Landgericht Bielefeld:
Urteil vom 23. April 2007
Aktenzeichen: 25 O 163/06

(LG Bielefeld: Urteil v. 23.04.2007, Az.: 25 O 163/06)

Tenor

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 11.443,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins-satz seit dem 7.4.2004 zu bezahlen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des jeweils zu voll-streckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von den Beklagten Schadensersatz wegen Schlechterfüllung des zwischen den Parteien im März 2002 geschlossenen Anwaltsvertrages.

Unter dem 15.8.2001 hatte die Klägerin mit der Firma J GmbH zwei Studienverträge über den Studiengang "Internationales Hotel- und Touristikmanagement / Internationales Medien- und Kulturmanagement" und den Studiengang "Bachelor of Arts (BA) (Hons) der University of Lincolnshire & Humberside in Hall / England" abgeschlossen. Studienbeginn wäre jeweils zum Sommersemester 2002 am 1.4.2002. gewesen.

Erstmals am 16.2.2002 erfuhr die Klägerin von Bekannten und aus Medien, insbesondere aus einem Artikel, der im Handelsblatt erschienen war, daß die Firma J akademische Abschlüsse anbiete, obwohl sie selbst keine anerkannte Hochschule ist, und mit internationalen Abschlüssen (Bachelor of Arts) werbe, die in Deutschland nicht geführt werden dürfen. Tatsächlich lagen seinerzeit die nach § 118 Abs. II HGNW erforderlichen Voraussetzungen für die Vorbereitung von Studierenden der Firma J auf die Abschlußprüfung an einer ausländischen Hochschule oder auf die Verleihung eines Grades durch eine solche Hochschule nicht vor mit der Folge, daß ein von der Universität Lincolnshire & Humberside in England verliehener Grad in Nordrhein-Westfallen seinerzeit nicht geführt werden durfte.

Die Klägerin bemühte sich unmittelbar nach Erhalt der vorstehenden Informationen ohne Ergebnis um Aufklärung bei der Firma J. Da sie das Vertrauen zu der Firma J verloren hatten, suchte in ihrem Auftrag am 13.3.2002 ihre Mutter das Anwaltsbüro der Beklagten auf, legte die fraglichen Zeitungsartikel vor und bat darum, die Verträge auf vorzeitige Beendigungsmöglichkeiten zu überprüfen. Dieses und alle weiteren Gespräche in der Folgezeit führte für die Beklagten deren Bürovorsteher I. Über den weiteren Inhalt des ersten Beratungsgesprächs und der weiteren Gespräche sowie den Ablauf der Beratung besteht zwischen den Parteien Streit.

Die Klägerin nahm in der Folgezeit das Studium bei der Firma J nicht auf. Auf ihren ausdrücklichen Auftrag hin wurden die mit der Firma J geschlossenen Studienverträge durch Anwaltsschreiben der Beklagten am 13.6.2002 fristlos, hilfsweise fristgerecht, gekündigt.

Die Firma J akzeptierte die Kündigung lediglich als fristgerechte Kündigung und erhob vor dem Landgericht Paderborn Klage gegen die Klägerin auf Zahlung der Immatrikulationsgebühren, der Studiengebühren und der Kündigungsgebühren für beide Studienverträge in Höhe von insgesamt 8.066,00 € nebst Zinsen, nachdem die Klägerin einer entsprechenden Zahlungsaufforderung nicht nachgekommen war. Die Klägerin wurde in dem Verfahren vor dem Landgericht Paderborn durch die Beklagten vertreten, welche den gestellten Klageabweisungsantrag unter anderem auf eine arglistige Täuschung der Klägerin durch die Firma J stützten.

Die Klägerin wurde durch Urteil des Landgerichts Paderborn vom 4.5.2004 (Az 2 O 473/03) in vollem Umfang antragsgemäß zur Bezahlung der Studiengebühren verurteilt. In dem Urteil hat das Landgericht Paderborn ausgeführt, daß der Klägerin ein Recht zur außerordentlichen Kündigung der Studienverträge am 13.6.2002 nicht mehr zustand. Denn das Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen hatte die Presseveröffentlichung zu den Studienabschlüssen der Firma J zum Anlaß genommen, die Firma J um Aufklärung über die von ihr angebotenen Ausbildungsgänge zu bitten. Im Verlaufe der Sachverhaltsaufklärung hatte die Firma J einen Antrag auf Durchführung des nach § 118 Abs. II Satz 3 HGNW erforderlichen Feststellungsverfahrens gestellt, das mit Bescheid vom 14.5.2002 positiv abgeschlossen wurde. Mit Erlaß des Feststellungsbescheides war die Firma J berechtigt, die Ausbildung für die Erlangung des BA-Titels durchzuführen mit der Folge, daß die Klägerin, wenn sie das Studium aufgenommen und durchgeführt hätte, nicht nur den angebotenen Titel erworben hätte, sie hätte ihn auch führen dürfen. Da das Interesse der Klägerin im Zeitpunkt ihrer fristlosen Kündigung nicht mehr beeinträchtigt war, war sie nach Auffassung des Landgerichts Paderborn nicht mehr zur fristlosen Kündigung berechtigt.

Die Klägerin nimmt die Beklagten nunmehr auf Ersatz des durch den verloren gegangenen Rechtsstreit mit der Firma J vor dem Landgericht Paderborn entstandenen Schadens in Anspruch. Diesen Schaden beziffert sie unter Berücksichtigung der Urteilssumme nebst Zinsen und der entstandenen Kosten auf 11.443,00 €.

Die Klägerin ist der Ansicht, der verlorengegangene Rechtsstreit vor dem Landgericht Paderborn wäre zu ihren Gunsten entschieden worden, wenn die Beklagten, wie vereinbart, unverzüglich nach dem 13.3.2002 die Anfechtung und Kündigung der Studienverträge erklärt hätten.

Die Klägerin behauptet, bereits beim ersten Besprechungstermin am 13.3.2002 seien die abgeschlossenen Studienverträge sowie die Presseartikel den Beklagten ausgehändigt worden. In dem Gespräch mit dem Bürovorsteher der Beklagten seien die Unterlagen im einzelnen besprochen worden. Die Besprechung habe mit der Zusicherung seitens der Beklagten geendet, daß die Studienverträge unverzüglich wegen arglistiger Täuschung angefochten und aufgekündigt würden.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 11.443,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 7.4.2006 zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, die Klägerin habe bereits am 16.2.2002 die sichere Kenntnis darüber erlangt, daß die Studienabschlüsse bei der Firma J in Deutschland nicht anerkannt würden.

Zu dem ihnen erteilten Auftrag haben sie vorgetragen, daß sie zunächst lediglich die Möglichkeiten prüfen sollten, sich gegebenenfalls von den Studienverträgen lösen zu können. Sie seien weder sofort von der Klägerin beauftragt worden, eine Kündigung oder Anfechtung der Studienverträge vorzunehmen, noch hätten sie dieses zugesagt, zumal ihnen die Studienverträge und das dazugehörige Informationsmaterial erst geraume Zeit später nach dem ersten Besprechungstermin vorgelegt worden sei. Abweichend dazu haben sie mit Schriftsatz vom 13.3.2007 vorgetragen, daß die Mutter der Klägerin ausdrücklich mitgeteilt hatte, daß die Klägerin keinesfalls mehr an den Verträgen festhalten wollte.

Die Prüfung der Sach- und Rechtslage habe ergeben, daß es äußerst zweifelhaft erschienen sei, ob die Klägerin sich mit Aussicht auf Erfolg vorzeitig von den Verträgen würde lösen können. Diese Problematik sei der Klägerin verdeutlicht worden. Da sie gleichwohl eine Kündigung der Studienverträge wünschte, sei diese mit Schreiben vom 13.6.2002 erklärt worden.

Die Beklagten sind der Auffassung, die erst am 13.6.2002 erfolgte Kündigung der Studienverträge sei nicht ursächlich für den von der Klägerin geltend gemachten Schaden geworden. Denn der Klägerin habe kein Recht zur fristlosen Kündigung zugestanden, da sie bereits am 16.2.2002 Kenntnis von den Kündigungsgründen gehabt habe, sei die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. II BGB bereits bei Erteilung des Mandats am 13.3.2002 abgelaufen gewesen. Ein Recht zur Anfechtung der Verträge wegen arglistiger Täuschung habe die Klägerin nicht besessen.

Gegenüber dem Schadenersatzanspruch der Klägerin erheben sie die Einrede der Verjährung.

Hilfsweise rechnen sie gegenüber der Klageforderung mit einer Gebührenforderung aus ihrer Tätigkeit in dem verloren gegangenen Prozeß vor dem Landgericht Paderborn in Höhe von 1.856,61 € auf.

Die Klägerin ist dem entgegengetreten mit der Begründung, daß den Beklagten wegen Schlechterfüllung des Mandats kein Honorar zustehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat die Parteien mit dem aus dem Protokoll vom 22.12.2006 ersichtlichen Ergebnis persönlich angehört.

Gründe

Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus §§ 280 Abs. I, 249, 427 BGB. Denn die Beklagten haben den mit der Klägerin am 13.3.2002 geschlossenen Anwaltsvertrag schlecht erfüllt und dadurch den von der Klägerin geltend gemachten Schaden verursacht.

Unstreitig ist zwischen den Parteien am 13.3.2002 ein Anwaltsvertrag zustande gekommen. Auch aus dem teilweise widersprüchlichen und unklaren Sachvortrag der Beklagten folgt letztlich, daß sie am 13.3.2002 von der Klägerin - vertreten durch deren Mutter - beauftragt worden sind, zu prüfen, ob sich die Klägerin vorzeitig von dem mit der Firma J geschlossenen Studienverträgen lösen konnte. Innerhalb der Grenzen dieses ihnen erteilten Mandats waren die Beklagten verpflichtet, die Interessen ihres Auftraggebers nach jeder Richtung und umfassend wahrzunehmen (BGH NJW-RR 2000, 791). Sie hatten zunächst zu klären, welches Ziel ihre Auftraggeberin in der Rechtsangelegenheit verfolgte. Sie mußten dann den ihnen vorgetragenen gegebenenfalls durch Nachfragen weiter aufzuklärenden Sachverhalt dahin prüfen, ob er geeignet war, den von der Auftraggeberin erstrebten Erfolg herbeizuführen. Sie hatten danach diejenigen Schritte zu empfehlen, die zu dem erstrebten Ziel führen konnten. Dabei mußten sie ihre Auftraggeberin vor Nachteilen bewahren, soweit solche vorausehbar und vermeidbar waren. Sie hatten den sichersten Weg vorzuschlagen und die Klägerin über die möglichen rechtlichen und auch wirtschaftlichen Risiken aufzuklären, damit sie eine sachgerechte Entscheidung treffen konnte. Zweifel und Bedenken, zu denen die Sachlage Anlaß gab, mußten sie darlegen und mit ihr erörtern (BGH NJW 1995, 449; 1998, 900).

Die Beklagten haben ihre vorstehenden Pflichten verletzt, weil sie der Klägerin nicht unverzüglich nach Erhalt des Auftrags den Rat gegeben haben, die Studienverträge fristlos zu kündigen und wegen arglistiger Täuschung anzufechten und den entsprechenden Auftrag der Klägerin erst verspätet am 13.6.2002 ausgeführt haben.

Aus den den Beklagten am 13.3.2002 vorliegenden Unterlagen, insbesondere den Presseartikeln ergab sich, daß erhebliche Bedenken bestanden, ob die Klägerin durch das Studium einen Titel erworben hätte, den sie auch hätte führen dürfen. Da die Klägerin keinesfalls mehr an den Verträgen festhalten wollte, hätte sie ihr raten müssen, die Verträge unverzüglich außerordentlich, hilfsweise zu kündigen. Dabei hätten sie das Risiko, das die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung nicht erfüllt sein könnten und die Klägerin verpflichtet gewesen wäre, die im Falle einer ordentlichen Kündigung anfallenden Studiengebühren zu zahlen, hinweisen müssen. Alternativ hätten sie der Klägerin auch den Rat erteilen können, die Firma J im Auftrag der Klägerin, deren Aufklärungsbemühungen erfolglos gewesen waren, anzuschreiben und unter Fristsetzung aufzufordern, einen Nachweis hinsichtlich der Anerkennung der erworbenen akademischer Grade zu führen. In jedem Fall war die Angelegenheit äußerst eilbedürftig, da das Sommersemester für die Klägerin bereits am 1.4.2002 begann und die Klägerin deshalb ein dringendes Interesse daran hatte, die Angelegenheit im Hinblick auf ihre weitere Ausbildung, zu klären.

In diesem Zusammenhang kann es dahinstehen, ob die Studienverträge und weiteren Unterlagen bereits am 13.3.2002 den Beklagten vorgelegen haben, da es auf den Inhalt der Studienverträge für eine Raterteilung mit dem vorstehenden Inhalt nicht entscheidend ankam. Im übrigen geht das Gericht aber davon aus, daß die Studienverträge bereits am 13.3.2002 vorgelegen haben. Denn die Beklagten sind ihrer sekundären Darlegungslast für den Zeitpunkt der Vorlage der Studienverträge nicht nachgekommen, so daß der Vortrag der Klägerin als unstreitig behandelt werden muß.

Entgegen den vorstehenden Verpflichtungen haben die Beklagten das ihnen erteilte Mandat nicht mit der gebotenen Eilbedürftigkeit bearbeitet und der Klägerin auch nicht im Sinne der vorgenannten Ausführungen beraten, sondern vielmehr Bedenken gegen den Erfolg einer außerordentlichen Kündigung erst im Mai geäußert. Die auftragsgemäß ausgeführte außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung am 13.6.2002 war in jedem Falle verspätet.

Bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätten sie erkennen müssen, daß die fristlose Kündigung der Studienverträge nicht nur gerechtfertigt war, sondern auch unverzüglich nach Mandatserteilung zu erfolgen hatte. Im vorliegenden Fall handelten die Beklagten mindestens grob fahrlässig, da sie nach ihrem eigenen Vortrag gegenüber der Klägerin keinerlei eigene Beratung wahrnahmen, sondern sich bei allen Beratungsgesprächen aber offensichtlich auch bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage allein durch den nicht juristisch ausgebildeten Rechtsanwalts- und Notarsgehilfen I. vertreten ließen.

Der Klägerin ist dadurch auch adäquat kausal der geltend gemachte Schaden entstanden. Bei ordnungsgemäßer Ausführung des Mandats hätte die außerordentliche Kündigung der Studienverträge weit vor dem 14.5.2002 gegenüber der Firma J ausgesprochen werden müssen mit der Folge, daß die Firma J keinen Anspruch, auf die Studiengebühren gehabt hätte, die Gegenstand des Prozesses vor dem Landgericht Paderborn gewesen sind.

Denn der Klägerin hatte gegenüber der Firma J bis zum 14.5.2002 ein Recht auf außerordentliche Kündigung der geschlossenen Studienverträge. Es ist unstreitig, daß die Studenten der Firma J einen von der University of Lincolnshire & Humberside erworbenen Titel erst nach Durchführung des Feststellungsverfahrens aufgrund des Feststellungsbescheids vom 14.5.2002 führen durften. Das Fehlen dieser Berechtigung vor dem 14.5.2002 stellte aber für die Klägerin einen wichtigen Grund zur Kündigung der Studienverträge dar. Denn die Klägerin befand sich bei Abschluß der Studienverträge in dem Glauben, die von der Firma J angebotenen Abschlüsse seien national und international anerkannt. Dieser wichtige Grund ist erst mit dem Feststellungsbescheid vom 14.5.2002 entfallen.

Eine von den Beklagten ausgesprochene fristlose Kündigung der Studienverträge nach Erhalt des Mandats am 13.3.2002 aber noch rechtzeitig vor dem 14.5.2002 wäre nicht verspätet gewesen. Zwar kann eine fristlose Kündigung nach § 626 Abs. II Satz 1 BGB nur innerhalb von 2 Wochen erfolgen, nachdem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen Kenntnis erlangt hat, die Kündigungsfrist, deren Lauf von den Beklagten im Rahmen des Mandats offenbar noch nicht einmal geprüft worden ist, war jedenfalls noch nicht abgelaufen. Denn eine Kenntnis im Sinne der vorgenannten Vorschrift setzt voraus, daß der Kündigungsberechtigte sichere Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen besitzt, ein Kennenmüssen reicht nicht aus. Die Beklagten haben weder ausreichend dargelegt noch unter Beweis gestellt, daß die Klägerin bereits 2 Wochen vor dem 13.3.2002 sichere Kenntnis von den zur Kündigung berechtigenden Tatsachen hatte. Eine sichere Kenntnis hatte die Klägerin insbesondere nicht durch den Artikel der Zeitung "Der Patriot" vom 16.2.2002 erlangt. Der Artikel begründete für sie allenfalls Verdachtsmomente, daß Gründe für eine fristlose Kündigung der Studienverträge gegeben sein könnten. Gerade deshalb hat sie sich in der Zeit nach dem 16.2.2002 zunächst um Aufklärung bei der Hochschule bemüht, jedoch ohne Erfolg. Ihre weiteren Aufklärungsbemühungen betrafen den Artikel im Handelsblatt, auf den der vorangegangene Artikel vom 16.2.2002 Bezug nahm. Dieser lag der Klägerin aber erst am 12.3.2002 vor und mit diesem Artikel hat die Mutter der Klägerin die Beklagten am 13.3.2002 aufgesucht. Daß die Klägerin zu diesem Zeitpunkt noch keine sichere Kenntnis besaß, folgt auch daraus, daß das Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen die Presseveröffentlichung zum Anlaß genommen hat, die Firma J um Aufklärung über die von ihr angebotenen Ausbildungsgänge zu bitten und die Firma J im Verlaufe der Sachverhaltsaufklärung erst den Antrag auf Durchführung des erforderlichen Feststellungsverfahrens gestellt hat. Daß der Feststellungsbescheid ergangen ist, hat die Klägerin erst im Rechtsstreit beim Landgericht Paderborn erfahren.

Vor dem 14.5.2002 wäre die Klägerin darüber hinaus entsprechend dem Sachvortrag der Beklagten in dem Rechtsstreit vor dem Landgericht Paderborn auch berechtigt gewesen, die Studienverträge wegen arglistiger Täuschung anzufechten. Denn die Firma J hat in den Studienverträgen und den dazugehörigen Informationsunterlagen gegenüber den Studenten durch entsprechende Formulierung den Eindruck erweckt, daß den Studenten die Möglichkeit gegeben ist, den akademischen Grad Bachelor zu erwerben. Denn in § 1 des BA-Vertrages heißt es ausdrücklich: "Der Student bekommt durch diese Vereinbarung die Möglichkeit, den Bachelor of Arts (BA) ... der University of Lincolnshire & Humberside .. zu erwerben." An anderer Stelle der Unterlagen heißt es: "Wer einen akademischen Titel anstrebt, kann parallel zum Abschluß an der J auch den "Bachelor of Arts" ... erwerben." An anderer Stelle heißt es darüber hinaus: "Hiermit wird es den J-Studenten ermöglicht, gleichzeitig sowohl einen national wie auch international bekannten Abschluß zu erreichen und damit die idealen Voraussetzungen zu erlangen, um national und international tätig zu werden." Auch wenn an der letztgenannten Stelle nur von einem international bekannten Abschluß und nicht von einem anerkannten Abschluß die Rede ist, sind die Formulierungen dennoch irreführend. Wer, wie die Firma J, im Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse weiß, daß das erforderliche Feststellungsverfahren nach dem Hochschulgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen nicht durchgeführt worden ist, handelt gegenüber den Studenten arglistig.

Nach § 249 Abs. I BGB sind die Beklagten auch verpflichtet, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten werde. Da die Klägerin aus den vorstehenden Gründen zur außerordentlichen Kündigung und Anfechtung wegen arglistiger Täuschung der Studienverträge berechtigt gewesen wäre, hätte sie den Rechtsstreit vor dem Landgericht Paderborn gewonnen mit der Folge, daß sie weder zur Bezahlung der Studiengebühren verurteilt worden wäre, noch ihr in diesem Verfahren Kosten entstanden wären. Das trifft sowohl die Gerichtskosten als auch die außergerichtlichen Kosten einschließlich ihrer eigenen Anwaltskosten, die vorliegend Gegenstand der hilfsweisen Aufrechnung durch die Beklagten ist.

Diese Aufrechnung ist im Ergebnis nicht begründet. Der Vergütungsanspruch der Beklagten in dem Verfahren vor dem Landgericht Paderborn ist zwar gegenüber der Klägerin entstanden, weil die Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages nicht die prozessuale Tätigkeit in jenem gerichtlichen Verfahren betrifft, der Anspruch der Beklagten ist aber durch Aufrechnung seitens der Klägerin mit entsprechenden Schadensersatzansprüchen in gleicher Höhe aus dem vorliegenden Verfahren erloschen. Denn das Begehren der Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit, so gestellt zu werden, als wenn die Beklagten den Anwaltsvertrag vom 13.3.2002 ordnungsgemäß erfüllt hätten, umfasst zugleich eine entsprechende Aufrechnungserklärung, mindestens aber den berechtigten Einwand einer unzulässigen Rechtsausübung ("Dolo agit ...").

Demgemäß war der Klage im vollen Umfang stattzugeben.

Die von den Beklagten gegenüber dem geltend gemachten Schadensersatzansprüchen erhobene Einrede der Verjährung ist nicht begründet. Denn die 3-jährige Verjährungsfrist des § 51 b BRAO, der vorliegend Anwendung findet, war zum Zeitpunkt der Klageerhebung im vorliegenden Verfahren am 14.7.2006 nicht abgelaufen. Denn der Lauf der Verjährungsfrist begann erst mit dem Zeitpunkt der Entstehung des Ersatzanspruches. Das war hier der Zeitpunkt des Urteils des Landgerichts Paderborn am 4.5.2002.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 286 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.






LG Bielefeld:
Urteil v. 23.04.2007
Az: 25 O 163/06


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