine Auflagefläche einer Kupplung vorgesehen ist, wobei über die Gegenfläche ein von der Antriebswelle übertragenes Drehmoment in den Rotor einleitbar ist, wobei sich die Gegenfläche an jeweils einstückig mit dem Rotor verbundenen Antriebssegmenten befindet und mindestens zwei Antriebssegmente vorgesehen sind, die durch einen geschlossenen Ring miteinander verbunden sind, wobei zwischen den Antriebssegmenten und der Kupplung am Rotor eine Blechkappe zum Schutz des Rotors vor Verschleiß durch Aufpressen befestigt ist,

in der Bundesrepublik A angeboten, in Verkehr gebracht, gebraucht oder zu den genannten Zwecken eingeführt hat,

und zwar unter Angabe

a)

der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefermengen, Lieferzeiten und Lieferpreisen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,

b)

der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Ange-botsmengen, Angebotspreisen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,

c)

der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Aufla-genhöhe, Verbreitungszeitraum (aufgeschlüsselt nach Kalendervierteljahren) und Verbreitungsgebiet (aufgeschlüsselt nach Bundesländern),

d)

der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

- die Angaben zu den Verkaufsstellen nur für die Zeit seit dem 1. Septem-

ber 2008 und die Angaben zu d) nur für die Zeit seit dem 22. Juli 2009

zu machen sind,

- die Beklagte zum Nachweis der Angaben zu a) und b) die betreffenden

Rechnungen oder Lieferscheine in Kopie vorzulegen hat, wobei geheim-

haltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten

geschwärzt werden dürfen.

2.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,

a)

an die Klägerin für die zu 1. bezeichneten, in der Zeit vom 22. Juni 2003 bis 21. Juli 2009 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen, wobei sich die Entschädigungspflicht auf die Herausgabe dessen be-schränkt, was die Beklagte durch die Benutzung des Gegenstandes des Ge-brauchsmusters 299 24 XXX auf Kosten der Klägerin bzw. der B GmbH & Co. KG erlangt hat,

b)

der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu 1. bezeichneten, in der Zeit vom 22. Juli 2009 bis 30. September 2009 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

II.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III.

1.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in wel-chem Umfang sie seit dem 23. August 2009

Vakuumpumpen für Bremskraftverstärker-Anlagen in Kraftfahrzeugen, mit ei-nem antreibbaren Rotor, über den ein Flügel in einem Gehäuse in Rotation versetzbar ist, wobei der Rotor aus Kunststoff besteht und einstückig ausgebil-det ist und wobei am Rotor jeweils eine Gegenfläche für eine Auflagefläche einer Kupplung vorgesehen ist, wobei über die Gegenfläche ein von der An-triebswelle übertragenes Drehmoment in den Rotor einleitbar ist,

in der Bundesrepublik A angeboten, in Verkehr gebracht, gebraucht oder zu den genannten Zwecken eingeführt hat,

bei denen zum Schutz der Gegenflächen vor Verschleiß eine aus Blech bestehende Kappe zwischen dem Rotor und der Kupplung am Rotor durch Aufpressen befestigt ist,

und zwar unter Angabe der zu I. 1. a) bis d) bezeichneten Einzeldaten unter Vorlage der dort genannten Belege, wobei der Verbreitungszeitraum und das Verbreitungsgebiet betriebener Werbung nicht nach Kalendervierteljahren und Bundesländern aufzuschlüsseln ist.

2.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Scha-den zu ersetzen, der ihr durch die zu 1. bezeichneten, seit dem 23. August 2009 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

IV.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/10 und die Beklagte zu 9/10.

V.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 500.000,-- € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicher-heit in gleicher Höhe leistet. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages ab-wenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe erbringt.

VI.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin ist seit dem 24. Juli 2007 eingetragene Inhaberin des Gebrauchsmusters 299 24 XXX, das eine Vakuumpumpe (insbesondere für Bremskraftverstärker-Anlagen in Kraftfahrzeugen) betrifft und dessen Eintragung im. Mai 2003 bekannt gemacht worden ist. Ursprüngliche Inhaberin des Klagegebrauchsmusters war die B GmbH & Co. KG, deren gesamtes Vermögen im Jahr 2006 aus gesellschaftsrechtlichen Gründen bei der Klägerin angewachsen ist.

Die eingetragenen Schutzansprüche 1, 15, 17 und 20 haben folgenden Wortlaut:

1.

Vakuumpumpe, insbesondere für Bremskraftverstärker-Anlagen in Kraftfahrzeugen, mit einem antreibbaren Rotor (1), über den ein Flügel in einem Gehäuse in Rotation versetzbar ist, wobei der Rotor (1) aus Kunststoff besteht und einstückig ausgebildet ist,

d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t ,

dass am Rotor (1) jeweils eine Gegenfläche (43) für eine Auflagefläche (41) einer Kupplung (35) vorgesehen ist, wobei über die Gegenfläche (43) ein von der Antriebswelle übertragenes Drehmoment in den Rotor (1) einleitbar ist.

15.

Vakuumpumpen nach Anspruch 1,

d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t ,

dass die Gegenfläche (43) sich an einem über die antriebsseitige Stirnfläche des Rotors (1) hervorstehenden Antriebssegment (45 A; 45 B) befindet.

17.

Vakuumpumpe nach einem der vorhergehenden Ansprüche,

d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t ,

dass zumindest zwei Antriebssegmente (45 A, 45 B) vorgesehen sind, die durch einen geschlossenen Ring (47) miteinander verbunden sind.

20.

Vakuumpumpe nach einem der vorhergehenden Ansprüche,

d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t ,

dass ein erster, vorzugsweise als Zweifach (9) ausgebildeter Längsabschnitt (7) des Rotors (1) mit einer topfförmigen, vorzugsweise aus Blech bestehenden Kappe (51) versehen ist.

Die nachstehend eingeblendeten Abbildungen (Figuren 1, 10a, 11 und 12 der Klagegebrauchsmusterschrift) verdeutlichen den Gegenstand der Erfindung anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele.

Die Beklagte - eine zum C-Konzern gehörende Gesellschaft italienischen Rechts - vertreibt in der Bundesrepublik A Vakuumpumpen für Kraftfahrzeuge. Zu ihren Abnehmern gehören die D AG und die F AG. Die Einzelheiten der Rotorkonstruktion erschließen sich aus den nachfolgenden Abbildungen (Anlage B 2).

Sie zeigen - wie während des Berufungsverfahrens unstreitig geworden ist - den einstückig aus Kunststoff gefertigten Rotor (gelb), der von einer aus Metall gefertigten Kupplung (rot) angetrieben wird. Die Kupplung ist mit Hilfe eines Führungselements (blau) fixiert, welches auf der Rotornabe verpresst ist.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Vakuumpumpe der Beklagten widerrechtlich die technische Lehre des Klagegebrauchsmusters verwirklicht. Mit Rücksicht auf ein von der C GmbH geführtes Löschungsverfahren hat sie Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters vor dem Landgericht in eingeschränkter Fassung geltend gemacht, nämlich mit der Maßgabe, dass "ein erster Längsabschnitt des Rotors mit einer topfförmigen Kappe versehen ist".

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die auf Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichtete Klage abgewiesen. Es hat eine Benutzung des Klagegebrauchsmusters verneint. Zwar verfüge die angegriffene Ausführungsform in Gestalt des Führungselements (blau) über einen Verschleißschutz. Dieser weise jedoch nicht die geforderte Ausgestaltung als "topfförmige Kappe" auf.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzlich erfolglos gebliebenes Anspruchsbegehren weiter. Sie stützt sich dabei auf die nachfolgende Anspruchsfassung, die Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters durch die während des Berufungsverfahrens ergangene Teillöschungsentscheidung des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 21. Juli 2009 erhalten hat:

Vakuumpumpe, insbesondere für Bremskraftverstärker-Anlagen in Kraftfahrzeugen, mit einem antreibbaren Rotor (1), über den ein Flügel in einem Gehäuse in Rotation versetzbar ist, wobei der Rotor (1) aus Kunststoff besteht und einstückig ausgebildet ist, und dass am Rotor (1) jeweils eine Gegenfläche (43) für eine Auflagefläche (41) einer Kupplung vorgesehen ist, wobei über die Gegenfläche (43) ein von der Antriebswelle übertragenes Drehmoment in den Rotor (1) einleitbar ist,

d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t ,

dass sich die Gegenflächen (43) an jeweils einstückig mit dem Rotor verbundenen Antriebssegmenten (45 A bzw. 45 B) befinden, wobei mindestens zwei Antriebssegmente (45 A, 45 B) vorgesehen sind, die durch einen geschlossenen Ring (47) miteinander verbunden sind, und wobei zwischen den Antriebssegmenten (45 A, 45 B) und der Kupplung am Rotor (1) eine Blechkappe zum Schutz des Rotors vor Verschleiß durch Aufklipsen, Aufpressen oder durch Eingießen beim Spritzvorgang befestigt ist.

Im Laufe des Berufungsrechtszuges ist der Klägerin das zum Klagegebrauchsmuster parallele deutsche Patent 199 81 XYX erteilt worden, welches im. Juli 2009 veröffentlicht worden ist und dessen Patentansprüche 2 und 20 wie folgt lauten:

2.

Vakuumpumpe, insbesondere für Bremskraftverstärker-Anlagen in Kraftfahrzeugen, mit einem antreibbaren Rotor (1), über den ein Flügel in einem Gehäuse in Rotation versetzbar ist, wobei der Rotor (1) aus Kunststoff besteht und einstückig ausgebildet ist, wobei am Rotor mindestens eine Gegenfläche (43) für eine Auflagefläche (41) einer Kupplung (35) vorgesehen ist, wobei über die Gegenfläche (43) ein von der Antriebswelle übertragenes Drehmoment in den Rotor (1) einleitbar ist,

d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t ,

dass zum Schutz der Gegenfläche (43) vor Verschleiß ein Blechteil (51) am Rotor durch Aufklipsen, Aufpressen oder durch Eingießen beim Spritzgussvorgang befestigt ist.

20.

Vakuumpumpe nach Anspruch 2,

d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t ,

dass ein erster, vorzugsweise als zweifach (9) ausgebildeter Längsabschnitt (7) des Rotors (1) mit einer topfförmigen, vorzugsweise aus Blech bestehenden Kappe (51) versehen ist.

Mit am gleichen Tage bei Gericht eingereichtem Schriftsatz vom 22. Oktober 2009 hat die C GmbH gegen das Klagepatent Einspruch erhoben.

Gestützt auf beide Klageschutzrechte hält die Klägerin an ihrem Verletzungsvorwurf fest. Die angegriffene Ausführungsform verfüge insbesondere über eine Verschleißschutzkappe aus Blech. Als solche sei das Führungselement (blau) anzusprechen, das - wie unstreitig ist - mit seiner zentralen kreisförmigen Öffnung auf der Nabe des Kunststoffrotors verpresst sei. Zwar verfüge das Führungselement über lediglich zwei nach unten abgebogene Führungsnasen, deren Funktion darin bestehe, die Gegenfläche des Rotors vor einem schädlichen Kontakt mit der Metallkupplung (rot) zu schützen. Die beiden Führungsnasen seien für den erforderlichen Verschleißschutz des Rotors jedoch völlig ausreichend, weil die Kupplung (rot) bei Betrieb der Vakuumpumpe - wie im Berufungsrechtszug unstreitig gewesen ist - an keiner anderen Stelle als im Bereich der Führungsnasen mit dem Rotor in Kontakt geraten könne.

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt, jedoch mit der Maßgabe, dass im Hinblick auf das Klagegebrauchsmuster für den gesamten Benutzungszeitraum (22. Juni 2003 bis 30. September 2009) die Schadensersatzhaftung der Beklagten festgestellt und sie für den gesamten Zeitraum zur Auskunft über die nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und den erzielten Gewinn verurteilt werden soll, wobei die Klägerin die Rechnungslegung im Hinblick auf beide Klageschutzrechte "schriftlich in gesonderter Form, vollständig und wahrheitsgemäß" fordert.

Die Beklagte beantragt,

1.

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen;

2.

die auf das deutsche Patent 199 81 XYX gestützte Klage abzuweisen,

3.

hilfsweise, den Rechtsstreit bis zum Abschluss des Löschungsverfahrens gegen das Klagegebrauchsmuster und des Einspruchsverfahrens gegen das Klagepatent auszusetzen.

Sie vertritt den Standpunkt, dass die aus Metall gefertigte Kupplung (rot) wegen ihrer mittels des Führungselementes (blau) erfolgten festen Verbindung mit dem Kunststoffrotor (gelb) als Bestandteil des Rotors anzusehen sei, der infolge dessen - entgegen der technischen Lehre der Klageschutzrechte - nicht mehr nur aus Kunststoff bestehe und auch nicht einstückig ausgebildet sei. Werde die Kupplung (rot) zutreffend als Teil des Rotors verstanden, könne ebenso wenig die Rede davon sein, dass der Rotor über zwei Antriebssegmente verfüge, die durch einen geschlossenen Ring miteinander verbunden sind. Vielmehr sei es so, dass bei der angegriffenen Ausführungsform die Antriebssegmente durch die Zapfen der Kupplung bereitgestellt würden, die als solche nicht den vorgenannten Anforderungen des Klagegebrauchsmusters entsprächen. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass der Durchschnittsfachmann mit dem Begriff "Blechkappe" ein topfförmiges Gebilde verbinde, welches bei der angegriffenen Ausführungsform im Hinblick auf das dort verwendete Führungselement (blau) nicht vorhanden sei. Darüber hinaus sei das Führungselement ausschließlich im Bereich der zentralen ringförmigen Bohrung mit der Nabe des Kunststoffrotors (gelb) verpresst. Bei der gegebenen Ausgestaltung verbiete sich die Feststellung, dass das Führungselement zwischen den Antriebssegmenten des Rotors und der Kupplung durch Aufklipsen, Aufpressen oder Eingießen befestigt sei. Der Ort der Befestigung liege vielmehr an anderer Stelle, nämlich im Bereich der Rotornabe.

Im Hinblick auf die erstinstanzliche Teillöschung des Klagegebrauchsmusters bestreitet die Beklagte, bis zur Löschungsentscheidung vom 21. Juli 2009 schuldhaft gehandelt zu haben. Im Übrigen ist sie der Auffassung, dass die Klageschutzrechte insgesamt nicht rechtsbeständig seien und deshalb der Verletzungsprozess zumindest auszusetzen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat im Wesentlichen Erfolg. Die streitbefangenen Vakuumpumpen verletzen das Klagegebrauchsmuster wortsinngemäß. Die Beklagte ist der Klägerin deshalb im zuerkannten Umfang zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung verpflichtet. Außerdem ist für die Zeit bis zur Teillöschungsentscheidung (21. Juli 2009) ihre Bereicherungshaftung und für die Zeit danach ihre Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach festzustellen. Auf die Klageerweiterung hin ist die Beklagte des Weiteren wegen wortsinngemäßer Verletzung des Klagepatents zur Auskunftserteilung, Rechnungslegung und zum Schadenersatz zu verurteilen.

1.

Die Klageschutzrechte betreffen eine Vakuumpumpe, wie sie insbesondere für Bremskraftverstärkeranlagen in Kraftfahrzeugen verwendet wird.

Wie die nachfolgende Abbildung verdeutlicht,

besteht eine Vakuumpumpe üblicherweise aus zwei Gehäuseteilen, die in ihrem Inneren einen im Querschnitt kreisförmigen Pumpenraum ausbilden, aus einem Rotor sowie aus einem in dem Rotor hin- und her verschiebbaren Flügel. Das Pumpengehäuse verfügt über einen Lufteinlass sowie einen an anderer Stelle ausgebildeten Luftauslass. Wird der Rotor im Uhrzeigersinn gedreht, so saugt er in den in Rotationsrichtung hinter ihm liegenden Raum durch den Einlass Luft an und drückt aus dem in Drehrichtung vor ihm liegenden Raum Luft aus dem Auslass heraus. In demjenigen Pumpenraum, der an den Einlass angeschlossen ist, entsteht hierdurch ein Unterdruck, der im Bremskraftverstärker dazu ausgenutzt wird, den vom Fahrer auf das Bremspedal ausgeübten Druck zu verstärken.

Ein Rotor der vorliegenden Art hat verschiedenen Anforderungen gerecht zu werden. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass sich mit zunehmendem Gewicht des Rotors das Massenträgheitsmoment erhöht, was wiederum die Leistungsaufnahme der Vakuumpumpe unerwünscht steigert. Zum Zweiten ist es erforderlich, das von einer Antriebswelle bereitgestellte Drehmoment zufriedenstellend in den Rotor einzuleiten. Schließlich muss die Übertragung des Drehmoments auf den Rotor in einer solchen Weise geschehen, dass sich für den Rotor eine hinreichende Lebensdauer ergibt, d.h. kein vorzeitiger Verschleiß auftritt.

Vor dem geschilderten technischen Hintergrund sehen die Klageschutzrechte - das Klagegebrauchsmuster gemäß seiner durch die Teillöschungsentscheidung vom 22. Juli 2009 erhaltenen Anspruchsfassung - die Kombination folgender Merkmale vor:

Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters:

Vakuumpumpe mit einem antreibbaren Rotor (1).

Über den Rotor (1) ist ein Flügel in einem Gehäuse in Rotation versetzbar.

Der Rotor (1)

besteht aus Kunststoff,

ist einstückig ausgebildet.

Am Rotor (1) ist jeweils eine Gegenfläche (43) für eine Auflagefläche (41) einer Kupplung vorgesehen.

Über die Gegenfläche (43) des Rotors (1) kann ein Drehmoment in den Rotor (1) eingeleitet werden, das von einer Antriebswelle übertragen wird.

Die Gegenflächen (43) des Rotors (1) befinden sich an Antriebssegmenten (45A, 45B), die einstückig mit dem Rotor (1) ausgebildet sind.

Es sind mindestens zwei Antriebssegmente (45A, 45B) vorgesehen.

Die mindestens zwei Antriebssegmente (45A, 45B) sind durch einen geschlossenen Ring (47) miteinander verbunden.

Zwischen den Antriebssegmenten (45A, 45B) und der Kupplung ist am Rotor (1) eine Blechkappe (51) zum Schutz des Rotors (1) vor Verschleiß befestigt, und zwar durch Aufklipsen, Aufpressen oder durch Eingießen beim Spritzvorgang.

Anspruch 2 des Klagepatents in der von der Klägerin geltend gemachten

(eingeschränkten) Fassung:

Vakuumpumpe mit einem antreibbaren (Rotor).

Über den Rotor (1) ist ein Flügel in einem Gehäuse in Rotation versetzbar.

Der Rotor (1)

besteht aus Kunststoff,

ist einstückig ausgebildet.

Am Rotor (1) ist jeweils eine Gegenfläche (43) für eine Auflagefläche (41) einer Kupplung vorgesehen.

Über die Gegenfläche (43) ist ein Drehmoment in den Rotor (1) einleitbar, welches von der Antriebswelle übertragen wird.

Zum Schutz der Gegenflächen (43) vor Verschleiß ist eine aus Blech bestehende Kappe (51) am Rotor durch Aufklipsen, Aufpressen oder durch Eingießen beim Spritzvorgang befestigt.

Dank der einstückigen Ausbildung des Rotors aus Kunststoff ergibt sich ein geringes Gewicht, was das erforderliche Antriebsmoment für den Rotor herabsetzt. Die Bereitstellung von Gegenflächen am Rotor, die mit korrespondierenden Auflageflächen der angetriebenen Kupplung zusammenwirken, gewährleistet günstige Verhältnisse bei der Einleitung des Drehmoments in den Rotor. Das Vorsehen gesonderter Antriebssegmente, die untereinander durch einen geschlossenen Ring verbunden sind, gewährleistet ein hohes Maß an Stabilität. Die Verschleißschutzkappe stellt schließlich sicher, dass der Eingriff zwischen der Kupplung (die typischerweise aus Metall gefertigt ist) und dem Kunststoffrotor nicht zu einem vorzeitigen Verschleiß des Rotors führt.

2. Die angegriffene Vakuumpumpe der Beklagten verwirklicht die Merkmale beider Klageschutzrechte wortsinngemäß.

a) Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass der Rotor bei der angegriffenen Ausführungsform ausschließlich durch das Kunststoffbauteil (gelb) gebildet wird und dass es sich bei dem daran befestigten Ringelement (rot) um eine Kupplung handelt, die zwischen die eigentliche Antriebseinheit und den Rotor geschaltet ist, um die vom Antrieb bereitgestellte Rotationsbewegung an den Rotor zu übertragen. Die vom Landgericht gegebenen Begründungserwägungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen; sie werden auch von der Beklagten im Berufungsrechtszug nicht angegriffen.

Zu ihrer Rechtsverteidigung wendet die Beklagte vielmehr ein, der Rotor sei deshalb nicht einstückig aus Kunststoff ausgebildet, weil das aus Metall bestehende Ringelement (rot) mit Hilfe des Führungselements (blau) fest und unverlierbar mit dem Rotor verbunden sei, weswegen die Kupplung (rot) als integraler Bestandteil des Rotors (gelb) zu betrachten sei, der infolgedessen nicht mehr nur aus Kunststoff bestehe und auch nicht mehr einstückig sei.

Dieser Argumentation ist zu widersprechen. Die Klageschutzrechte verhalten sich nicht dazu, ob und ggfs. wie (lösbar oder nicht lösbar) Kupplung und Rotor miteinander verbunden sind. Erforderlich ist bloß, dass die Kupplung über Auflageflächen verfügt, die mit Gegenflächen des Rotors dergestalt zusammenwirken können, dass ein Drehmoment der Kupplung - über dessen Auflageflächen und die Gegenflächen - in den Rotor eingeleitet werden kann. Die Drehmomentübertragung hängt ersichtlich nicht davon ab, ob die Kupplung mit ihrem Eingriffsbereich leicht vom Rotor getrennt werden kann oder ob die Kupplung - wie bei der angegriffenen Ausführungsform - fest mit dem Rotor verbunden ist.

Unerheblich ist im vorliegenden Zusammenhang auch die Erwägung der Beklagten, die Klageschutzrechte sähen aus der Gründen der Gewichtsersparnis einen Kunststoffrotor vor, womit es in Widerspruch stehe, an den Rotor eine gewichtsträchtige (weil aus Metall bestehende) Kupplung fest anzubinden. Zum einen ist bereits nicht ersichtlich, dass der Durchschnittsfachmann für das Kupplungselement überhaupt eine andere Materialbeschaffenheit als die aus Metall in Erwägung ziehen würde. Immerhin ist die Kupplung - wie im Verhandlungstermin vom 29. Oktober 2009 erörtert - Belastungen an beiden Enden ausgesetzt, nämlich bedingt durch die Antriebseinheit, welche die Kupplung in Rotation versetzt, und verursacht durch den Rotor, an den das Drehmoment weitergegeben werden muss. Auf den Vorhalt des Senats hat auch die Beklagte nicht geltend gemacht, dass der Fachmann im Prioritätszeitpunkt der Klageschutzrechte eine Kunststoffkupplung ernsthaft in Erwägung gezogen hätte. Völlig unabhängig davon ist es in jedem Fall eine Tatsache, dass die Klageschutzrechte sich ausschließlich zu dem Material des Rotors verhalten und allein deswegen die Materialbeschaffenheit der Kupplung dem freien Belieben des Fachmanns überlassen. Die Entscheidung für eine Ausführung in Metall mag insofern zu einem erhöhten Gewicht der Vakuumpumpe führen; an einer Benutzung der Klageschutzrechte ändert sie in jedem Fall nichts, weil weder das Klagegebrauchsmuster noch das Klagepatent sich hinsichtlich der Kupplung auf irgendein bestimmtes Material festlegen.

b)

Ausgehend von der Feststellung, dass der Rotor der angegriffenen Ausführungsform durch das Kunststoffbauteil (gelb) gebildet wird, lässt sich nicht ernsthaft bestreiten, dass der Rotor dort, wo die Führungsnasen des Führungselements (blau) zur Anlage kommen, Gegenflächen für korrespondierende Auflageflächen der Kupplung (rot) besitzt, über die das Drehelement der Kupplung (rot) in den Rotor (gelb) eingeleitet wird. Die besagten Gegenflächen des Rotors sind dabei Teil von zwei teilbogenförmigen Antriebssegmenten, die untereinander durch einen geschlossenen Ring verbunden sind.

c) Das Führungselement (blau) der angegriffenen Ausführungsform stellt eine Verschleißschutzkappe aus Blech dar, die durch Aufpressen am Rotor zwischen den Antriebssegmenten und der Kupplung befestigt ist.

Was zunächst das Merkmal der "Blechkappe" betrifft, so besagt der von den Klageschutzrechten verwendete Begriff "Kappe" nichts dazu, dass die Kappe eine bestimmte äußere Gestaltung aufweisen, insbesondere eine Topfform einhalten muss. Derartige Anforderungen sind weder im Hinblick auf den beabsichtigten Verschleißschutz für den Kunststoffrotor unerlässlich noch ist sonst jeder "Kappe" eine Topfform eigen. Bestätigt wird dies bereits durch die angegriffene Ausführungsform, hinsichtlich derer zwischen den Parteien im Berufungsverfahren unstreitig ist, dass der Kunststoffrotor nur an denjenigen beiden Stellen mit der Metallkupplung in Kontakt geraten (und damit einem Verschleiß unterliegen) kann, an denen sich die Führungsnasen des Führungselementes (blau) erstrecken. Unter dem Gesichtspunkt des Verschleißschutzes bedarf es daher - technisch funktional betrachtet - keiner großräumigeren Erstreckung des Führungselements (Verschleißschutzkappe) in Umfangsrichtung als sie durch die vorhandenen Führungsnasen der angegriffenen Ausführungsform bereitgestellt wird. Nachdem die Blechkappe anspruchsgemäß auf den Rotor aufgepresst, aufgeklipst oder aufgespritzt werden soll, ist auch nicht zu erkennen, dass eine im wesentlichen vollständige Erstreckung der Führungsnasen im Umfangsrichtung aus Gründen eines festen Sitzes der Verschleißschutzkappe auf dem Rotor gefordert ist. Sie erleichtert in fertigungstechnischer Hinsicht auch nicht das Aufpressen oder Aufklipsen als solche, weswegen die Beklagte zu Unrecht argumentiert, eine rundum geschlossene Kappe biete im Hinblick auf die Herstellung der beanspruchten Vakuumpumpe Handhabungsvorteile. Nach allem teilt der Senat nicht die von der Löschungsabteilung des Deutschen Patent- und Markenamtes zu einem parallelen Gebrauchsmuster der Klägerin (299 24 ZZZ) geäußerte Auffassung (Anlage ROKH 4, S. 9), dass die Begriffe "Kappe" und "topfförmige Kappe" Synonyme seien. Mit Rücksicht auf dasjenige, was die "Blechkappe" nach der in den Klageschutzrechten beanspruchten technischen Lehre leisten soll, handelt es sich - wie im Verhandlungstermin vom 29. Oktober 2009 erörtert - vielmehr

um ein Gebilde aus Blech,

das auf die Oberfläche eines Rotors aufgesetzt werden kann,

dort eng anliegt

und dank seiner Formgebung die ihm zugewiesene Funktion eines Verschleißschutzes für den Kunststoffrotor erfüllen kann.

Den genannten Anforderungen wird das Führungselement (blau) der angegriffenen Ausführungsform - was auch die Beklagte im Verhandlungstermin vom 29. Oktober 2009 nicht in Abrede gestellt hat - in vollem Umfang gerecht. Insbesondere erstrecken sich die Führungsnasen so zwischen den Antriebssegmenten des Rotors und der Kupplung, dass die Metallkupplung im Betrieb der Vakuumpumpe ausschließlich gegen die Führungsnasen und nicht gegen das Kunststoffmaterial des Rotors anschlagen kann. Ebenso ist das Führungselement am Rotor (nämlich dessen Nabe) durch Aufpressen befestigt.

Weitergehende Anforderungen als die genannten stellen die Klageschutzrechte nicht. Entgegen der Auffassung der Beklagten besagen die von der Klägerin geltend gemachten Anspruchsfassungen vor allem nicht, dass sich der Ort der Befestigung (mittels Aufklipsen, Aufpressen oder Eingießen) zwischen den Antriebssegmenten des Rotors und der Kupplung befinden muss. Zwar ist der Beklagten einzuräumen, dass die gewählte Anspruchsformulierung - "… und wobei zwischen den Antriebssegmenten und der Kupplung am Rotor eine Blechkappe zum Schutz des Rotors vor Verschleiß durch Aufklipsen, Aufpressen oder durch Eingießen beim Spritzvorgang befestigt ist" - bei rein philologischer Betrachtung dahin verstanden werden könnte, dass die besagte Befestigung der Verschleißschutzkappe im Bereich zwischen den Antriebssegmenten des Rotors und der Kupplung stattfinden soll. Ein derartiges Verständnis ließe jedoch die technischen Zusammenhänge außer Betracht. Dem Durchschnittsfachmann ist unmittelbar einsichtig, dass es für den Zweck des Verschleißschutzes allein darauf ankommt, dass sich das Material der blechernen Schutzkappe dort befindet, wo die Kupplung mit den Antriebssegmenten in Kontakt kommen kann. Vor diesem Hintergrund versteht er die technische Lehre der Klageschutzrechte ohne weiteres dahin, dass sich die Blechkappe als solche zwischen den Antriebssegmenten und der Kupplung erstrecken soll, d.h. dort befinden muss. Irgendein vernünftiger Grund dafür, dass auch die Befestigung der Blechkappe am Rotor in dem besagten Bereich zwischen Antriebssegmenten und Kupplung erfolgen muss, ist demgegenüber für den Fachmann nicht zu erkennen. Wenn die Klageschutzrechte vorschreiben, dass die Schutzkappe am Rotor auf bestimmte Weise, nämlich durch Aufklipsen, Aufpressen oder Eingießen, festgelegt werden soll, so begreift der Fachmann unschwer, dass auf die beschriebene Weise einerseits eine verlässliche, andererseits aber fertigungstechnisch einfache Möglichkeit der Befestigung vorgeschlagen wird. Unter beiden Gesichtspunkten kommt es nicht darauf an, dass der Ort der Befestigung zwischen den Antriebssegmenten und der Kupplung liegt; entscheidend ist vielmehr - und allein -, dass die Blechkappe am Rotor durch eine der vorgesehenen Maßnahmen - Aufpressen, Aufklipsen oder Einspritzen - festgelegt wird. Auch die Beklagte vermag nicht aufzuzeigen, wieso es in technischfunktionaler Hinsicht einen grundsätzlichen Unterschied ausmachen soll, ob die Blechkappe am Rotor im Bereich der Auflage- und Gegenflächen oder anderenorts fixiert wird.

d) Der Klägerin ist es nicht verwehrt, sich gegenüber der Beklagten darauf zu berufen, dass das Führungselement der angegriffenen Ausführungsform, obwohl es keine Topfform aufweist, eine Verschleißschutzkappe i.S.d. Klageschutzrechte ist. Zwar hat der patentanwaltliche Vertreter der Klägerin während der Löschungsverhandlung gegen das Klagegebrauchsmuster zu Protokoll erklärt, dass das Attribut "topfförmig" gegenüber dem Begriff "Kappe" nur tautologische Bedeutung habe (vgl. Anlage ROKH 3, Bl. 3). Soweit die Beklagte sich deswegen auf die BGH-Entscheidung "Weichvorrichtung II" (Mitt 1997, 364) beruft, wonach ein Patentanmelder treuwidrig handelt, wenn er im Einspruchsverfahren erklärt, für eine bestimmte Ausführungsform keinen Patentschutz zu begehren, und in einem Verletzungsverfahren dennoch gegenüber einem am Einspruchsverfahren Beteiligten Ansprüche wegen dieser Ausführungsform geltend macht, sofern seine schutzbereichsbeschränkende Erklärung Grundlage für die Aufrechterhaltung des Patents oder dessen Fassung war und der Verletzungsbeklagte auf die Redlichkeit und Zuverlässigkeit des Patentanmelders vertrauen durfte, geht ihre Verteidigung ins Leere. Die Beklagte ist bereits im Verhandlungstermin vom 29. Oktober 2010 darauf hingewiesen worden, dass die Protokollerklärung als solche zunächst bloß eine Meinungsäußerung darstellt und ihr eine schutzbereichsbeschränkende (Verzichts-)Wirkung allenfalls unter besonderen Begleitumständen der Löschungsverhandlung entnommen werden kann. Die Beklagte hat dennoch nichts zum Inhalt und Verlauf des Löschungsverfahrens, insbesondere zum Hintergrund der Protokollerklärung vorgetragen. Darüber hinaus ist auch nicht dargelegt, dass die Aufrechterhaltung des Klagegebrauchsmusters in der vorliegend geltend gemachten eingeschränkten Fassung gerade der Topfform der Verschleißschutzkappe geschuldet ist. Ihre Berufung auf die Grundsätze von Treu und Glauben sind damit in zweierlei Hinsicht unschlüssig.

3.

Nachdem das Klagegebrauchsmuster im Löschungsverfahren in der von der Klägerin zur Grundlage ihres Klagebegehrens gemachten Form aufrecht erhalten worden ist, besteht kein Anlass zu einem Zweifel, dass die technische Lehre des Klagegebrauchsmusters jedenfalls mit dem von der Löschungsabteilung als schutzfähig anerkannten Inhalt rechtsbeständig ist.

4.

Weil die Beklagte somit das Klagegebrauchsmuster widerrechtlich benutzt hat, ist sie der Klägerin gemäß § 24 Abs. 1 GebrMG zur Unterlassung verpflichtet. Hinsichtlich der nach der Löschungsentscheidung vom 21. Juli 2009 vorgenommenen Benutzungshandlungen fällt der Beklagten auch ein Verschulden zur Last, weil sie von der Schutzfähigkeit des Klagegebrauchsmusters im aufrecht erhaltenen Umfang ausgehen musste und dessen Verletzung bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können. Für die Zeit vor dem 21. Juli 2009 lässt sich ein schuldhaftes Handeln demgegenüber nicht feststellen. Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (GRUR 1977, 250, 252 ff. - Kunststoffhohlprofil), dass bei der Beurteilung des Verschuldens in Fällen der Verletzung eines im Löschungsverfahren geänderten und nur teilweise aufrecht erhaltenen Gebrauchsmusters sorgfältig zu prüfen ist, ob der Benutzer im Zeitpunkt der Verletzungshandlung bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen konnte und musste, dass er ein rechtsbeständiges Gebrauchsmuster verletzt, wobei die Sorgfaltspflichten nicht überspannt werden dürfen. Bei der Verletzung des ohne materielle Prüfung seiner Schutzfähigkeit eingetragenen Gebrauchsmusters kann ein Verschulden deswegen nur angenommen werden, wenn der Benutzer mit dessen Schutzfähigkeit gerechnet hat oder rechnen musste. Ein Verschuldensvorwurf hat demgegenüber zu unterbleiben, wenn der Benutzer begründete Bedenken gegen die Schutzfähigkeit des Gebrauchsmusters in seiner eingetragenen Fassung erheben konnte, wobei sich die Schutzfähigkeitsbedenken auch aus dem Stand der Technik ergeben können. Unter solchen Umständen hat der Benutzer in Erfüllung seiner Sorgfaltspflichten sachkundigen Rat von erfahrenen Patentanwälten oder von auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes sachkundigen Rechtsanwälten einzuholen. Außerdem ist er gehalten, seine Zweifel an der Rechtsbeständigkeit des Klagegebrauchsmusters in einer verfahrensrechtlich geeigneten Form, z.B. durch die Einleitung eines Löschungsverfahrens, geltend zu machen.

Den geschilderten Obliegenheiten ist die Beklagte vorliegend nachgekommen. An der Sachkunde ihrer Prozessvertreter äußert auch die Klägerin - zu Recht - keine Zweifel. Das von der konzernverbundenen C GmbH eingeleitete Löschungsverfahren hat beim Deutschen Patent- und Markenamt auch weitgehenden Erfolg gehabt. Dies wird nicht nur daran deutlich, dass in den aufrecht erhaltenen Schutzanspruch 1 diverse weitere Merkmale aus den Unteransprüchen 15, 17 und 20 aufgenommen worden sind, sondern hat seinen Niederschlag auch darin gefunden, dass die Klägerin mit 25 % der Kosten des Löschungsverfahrens belastet worden ist. Beides macht deutlich, dass die Beklagte zu Recht die Schutzfähigkeit des Klagegebrauchsmusters in seiner eingetragenen Fassung in Abrede gestellt hat.

Für die Zeit bis zum 21. Juli 2009 schuldet die Beklagte der Klägerin allerdings eine Entschädigung nach den Vorschriften der Bereicherungshaftung, worüber hilfsweise - auch von Amts wegen - zu befinden war (BGH, GRUR 1977, 250, 253 - Kunststoffhohlprofil). Da die Klägerin den genauen Umfang der vorgefallenen Benutzungshandlungen noch nicht kennt, besteht ein rechtliches Interesse daran, dass die Schadenersatz- und Bereicherungshaftung der Beklagten zunächst dem Grunde nach festgestellt wird (§ 256 ZPO).

Außerdem hat die Beklagte der Klägerin im zuerkannten Umfang Auskunft zu erteilen und Rechnung über ihre Benutzungshandlungen zu legen (§ 24b GebrMG, § 242, 259 BGB), wobei für die Zeit der Bereicherungshaftung keine Kosten- und Gewinnangaben verlangt werden können und der Auskunftsanspruch die Vorlage geeigneter Belege umfasst. Soweit die Klägerin eine "vollständige und wahrheitsgemäße" Rechnung "schriftlich in gesonderter Form" begehrt, bestand kein Anlass, den Urteilstenor entsprechend zu fassen. Es versteht sich von selbst, dass Auskünfte zur Rechnungslegung vollständig und der Wahrheit gemäß erteilt werden müssen und jede Rechnungslegung schriftlich und in geordneter Form zu erfolgen hat.

Für die Zeit seit dem 23. August 2009 schuldet die Beklagte Auskunft, Rechnungslegung und Schadenersatz auch auf der Grundlage des Klagepatents (§§ 139 Abs. 2, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB).

5.

Anlass, denn Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, besteht nicht. Soweit das Klagegebrauchsmuster in Rede steht, ist nicht ersichtlich, mit welchen Argumenten die Beklagte die getroffene Teillöschungsentscheidung des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 21. Juli 2009 mit Aussicht auf Erfolg anfechten können soll. Soweit sich das Anspruchsbegehren auf das Klagepatent stützt, hat die Beklagte zwischenzeitlich zwar einen umfangreichen Einspruchsschriftsatz vorgelegt. Dies ist jedoch derart kurzfristig vor dem Verhandlungstermin vom 29. Oktober 2009 geschehen, dass der Klägerin eine sachgerechte Erwiderung hierauf schlechterdings unmöglich war. Unter den gegebenen Umständen verbietet sich für den Senat die Annahme, dass das Einspruchsvorbringen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zum Widerruf des Klagepatents führen wird. Zur Rechtfertigung der verspäteten Vorlage des Einspruchsschriftsatzes kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass die Einspruchsfrist noch nicht abgelaufen war. Wenn sich die Beklagte im laufenden Verletzungsprozess gegenüber den Ansprüchen aus dem Klagepatent mit einem Einspruch verteidigen will, so war es ihre prozessuale Pflicht, ihre Einwendungen gegen den Rechtsbestand des Klagepatents so rechtzeitig in das Verfahren einzuführen, dass der Klägerin noch eine sachgerechte Erwiderung möglich war. Nachdem die Parteien über den Erfindungsgegenstand bereits im Löschungsverfahren gegen das Klagegebrauchsmuster umfangreich gestritten haben, ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Beklagten eine entsprechend frühzeitige Abfassung ihres Einspruchsschriftsatzes nicht möglich oder zumutbar war.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen (§ 543 ZPO). Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die keine Fragen aufwirft, deren Beantwortung durch den Bundesgerichtshof zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 12.11.2009
Az: I-2 U 121/08


Link zum Urteil:
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