Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Februar 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 124/99

(BPatG: Beschluss v. 17.02.2000, Az.: 25 W (pat) 124/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. Dezember 1998 aufgehoben, soweit die Löschung der angegriffenen Marke aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 612 360 angeordnet worden ist.

Der Widerspruch aus dieser Marke wird zurückgewiesen.

Gründe I.

Die Bezeichnung TRIAPIN ist unter der Nummer 395 33 792 als Marke für "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse, nämlich Herz-Kreislaufmittel" in das Markenregister eingetragen worden. Das Warenverzeichnis ist im Laufe des Beschwerdeverfahren zunächst hilfsweise, dann unbedingt auf "verschreibungspflichtige pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich Herz-Kreislaufmittel" eingeschränkt worden Nach der Veröffentlichung der Eintragung am 29. Februar 1996 ist Widerspruch erhoben von der Inhaberin der älteren, seit dem 8. Oktober 1951 für "Arzneimittel, pharmazeutische Drogen und Präparate" eingetragenen Marke 612 360 Tridin.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patentamts hat die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken bejaht und die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Ausgehend von der Registerlage könnten die beiderseitigen Waren im engeren Ähnlichkeitsbereich liegen und sogar identisch sein. Demzufolge seien bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und uneingeschränkter Berücksichtigung von Laien zur Vermeidung von Verwechslungen strenge Anforderungen an den Markenabstand zu stellen, denen die angegriffene Marke zumindest in klanglicher Hinsicht nicht gerecht werde. Der klanglich Gesamteindruck der Markenwörter werde durch die übereinstimmende Lautfolge "TRI-IN" geprägt. Auch in der Silbenzahl sowie im Sprech- und Betonungsrhythmus seien keine Unterschiede festzustellen. Die Abweichungen im übrigen seien zu geringfügig, um der Verwechslungsgefahr in ausreichendem Umfang entgegenzuwirken.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke mit den Anträgen, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.

Die Widerspruchsmarke werde laut Roter Liste für ein Mineralstoffpräparat (Kautablette) zur Behandlung der Osteoporose benutzt. Damit lägen die Vergleichswaren nicht im engeren Ähnlichkeitsbereich. Im Hinblick auf die Verschreibungspflicht zählten zu den angesprochenen Verkehrskreisen in erster Linie die verschreibenden Ärzte. Das Fachpublikum sei jedoch aufmerksam und unterscheide genauestens zwischen den verschiedenen Indikationslinien. Entgegen der Auffassung der Markenstelle seien die Silbenzahl sowie der Sprech- und Betonungsrhythmus der Markenwörter nicht gleich, sondern unterschiedlich.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Auf die Gründe im Beschluß der Markenstelle werde Bezug genommen. Auch wenn unter den Kollisionsmarken verschreibungspflichtige Präparate vertrieben würden, sei die Verwechlungsgefahr nicht ausgeräumt. Auch die Arzneimittelsicherheit sei nicht gewahrt. Gerade bei einer undeutlichen Handschrift des Arztes bestehe bei den starken Übereinstimmungen der Markenwörter Verwechslungsgefahr.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluß der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG.

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Nach Auffassung des Senats besteht keine Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, so daß der nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobene Widerspruch gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückzuweisen ist.

Bei den Waren ist von der Registerlage auszugehen. Der Vortrag der Inhaberin der angegriffenen Marke, die Widerspruchsmarke werde für ein Mineralstoffpräparat (Kautablette) zur Behandlung der Osteoporose benutzt, kann nicht als Nichtbenutzungseinrede ausgelegt werden. Die Absicht, die Benutzung - auch nur beschränkt - bestreiten zu wollen, kommt darin nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck (vgl allgemein zu den Anforderungen einer Nichtbenutzungseinrede Althammer/Ströbele MarkenG, 5. Aufl, § 43 Rdn 16), so daß auf seiten der Widerspruchsmarke eine nur eingeschränkte Berücksichtigung von Waren gemäß § 43 Abs 1 Satz 3 MarkenG nicht in Betracht kommt. Letztlich kommt es aber auf Benutzungsfragen nicht an, da nach Auffassung des Senats schon nach der Registerlage keine Verwechslungsgefahr besteht. Demgemäß konnte auch dahinstehen, ob die Inhaberin der angegriffenen Marke die Einrede in der mündlichen Verhandlung noch mit Rechtswirkung hätte erheben können oder nicht.

Ausgehend von der Registerlage können die Marken zur Kennzeichnung gleicher Waren verwendet werden, denn jedenfalls der im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthaltene weite Oberbegriff "Arzneimittel" umfaßt die speziellen pharmazeutischen Erzeugnisse der Widerspruchsmarke.

Verwechslungsmindernd ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Waren der angegriffenen Marke rezeptpflichtig sind. Dies führt zwar nicht dazu, daß bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ausschließlich auf das Unterscheidungsvermögen von Fachleuten abzustellen ist. Die Zahl der mündlichen Benennungen - insbesondere durch die Verbraucher - ist jedoch erheblich reduziert, weshalb die Gefahr von Verwechslungen im Regelfall herabgesetzt ist (so schon BGH GRUR 1968, 550 ff, 552 - "Poropan"). In neueren Entscheidungen führt der BGH aus, daß bei rezeptpflichtigen Präparaten jedenfalls überwiegend auf die Verwechslungsgefahr in den Fachkreisen von Ärzten und Apothekern abzustellen sei (vgl hierzu BGH GRUR 1993, 118 ff, 119 - "Corvaton/Corvasal" und GRUR 1995, 50 ff, 52 - "Indorektal/Indohexal"), was in gewissem Umfang auch bei einseitiger Rezeptpflicht gilt (vgl dazu BGH MarkenR 1999, 154, 156 - Cefallone). Dies führt dazu, daß die Anforderungen an den Markenabstand jedenfalls etwas zu reduzieren sind, da die angesprochenen Fachleute berufsbedingt im Umgang mit Arzneimitteln regelmäßig sehr sorgfältig sind und deshalb Markenverwechslungen weniger unterliegen als Laien, zumal Fachleute fast immer auch über profunde Markt- und Markenkenntnisse verfügen.

Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus, da entgegenstehende Anhaltspunkte nicht ersichtlich sind.

Die Ähnlichkeit der Marken ist nach Auffassung des Senats in keiner Richtung derart ausgeprägt, daß unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der Warenlage die Gefahr von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen wäre. Auch wenn trotz Rezeptpflicht angesichts möglicher Warenidentität eher noch strenge Anforderungen an den Markenabstand gestellt werden, wird die angegriffene Marke diesen gerecht.

Im schriftbildlichen Markenvergleich, der im Hinblick auf die Rezeptpflicht im Vordergrund steht, unterscheiden sich die relativ kurzen und übersichtlichen Markenwörter nach Auffassung des Senats trotz der Übereinstimmung in den Wortanfängen "Tri" und in den Endungen in allen verkehrsüblichen Wiedergabeformen aufgrund der in ihrer Umrißcharakteristik deutlich unterschiedlichen Buchstaben in der Wortmitte "ap" bzw "AP" gegenüber "d" bzw "D" auch im Gesamteindruck noch hinreichend deutlich, wobei auch der Mehrbuchstabe bei der angegriffenen Marke angesichts der Kürze der Markenwörter noch unterscheidungserleichternd zum Tragen kommt. In Normalschreibweise mit großem Anfangsbuchstaben und nachfolgender Kleinschreibung weisen die Marken für die Umrißcharakteristik wichtige abweichende Ober- und Unterlängen auf. Von Bedeutung ist bei der Beurteilung schließlich, daß die Kennzeichnungen im Schriftbild erfahrungsgemäß mit etwas größerer Sorgfalt wahrgenommen werden als im Klangbild, das häufig bei flüchtiger mündlicher Benennung entsteht.

Zu berücksichtigen ist, daß die handschriftliche Markenwiedergabe mit einer im Vergleich zur Maschinenschrift unter Umständen etwas undeutlicheren Markendarstellung bei pharmazeutischen Kennzeichnungen eine immer geringere Rolle spielt. Diese Tendenz wird sich in Zukunft vermutlich noch verstärken. Arzneimittelbestellungen werden von den Apotheken beim Pharmagroßhandel in der Regel bereits auf elektronischem Wege von Computer zu Computer über das Fernmeldenetz aufgegeben. Im Hinblick darauf, daß inzwischen die meisten Arztpraxen und Apotheken über eine EDV-Ausstattung verfügen, werden Rezepte und Bestellungen ganz überwiegend nicht mehr handschriftlich, sondern maschinenschriftlich erstellt, so daß die Marken in erster Linie insoweit zu vergleichen sind. Soweit bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr noch auf eine handschriftliche Wiedergabe abzustellen ist, muß der Beurteilung eine normal leserliche Handschrift zugrunde gelegt werden (vgl Althammer/Ströbele MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 91). Unleserliche Angaben auf Rezepten, auch in der Wortmitte der Präparatebezeichnungen führen nicht zu Verwechslungen, sondern regelmäßig nur zu Rückfragen des Apothekers beim Arzt.

Soweit mündliche Benennungen zu berücksichtigen sind, besteht auch keine Verwechslungsgefahr. Die Vergleichsbezeichnungen stimmen zwar in der Anfangssilbe "Tri" und in der Endung "in" überein. Demgegenüber heben sich die Markenwörter, die wohl keine Kurzwörter im Sinne der Rechtsprechung, gleichwohl aber relativ kurz und leicht erfaßbar sind, in der Vokalfolge und in der Sprechsilbenzahl und daraus folgend vor allem im Sprech- und Betonungsrhythmus bei einer Aussprache wie "Triapin" gegenüber "Tridin" ziemlich deutlich voneinander ab. Entgegen der Auffassung der Markenstelle kann vorliegend insoweit gerade nicht von einer Übereinstimmung ausgegangen werden, da der Anfangsbestandteil "TRIA" der angegriffenen Marke regelmäßig nicht zu einer Sprechsilbe zusammengezogen wird, sondern wegen der unmittelbar aufeinanderfolgenden Vokale "i" und "a" in zwei Sprechsilben zerfällt. Selbst wenn diese beiden Vokale etwas verschliffen ausgesprochen werden sollten, bleibt ein gewisser Unterschied im Sprech- und Betonungsrhythmus unüberhörbar. Der allein in der angegriffenen Marke vorhandene Vokallaut "a" tritt klanglich trotz seiner Stellung in der Wortmitte auffällig in Erscheinung und bewirkt gegenüber der Widerspruchsmarke, die nur den hellen Vokal "i" enthält, einen deutlichen Kontrast. Dies führt nach Auffassung des Senats insgesamt zu einem ausreichend unterschiedlichen klanglichen Gesamteindruck der Markenwörter.

Gesichtspunkte der Arzneimittelsicherheit, welche die Widersprechende zur Begründung ihres Standpunktes herangezogen hat, können im markenrechtlichen Widerspruchsverfahren keine Berücksichtigung finden. Sinn und Zweck dieses Verfahrens ist der Schutz der Markeninhaber vor unzulässigen Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit geschäftlichen Vorgängen und sei es auch nur im Rahmen von Kaufempfehlungen unter Verbrauchern. Dies wird besonders deutlich, wenn die Auswirkungen des Warenabstandes für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr nach anerkannten markenrechtlichen Grundsätzen (vgl zB BGH GRUR 1993, 118 ff, 119 reSp unter II.3. "Corvaton/Corvasal") betrachtet werden, die jetzt auch in der gesetzlichen Regelung des § 9 Abs 1 Nr 1 und Nr 2 MarkenG zum Ausdruck kommen. So ist die markenrechtliche Verwechslungsgefahr dann am größten, wenn die Waren im markenrechtlichen Sinne identisch sind. Dies schließt im Arzneimittelbereich Warenkonstellationen ein, bei denen sich Produkte für identische Indikationsbereiche mit gleichen Wirkstoffen in gleicher Darreichungsform und Dosierung gegenüberstehen. Verwechslungen zwischen solchen Waren sind unter dem Gesichtspunkt der Arzneimittelsicherheit irrelevant, da gerade in diesen Fällen keine Gefahr für die Gesundheit der Patienten besteht. Umgekehrt wirkt sich ein deutlicher Indikationsabstand markenrechtlich verwechslungsmindernd aus, obwohl gerade hier rein tatsächliche Verwechslungsfälle, insbesondere bei kontraindizierten Arzneimitteln für die Patienten besonders gefährlich sein können (vgl zum Problem der Arzneimittelsicherheit im markenrechtlichen Verfahren auch BPatG BlPMZ 1998, 34 - FOSTRAN/ZO-FRAN).

Der Widerspruch konnte nach alledem in der Beschwerdeinstanz keinen Erfolg haben. Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hin war die Entscheidung der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben und der Widerspruch zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Brandt Knoll Pü






BPatG:
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Az: 25 W (pat) 124/99


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