Oberlandesgericht Nürnberg:
Urteil vom 21. Dezember 2010
Aktenzeichen: 3 U 1320/10

(OLG Nürnberg: Urteil v. 21.12.2010, Az.: 3 U 1320/10)

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 21.05.2010 (Az: 4 HK O 6954/09) abgeändert.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 15.000 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.01.2009 zu bezahlen.

III. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 1.005,40 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.11.2008 zu bezahlen.

IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

V. Von den Kosten des Rechtsstreits in der ersten Instanz trägt die Klägerin 80 % und die Beklagte 20 %. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 73 % und die Beklagte 27 %.

VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht vorher Sicherheit in gleicher Höhe geleistet wird.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 65.314,59 Euro festgesetzt.

Gründe

A.

Die Klägerin, ein bekanntes Unternehmen in der Spielzeugbranche, vertrieb unter anderem ein Spielzeugmodell des "D...-A..."-Traktors und verkaufte dieses Modell seit 1999 bis 30.06.2009 ca. 559.600 mal. Wegen des genauen Aussehens dieses Spielzeugtraktors wird auf die Darstellung im Tatbestand des Ersturteils Bezug genommen.

Die Beklagte vertrieb im Sommer 2008 in zahlreichen Filialen ihrer Bettenfachgeschäfte den aus der Anlage K 4 ersichtlichen Spielzeugtraktor, der unstreitig ebenfalls eine Nachbildung des "D...-A..." ist.

Die Klägerin behauptet, der von der Beklagten verkaufte Spielzeugtraktor sei eine wettbewerbswidrige Nachahmung ihres eigenen Spielzeugtraktors und verstoße auch gegen ein für sie registriertes Geschmacksmuster. Die Beklagte sei deshalb verpflichtet, an sie von dem mit dem Verkauf unstreitig erzielten Gesamtgewinn in Höhe von 87.086,12 Euro 75.000 Euro herauszugeben. Ferner verlangt die Klägerin von der Beklagten Abmahnkosten in Höhe von 1,3 Gebühren aus 30.000 Euro = 1.005,40 Euro netto.

Die Beklagte bestreitet, dass der Spielzeugtraktor der Klägerin überhaupt wettbewerbsrechtliche Eigenart besitze. Ihr mit dem Verkauf erzielter Gewinn beruhe im Übrigen in keiner Weise darauf, dass dieser mit dem klägerischen Modell identisch sei. Ausschlaggebend sei vielmehr der günstige Preis sowie die Absicht des jeweiligen Käufers, ein wirklichkeitsgetreues Spielzeugmodell zu erwerben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Darstellung im Tatbestand des Ersturteils Bezug genommen.

Das Erstgericht hat die wettbewerbsrechtliche Eigenart des klägerischen Spielzeugtraktors sowie eine zum Schadensersatz verpflichtende wettbewerbsrechtliche Nachahmung nach § 4 Nr. 9 a UWG durch die Beklagte bejaht und der Klägerin einen Schadensersatz von 65.314,59 Euro (= 75 % des unstreitigen Gewinns von 87.086,12 Euro) sowie die geltend gemachten Abmahnkosten zugesprochen. Einen Geschmacksmusterschutz hat das Erstgericht verneint.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Sach- und Rechtsvortrag:

Sie habe die mit dem Schiebedach verbundene Möglichkeit, den Traktor mit einer Lenkstange zu bewegen, von der Klägerin gerade nicht übernommen. Das gelte in gleicher Weise wie die vom Erstgericht herausgearbeitete kastenförmige Erhebung im Unterboden, die ebenfalls durch diese Lenkbarkeit des klägerischen Traktors bedingt sei. Ein Schiebedach an einem Spielzeugtraktor könne genauso wie bei einem Großfahrzeug keinerlei wettbewerbsrechtliche Eigenart begründen, unabhängig davon, ob dieses Schiebedach überhaupt beim großtechnischen Vorbild vorhanden sei oder nicht.

Die Klägerin könne die Bekanntheit der von ihr behaupteten wettbewerbsrechtlichen Eigenart auch nicht mit ihren Verkaufszahlen, sondern nur durch die Bekanntheit der übernommenen Gestaltungsmerkmale begründen.

Die Traktoren seien auch unterschiedlich verpackt, darauf sei ebenfalls aufgrund der "Vienetta" -Entscheidung des BGH (GRUR 2001, 441 ff) bei der Frage der Herkunftstäuschung im Rahmen des § 4 Nr. 9 a UWG abzustellen. Eine Nachahmung scheitere auch an dem unterschiedlichen Maßstab beider Modelle. Beim Traktor der Beklagten fehle die auffällige Beschriftung "D...-Fahr" und der Schriftzug "A... 200". Die Räder seien auch in einem auffälligen Sonnengelb ausgestaltet, wie es typisch für die Traktoren der Marke J... D... sei.

Die Klägerin könne im Übrigen ihren fehlenden, vom Erstgericht auch zu Recht abgelehnten Geschmacksmusterschutz nicht mit Hilfe des UWG begründen.

Im Übrigen habe das Erstgericht den Verletzergewinn viel zu hoch angesetzt. Denn wie sich aus der "Tripp-Trapp-Stuhl" - Entscheidung des BGH (GRUR 2009, 856 ff) ergäbe, sei der Verletzergewinn nur insoweit herauszugeben, wie er gerade auf der Rechtsverletzung beruhe. Die Käuferentscheidung beruhe im vorliegenden Fall bezüglich des Spielzeugtraktors der Beklagten jedoch maßgeblich darauf, dass der Spielzeugtraktor dem landwirtschaftlichen Großgerät soweit wie möglich nachgebildet sei und nicht darauf, dass der Spielzeugtraktor der Beklagten dem Spielzeugtraktor der Klägerin folge. Der Gewinn der Klägerin beruhe ausschließlich auf dem zulässigen Nachbau des großen Vorbildes.

Ausschlaggebend für die Kaufentscheidung sei auch der günstige Preis gewesen, nicht aber, dass - eine solche unterstellt - eine Nachahmung des klägerischen Spielzeugtraktors vorgelegen habe. Entwicklungskosten seien nicht erspart worden, da die Beklagte die Lenkfunktion gerade nicht übernommen habe.

Wegen der weiteren Ausführungen wird auf die Berufungsbegründung sowie den Schriftsatz der Beklagten vom 16.11.2010 Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 21.05.2010 aufzuheben und die Klage vollständig abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Sachvortrag:

Die Beklagte verkenne, dass es hier nicht um die Nachahmung eines großtechnischen Spielzeugs durch zwei Spielzeughersteller gehe, sondern um die Nachahmung der von der Klägerin speziell gewählten spielzeugtechnischen Umsetzung einer solchen Nachbildung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin in der Berufung wird auf deren Berufungserwiderung Bezug genommen.

B.

I. Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch nach § 9 UWG 2004 i.V.m. § 4 Nr. 9 a UWG 2004 zu. Die Frage, ob der Klägerin Schadensersatzansprüche zustehen, richtet sich nämlich nach dem zur Zeit der beanstandeten Handlungen geltenden Recht (BGH, Urteil vom 21.09.2006, I ZR 270/03). Die beanstandeten Handlungen fanden im Sommer 2008 statt, d.h. unter der Geltung des UWG 2004.

II. Der Vertrieb des Spielzeugtraktors der Beklagten ist als unlautere Wettbewerbshandlung nach §§ 3, 4 Nr. 9 a UWG 2004 zu bewerten, denn alle Voraussetzungen des § 4 Nr. 9 a UWG 2004 sind erfüllt.

Die Parteien streiten insoweit im Wesentlichen darüber, ob dem Spielzeugtraktor der Klägerin wettbewerbsrechtliche Eigenart zukomme, der Spielzeugtraktor deshalb rechtlich als Nachahmung im Sinne dieser Vorschrift zu qualifizieren sei und eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführe.

1. Zur wettbewerbsrechtlichen Eigenart:

a) Durch das Urteil des BGH vom 24.05.2007, Az: I ZR 104/04 - Gartenliege - dort Rdziff. 24 ist klargestellt, dass es entsprechend dem Zweck des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes ausreicht, dass die Gestaltung eines Erzeugnisses die Eignung besitzt, auf seine Besonderheiten hinzuweisen. Eine besondere Funktion des Erzeugnisses auf die Herkunft aus einen bestimmten Unternehmen hinzuweisen, ist keine unabdingbare Voraussetzung der wettbewerbsrechtlichen Eigenart.

27Der Senat ist sich bewusst, dass die Idee als solche, nämlich Kindern oder auch Erwachsenen als Spielzeug oder Sammlerobjekt möglichst originalgetreue Miniaturausgaben von Großfahrzeugen zur Verfügung zu stellen, durch das UWG nicht geschützt werden kann (Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Auflage, Rdziff. 9.23 zu § 4 UWG).

28b) Ein Schutz wird allerdings für die gestalterische Umsetzung der Idee gewährt, wenn sie die oben im "Gartenliegen"-Urteil des BGH beschriebenen Besonderheiten aufweist. Hier stellt sich die Klägerin zutreffend auf den Standpunkt, dass eine solche Besonderheit in der von ihr gewählten konkreten spielzeugtechnischen Umsetzung liegt. Denn es ist zutreffend, dass die möglichst originalgetreue Kopie eines Großfahrzeugs auf verschiedenste Art und Weise in Spielzeug umgesetzt werden kann. Insoweit begründet die von der Klägerin gegenüber dem Original stark abstrahierende Gestaltung des Unterbodens eine Besonderheit, da dieser Unterboden nicht nur aus einer einfachen, völlig planlosen und fantasielosen Platte besteht, sondern musterähnliche Erhebungen sowie eine spezielle Ausgestaltung der Vorderachse zeigt. Das gleiche gilt für das von der Klägerin im Dach des Spielzeugtraktors eingebaute Schiebedach. Selbst wenn am großtechnischen Vorbild auch ein Modell mit Schiebedach vorhanden sein sollte, ist die spielzeugtechnische Umsetzung gerade dieses, nicht bei allen Traktoren vorhandene Detail bei der Ausgestaltung des Daches zu übernehmen, als Besonderheit zu qualifizieren. Unerheblich ist es entgegen der Auffassung der Beklagten, wie ebenfalls der "Gartenliegen"-Entscheidung (dort Rdziff. 21) zu entnehmen ist, ob der Verbraucher erkennt, dass dieses Schiebedach sowie die Erhebung am Unterboden dazu dient, eine Stange einzuführen und so den Traktor von außen lenken zu können. Denn unabhängig davon bleibt das Schiebedach ebenso wie die Erhebung am Unterboden eine Besonderheit. Wörtlich ist zu diesem Problem in der oben zitierten BGH-Entscheidung unter RdZiff 21 am Ende festgehalten:

"Nicht erforderlich ist es, dass die Verbraucher die Besonderheiten, die eine Gestaltung gerade auch im Gebrauch ausweist, bereits auf den ersten Blick erkennen."

Diesen Worten ist zu entnehmen, dass es für die Besonderheit i.S.d. § 4 Nr. 9 a UWG gerade nicht darauf ankommt, ob damit noch weitere technische Möglichkeiten verbunden sind.

31c) Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich weder aus der "Gartenliegen"-Entscheidung des Bundesgerichtshofs noch aus dem Urteil vom 09.10.2008 BGH I ZR 126/06, dort Rdziff. 35 - Gebäckpresse) entnehmen, dass Voraussetzung für den Schutz des § 4 Nr. 9 a UWG etwa eine Bekanntheit des Erzeugnisses oder gar der Besonderheiten wäre. Auch aus der vom Klägervertreter zitierten Kommentarstelle bei Hefermehl/Bornkamm, UWG , 28.Aufl., Rdnr. 9,24 geht dies nicht hervor.

2. Der Spielzeugtraktor der Beklagten ist auch als Nachahmung zu qualifizieren. Denn er übernimmt die beiden unter 1 b) herausgearbeiteten Merkmale, nämlich die Gestaltung des Unterbodens sowie die Gestaltung des Daches in identischer Weise, wie durch einen Vergleich der beiden von der Klägerin vorgelegten Modelle ohne weiteres festgestellt werden kann. Diese Übernahme der beiden Merkmale zeigt, dass sich die Beklagte bei der spielzeugtechnischen Umsetzung nicht um eigene Ideen bemüht hat, sondern die nach außen sichtbare Gestaltung der Klägerin in völlig identischer Weise übernommen hat.

333. Auch die nach § 4 Nr. 9 a UWG 2004 erforderliche Gefahr einer Herkunftstäuschung ist zu bejahen. Hier kann wieder auf die bereits mehrfach zitierte "Gartenliegen"-Entscheidung des BGH Bezug genommen werden. Auch wenn entgegen der Ansicht der Beklagten die Bekanntheit des betrieblichen Erzeugnisses selbst nicht Voraussetzung für das Vorliegen einer wettbewerbsrechtlichen Eigenart ist (s.o. 1 c), kann der Grad der wettbewerbsrechtlichen Eigenart eines Erzeugnisses, der für die Beurteilung der wettbewerbsrechtlichen Unlauterkeit des Vertriebes von Nachahmungen von Bedeutung ist, jedoch durch eine tatsächliche Bekanntheit im Verkehr verstärkt werden (BGH, GRUR 2005, 600, 602 - Handtuchklemmen). Dem klägerischen Traktor kommt auch Bekanntheit zu. Denn nach dem nicht bestrittenen Sachvortrag der Klägerin ist der streitgegenständliche Spielzeugtraktor seit 1999 mit ca. 559.600 Stück verkauft worden; dies indiziert seine tatsächliche Bekanntheit. Wenn aber wie hier die wettbewerbsrechtliche Eigenart durch eine gewisse Bekanntheit verstärkt worden ist und die die Eigenart begründenden Merkmale praktisch identisch übernommen worden sind, besteht grundsätzlich die Gefahr einer Herkunftstäuschung, weil der interessierte Betrachter zwangsläufig davon ausgeht, dass die beiden identischen Produkte von dem selben Hersteller stammen (siehe BGH a.a.O., Rdziff.36).

4. Weder die gelben Radkappen noch der andere Maßstab des Traktors der Beklagten vermögen diese Herkunftstäuschung auszuschließen, da der Verbraucher daran gewöhnt ist, dass ein - und derselbe Hersteller originalgetreue Modelle großer Vorbilder in unterschiedlicher Größe herstellt. Auch die gelbe Farbdeckung der Abdeckkappen versteht er nicht als relevante Abweichung, nachdem eine solche Farbgestaltung bei großen Vorbildern wie z.B. beim J...-D...-Traktor durchaus üblich ist.

Soweit die Beklagte auf die unterschiedliche Verpackung hinweist, ist es zwar richtig, dass die Gestaltung einer Verpackung grundsätzlich geeignet ist, Herkunftstäuschungen auszuschließen (siehe BGH Urteil vom 28.10.2004, I ZR 326/01 Puppenausstattungen). Hier jedoch weist die Beklagte ausdrücklich darauf hin, dass sie die Verpackung - in gleicher Weise wie die Klägerin - als Blisterverpackung gestaltet hat, "damit der Verbraucher das Spielzeug, das er vielleicht kaufen will, mit anderen Spielfahrzeugen vergleichen kann , ohne dass er das Fahrzeug aus der Verpackung herausnehmen muss" (s. Berufungsbegründung Seite 14 u = Blatt 149 d.A.). Die Beklagte selbst trägt also vor, dass das Hauptaugenmerk des Verbrauchers auf das Spielzeug selbst gerichtet werden soll und aufgrund der Blisterverpackung auch gerichtet wird, so dass in einem solchen Fall die Verpackung nicht aus der Herkunftstäuschung heraus führt.

5. Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass entgegen der Ansicht der Beklagten die Bestimmung des Geschmacksmustergesetzes der Anwendung des § 4 Nr. 9 a UWG nicht entgegenstehen. Wie das Erstgericht zutreffend ausführt, besteht ein solches mangels Neuheit der Formen zugunsten der Klägerin nicht. Im Übrigen erfordert § 4 Nr. 9 a UWG weitere, gerade eine spezielle Wettbewerbswidrigkeit auslösende Umstände wie den der Nachahmung. Das UWG tritt damit nicht grundsätzlich hinter die Bestimmungen des Geschmacksmusterrechtes zurück (siehe Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Auflage sowie Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Auflage jeweils Rdnr. 9.a zu § 4 UWG).

II. Der Klägerin steht grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch nach § 9 UWG zu.

1. Das für einen Schadensersatzanspruch erforderliche Verschulden liegt vor. Denn die identische Übernahme gerade des Unterbodens indiziert, dass die Beklagte sich bei der spielzeugtechnischen Umsetzung nicht so sehr am großen Vorbild als vielmehr am kleinen Vorbild der Klägerin orientiert hat.

392. Die Klägerin ist auch berechtigt, Schadensersatz in Form einer Gewinnabschöpfung bei der Beklagten vorzunehmen. Denn auch unter der Geltung des UWG 2004 war es bereits anerkannt, dass diese Art der Schadensberechnung möglich ist (siehe z.B. Baumbach/Hefermehl, UWG, 23. Auflage, Rdnr. 1.39 zu § 9 UWG).

3. Zu Recht ist bereits das Erstgericht davon ausgegangen, dass der Verletzergewinn allerdings nur insoweit herauszugeben ist, als er gerade auf der Wettbewerbswidrigkeit der hier streitgegenständlichen Handlung beruht. Dies ist nicht im Sinne einer adäquaten Kausalität, sondern - vergleichbar mit der Bemessung der Mitverschuldensanteile im Rahmen des § 254 BGB - wertend zu verstehen. Maßgeblich ist dabei, inwieweit beim Vertrieb der nachgeahmten Produkte die Gestaltung als Imitat für die Kaufentschlüsse ursächlich gewesen ist oder ob andere Umstände eine wesentliche Rolle gespielt haben. Die Höhe des Anteils, zu dem die erzielten Gewinne auf der Rechtsverletzung beruhen, ist nach § 287 ZPO in tatrichterlichem Ermessen zu schätzen (siehe BGH, Urteil vom 21.09.2006, Az: I ZR 6/04 - Steckverbindergehäuse, dort Rdziff. 37 und 38).

41Überträgt man diese von der höchstrichterlichen Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze auf den vorliegenden Fall, dann erweist sich die vom Erstgericht gewählte Quote als zu hoch. Denn primär für den Kaufentschluss ist vorliegend der - als Idee gerade nicht durch das Wettbewerbsrecht geschützte Umstand - hier eine möglichst originalgetreue Nachbildung eines real existierenden großen Vorbildes als Spielzeug zu erwerben.

Ausschlaggebend für den Kaufentschluss war selbstverständlich auch der im Vergleich zum Traktor der Klägerin deutlich günstigere Preis von regulär 5,03 Euro, später sogar nur 2,10 Euro pro Stück verglichen mit dem Preis der Klägerin von annähernd 20 Euro, der deutlich schneller als der Preis der Klägerin zum Kauf bewegt.

Allerdings hat die Klägerin unwidersprochen von der Beklagten dargelegt, dass es bei der spielzeugtechnischen Umsetzung eines großen Vorbildes entscheidend darauf ankommt, die im üblichen Spritzgussverfahren hergestellten Spielsachen möglichst kostengünstig im Hinblick auf dieses Verfahren zu gestalten und sie deswegen die sehr vereinfachte, aber dennoch Besonderheiten aufweisende Gestaltung des Unterbodens (siehe oben) gewählt hat. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass diese unverändert von der Beklagten übernommene Gestaltung dieser Entwicklungskosten für das anschließende Spritzgussverfahren erspart worden sind.

44Wägt man diese Gesichtspunkte gegeneinander ab, bleibt bestimmender Faktor jedoch die Verwirklichung der durch das UWG nicht geschützten Idee als solcher, ein Modellfahrzeug zu erwerben. Nach § 287 ZPO stützt der Senat deswegen seine Schätzung, wieviel vom erzielten Gewinn die Beklagte an die Klägerin herauszugeben hat, genauso wie das Erstgericht auf den Gedanken der eingesparten Entwicklungskosten. Nach Auffassung des Senats bedarf es dafür wegen § 287 S. 2 ZPO keines Gutachtens, sondern der Senat schätzt hier die Entwicklungskosten auf rund 1/3 des Einkaufpreises von 1,54 Euro, was hochgerechnet dem von der Beklagten bereits vorgerichtlich angebotenen 15.000 Euro entspricht. Eine weitere Herausgabe des Verletzungsgewinnes kann die Klägerin nicht verlangen.

III. Abmahnkosten stehen der Klägerin nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG 2004 zu. Wie oben dargelegt hat die Beklagte eine wettbewerbswidrige Handlung begangen, so dass die Abmahnung berechtigt war. Die Höhe des Gegenstandswertes ist von der Beklagten nicht beanstandet worden, auch der Senat hält ihn mit 30.000 Euro für als nicht übersetzt angesetzt. Daraus resultiert der errechnete Betrag.

IV. Zinsen stehen der Klägerin lediglich in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 288 Abs. 2 BGB zu, da Schadensersatzabforderungen sowie Abmahnkosten keine Entgeltforderung im Sinne des § 288 S. 2 BGB sind.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

VI. Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Wie die im Urteil zitierten zahlreichen höchstrichterlichen Entscheidungen zeigen, sind die wesentlichen Fragen für die Anwendung des § 4 Nr. 9 a sowie des § 9 UWG vorgeklärt. Der Senat hat nichts anderes getan, als diese Grundsätze auf einen ganz konkreten Einzelfall anzuwenden.






OLG Nürnberg:
Urteil v. 21.12.2010
Az: 3 U 1320/10


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