Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Dezember 2002
Aktenzeichen: 30 W (pat) 85/02

(BPatG: Beschluss v. 16.12.2002, Az.: 30 W (pat) 85/02)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Wortmarke 399 41 823 Stop-Tronicist am 31. August 1999 für

"Start-Stop-Geräte für KFZ"

in das Register eingetragen worden. Die Eintragung wurde am 30. September 1999 veröffentlicht.

Dagegen ist von der Inhaberin der am 10. Dezember 1996 eingetragenen IR-Marke 665 206 TopTronic, deren Schutzerstreckung für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland am 16. Januar 1997 beantragt wurde, und die für

"9 Appareils et instruments electriques et electroniques pour la regulation et la gestion du chauffage, de l'aeration, de la refrigeration et de la preparation d'eau chaude sanitaire.

11 Appareils et installations de chauffage, aeration, refrigeration et preparation d'eau chaude sanitaire"

eingetragen ist, Widerspruch erhoben worden.

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Beschluss vom 04.03.2002 den Widerspruch zurückgewiesen. Begründend wird ausgeführt, zwar sei eine gewisse Warennähe festzustellen, jedoch unterschieden sich die Marken ausreichend. Da der Verkehr im gemeinsamen Bestandteil "Tronic" eine sachbezogene Angabe sehe, wende sich die Aufmerksamkeit dem jeweiligen Anfangsbestandteil "Stop" beziehungsweise "Top" zu, deren Begriffsinhalte erfasst und die deshalb ohne weiteres auch aus der Erinnerung heraus unterschieden werden könnten.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie ist der Ansicht, es handle sich bei den beiderseitigen Waren um elektrische oder elektronische Regelgeräte, die nach der Auffassung des Verkehrs aus gleichen Ursprungsbetrieben stammten, weshalb eine hochgradige Warenähnlichkeit vorliege. Da auch eine hochgradige Markenähnlichkeit vorliege, bestehe Verwechslungsgefahr.

Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurück zu weisen.

Sie ist der Auffassung, eine Verwechslungsgefahr liege nicht vor, da es sowohl an einer ausreichenden Warennähe als auch an der erforderlichen Markenähnlichkeit fehle; zudem handle es sich bei der Widerspruchsmarke um ein sehr schwaches Zeichen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Beschwerdeverfahren die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten.

Ergänzend wird auf das schriftsätzliche Vorbringen und den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zwischen den Marken besteht nach Ansicht des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Der Widerspruch aus der Marke IR 665 206 ist daher von der Markenstelle zu Recht zurück gewiesen worden.

1. Zur Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf die Registerlage abzustellen, da die Fünfjahresfrist gemäß Art 5 Abs 2 MMA, §§ 43 Abs 1, 115 Abs 2, 116 Abs 1 MarkenG zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht abgelaufen ist. Die Schutzerstreckung der Widerspruchsmarke auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland wurde am 16. Januar 1997 registriert, so dass der Fristablauf erst im Januar 2003 eintritt und es daher auf die von der Widersprechenden vorgelegten Benutzungsunterlagen nicht ankommt.

2. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st Rspr, vgl ua EuGH GRUR 1998, 387 - Sabèl/Puma; GRUR 1998, 922 - CANON; BGH GRUR 2000, 506 - ATTACHÉ/-TISSERAND).

Was die Frage der Identität beziehungsweise Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren anbelangt, sind auf beiden Seiten Regelgeräte betroffen, die trotz des sehr eng gefassten Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke und des speziellen Warenverzeichnisses der Widerspruchsmarke in bezug auf die technische Funktion gleichzusetzen sind. Dies umso mehr, als auch die Widersprechende Komponenten ihrer Regelgeräte zukauft, diese also nicht selbst herstellt. Trotzdem ist hier eine nicht mehr als mittlere Warenähnlichkeit gegeben, da der Verkehr dieser technischen Funktion aufgrund der Konfrontation mit einer Vielzahl von Regelungsmechanismen in allen Arten von Waren keine überdurchschnittliche Aufmerksamkeit schenken wird. Hinzu kommt, dass der Vertriebsweg der beiderseitigen Waren signifikant unterschiedlich ist. Während Autoteile und -zubehör in speziellen Fachgeschäften oder aber - stets von anderen Warengruppen abgetrennt - in Fachabteilungen vertrieben werden, werden die Produkte der Widersprechenden ausschließlich über den Fachhandel abgesetzt, so dass hier keine engeren Berührungspunkte zu erkennen sind.

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist unter durchschnittlich; denn die Endung "Tronic" ist als Hinweis auf Elektronik gerade in den Warenklassen 7, 9 und 11 sehr häufig anzutreffen und deshalb verbraucht (vgl BPatG, 33 W (pat) 68/01 - CITRONIC/CLATRONIC, PAVIS PROMA-Kliems; Markenlexikon 2001, S 11591 f). Hinzu tritt, dass durch die Binnengroßschreibung dieses Markenbestandteils, der Zweiwortcharakter auch bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung des Zeichens erhalten bleibt und dadurch der Bestandteil "Top", der allgemein entweder eine Verstärkung oder die Spitzenstellung eines Gegenstandes ausdrückt (vgl DUDEN, Deutsches Universalwörterbuch, 4. Aufl 2001) herausgestellt wird.

Den im Hinblick auf diese Umstände zur Vermeidung von Verwechslungen erforderlichen (geringen) Abstand hält das angegriffene Zeichen ein. In klanglicher Hinsicht bestehen am Wortanfang, der grundsätzlich stärker beachtet wird (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 97), und hier durch die verbrauchten Endungen, besonderes Gewicht erhält, ausreichende Unterschiede. Im Gegensatz zur Widerspruchsmarke verfügt die angegriffene Marke über einen Doppelkonsonanten am Wortanfang, der auch bei undeutlicher Sprechweise nicht ganz untergeht.

Dabei wirkt sich, worauf die Markenstelle zu Recht hinwies, verwechslungsmindernd aus, dass beide Zeichen, im besonderen aber die angegriffene Marke in Form des Bestandteils "Stop-",der zudem die eine Funktion der Regelgeräte beschreibt, einen für jedermann verständlichen Sinngehalt aufweisen (vgl BGH GRUR 1992, 130 - BALLY/BALL; GRUR 2002, 1083 - 1, 2, 3 im Sauseschritt).

Auch in schriftbildlicher Hinsicht ist in Ansehung jeder bekannten Schreibweise eine hinreichend sichere Unterscheidung zwischen "Stop-Tronic" und "TopTronic" anhand der unterschiedlichen Umrisscharakteristik gewährleistet.

3. Zu einer Auferlegung von Kosten gemäß § 71 Abs 1 Satz 1 MarkenG besteht keine Veranlassung.

Dr. Buchetmann Winter Voit Hu






BPatG:
Beschluss v. 16.12.2002
Az: 30 W (pat) 85/02


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