Landgericht Köln:
Urteil vom 22. Oktober 2009
Aktenzeichen: 31 O 552/08

(LG Köln: Urteil v. 22.10.2009, Az.: 31 O 552/08)

Tenor

1. Unter Abweisung der Klage im übrigen werden die Beklagten verurteilt, es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € - ersatzweise Ordnungshaft - oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

über das Internet in Deutschland befindlichen Personen die Möglichkeit anzubieten und/oder zu verschaffen, Glücksspiele, insbesondere Sportwetten zu festen Gewinnquoten sowie Kasinospiele, insbesondere Poker, Videopoker, Black Jack, Roulette, Baccara, Keno, Bingo und virtuelle Slotmachines sowie Kartenspiele und Brettspiele gegen Entgelt einzugehen und/oder abzuschließen und/oder diese Möglichkeit zu bewerben, wie nachstehend beispielhaft wiedergegeben

(Es folgt eine mehrseitige Darstellung)

Tatbestand

Die Klägerin ist die staatliche Lotteriegesellschaft des Landes Nordrhein-Westfalen. Sie bietet über Lottoannahmestellen die Teilnahme an Lotterien und Sportwetten an. Die Beklagte zu 1) ist eine juristische Person nach dem Recht von Gibraltar. Sie bietet über das Internet Spiele um echtes Geld und Sportwetten an. Sie ist in Inhaberin einer gibraltischen Glücks- und Spiellizenz. Der Beklagte zu 2) ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 1).

Auf der Internetpräsenz "anonym1.com" bietet die Beklagte zu 1) bundesweit Spiele mit echtem Geld und Sportwetten zu festen Odds an. Das Angebot der Beklagten zu 1) wird in Deutschland seit 2003 beworben. Die Startseite der Domain "anonym1.com" so wie die ihr untergeordneten Seiten erscheinen in deutscher Sprache. Wegen der weiteren Einzelheiten der streitgegenständlichen Internetseite wird auf die im Tenor eingeblendeten Screenshots verwiesen.

Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu 1) ist jeder Teilnehmer verpflichtet dafür Sorge zu tragen, dass bei der Registrierung und Teilnahme am Wett- und Spielangebot die jeweils geltenden gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass das Angebot der Beklagten zu 1) gegen § 4 GlüStV und gegen § 284 Abs. 1 StGB verstoße, sowie bei der Bewerbung ein Verstoß gegen § 5 Abs. 3 GlüStV vorliege.

Die Klägerin beantragt,

Die Beklagten zu verurteilen, es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs über das Internet in Deutschland befindlichen Personen die Möglichkeit anzubieten und/oder zu verschaffen, Glücksspiele, insbesondere Sportwetten zu festen Gewinnquoten sowie Kasinospiele, insbesondere Poker, Videopoker, Black Jack, Roulette, Baccara, Keno, Bingo und virtuelle Slotmachines sowie Kartenspiele und Brettspiele gegen Entgelt einzugehen und/oder abzuschließen, sei es durch Abschluss eines Wett- und/oder Spielvertrages mit der Beklagten zu 1) oder einer Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1), und /oder diese Möglichkeit zu bewerben,

hilfsweise,

Die Beklagten zu verurteilen, es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs über das Internet in Deutschland befindlichen Personen die Möglichkeit anzubieten und/oder zu verschaffen, Glücksspiele, insbesondere Sportwetten zu festen Gewinnquoten sowie Kasinospiele, insbesondere Poker, Videopoker, Black Jack, Roulette, Baccara, Keno, Bingo und virtuelle Slotmachines sowie Kartenspiele und Brettspiele gegen Entgelt einzugehen und/oder abzuschließen, sei es durch Abschluss eines Wett- und/oder Spielvertrages mit der Beklagten zu 1) oder einer Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1), und /oder diese Möglichkeit zu bewerben, wie in der im Tenor eingeblendeten konkreten Form.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die Entgegennahme von Spielaufträgen nach Ziff. 1 von Spielteilnehmern aus Nordrhein-Westfalen seit dem 18.03.2008 entstanden ist oder künftig noch entstehen wird.

Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über die Umsätze, welche die Beklagte zu 1) durch die Entgegennahme von Spielaufträgen nach Ziff. 1 von Spielteilnehmern aus Nordrhein-Westfalen seit dem 18.03.2008 erzielt hat.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind insbesondere der Auffassung, dass die Klageanträge nicht den Bestimmtheitsanforderungen genügen, da sie rechtlich nicht näher bestimmte Begriffe wie "Glücksspiele" enthalten. Ferner sind sie der Auffassung, dass die Klägerin ohnehin nur ein auf Nordrhein - Westfalen beschränktes Unterlassungsgebot hinsichtlich des Anbietens von Sportwetten erwirken könne. Es fehle an einem deutschlandweiten Wettbewerbsverhältnis, da die Klägerin eine regionale Anbieterin sei. Hinsichtlich der sog. Casinospiele fehle es gänzlich am Wettbewerbsverhältnis. Die Casinospiele seien - im Gegensatz zum Angebot der Klägerin - auf eine schnelle Spielabfolge und Interaktivität ausgerichtet.

Vor allem stehen der Klage nach Auffassung der Beklagten jedoch verfassungsrechtliche und gemeinschaftsrechtliche Bedenken entgegen. Der GlüStV verstoße gegen die Berufsfreiheit des Art. 12 GG und die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EGV. Insbesondere sei das Sportwettenmonopol in sich nicht ansatzweise systematisch und kohärent, da die Monopolstellung auf fiskalische Gründe zurück zu führen sei. Zudem genüge die deutsche Wettpolitik im Allgemeinen nicht dem Maßstab des EuGH einer "systematischen und kohärenten" Eindämmung der Wettleidenschaft.

Der Beklagte zu 2) ist darüber hinaus der Auffassung, dass sich das Internetangebot der Beklagten zu 1) nicht an Teilnehmer in der Bundesrepublik Deutschland richte. Zudem sei es auch gemeinschaftsrechtswidrig, da der GlüStV ungerechtfertigt in die Niederlassungsfreiheit eingreife.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage ist teilweise unzulässig und im Übrigen überwiegend begründet.

Die Klage ist zulässig, soweit sie nicht den Hauptantrag zu 1. betrifft.

Der Hauptantrag zu 1. ist unzulässig. Die Klägerin hat trotz des erteilten Hinweises in der mündlichen Verhandlung am 10.09.2009 einen nicht hinreichend bestimmten Hauptantrag gestellt. Ein Antrag ist nur dann hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn er den erhobenen Anspruch genau bezeichnet. Eine genaue Bezeichnung erfordert vorliegend die Wiedergabe der konkreten Verletzungsform des Unterlassungsgebots. Nur bei Wiedergabe der konkreten Verletzungsform ist überprüfbar, ob ein Anbieten und Bewerben von Glücksspielen und Sportwetten vom Kern des Tenors der Entscheidung erfasst ist. An der Darstellung der konkreten Verletzungsform fehlt es im Hauptantrag zu 1. Der Hauptantrag zu 1. geht damit über die konkrete Verletzungsform hinaus. Er würde undifferenziert das Anbieten und Bewerben von jeglichen Glückspielen und Sportwetten verbieten.

Im Übrigen ist die Klage zulässig. Die Zulässigkeit ergibt sich insbesondere aus der Zuständigkeit des Landgerichts Köln und der Bestimmtheit des Hilfsantrags zu 1., so wie der Anträge zu 2. und 3.

Das Landgericht Köln ist international und örtlich zuständig, Art. 5 Nr. 3 EuGVVO, § 14 Abs. 2 UWG. Der Erfolgsort der angegriffenen Handlung liegt in Deutschland. Der angegriffene Internetauftritt der Beklagten zu 1) richtet sich bestimmungsgemäß an Teilnehmer, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Der Internetauftritt ist in deutscher Sprache gehalten. Ungefähr ¾ aller Muttersprachler der deutschen Sprache leben in der Bundesrepublik Deutschland. Zudem erfolgt seit dem Jahr 2003 eine Bewerbung in Deutschland. Unter Berücksichtigung der zuvor genannten Umstände erscheint der Einwand des Beklagten zu 2) unglaubhaft, dass die deutsche Sprache wegen der bereits erworbenen staatlichen Konzession in Österreich für die Durchführung von Glücksspielen in Österreich gewählt worden sei. Gleiches gilt für den Vortrag des Beklagten zu 2), dass die Einstellung des Internetauftritts von der Voreinstellung im Browser abhängig sei. Den Beklagten steht es frei, eine andere Einstellung für die Sprachvorauswahl zu nutzen. Denkbar wäre insoweit eine Einstellung über die IP-Adresse.

Der hilfsweise gestellte Klageantrag zu 1. ist ebenso wie die Anträge zu 2. und 3. hinreichend bestimmt. Für die Beklagten ist aus dem Tenor ersichtlich, was sie zu unterlassen haben, bzw. wozu sie verpflichtet sind. Dies ergibt sich insbesondere aus der Darstellung der konkreten Form des Anbietens und Bewerbens von Glücksspielen und Sportwetten durch die im Tenor eingeblendeten Screenshots.

Die Klage ist überwiegend begründet. Die Klägerin kann von den Beklagten Unterlassung der streitgegenständlichen Handlungen, sowie Schadensersatz und Auskunft verlangen.

Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch gegenüber den Beklagten aus §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. 4 Abs. 4, 5 Abs. 3 GlüStV, 2 Abs. 1 Gesetz des Landes NRW zum GlüStV, 284 Abs. 1 und 4 StGB zu.

Die Klägerin und die Beklagte sind Mitbewerber im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Danach besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, wenn Unternehmer versuchen, die gleichen oder gleichartigen Dienstleistungen innerhalb desselben Abnehmerkreises abzusetzen (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, § 2 Rn. 94). Beide Parteien bieten Glücksspiele und Sportwetten zu festen Quoten an. Ein Glücksspiel liegt nach § 3 Abs. 1 S. 1 GlüStV vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Dies gilt auch für die Casinospiele der Beklagten zu 1). Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es also nicht darauf an, dass die Casinospiele der Beklagten zu 1) auf eine schnelle Spielabfolge und Interaktivität ausgerichtet sind. Ferner ist die unterschiedliche Vertriebsart der Parteien unerheblich. Dies gilt auch schon deshalb, weil es den Beklagten nicht zu Gute kommen kann, dass sie ihr Angebot entgegen gesetzlicher Vorgaben über das Internet anbietet und die Klägerin nicht.

Die streitgegenständlichen Internetangebote der Beklagten zu 1) verstoßen gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 4 Abs. 4, 5 Abs. 3 GlüStV, 2 Abs. 1 Gesetz des Landes NRW zum GlüStV, 284 Abs. 1 und 4 StGB. Der Verstoß ist dem Beklagten zu 2) als gesetzlicher Vertreter zurechenbar, da er Einfluss auf die Gestaltung der streitgegenständlichen Internetseite hat.

§§ 4 Abs. 4, 5 Abs. 3 GlüStV, 2 Abs. 1 Gesetz des Landes NRW zum GlüStV und 284 Abs. 1 und 4 StGB stellen Marktverhaltensregeln i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG dar, da sie insbesondere dem Schutz des Verbrauchers dienen.

§ 4 Abs. 4 GlüStV untersagt das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet. Mit ihrem Internetangebot unter "anonym1.com" veranstaltet die Beklagte zu 1) öffentliche Glücksspiele.

Dies gilt entgegen der Auffassung des Beklagten zu 2) auch für die Spiele Backgammon, Skat und Doppelkopf. Ein Glücksspiel liegt nach § 3 Abs. 1 GlüStV vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Zwar ist zuzugeben, dass eine Erfahrung und eine gute Auffassungsgabe des Spielers den Spielablauf bei Backgammon, Skat oder Doppelkopf begünstigen. Dies macht die Spiele jedoch noch nicht zu Geschicklichkeitsspielen. Entscheidend für ihre Einordnung ist es, dass bei den Spielen das Zufallsmoment im Vordergrund steht, entweder durch ein "gutes Blatt" oder durch "gute Würfel".

Die Beklagte zu 1) veranstaltet und vermittelt das Glücksspiel auch in Deutschland. Ein Glückssiel wird nach § 3 Abs. 4 GlüStV dort veranstaltet und vermittelt, wo dem Spieler die Möglichkeit der Teilnahme eröffnet wird. An dem Angebot der Beklagten zu 1) können Personen teilnehmen, die sich in Deutschland aufhalten.

Es ist nicht ausreichend, dass die Beklagte zu 1) in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen darauf hinweist, dass nur Personen zur Teilnahme berechtigt seien, die durch die Teilnahme am Glücksspiel oder den Sportwetten nicht gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Die Beklagte zu 1) müsste vielmehr gewährleisten, dass eine Teilnahme an ihrem Angebot innerhalb der Bundesrepublik Deutschland nicht durchführbar ist. Dies ist ihr auch technisch möglich, in dem sie das Angebot beispielsweise für IP-Adressen sperrt, die der Bundesrepublik Deutschland zugeordnet sind.

Nach § 5 Abs. 3 GlüStV ist die Werbung für öffentliches Glücksspiel im Internet verboten. Die Beklagte zu 1) bewirbt ihr Glücksspielangebot unter der Domain "anonym1.com" in der in den Screenshots des Tenors wiedergegebenen konkreten Form.

Die Veranstaltung von unerlaubten öffentlichen Glücksspielen erfüllt zudem den Tatbestand des § 284 Abs. 1 StGB, die Werbung für dieselben den Tatbestand des § 284 Abs. 4 StGB. Die Beklagte zu 1) verfügt nicht über eine behördliche Erlaubnis zur Veranstaltung eines öffentlichen Glücksspiels in der Bundesrepublik Deutschland.

Die Normen des GlüStV erfüllen die Anforderungen, welche das Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht an die Regelungen des Glücksspielrechts stellen.

Es liegt bereits kein Eingriff in die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43 EGV vor. Der EuGH hat in der "Liga Portuguesa"- Entscheidung (Urteil vom 08.09.200.

In der Rechtssache C - 42/07) ausgeführt, dass keine Anhaltspunkte für die Anwendbarkeit der Grundsätze über die Niederlassungsfreiheit gegeben sind, wenn der Betroffene ausschließlich über das Internet agiert. Vielmehr müsste für die Anwendbarkeit von Art. 43 EGV dargelegt werden, dass die Beklagten sich in dem betroffenen EU-Land niedergelassen haben oder dies zumindest beabsichtigen. Entsprechendes haben die Beklagten nicht dargelegt.

Der Eingriff in Art. 12 GG und Art. 49 EGV ist gerechtfertigt. Die Neuregelung des Glücksspielrechts im GlüStV genügt im vollem Umfang den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28.03.2006 (1 BvR 1054/01) für die Rechtfertigung eines staatlichen Monopols für Sportwetten und einen Eingriff in die Berufsfreiheit im Sinne einer objektiven Berufswahleinschränkung aufgestellt hat.

An der Geeignetheit dieser Maßnahme zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels bestehen keine Zweifel. Zudem sind die Regelungen des GlüStV auch erforderlich. Alternative, weniger einschneidende, aber ebenso geeignete Maßnahmen sind unter Berücksichtigung der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers nicht ersichtlich.

Der GlüStV zielt auf die Verhinderung von Glücksspiel- und Wettsucht ab und schafft eine wirksame Suchtbekämpfung. Dies ergibt sich schon aus den vorliegend entscheidungserheblichen Normen der §§ 4 Abs. 4, 5 Abs. 3 GlüStV. Nach § 4 Abs. 4 GlüStV besteht ein grundsätzliches Verbot für das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glückspiele im Internet. § 5 Abs. 3 GlüStV regelt ein Werbeverbot im Internet. Die Kammer kann aus eigener Sachkunde beurteilen, dass gerade vor dem Hintergrund des im Rahmen der Suchtprävention besonders wichtigen Jugendschutzes der Vertriebsweg und die Werbung über das Internet sehr bedenklich sind. Im Internet ist eine effektive Alterskontrolle der Teilnehmer nicht möglich. Ferner fehlt es bei dem Spielen am heimischen Computer an der sozialen Kontrolle. Hinzu kommt eine geradezu grenzenlose Vielfalt des Angebots, die dem Ziel der Begrenzung des Glücksspiels nach § 1 Nr. 2 GlüStV widerspricht. (vgl. BVerfG, Urteil v. 28.03.2006, Az: 1 BvR 1054/01, Rn 139; BVerfG, Beschluss v. 14.10.2008, 1 BvR 928/08, Rn. 40, 48, 59; Schlussanträge des Generalanwalts Yves Bot in der Rechtssache C- 42/07 "Liga Portuguesa", Rn. 266 ff.; LG Köln, Urteil v. 09.07.2009, Az. 31 O 599/08) Bestätigt wird das Ziel der Suchtprävention durch die weiteren im GlüStV geregelten Beschränkungen (vgl. §§ 4 Abs. 3, 5 - 11 und 21 GlüStV) und die in § 1 GlüStV normierten Zielsetzungen.

Im Hinblick auf die überragende Bedeutung der mit der Regelung verfolgten Gemeinwohlziele bestehen auch keine Zweifel daran, dass die Rechtsfolgen des GlüStV und des § 284 StGB verhältnismäßig im engeren Sinne sind. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich aus den Regelungen im GlüStV kein Verbot des Geschäftsmodells der Anbieter von grenzüberschreitenden Online-Glücksspielen an sich ergibt. Das Angebot darf sich lediglich nur nicht an in Deutschland aufhaltende Personen richten. Den Beklagten ist eine Beschränkung ihres Angebots durch die Überprüfung der IP-Adresse der Teilnehmer und ggf. der Nutzung eines deutlich sichtbaren Disclaimers auch zumutbar.

Da die Neuregelung des Glücksspielrechts im GlüStV keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, ist auch von einer Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht auszugehen. Die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts entsprechen insoweit denen des Grundgesetzes (BVerfG, Urteil v. 28.03.2006, "Oddset", Az. 1 BvR 1054/01, Rn. 144; BGH, Urteil v. 14.02.2008, Az. 1 ZR 207/05, Rn. 24). So zeigt auch die Verhältnismäßigkeitsprüfung des EuGH in der "Liga Portuguesa"- Entscheidung (s. o.), dass er dem Gesetzgeber im einzelnen EU-Mitgliedstaat eine weite Einschätzungsprägorative zuspricht. Dies gilt gerade im Bereich des Glücksspielrechts, in dem beträchtliche sittliche, religiöse und kulturelle Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen.

Es ist auch entgegen der Auffassung der Beklagten keine strengere Prüfung der Systematik und Kohärenz im Glücksspielrecht insgesamt vorzunehmen. Es kommt alleine auf die kohärente Regelung des vom GlüStV normierten Bereichs des Glückspielrechts an (BVerfG, Beschluss v. 20.03.2009, Az. 1 BvR 2410/08, Rn. 17; LG Köln, Urteil v. 09.07.2009, Az.: 31 O 599/08 m.w.N.) Der EuGH hat wiederholt die Systematik und Kohärenz nur bezüglich einer einzelnen Regelung überprüft. Beispielhaft sei auf die Überprüfung in der "Liga-Portuguesa"-Entscheidung (s. o.) hingewiesen, in der es um die Beschränkung des Anbietens von Glücksspielen über das Internet ging. Eine abweichende rechtliche Beurteilung kann auch nicht aus der "Placanica"- Entscheidung (Urteil vom 06.03.2007 in der Rechtssache C-338/04, 359/04, 360/04) hergeleitet werden. In dieser hat der EuGH das Kohärenzerfordernis nur bezüglich der zahlenmäßigen Beschränkung der Konzessionen überprüft. Er hat in dem Verfahren allerdings innerhalb des konkreten Regelungsbereichs eine nationale Politik gesehen, die den Zielen, welche die Einschränkung der Grundfreiheiten rechtfertigen könnten, deutlich widersprach. Ein solcher Widerspruch ist im Regelungsbereich des GlüStV weder von der Beklagten vorgetragen noch sonst erkennbar.

Ob das Anbieten von Sportwetten durch die Klägerin von der ihrer Gesellschafterin erteilten Erlaubnis gedeckt ist, hat die Kammer bei der Prüfung des Unterlassungsanspruches nicht zu entscheiden. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass der Einwand des Verletzers, der Verletzte handele ebenso wettbewerbswidrig, jedenfalls dann unerheblich ist, wenn Interessen Dritter oder der Allgemeinheit berührt werden (OLG Köln, Urteil v. 14.09.2007, Az. 6 U 63/06 m.w.N.) Vorliegend sind die Interessen der Allgemeinheit an der Verhinderung bzw. der Bekämpfung von Spiel- und Wettsucht betroffen.

Der Unterlassungsanspruch der Klägerin besteht deutschlandweit. Ein Verhalten ist im Interesse der Marktteilnehmer und der Allgemeinheit grundsätzlich bundesweit zu untersagen, wenn es bundesweit als unlauterer Wettbewerb anzusehen ist. Dies ist vorliegend gegeben, da das Verhalten der Beklagten zu 1) nicht nur in Nordrhein-Westfalen wettbewerbswidrig ist, sondern auch in allen anderen Bundesländern gegen den GlüStV i.V.m. den landesrechtlichen Ausführungsgesetzen und § 284 StGB verstößt.

Die Beklagten können sich insoweit auch nicht auf die Ausführungen des BGH in der Oddset - Entscheidung (Urteil v. 14.02.2008, Az. ZR 207/05) berufen. Der dortigen Entscheidung lag ein Ausnahmefall zu Grunde, da das angegriffene Verhalten jedenfalls in dem regional begrenzten Wirkungskreis der dortigen Klägerin gerade nicht als wettbewerbswidrig angesehen wurde.

Der Hilfsantrag ist unbegründet, soweit er sich auf eine Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1) bezieht. Die Klägerin hat weder dargelegt, dass die Beklagte zu 1) eine Tochtergesellschaft hat noch welche Tätigkeiten diese konkret ausübt.

Der Klägerin stehen die Annexansprüche gegenüber den Beklagten aus §§ 242 BGB, 9 UWG zu. Hinsichtlich des zeitlich beschränkten Auskunftsanspruchs ist die Kammer an die Antragsfassung nach § 308 ZPO gebunden. In Bezug auf den Schadensersatzanspruch erscheint es möglich, dass der Klägerin durch das Angebot der Beklagten zu 1) ein Schaden entstanden ist. Es ist denkbar, dass an dem angegriffenen Angebot der Beklagten Spieler aus Nordrhein-Westfalen teilgenommen haben, welche andernfalls an dem Glücksspielangebot der Klägerin teilgenommen hätten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Bei der Bemessung der Kostenquote hat die Kammer berücksichtigt, dass die Klage nur mit dem Hilfsantrag Erfolg hat, so weit sich dieser nicht auf eine Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1) bezieht.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO. Bei der Höhe der Sicherheitsleistung der Vollstreckung aus dem Tenor zu 1. hat die Kammer das Interesse der Beklagten an der Fortführung ihres deutschen Internetangebots berücksichtigt.

Streitwert: 250.000 €






LG Köln:
Urteil v. 22.10.2009
Az: 31 O 552/08


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