Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 21. Februar 2011
Aktenzeichen: 18 W 20/11

(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 21.02.2011, Az.: 18 W 20/11)

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 24.11.2010 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 28.10.2010 wird als unzulässig verworfen, soweit mit ihr ein Betrag von € 446,16 geltend gemacht wird.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Die Beklagten haben je zur Hälfte die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf € 1.840,45 festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Antrag der Beklagten vom 6.1.2011 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Parteien haben vor dem Landgericht Frankfurt am Main gestritten. Den Beklagten ist Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin A beigeordnet worden (Beschlüsse vom 7.6.2005, Bl. 85 ff d.A.). Da die Rechtsanwältin A ihre Anwaltszulassung im Juni € aufgegeben hatte, ist durch Beschluss vom 22.9€. (Bl. 177 d.A.) die Beiordnung der Frau A aufgehoben und den Beklagten Rechtsanwalt B beigeordnet worden. Der Rechtsstreit ist durch Schlussurteil vom 9.4.2010 (Bl. 408 ff d.A.) beendet worden. Die Rechtspflegerin des Landgerichts hat die außergerichtlichen Kosten durch Beschluss vom 28.10.2010 (Bl. 494 ff d.A.) ausgeglichen. Sie hat die auf Beklagtenseite entstandenen Kosten insoweit nicht berücksichtigt, als in Folge der Vertretung durch zwei Rechtsanwälte Mehrkosten entstanden sind. Gegen diesen am 22.10.2010 zugestellten Beschluss haben die Beklagten am 4.11.2010 sofortige Beschwerde eingelegt. Die Rechtspflegerin hat unter dem 6.12.2010 einen weiteren Festsetzungsbeschluss zu Gunsten der Beklagten erlassen. Hinsichtlich der sofortigen Beschwerde hat sie die Akte unter Nichtabhilfe vorgelegt (Beschluss vom 18.1.2011, Bl. 340 d.A.). Mit Schriftsatz vom 6.1.2011 (Bl. 524 f d.A.) haben die Beklagten die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren beantragt.

II.

21. Die sofortige Beschwerde ist grundsätzlich zulässig, insbesondere als solche statthaft und rechtzeitig eingelegt worden, §§ 104 III S. 1, II; 567 I Ziff.1; 569 I, II ZPO. Unzulässig - und nach § 572 II S. 2 ZPO zu verwerfen - ist das Rechtsmittel allerdings, soweit es an einer Beschwer der Beklagten fehlt.

Dies ist in zweierlei Hinsicht der Fall. Dabei legt der Senat den Beschwerdeantrag vom 24.11.2010 dahingehend aus, dass nicht der Betrag von € 2.592,18, sondern der unter Berücksichtigung der Erstattungsquote zu ermittelnde Anteil (71% x € 2.592,18 = € 1.840,45) mit dem Rechtsmittel verfolgt wird:

Die Rechtspflegerin hat zum einen die durch die Tätigkeit der früheren Rechtsanwältin A entstandenen Kosten sowie die Kosten, die zwar zu Gunsten des nachfolgend beauftragten Rechtsanwalts B angefallen sind, aber bei Fortführung des Mandats durch Rechtsanwältin A ebenfalls entstanden wären, im Rahmen der Kostenfestsetzung mit insgesamt € 3.425,72 (KfB Bl. 491 d.A., €außergerichtliche Kosten erster Instanz€) berücksichtigt. Insoweit ist in rechnerischer Hinsicht darauf hinzuweisen, dass von den Beklagten mit Festsetzungsantrag vom 1.9.2010 (Bl. 476 ff d.A.) die Berücksichtigung eines Betrags € 5.713,39 begehrt worden ist, so dass der Festsetzungsantrag lediglich in Höhe von € 2.287,67 (€ 5.713,39 - € 3.425,72), nicht aber in Höhe des mit der Beschwerde verfolgten Betrags von € 2.592,18 (siehe Beschwerdeantrag vom 24.11.2010, Bl. 503 d.A.) beziehungsweise der aus diesen Beträgen erstattungsfähigen Kostenquoten zurückgewiesen worden ist.

Zum anderen ist mit Beschluss vom 8.12.2010 (Bl. 516 d.A.) eine Gebührenerhöhung (0,3) berücksichtigt und der weitere Betrag von € 230,38 zu Gunsten der Beklagten festsetzt worden € so dass sich der festgesetzte Erstattungsanspruch auf insgesamt € 2.662,64 (€ 230,38 + 3.425,72 x 71%) beläuft.

Damit ergibt sich folgende Betrachtung: Die Beklagten verfolgen mit ihrer Beschwerde die Festsetzung eines weiteren Betrags von € 1.840,45 (s.o.). Im angegriffen Beschluss zu ihren Gunsten festgesetzt worden ist der Betrag von € 2.432,26 (€ 3.425,72 x 71%). Zuzüglich der mit Beschluss vom 8.12.2010 festgesetzten Summe von € 230,38 errechnet sich der Gesamtbetrag von € 2.662,64. Da mit dem Festsetzungsantrag vom 1.9.2010 eine Erstattung in Höhe von € 4.056,93 (€ 5.713,39 x 71%) geltend gemacht worden und nicht davon auszugehen ist, dass die Beklagten nunmehr einen höheren Betrag verfolgen, errechnet sich eine Differenz von € 1.394,29 (€ 4.056,93 - € 2.662,64). Die Beschwerde ist in Höhe eines Betrags von € 446,16 (€ 1.840,45 € € 1.394,29) unzulässig.

2. Soweit zulässig, hat das Rechtsmittel in der Sache keinen Erfolg. Denn über die bereits festgesetzten Ansprüche hinaus kann zu Gunsten der Beklagten im Verfahren nach §§ 104 ff ZPO kein weiterer prozessualer Erstattungsanspruch im Sinne von § 91 I ZPO festgesetzt werden.

2.1 Zutreffend hat die Rechtspflegerin die nach § 106 ZPO zu vorzunehmende Kostenausgleichung ohne Berücksichtigung des nach § 59 I RVG erfolgenden Übergangs anwaltlicher Vergütungsansprüche auf die Staatskasse vorgenommen. Denn der Erstattungsanspruch der Staatskasse aus übergegangenem Recht hängt von der Kostenausgleichung ab. Nur in Höhe des sich nach der Ausgleichung ergebenden Betrages kann der übergegangene Anspruch von der Staatskasse geltend gemacht werden (Brandenburgisches OLG, FamRZ 1998, 117; OLG München, RPfleger 82, 119).

2.2 Soweit die Rechtspflegerin durch die Festsetzung eines Erstattungsanspruchs für beide Beklagten nicht berücksichtigt hat, dass es sich bei den Beklagten als Streitgenossen nicht um Gesamtgläubiger (§ 428 BGB), sondern um Teilgläubiger (§ 420 BGB) handeln dürfte ( OLG Hamburg, JurBüro 1996, 259; OLG Koblenz, Rpfleger 1977, 216; Zöller/Herget ZPO 27. Aufl., § 100 Rn. 4), bedarf dies keiner Vertiefung. Denn eine diesbezügliche Korrektur hat ohnedies nicht zu erfolgen; da eine auf die fehlende Zulässigkeit des Kostenfestsetzungsantrags (Bestimmtheit) abstellende Aufhebung des Beschlusses an dem auch im Beschwerderecht geltenden Verbot der €reformatio in peius€ scheitern würde. Auch wenn es sich bei der vorliegend problematischen Bestimmtheit des Festsetzungsantrags um eine von Amts wegen zu beachtende Zulässigkeitsvoraussetzung handelt, misst der Senat in der vorliegenden Fallgestaltung der Geltung des Verschlechterungsverbots jedenfalls höheres Gewicht zu, als der Beachtung des Bestimmtheitgebots (Baumbach, 69. Aufl., § 528 Rd. 17).

2.3 Auch im Übrigen bedarf die Zulässigkeit des Festsetzungsantrags keiner Erörterung, denn den Klägern sind die durch die Beauftragung des Rechtsanwalts B entstandenen Kosten jedenfalls aus Sachgründen nicht zu erstatten. Dabei hat die Erörterung, ob der Vergütungsanspruch der Rechtsanwältin A gegebenenfalls wegen der Aufgabe der anwaltlichen Tätigkeit untergegangen ist (§§ 628 bzw. 326 BGB), zu unterbleiben. Denn im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens ist nicht zu prüfen, ob der anwaltliche Vergütungsanspruch gegenüber dem Mandanten bei Beendigung des Mandats erloschen und deshalb einer Erstattung entzogen ist, da derartig weit gehende materiellrechtliche Aspekte im vereinfachten Festsetzungsverfahren unbeachtlich sind (OLG München, MDR 2007, 1346 unter Hinweis auf BGH RVGreport 2007, 110 und Aufgabe der durch die Rechtspflegerin in Bezug genommenen bisherigen Rechtsprechung, siehe etwa AnwBl. 2002, 117, dazu auch BGH, NJW-RR 2007, 422).

11Maßgeblich ist vielmehr ausschließlich die nach § 91 II S. 2 ZPO relevante Frage, ob €in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste€. Dies ist im Falle der Beendigung des ersten Mandats dann der Fall, wenn diese der Partei nicht zugerechnet werden kann. Insoweit greift es allerdings zu kurz, den Aspekt des Anwaltsverschuldens allein dem materiellrechtlichen Bereich zuzuordnen und im Kostenfestsetzungsverfahren unbeachtet zu lassen (so etwa OLG München, a.a.O.). Denn nach § 85 II ZPO steht das prozessuale Verschulden des Bevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich (so auch OLG Celle, Beschluss vom 7.12.2010, Az.: 2 W 389/10, juris). Es besteht keine Veranlassung, die Vorschrift unter dem Gesichtspunkt der Kostenerstattung nicht für anwendbar zu halten. Abgesehen davon, dass der Wortlaut der Norm keinen entsprechenden Ansatz bietet, ist es sachgerecht, durch die Anwendung von § 85 II ZPO bereits im Festsetzungsverfahren (nicht erst im Verfahren zur Vollstreckungsgegenklage) zu vermeiden, die erstattungspflichtige Partei mit einem nicht ihrer Sphäre entstammenden Kostenrisiko zu belasten. Dabei hält es der Senat für geboten, im Hinblick auf das in § 91 II S. 2 ZPO genannte Merkmal des €Müssens€ auf den in § 85 II ZPO zum Ausdruck gebrachten Grundgedanken abzustellen und einen Anwaltswechsel jenseits eines Verschuldens im engeren Sinne auch dann für kostenschädlich zu halten, wenn dieser auf Umständen beruht, die der Rechtsanwalt voraussehen konnte oder jedenfalls in zumutbarer Weise hätte verhindern können (OLG Celle, a.a.O.). Da es sich bei der Erstattungsfähigkeit der durch einen weiteren Rechtsanwalt verursachten Kosten um die Ausnahme von der in § 91 II S. 2 ZPO genannten Regel handelt, obliegt es dem Kostengläubiger, das Nichtvorliegen derartiger Gründe darzulegen und glaubhaft zu machen.

Dies gelingt den Beklagten bereits auf Darlegungsebene nicht. Sie haben insbesondere in ihrem Schriftsatz vom 5.12.2010 nebst in Bezug genommener eidesstattlicher Versicherung der Frau A vom 30.11.2010 (Bl. 507 ff d.A.) zu den Gründen der Kanzleiaufgabe vorgetragen. In Ansehung dieses Vortrags mag die mit der Aufgabe der Anwaltstätigkeit von Frau A im Sommer € verbundene finanzielle Situation zum Zeitpunkt der Mandatsübernahme im Mai 2004 zwar nicht in einer Weise absehbar gewesen sein, die vor Vertragsschluss zu einem entsprechenden Hinweis veranlasst hätte. Auch dürfte davon auszugehen sein, dass die damalige Rechtsanwältin mit dem Verzicht auf ihre Rechte aus der Anwaltszulassung lediglich dem Widerruf ihrer Zulassung zuvorkam, nachdem sie die zwingend erforderliche Berufshaftpflichtversicherung nicht weiter unterhalten konnte (§§ 14 II Ziff. 9, 51 I BRAO). Die konkreten wirtschaftlichen Hintergründe, die letztlich zur Kanzleiaufgabe führten, bleiben indes auch bei Berücksichtigung €diverser Zahlungsausfälle€ (eidesstattl. Versicherung vom 30.11.2010, Bl. 510 d.A.) offen. Vor diesem Hintergrund kann nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die finanziellen Schwierigkeiten, in die die damalige Rechtsanwältin jedenfalls ab dem Jahr 2005 geriet, unter zumutbaren Anstrengungen hätten vermieden werden können oder gar eine Fortsetzung der Anwaltstätigkeit bei derartigen Bemühungen erlaubten.

3. Die Beklagten haben als Verursacher die wegen der Beschwerdezurückweisung entstehenden Gerichtskosten (Ziff. 1812 der Anlage I zu § 3 II GKG) zu tragen. Die Entscheidung zu den außergerichtlichen Kosten folgt aus § 97 I ZPO.

4. Der Beschwerdewert ergibt sich aus dem mit Schriftsatz vom 24.11.2010 gestellten Antrag in der oben (1.) dargestellten Auslegung.

5. Der Senat hält es im Hinblick auf die uneinheitliche Rechtsprechung zur Frage der Erstattungsfähigkeit doppelter Rechtsanwaltskosten für geboten, in Anwendung des § 574 II, III ZPO die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

6. Der Antrag der Beklagten auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren (Schriftsatz vom 6.1.2011, Bl. 525 d.A.) ist bereits mangels Erfolgsaussichten zurück zu weisen, § 114 S. 1 ZPO.






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