Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg:
Beschluss vom 18. November 1993
Aktenzeichen: A 13 S 2024/93

(VGH Baden-Württemberg: Beschluss v. 18.11.1993, Az.: A 13 S 2024/93)

1. Die Errichtung von Außenstellen durch den Leiter des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Gründe

Der auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) und auf die Vorenthaltung des rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) gestützte Antrag ist unzulässig, da er nicht den formellen Anforderungen des § 78 Abs. 4 S. 4 AsylVfG entspricht. Danach müssen die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, innerhalb der Antragsfrist dargelegt werden.

Soweit der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, ist dem Darlegungsgebot nur dann genügt, wenn in bezug auf die Rechtslage oder die Tatsachenfeststellungen eine konkrete Frage aufgeworfen und erläutert wird, warum sie grundsätzliche Bedeutung hat und warum sie sich in dem angestrebten Berufungsverfahren stellen würde.

Der Kläger will in einem Berufungsverfahren zunächst die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg noch nicht behandelte Frage geklärt haben, inwieweit die Bildung von Außenstellen des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Art. 87 Abs. 3 GG vereinbar ist. Diese Frage bedarf keiner Klärung in einem Berufungsverfahren. Sie beantwortet sich unmittelbar aus Art. 87 Abs. 3 GG und § 5 AsylVfG. Nach § 5 Abs. 4 AsylVfG ist der Leiter des Bundesamtes (lediglich) ermächtigt, bei den zentralen Aufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber mit mindestens 500 Unterbringungsplätzen eine Außenstelle einzurichten. Diese Außenstelle ist unbeschadet der räumlichen Ausgliederung Teil des Bundesamtes ohne feste örtliche Zuständigkeit und der sie verfügende Organisationsakt des Leiters ist durch Bundesgesetz gedeckt. Damit ist auch Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG Rechnung getragen, der bestimmt, daß in Angelegenheiten, für die dem Bunde die Gesetzgebung zusteht, selbständige Bundesoberbehörden durch Bundesgesetz errichtet werden dürfen. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ist eine solche Bundesoberbehörde, über deren Errichtung und räumliche Dezentralisierung der Bundesgesetzgeber entschieden hat. Die vom Verwaltungsgericht Düsseldorf (vgl. den Beschluß v. 10.12.1992, NVwZ 1993, 503 sowie das Urteil v. 21.6.1993 - 19 U 1634/93.A -) angenommene Umgehung des Art. 87 Abs. 3 S. 2 GG liegt deshalb nicht vor (vgl. OVG Bremen, Beschluß v. 10.8.1993 - OVG 2 B 44/93 - sowie VG Frankfurt a. Main, Beschluß v. 13.7.1993, NVwZ 1993, 810; offengelassen vom BVerfG (1. Kammer des zweiten Senats), Beschluß v. 16.6.1993, NVwZ 1993, 12). Der im Falle des Klägers ergangene Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, der in der Außenstelle Ludwigsburg am 4.5.1993 ergangen ist, ist daher nicht formell rechtswidrig, ganz abgesehen davon, daß zweifelhaft erscheint, ob durch einen Akt der Behördenorganisation überhaupt Rechte des Klägers betroffen sein können.

Was der Kläger des weiteren im Hinblick auf das von ihm geltend gemachte "große Asyl" in einem Berufungsverfahren als grundsätzlich bedeutsam geklärt wissen will, faßt er weder in einer konkret aufgeworfenen Rechtsfrage noch in einer Tatsachenfrage zusammen. Er wiederholt vielmehr lediglich in einer Art Berufungsbegründung sein Vorbringen erster Instanz und macht geltend, das Verwaltungsgericht habe sein Asylbegehren zu Unrecht auf der Grundlage der dargelegten Sachlage abgelehnt. Daraus ergibt sich keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Das Verwaltungsgericht hat dem Kläger aufgrund des Ergebnisses der Anhörung in der mündlichen Verhandlung seine konkreten Behauptungen, wegen denen er politische Verfolgung in Äthiopien erlitten haben will, nicht geglaubt. Dem setzt der Kläger lediglich seine eigene abweichende Auffassung im Einzelfall entgegen, so daß es in einem Berufungsverfahren nicht darauf ankommt, ob die Behauptung des Klägers zutreffen könnte, die von der EPRDF in Äthiopien gestellte Regierung verfolge die Anhänger des früheren Mengistu-Regimes. Das Verwaltungsgericht hat dem Kläger gerade nicht abzunehmen vermocht, daß er ein Anhänger dieses Regimes gewesen ist.

Der Kläger kann dieses - auf der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Verwaltungsgerichts beruhende - Ergebnis auch nicht damit in Zweifel ziehen, daß er behauptet, das Verwaltungsgericht habe ihm deswegen das rechtliche Gehör vorenthalten, weil es die Echtheit der von ihm in der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingeführten Schriftstücke, mit denen er insbesondere belegen will, daß er von Äthiopien von der EPRDF-Regierung in Haft genommen worden sei, verneint hat. Das Verwaltungsgericht hat die Schriftstücke zur Kenntnis genommen und hat sie gewürdigt; ob diese Würdigung im Einzelfall zutreffend ist, ist keine Frage des rechtlichen Gehörs. Im übrigen war das Verwaltungsgericht auch nicht gehalten, seine Beweiswürdigung in der mündlichen Verhandlung vorwegzunehmen. Auch darauf bezieht sich der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht. Schließlich hat das Verwaltungsgericht auch kein Überraschungsurteil erlassen. Der Kläger hat die Schriftstücke gerade zu dem Zwecke in die mündliche Verhandlung eingeführt, daß sich das Verwaltungsgericht mit ihnen befaßt. Im Ergebnis greift auch hier der Kläger mit der Rüge der Vorenthaltung des rechtlichen Gehörs lediglich die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts in seinem Einzelfall an. Schließlich mußte der Kläger auch davon ausgehen, daß die ihm mit der Ladung übersandte Materialliste zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wird. Darauf ist in der Ladung zur mündlichen Verhandlung besonders hingewiesen. Es war daher Sache des Klägers, insbesondere seiner Prozeßbevollmächtigten, sich durch Einsichtnahme in die Materialien sachkundig zu machen. Daß sie dazu nicht in der Lage gewesen wären, legt der Antrag nicht dar. Es ist auch nicht ersichtlich, daß das Verwaltungsgericht dem Kläger bzw. seinem Prozeßbevollmächtigten die Einsichtnahme in die Materialien vorenthalten hätte. Die Rüge des Klägers, daß er nicht in der Lage gewesen sei, zu den Materialien Stellung zu nehmen und daß ihm deswegen das rechtliche Gehör vorenthalten worden sei, geht daher fehl. Auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs kann sich nicht berufen, wer die prozessualen Möglichkeiten, sich rechtliches Gehör zu verschaffen, nicht nutzt. Ob das Verwaltungsgericht die Echtheit der vom Kläger vorgelegten Papiere nur mit Hilfe einer Sachverständigenäußerung hätte beurteilen können, ist keine Frage des rechtlichen Gehörs. Im übrigen ist in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte geklärt, daß in asylrechtlichen Verfahren Schriftstücken, die sich Kläger auf nicht geklärten Wegen in ihrem Heimatland verschaffen, um damit eine politische Verfolgung zu belegen, regelmäßig ein Beweiswert nicht zukommt. In Übereinstimmung damit hat das Verwaltungsgericht die Echtheit der vom Kläger vorgelegten Schriftstücke auch beurteilt.

Soweit der Kläger in bezug auf das Abschiebungshindernis des § 53 Abs. 6 AuslG darauf hinweist, daß er keine Chance habe, in Äthiopien "in menschenwürdiger Existenz sein Existenzminimum zu sichern", ist nicht ersichtlich, was in diesem Zusammenhang in bezug auf die Zulassungsgründe des § 78 Abs. 3 AsylVfG in einem Berufungsverfahren geklärt werden soll. Das Verwaltungsgericht hat für den Kläger bei einer Rückkehr nach Äthiopien konkrete Gefahr für Leib oder Leben verneint. Es ist davon ausgegangen, daß sich der Kläger durch eine Integration in die Familie der in Äthiopien herrschenden schlechten Versorgungslage entziehen kann. Diese Feststellung hat der Kläger mit begründeten Zulassungsrügen nicht angegriffen.

Mit der weiteren Behauptung, daß äthiopische Behörden sich weigern würden, von der Abschiebung betroffene Asylbewerber aus dem Ausland aufzunehmen, ist weder ein Abschiebungsverbot des § 51 AuslG noch ein Abschiebungshindernis des § 53 AuslG dargetan. Diese Frage gewinnt allenfalls Relevanz beim Vollzug der Abschiebung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Das Antragsverfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83 b Abs. 1 AsylVfG).

Die Festsetzung eines Gegenstandswerts für das Antragsverfahren (§ 83 b Abs. 2 AsylVfG) kommt nicht in Betracht, da es an dem erforderlichen Antrag (§ 10 Abs. 1 u. 2 BRAGO) fehlt.






VGH Baden-Württemberg:
Beschluss v. 18.11.1993
Az: A 13 S 2024/93


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