Bundespatentgericht:
Urteil vom 14. Februar 2002
Aktenzeichen: 2 Ni 39/00

(BPatG: Urteil v. 14.02.2002, Az.: 2 Ni 39/00)

Tenor

1. Das europäische Patent 0 366 946 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland teilweise für nichtig erklärt, soweit es über die in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüche 1 bis 23 hinausgeht.

2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin , die Beklagte .

4. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,--€ für die Klägerin und in Höhe von 15.000,--€ für die Beklagte vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des unter Inanspruchnahme einer US-Priorität US 256332 vom 7. Oktober 1988 am 30. September 1989 angemeldeten und auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten Patents EP 0 366 946 (Streitpatent).

Das in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlichte Streitpatent, das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer DE 689 13 422 geführt wird, betrifft ein "Entfernen von Verfahrenschemikalien aus labilen biologischen Gemischen durch hydrophobe Austauschchromatographie". Es umfasst 29 Ansprüche, wovon die selbständigen Ansprüche 1, 15 und 17 in der deutschen Fassung gemäß EP 0 366 946 B1 folgenden Wortlaut haben:

"1. Verfahren zum Entfernen von lipidlöslichen Verfahrenschemikalien aus einem diese lipidlöslichen Chemikalien enthaltendem biologischen Material, wobei das diese lipidlöslichen Chemikalien enthaltende biologische Material durch eine C-6 bis C-24 Harz enthaltende hydrophobe Austauschchromatographie-Säule laufen gelassen wird, das biologische Material biologische Aktivität aufweist, die biologische Aktivität im wesentlichen erhalten bleibt und wenig oder kein biologisches Material während des Durchlaufs durch die Säule adsorbiert wird.

15. Verfahren zur Verbesserung der Filtrierbarkeit und/oder Stabilität biologischer Flüssigkeiten, wobei exogene oder endogene lipidlösliche Verbindungen aus einem diese lipidlöslichen Verbindungen enthaltenden biologischen Material entfernt werden, und wobei das diese lipidlöslichen Verbindungen enthaltende biologische Material durch eine C-6 bis C-24 Harz enthaltende hydrophobe Austauschchromatographie-Säule laufen gelassen wird, das biologische Material biologische Aktivität aufweist, die biologische Aktivität im wesentlichen erhalten bleibt und wenig oder kein biologisches Material während des Durchlaufs durch die Säule adsorbiert wird.

17. Verfahren zur Herstellung von Blutplasma, das im wesentlichen frei von infektiösen Viren ist, umfassend das Behandeln des Plasmas mit Virusinaktivierenden Lösungsmitteln und/oder Detergentien und Entfernen der Virusinaktivierenden Lösungsmittel und/oder Detergentien durch hydrophobe Austauschchromatographie auf einem C-6 bis C-24 Harz."

Bezüglich der weiteren Ansprüche wird auf die Patentschrift bzw. deren Übersetzung verwiesen (DE 689 13 422 T2).

Mit ihrer Nichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, da dem Verfahren nach Anspruch 1, 15 und 17 gegenüber K1 die Neuheit fehle. Jedenfalls fehle mit Rücksicht auf die US 3 962 421 (K2) eine erfinderische Tätigkeit.

Sie stützt ihre Ausführungen auf folgende Druckschriften:

K1 PFEIFFER P.; "Bestimmung von Trinbutylphosphat in Plasmapräparaten nach Festphasenextraktion und Kapillar-Gaschromatographie", In: J. Clin. Chem. Clin. Biochem. / Vol. 26, 1988 / No. 4, S. 229 - 231 K2 US 3 962 421 (= DE 20 23 987 B2)

K3 JP 63088035 A (PAJ = Patents Abstracts of Japan)

Die Klägerin beantragtdas europäische Patent 0 366 946 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung neue Patentansprüche 1 bis 23 vorgelegt und beantragt, die Klage, soweit sie sich gegen das beschränkt verteidigte Patent richtet, abzuweisen.

Die neuen Patentansprüche 1 bis 23 lauten:

1. Verfahren zum Entfernen von lipidlöslichen Verfahrenschemikalien aus einem diese lipidlöslichen Chemikalien enthaltendem biologischen Material zur Herstellung einer Proteinenthaltenden Zusammensetzung nach einer Lösungsmittel/Detergens-Behandlung wobei das diese lipidlöslichen Chemikalien enthaltende biologische Material durch eine C-6 bis C-24 Harz enthaltende hydrophobe Austauschchromatographie-Säule laufen gelassen wird, das biologische Material biologische Aktivität aufweist, die biologische Aktivität im wesentlichen erhalten bleibt und wenig oder kein biologisches Material während des Durchlaufs durch die Säule adsorbiert wird.

2. Verfahren nach Anspruch 1, wobei vor Durchlauf des biologischen Materials durch die Säule das biologische Material durch Zentrifugation in eine lipidlösliche und eine wäßrige Phase getrennt wird und anschließend die wäßrige Phase durch die Säule laufen gelassen wird.

3. Verfahren nach Anspruch 2, wobei eine Lipidphasenextrahierende Chemikalie zugegeben wird, bevor die lipidlösliche von der wäßrigen Phase getrennt wird.

4. Verfahren nach Anspruch 1, wobei eine Lipidphasenextrahierende Chemikalie zugegeben wird, bevor das biologische Material über die Säule gegeben wird.

5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, wobei das Harz eine aktive Funktion und einen Träger umfaßt, und wobei die aktive Funktion Octadecylketten und der Träger eine Silika-Matrix umfaßt, wobei die Silika-Matrix vorzugsweise ungebundene Stellen aufweist, die mit Dimethylsilan blockiert sind.

6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, wobei das Harz mit einem organischen Lösungsmittel ausgewählt aus Isopropanol, Ethanol oder Acetonitril aktiviert wird.

7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6, wobei die Säule eine Fließrate von 125 bis 175 ml/cm/Std. aufweist.

8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7, wobei das Verfahren bei einer Temperatur von 4¡ bis 37¡C, vorzugsweise von 20¡ bis 25¡C durchgeführt wird.

9. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8, wobei die lipidlöslichen Verfahrenschemikalien TNBP und Triton X-100 sind.

10. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 9, wobei das biologische Material ausgewählt ist aus Blutplasma, Blutserum, Cryopräzipitat, gefriergetrocknetem Serum, Fraktion I, Fraktion II, Fraktion III, Fraktion IV-1, Fraktion IV-4, Fraktion V, Fraktion VI, Fibronectin, antihämophiler Faktor, Präalbumin, Retinolbindendem Protein, Albumin, -Globuline, ß-Globuline, -Globuline, Antithrombin III, Prothrombin, Plasminogen, Fibrinogen, Faktor XIII, Immunglobulin G, Immunglobulin A, Immunglobulin M, Immunglobulin D, Immunglobulin E, Plasmininhibitor, Thrombin, Antithrombin, Faktor V, Faktor VII, Faktor VIII, Faktor IX, Faktor X, normalen Zellen, Krebszellen, Exsudat aus in Kultur gezüchteten Krebszellen, Exsudat aus in Kultur gezüchteten normalen Zellen, Zellen aus Hybridomen, Produkte aus Gen-Spleißvorgängen, Pflanzenzellkonzentraten, Pflanzenzellsuspensionen, Extrakten aus Tiergewebe, Extrakten aus Pflanzengewebe oder Mikroorganismen.

11. Verfahren nach einem der Ansprüche 3 bis 10, wobei die Lipidphasenextrahierende Chemikalie ein langkettiger Alkohol oder ein halogenierter Ether ist.

12. Verfahren nach Anspruch 11, wobei die Lipidphasenextrahierende Chemikalie 2-Octanol oder Isofluoran ist.

13. Verfahren zur Herstellung von Blutplasma, das im wesentlichen frei von infektiösen Viren ist, umfassend das Behandeln des Plasmas mit Virusinaktivierenden Lösungsmitteln und Detergentien und Entfernen der Virusinaktivierenden Lösungsmittel und Detergentien durch hydrophobe Austauschchromatographie auf einem C-6 bis C-24 Harz. 14. Verfahren nach Anspruch 13, wobei vor Entfernen der Virusinaktivierenden Lösungsmittel und Detergentien durch hydrophobe Austauschchromatographie das Plasma durch Zentrifugation in eine lipidlösliche und eine wäßrige Phase getrennt wird und die Virusinaktivierenden Lösungsmittel und Detergentien anschlie-

ßend aus der wäßrigen Phase durch hydrophobe Austauschchromatographie entfernt werden.

15. Verfahren nach Anspruch 14 wobei eine Lipidphasenextrahierende Chemikalie zugesetzt wird, bevor die lipidlösliche von der wäßrigen Phase getrennt wird.

16. Verfahren nach Anspruch 13, wobei eine Lipidphasenextrahierende Chemikalie zugesetzt wird, bevor die Virusinaktivierenden Lösungsmittel und/oder Detergentien durch die hydrophobe Austauschchromatographie entfernt werden.

17. Verfahren nach einem der Ansprüche 13 bis 16, wobei das Harz eine aktive Funktion und einen Träger umfaßt und wobei die aktive Funktion Octadecylketten und der Träger eine Silika-Matrix umfaßt, wobei die Silika-Matrix vorzugsweise ungebundene Stellen aufweist, die mit Dimethylsilan blockiert sind.

18. Verfahren nach einem der Ansprüche 13 bis 17, wobei das Harz mit einem organischen Lösungsmittel ausgewählt aus Isopropanol, Ethanol oder Acetonitril aktiviert wird.

19. Verfahren nach einem der Ansprüche 13 bis 18, wobei die Säule eine Fließrate von 125 bis 175 ml/cm/Std. aufweist.

20. Verfahren nach einem der Ansprüche 13 bis 19 wobei das Verfahren bei einer Temperatur von 4¡ bis 37¡C, vorzugsweise von 20¡ bis 25¡C durchgeführt wird.

21. Verfahren nach einem der Ansprüche 13 bis 20, wobei die lipidlöslichen Verfahrenschemikalien TNBP und Triton X-100 sind.

22. Verfahren nach einem der Ansprüche 15 bis 21, wobei die Lipidphasenextrahierende Chemikalie ein langkettiger Alkohol oder ein halogenierter Ether ist.

23. Verfahren nach Anspruch 22, wobei die Lipidphasenextrahierende Chemikalie 2-Octanol oder Isofluoran ist.

Sie tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und hält das Streitpatent in seiner beschränkten Fassung für patentfähig.

Nach Auffassung der Klägerin kann dem Gegenstand beschränkten Patents zwar Neuheit zuerkannt werden, nicht aber erfinderische Tätigkeit.

Gründe

Die Klage, mit der der in Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜG, Artikel 138 Absatz 1 lit a EPÜ iVm Artikel 54 Absatz 1, 2 und Artikel 56 EPÜ vorgesehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist teilweise begründet. Das Streitpatent ist ohne Sachprüfung insoweit für nichtig zu erklären, als es über die vom Beklagten nur noch beschränkt verteidigte Fassung hinausgeht (vgl. Benkard, PatG 9. Aufl., § 22 Rn 33 mit Rechtsprechungsnachweisen). Soweit sich die Klage gegen das beschränkte Patent richtet, konnte die Klägerin den Senat nicht davon überzeugen, dass der Durchschnittsfachmann, hier ein Diplom-Ingenieur der chemischen Verfahrenstechnik oder des Chemieingenieurwesens jeweils mit Hochschulabschluss, der ggf. einen Diplom-Biochemiker zu Rate zieht, die im Streitpatent beanspruchte Lehre in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik unter Einsatz seiner fachlichen Fähigkeiten auffinden konnte. Dies geht zu Lasten der Klägerin. Die durch die ordnungsgemäße Patenterteilung erlangte Rechtsstellung kann der Patentinhaberin nur dann wieder genommen werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass sie diese zu Unrecht erlangt hat (BGH GRUR 91, 522 ff mwN), was vorliegend nicht der Fall ist.

I.

Das Streitpatent betrifft nach dem nunmehr geltenden Patentanspruch 1 ein Verfahren zum Entfernen von lipidlöslichen Verfahrenschemikalien aus einem biologischen Material nach einer Lösungsmittel-/Detergenz-Behandlung sowie nach dem nunmehr geltenden, nebengeordneten Patentanspruch 13 ein Verfahren zur Herstellung von Blutplasma, bei dem Lösungsmittel und Detergenzien entfernt werden.

In der Streitpatentschrift (u.a. S. 2, Z. 19-55, S. 3, Z. 4) ist dargelegt, dass biologischen Gemischen exogene Chemikalien zugesetzt werden, um Viren zu inaktivieren und um gewünschte Bestandteile zu stabilisieren und zu reinigen. Vor der Verwendung solchermaßen aufgearbeiteter Gemische in einem vitalen Organismus müssen die gesundheitsschädlichen, insbesondere kanzerogenen Verfahrenschemikalien beseitigt werden, ohne dass die Aktivität des biologischen Gemisches wesentlich beeinträchtigt wird.

Das technische Problem der Erfindung liegt deshalb nunmehr darin, virusinaktivierende Lösungsmittel und Detergenzien ohne Zerstörung der Eigenschaften der gewünschten Bestandteile aus biologischen Materialien zu entfernen.

Die Behebung dieses Problems wird in den Verfahren nach Anspruch 1 und 13 gesehen, wovon die Merkmale des Anspruchs 1 folgendermaßen aufgegliedert sein können:

(a) Verfahren zum Entfernen von lipidlöslichen Verfahrenschemikalien aus einem diese lipidlöslichen Chemikalien enthaltenden biologischen Material zur Herstellung einer Proteinenthaltenden Zusammensetzung nach einer Lösungsmittel/Detergensbehandlung.

(b) Das diese lipidlöslichen Chemikalien enthaltende biologische Material wird durch eine C-6 bis C-24 Harz enthaltende hydrophobe Austauschchromatographie-Säule laufen gelassen.

(c) Das biologische Material weist eine biologische Aktivität auf, die im Wesentlichen erhalten bleibt, und es wird wenig oder kein biologisches Material während des Durchlaufs durch die Säule adsorbiert.

Die Merkmale des Anspruchs 13 können wie folgt gegliedert werden:

(a) Verfahren zur Herstellung von Blutplasma, das im wesentlichen frei von infektiösen Viren ist.

(b) Das Verfahren umfasst das Behandeln des Plasmas mit Virusinaktivierenden Lösungsmitteln und Detergenzien.

(c) Das Verfahren umfasst das Entfernen der Virusinaktivierenden Lösungsmittel und Detergenzien durch hydrophobe Austauschchromatographie auf einem C-6 bis C-24 Harz.

II.

Die Neuheit der Verfahren nach den geltenden Ansprüchen 1 und 13, die nunmehr auf das Entfernen von Lösungsmitteln und Detergenzien abzielen, ist - auch nach der Einlassung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung - nunmehr gegeben, weil aus keiner der von ihr genannten Druckschriften Verfahren mit allen Merkmalen gemäß den Ansprüchen 1 oder 13 bekannt sind.

Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung vermögen diese Druckschriften die Verfahren nach den Ansprüchen 1 und 13 auch nicht nahezulegen, so dass sie gegenüber diesem entgegengehaltenen Stand der Technik auch auf erfinderischer Tätigkeit beruhen.

Als nächstkommender Stand der Technik ist der Bericht "Bestimmung von Trinbutylphosphat in Plasmapräparaten nach Festphasenextraktion und Kapillar-Gaschromatographie" (K1) von Dr. P. Pfeiffer anzusehen, der in der Fachzeitschrift J.Clin.Chem.Clin.Biochem. im Juli 1988 veröffentlicht worden ist. Danach war es vorbekannt, Blutplasma zur Virusinaktivierung mit lipidlöslichen Verfahrenschemikalien in Form eines Virusinaktivierenden Lösungsmittels, dort Trinbutylphosphat (TNBP), und eines Detergens, dort Natriumcholat, zu behandeln. Stand der Technik war es nach K3 auch, diese Verbindungen nach ihrer Einwirkung durch Dialyse an Membranen oder Sephadex (ein Gelfiltrations-Verfahren in einer Säule mit Säulenmaterial auf Sepharosebasis, z.B. Polydextran G-25) weitgehend, aber wohl nicht vollständig, abzutrennen. Demnach verbleibt dort das technische Problem, die Restkonzentration des toxischen TNBP im behandelten Blutplasmapräparat zu bestimmen. Zur Lösung dieses Problems liefert K1 eine einfache Methode zur quantitativen Bestimmung von TNBP in einem Blutplasmapräparat. Dazu werden 4 ml behandeltes Blutplasmapräparat und 10 l einer 'interner Standard' genannten Lösung (von 100 mg Trinpentylphosphat (TNPP) in 10 ml Chloroform) durch eine C18-Säule geleitet. Die adsorbierten Substanzen werden anschließend eluiert und gaschromatographisch analysiert.

Dem Fachmann wird durch K1 also ein (zweistufiges) Analyseverfahren zur quantitativen Bestimmung des einem Blutplasmapräparat zugefügten Lösungsmittels TNBP sowie von TNPP an die Hand gegeben, aber kein Verfahren zum gezielten Entfernen dieser Verfahrenschemikalien. Zwar wird dort in einer ersten Stufe auch die hydrophobe Austauschchromatographie mittels einer C18 Säule als eine dem Fachmann im Grundsatz bekannte Methode zur Stofftrennung aufgegriffen und damit neben dem zusätzlich dosiert zugegebenen TNPP auch das TNBP in der Chromatographiesäule aus dem behandelten Präparat herausgetrennt. Doch wird diese Methode nur mit der Absicht benutzt, die adsorbierten Mengen von TNPP und TNBP in einer zweiten Stufe gaschromatographisch analysieren zu können. Als Ergebnis wird eine Wiederfindungsrate von 94 % TNBP und 98 % TNPP erhalten. Obgleich diese Wiederfindungsrate dem Grad des in der Säule adsorbierten und aus dem Blutplasmapräparat entfernten TNBP sicherlich allenfalls näherungsweise gleichgesetzt werden darf, stellt sie für den Fachmann dennoch einen Anhalt für den mit der in K1 zur Anwendung gelangten Methode erreichbaren begrenzten Erfolg bei der Abtrennung des Lösungsmittels TNBP dar. Weil zudem der Verbleib der restlichen 6 % TNBP (und 2 % TNPP) offen bleibt, darüber hinaus in K1 über den Zustand und die Qualität des Blutplasmas nach dem Durchlauf durch die Säule einerseits und über das ebenfalls dem Blutplasmapräparat zugefügte Deteregenz Natriumcholat andererseits keine Angaben gemacht sind, bietet sich die erste Stufe - vor der außerdem noch die weitere unerwünschte Substanz TNPP dem Präparat zugegeben worden ist - des aus K1 bekannten Analyseverfahrens dem Fachmann nicht als Verfahren zum Entfernen von lipidlöslichen Verfahrenschemikalien aus einem biologischen Material zur Herstellung einer Proteinenthaltenden Zusammensetzung nach einer Lösungsmittel-/Detergenz-Behandlung an. Wegen des gezielt auf die Analyse von TNBP (und TNPP) gerichteten Einsatzes der aus K1 für den Fachmann entnehmbaren Vorgehensweise, wird er auch nicht dazu angeleitet, diese zur Behebung seines Problems, also zur Entfernung von Lösungsmitteln und Detergenzien aus einem biologischen Material wie Blutplasma auch nur versuchsweise zum Ansatz zu bringen, da für ihn kein Erfolg aufgezeigt ist. Denn an keiner Stelle von K1 hat der Autor darauf verwiesen, dass die verwendete Methode das TNBP aus dem Blutplasmapräparat zu Analysezwecken abzutrennen, gleichermaßen auch für eine wenigstens 94-prozentige Entfernung des TNBP aus dem Blutplasmapräparat zum Zweck der Reinigung in Frage kommt, ohne die biologische Aktivität des Plasmas wesentlich zu beeinträchtigen, woraus zu folgern ist, dass dieser eine solche Anwendung nicht erwogen hat.

Auch aus der Zusammenfassung (abstract) zu der JP 63 088035 A (K3) erhält der Fachmann keine Veranlassung dazu, das aus K1 bekannte Verfahren zur streitpatentgemäßen Problemlösung, nämlich zum Entfernen von Lösungsmitteln und Detergenzien aus einem biologischen Material heranzuziehen, denn dort geht es um das Entfernen von Lipiden aus einer wässerigen Lösung. Dazu wird eine Lipide enthaltende Lösung durch eine der C18-Säule von K1 gleichkommende Chromatographiesäule laufen gelassen, um Protein oder andere biologisch aktive Materialien zu reinigen. Zweifellos werden in K3 die Lipide entfernt, ohne die Aktivität einer physiologisch aktiven Substanz zu verlieren, womit diesem Verfahren also diesbezüglich das gleiche Ergebnis beschieden ist, wie dem streitpatentgemäßen Verfahren entsprechend Merkmal (c) des Anspruchs 1 nach obiger Merkmalsgliederung. Als Hinweis darauf, das Verfahren wäre auch zur Entfernung von Lösungsmitteln und Detergenzien geeignet, kann dieser Effekt indes nicht gelten, da das aus K3 bekannte Verfahren allein auf die Entfernung von Lipiden als solche ausgerichtet ist. Anhaltspunkte für andere alternativ entfernbare, insbesondere lipidlösliche, Verfahrenschemikalien fehlen dagegen. Somit kann auch K3 den Fachmann nicht dazu führen, das für ihn daraus oder aus K1 entnehmbare Verfahren zur Herstellung einer Proteinenthaltenden Zusammensetzung nach einer Lösungsmittel-/Detergenz-Behandlung bzw. zur Herstellung von Blutplasma durch Entfernen von lipidlöslichen Verfahrenschemikalien, also von virusinaktivierenden Lösungsmitteln und Detergenzien aus dem biologischen Material bzw. aus behandeltem Blutplasma heranzuziehen.

Die US 3 962 421 (K2) liegt weiter ab. Dort ist ein Verfahren zum Spalten Lipoidenthaltender Viren beschrieben, das dazu bestimmt ist, aus lebenden, abgeschwächten oder abgetöteten Krankheitserregern Antigenprodukte oder Vakzine (Impfstoff) zu erhalten. Zwar kommen dort auch Virusinaktivierende Lösungsmittel wie TNBP und Netzmittel (Detergenzien) zum Einsatz. Doch wird die Phasentrennung der wässrigen Virussuspension von der TNBP-Phase dort beispielsweise durch Zentrifugieren oder Absetzen, nicht jedoch durch eine hydrophobe Austauschchromatographie herbeigeführt. Der Fachmann kann deshalb daraus weder allein noch in Verbindung mit K1 oder K3 Hinweise entnehmen, die ihn zur Lösung seines Problems führen könnten.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit genauso wie der Gegenstand des Anspruchs 13 neu und erfinderisch iSd §§ 1, 3 und 4 PatG.

Die Ansprüche 2 bis 12 bzw. 14 bis 23 haben auf Grund ihrer Rückbeziehungen auf die Ansprüche 1 bzw. 13 ohne weiteres Bestand.

III.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 84 Abs. 2 PatG iVm § 92 Abs. 1 S.1 ZPO, wobei der Senat die Verringerung des gemeinen Werts des Patents durch den Umfang der Nichtigerklärung mit einem Viertel veranschlagt hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG iVm § 709 S.1 ZPO.

Meinhardt Gutermuth Skribanowitz Harrer Schmitz Fa






BPatG:
Urteil v. 14.02.2002
Az: 2 Ni 39/00


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