Oberlandesgericht München:
Beschluss vom 18. Februar 2014
Aktenzeichen: 31 Wx 211/13, 31 Wx 211/2013

(OLG München: Beschluss v. 18.02.2014, Az.: 31 Wx 211/13, 31 Wx 211/2013)

Für die Schätzung des Unternehmenswertes bei einem Stichtag Anfang 2010 kann ein Risikozuschlag von 4 % geeignet sein, wenn das Risiko des zu bewertenden Unternehmens in etwa dem des gesamten Marktes entspricht.

Tenor

I. Die Beschwerden der Antragsteller zu 18, 39 - 42, 53, 70, 71, 82 - 85, 88 - 91 und 94 gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 28.3.2013 werden zurückgewiesen.

II. Die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

III. Die Antragsgegnerin trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens sowie die Vergütung und die Auslagen des gemeinsamen Vertreters der außenstehenden Aktionäre.

IV. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet im Beschwerdeverfahren nicht statt.

V. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 582.112 € festgesetzt.

VI. Die Vergütung des gemeinsamen Vertreters für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.984,92 € festgesetzt.

Gründe

I.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die angemessene Barabfindung nach Ausschluss der Minderheitsaktionäre.

Die Antragsteller waren Aktionäre der T. AG. Die Gesellschaft vertreibt europaweit Kopierer, Scanner, Drucker- und Faxgeräte, die die Antragsgegnerin herstellt, sowie zugehörige Dienstleistungen. Die Antragsgegnerin hatte am 16.12.2008 ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot zum Preis von 1,90 € je Aktie unterbreitet. Auf Verlangen der Antragsgegnerin beschloss die Hauptversammlung am 20.4.2010, die Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Antragsgegnerin zu übertragen. Die Eintragung in das Handelsregister erfolgte am 13.10.2010, die Veröffentlichung am 15.10.2010. Die angemessene Barabfindung wurde im Übertragungsbericht mit 1,90 € je Aktie festgestellt, entsprechend - leicht gerundet - dem durchschnittlichen gewichteten Börsenkurs in den drei Monaten vor Bekanntgabe des Übertragungsverlangens am 30.11.2009 in Höhe von 1,89 €. Unter Anwendung des Ertragswertverfahrens ermittelten die Bewerter den Wert je Aktie mit 1,78 €. Dabei verwendeten sie einen Basiszinssatz vor Steuern von 4,0 %. Den Risikozuschlag ermittelten sie aus einer Marktrisikoprämie nach Steuern von 4,5 % und einem verschuldensabhängigen Betafaktor zwischen 1,354 (Rumpfgeschäftsjahr 2010) und 1,079 (Phase II). Für die Phase II setzten sie einen Wachstumsabschlag von 1,0 % an. Die gerichtlich bestellte Prüferin kam in ihrem Bericht vom 5.3.2010 zu dem Ergebnis, dass die festgesetzte Barabfindung angemessen sei.

95 Antragsteller haben die festgelegte Barabfindung als zu niedrig angegriffen und die gerichtliche Festsetzung einer angemessenen Barabfindung verlangt. Sie haben insbesondere die Planung kritisiert, die von einem zu geringen Wachstum ausgehe und den Konjunkturaufschwung 2010 nicht berücksichtige. Basiszinssatz und Marktrisikoprämie seien zu hoch, desgleichen der Risikozuschlag, der Wachstumsabschlag zu niedrig. Die Pensionslasten seien zu Unrecht als negativer Sonderwert berücksichtigt anstatt als Aufwand in die Planung eingestellt worden.

Das Landgericht hat mit Verfügung vom 25.7.2012 der Prüferin einen Fragenkatalog übermittelt, den diese mit Schreiben vom 20.9.2012 beantwortet hat. Die Mitarbeiter der Prüferin sind im Termin vom 11.10.2012 angehört worden. Sie haben ferner eine ergänzende Stellungnahme vom 5.11.2012 vorgelegt. Mit Beschluss vom 28.3.2013 hat das Landgericht die angemessene Barabfindung auf 2,13 € je Aktie festgesetzt. Die Erhöhung ergebe sich aufgrund einer bei der Bestimmung des Kapitalisierungsfaktors notwendigen Korrektur. Die gutachtliche Stellungnahme der Bewerterin im Rahmen des Übertragungsberichts, der Bericht der gerichtlich bestellten Prüferin, die im Verfahren eingeholte weitere Stellungnahme sowie die Ausführungen der Mitarbeiter bei der Anhörung durch das Gericht seien geeignet und ausreichend, über die entscheidungserheblichen Bewertungsfragen zu befinden und den Wert des Unternehmens der T. AG zu schätzen. Die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens sei nicht erforderlich. Grundlage der Wertermittlung sei die Planung der T. AG, die nach den Feststellungen der Prüferin und den Angaben ihrer Mitarbeiter nicht von Dritten im Hinblick auf die Strukturmaßnahme beeinflusst sei. Die Prüferin beurteile die Planung als nachvollziehbar und angesichts der Wettbewerbssituation und der allgemeinen Marktentwicklung eher ambitioniert, denn flach. Die Ausschüttungsannahmen seien nicht zu beanstanden, auch nicht der Ansatz einer typisierten Veräußerungsgewinnbesteuerung in Höhe des halben nominellen Steuersatzes auf die Wertbeiträge aus Thesaurierung.

Der Basiszinssatz von 4 % sei aus Zinsstrukturdaten in dem Zeitraum von drei Monaten vor der Hauptversammlung ermittelt und von ungerundet 4,03 % auf 4,00 % abgerundet. Abweichend von Gutachterin und Prüferin sei ein Risikozuschlag von 4,5 % für die Phase der Detailplanung und von 4,0 % für die Phase der ewigen Rente angemessen. Die Verhältnisse der T. AG gäben keinen Anlass anzunehmen, das mit einer Investition in ihr Unternehmen verbundene Risiko sei geringer oder höher als durchschnittlich. Für das durchschnittliche Risiko des gesamten Marktes biete der vom Gesetzgeber in § 203 Abs. 1 BewG festgelegte Zuschlag von 4,5 % einen Anhaltspunkt. Dieser Wert sei für die Detailplanungsphase angemessen, für Phase II nehme die Kammer einen Abschlag von 0,5 % vor, nachdem die Kapitalstruktur der Gesellschaft wesentlich von Pensionsverpflichtungen beeinflusst sei, deren Einfluss jedoch endlich sei. Ein Wachstumsabschlag in Höhe von 1 % erscheine angemessen vor dem Hintergrund der Ende 2009 zu erwartenden Preissteigerung von durchschnittlich 1,04 %. Die Lasten aus dem Versorgungswerk seien mit einem negativen Sonderwert von 85.944.000 € zu berücksichtigen.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Beschwerden der Antragsteller zu 18, 39 - 42, 53, 70 - 71, 82 - 85, 88 - 91 und 94. Sie tragen insbesondere vor, es sei eine Neubewertung durch einen neutralen Sachverständigen erforderlich. Das Commercial Alliance Agreement zwischen der T. AG und der Antragsgegnerin sei nicht berücksichtigt worden. Zu Unrecht sei die Unternehmensplanung hinsichtlich der Belastungen aus Pensionszusagen willkürlich geändert worden. Die Pensionsrückstellungen seien fehlerhaft aufgezinst worden. In der Planungsrechnung würden die sehr positiven Wachstumsaussichten in Abrede gestellt, was sich zudem durch den Ansatz eines viel zu geringen Wachstumsabschlages auswirke. Der pauschale Risikozuschlag von 4,5 % sei zu hoch. Die fiktive Veräußerungsgewinnbesteuerung der Thesaurierungen führe faktisch zu einer doppelten Besteuerung der Barabfindung und habe zu unterbleiben. Der Wert der Pensionsverpflichtungen sei fehlerhaft ermittelt.

Die Antragsgegnerin hat Anschlussbeschwerde eingelegt; sie hält den Risikozuschlag für zu niedrig.

II.

Die Beschwerden sind zulässig, jedoch nicht begründet. Die Anschlussbeschwerde ist ebenfalls nicht begründet. Maßgeblich für die Barabfindung ist der Ertragswert, weil der daraus abgeleitete Wert pro Aktie über dem maßgeblichen Börsenkurs liegt. Der Senat schätzt diesen Wert wie das Landgericht auf 2,13 €. Insofern macht sich der Senat die Schätzung des Landgerichts nach eigener Prüfung zu eigen. Zum Vorbringen der Beschwerdeführer, der Anschlussbeschwerdeführerin und der Anschlussbeschwerdegegner gilt folgendes:

1. Es sind weder weitere Ermittlungen noch eine Zurückverweisung an das Landgericht veranlasst.

a) Die Bestellung eines gerichtlichen Sachverständigen zur Ermittlung des Unternehmenswerts ist nicht erforderlich. Nach der gesetzlichen Konzeption des Spruchverfahrens ist vorrangig auf eine ergänzende Stellungnahme des Prüfers nach § 7 Abs. 6 SpruchG und auf dessen etwaige mündliche Anhörung zurückzugreifen. Ein gerichtliches Sachverständigengutachten ist nur dann einzuholen, wenn gleichwohl weiterer Aufklärungsbedarf besteht (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.8.2012, zitiert nach juris, Rn. 37 m.w.N.). Letzteres ist hier nicht der Fall. Der ausführliche Bericht der Prüferin, deren umfangreiche Ausführungen zu den Fragen des Landgerichts, die Erläuterungen im Anhörungstermin und die ergänzende Stellungnahme bieten eine ausreichende Grundlage für die gerichtliche Schätzung des Unternehmenswerts gem. § 287 Abs. 2 ZPO. Das gilt entgegen der Auffassung der Antragsteller zu 39, 40, 41, 42 und 71 auch für die Schätzung des Risikozuschlags durch das Landgericht.

b) Die Vorlage des Commercial Alliance Agreements ist nicht erforderlich. Der Übertragungsbericht (Seite 8) weist darauf hin, dass seit 2003 eine strategische Allianz zwischen der T. AG und der Antragsgegnerin bestanden hat. Der Prüferin haben die geprüften Abhängigkeitsberichte für 2008 und 2009 vorgelegen. Danach haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Leistungen der Antragsgegnerin unangemessen vergütet worden sind (vgl. Bericht S. 3 und Protokoll der Anhörung vom 11.10.2012, S. 13). Die Prüferin hat berücksichtigt, dass der ganz überwiegende Teil der Planung der T. AG Effekte aus der Zusammenarbeit mit der Antragsgegnerin widergespiegelt hat (vgl. Stellungnahme vom 19.9.2012, S. 3). Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass darüber hinaus der Text der getroffenen Vereinbarungen im Einzelnen für die Ermittlung des Unternehmenswerts hätte von Belang sein können. Das gilt auch im Hinblick auf die Mutmaßung, es könne ein verdeckter Beherrschungsvertrag vorgelegen haben (wofür jegliche konkrete Anhaltspunkte fehlen, denn die zitierte Entscheidung des Landgerichts München I ist zu einem anderen Unternehmen und einer anders gelagerten Fallgestaltung ergangen).

2. Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass die Planung der T. AG plausibel und zur Ableitung des Ertragswerts geeignet ist.

a) Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die in die Zukunft gerichteten Planungen und Prognosen der Gesellschaft nur einer eingeschränkten Überprüfung dahingehend zu unterziehen sind, ob sie auf zutreffenden Informationen basieren sowie plausibel und in sich widerspruchsfrei sind (st. Rspr. vgl. OLG München ZIP 2009, 2339/2340; OLG Frankfurt AG 2011, 832 m.w.N.).

b) Wie das Landgericht dargelegt hat, ist die Planung der T. AG - bestehend aus einer detaillierten Planung für das Rumpfgeschäftsjahr 2010 und das Geschäftsjahr vom 1.4.2010 bis 31.3.2011 sowie einer vereinfachten Planung für die Geschäftsjahre 2011/2012 bis 2014/2015 - von der sachverständigen Prüferin hinsichtlich der Umsatzerlöse und Rohmargen geprüft, mit den verfügbaren Marktdaten, einer Untersuchung des Institutes Info Source sowie Marktbeobachtungen des Vorstandes abgeglichen und mit den Vorjahres- und Kennzahlen plausibilisiert worden. Die von den Antragstellern zu 39, 40, 41, 42 und 71 im Schriftsatz vom 8.7.2013 zitierten Zielvorstellungen des 2007 erstatteten Geschäftsberichts 2006 (dort Seite 19) für das Jahr 2010 sind nicht geeignet, die Plausibilität der 2009 erstellten konkreten Planungen in Zweifel zu ziehen. Das gilt umso mehr, als die Umsatzerlöse von 2007 bis 2009 deutlich rückläufig waren (vgl. Übertragungsbericht S. 51). Die Prüferin hat die Planung als "ambitioniert" angesehen (vgl. Bericht über die Prüfung S. 21). Unzutreffend ist die Auffassung des Antragstellers zu 91, es sei zugunsten der ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre ein "Bestwerte-Szenario" zugrundezulegen. Zu der 2009 im Vorstand diskutierten Strategie einer Expansion in Europa haben die Mitarbeiter der Prüferin bei der Anhörung erläutert, dass deren Finanzierung nicht gesichert gewesen sei; eine bloße Idee sei nicht bewertbar (vgl. Protokoll vom 11.10.2012, S. 12). Der Hinweis einiger Antragsteller auf die Änderung der Prognosen für das allgemeine Wirtschaftswachstum kurz vor der Hauptversammlung ist nicht geeignet, die Plausibilität der Planung des zu bewertenden Unternehmens in Frage zu stellen.

c) Es ist nicht zu beanstanden, dass bei den Wertbeiträgen aus Thesaurierung der halbe nominelle Steuersatz in Ansatz gebracht wurde. Die Nachsteuerbetrachtung, wonach die Auswirkungen persönlicher Ertragssteuern der Anteilseigner zum einen auf der Ebene der künftigen Zuflüsse und zum anderen bei dem Kapitalisierungszinssatz berücksichtigt werden, ist allgemein anerkannt. Hierzu ist eine Typisierung der steuerlichen Verhältnisse der Anteilseigner erforderlich. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn auf eine inländische unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Person als Anteilseigner abgestellt wird. Der Einwand der Antragstellerin zu 90, wonach diese Prämissen für sie nicht gelten, greift deshalb nicht durch. Ob sie ihre Aktie vor dem 1.1.2009 erworben hat, spielt ebensowenig eine Rolle.

Die Höhe der Veräußerungsgewinnbesteuerung wird wesentlich bestimmt durch die Annahmen über Haltedauer und Kursrendite. Der typisierende Ansatz des halben nominalen Steuersatzes von 12,5 % zuzüglich Solidaritätszuschlag ist anerkannt und kann der gerichtlichen Schätzung zugrundegelegt werden (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 5.6.2013, AG 2013, 724/728 m.w.N.). Der Umstand, dass die Abfindung selbst ebenfalls zu versteuern ist, ändert entgegen der Auffassung der Antragsteller zu 84 und 85 nichts daran, dass für die Bewertung des Unternehmens und die Festlegung der Abfindung die Nettozuflüsse an die Anteilseigner zu Grunde zu legen sind.

Die Ausschüttungsquote von 50 % in der Phase der ewigen Rente liegt im Rahmen der üblicherweise angesetzten Ausschüttungsquoten (zwischen 40 % und 60 %). Entgegen der Auffassung des Antragstellers zu 70 ist deshalb nicht von Vollausschüttung auszugehen, zumal in der Vergangenheit die Überschüsse vollständig thesauriert worden sind.

3. Eine Korrektur des vom Landgericht herangezogenen Kapitalisierungszinssatzes ist nicht veranlasst.

a) Als Basiszinssatz ist der aus der Sicht des Stichtags auf Dauer zu erzielende, von kurzfristigen Einflüssen bereinigte Nominalzinssatz für (quasi-)risikofreie Anlagen heranzuziehen. Die Herleitung aus Zinsstrukturdaten ist eine anerkannte und auch vom Senat für geeignet erachtete Methode zur Ermittlung des Basiszinssatzes (vgl. OLG München ZIP 2009, 2339/2341). Der abgerundete Wert aus einem Referenzzeitraum von drei Monaten vor der Hauptversammlung beträgt hier 4,0 %. Soweit von Antragstellern vorgeschlagen wird, auf Anleihen mit zehnjähriger Laufzeit zurückzugreifen, widerspricht dies dem Grundsatz der Laufzeitäquivalenz. Es ist auch nicht geboten, den Basiszinssatz in Phase I jeweils für ein konkretes Planjahr gesondert auszuweisen; die einheitliche Festlegung des Basiszinssatzes für den gesamten Beurteilungszeitraum stellt eine allgemein übliche und nicht zu beanstandende Vereinfachung dar.

b) Den Risikozuschlag schätzt der Senat mit dem Landgericht auf 4,5 % für die Detailplanungsphase und auf 4 % für die Phase der ewigen Rente.

(1) Für die Schätzung des Risikozuschlags kann der in § 203 Abs. 1 BewG festgelegte Zuschlag von 4,5 % zum Basiszinssatz einen ersten Anhaltspunkt bieten (vgl. Senat, Beschluss vom 14.7.2009, ZIP 2009, 2339/2342). Auch wenn diese Vorschrift nur im vereinfachten Ertragswertverfahren zur Anwendung kommt, zeigt sie die Wertung des Gesetzgebers, dass ein solcher Zuschlag im Regelfall als geeignet angesehen werden kann. Die darin enthaltenen pauschalen Ab- und Zuschläge für Wachstum, (mangelnde) Fungibilität, inhaberabhängige Faktoren u.a. (vgl. BTDrs. 16/11107 S. 24) heben sich weitgehend gegenseitig auf. Das zeigt auch die von der Antragstellerin herangezogene beispielhafte Darstellung (Schillung/Kandels, DB 2013, 599/601), die nur Wachstumsabschlag und Fungibilitätszuschlag aufnimmt und inhaberabhängige Faktoren ausklammert. Ob der Gesetzgeber seinerzeit eine Marktrisikoprämie von 5 % vor Steuern als Ausgangspunkt gewählt hat (der damals eine höhere Marktrisikoprämie nach Steuern gegenübergestanden hätte), ist unerheblich, denn aufgrund der Änderung der steuerlichen Rahmenbedingungen wird inzwischen angenommen, dass die Marktrisikoprämie nach Steuern niedriger ist als die Marktrisikoprämie vor Steuern (vgl. Wagner/Saur/Willershausen, Zur Anwendung der Neuerungen der Unternehmensbewertungsgrundsätze des IDW S 1 i.d.F. 2008 in der Praxis, Wpg 2008, 731 ff. (Heft 16), Ziffer 3.2.2.3.). Auch zielt § 203 Abs. 1 BewG - anders als der Antragsteller zu 70 meint - nicht auf "möglichst niedrige Unternehmenswerte", sondern auf eine am Verkehrswert orientierte Ermittlung des Wertes ohne hohen Ermittlungsaufwand (vgl. BTDrs. 16/11107 S. 2, S. 22).

(2) Der vom Landgericht geschätzte Wert von 4,0 % für die Phase II liegt in der Bandbreite dessen, was sich auch bei Anwendung des in der Bewertungspraxis anerkannten und gebräuchlichen TaxCAPM ergibt. Er entspricht einer Marktrisikoprämie nach Steuern von 4,0 % und einem Beta-Faktor von 1. Beide Werte sind hier vertretbar. Der Fachausschuss für Unternehmensbewertung (FAUB) hat nach Einführung der Abgeltungssteuer für Bewertungsstichtage nach dem 1.1.2009 zunächst den Ansatz einer Marktrisikoprämie nach persönlicher Ertragsteuer von 4% bis 5% empfohlen (vgl. Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 7. Aufl. 2012, Rdnr. 804; Baetge/Niemeyer/Kümmel/Schulz in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 5. Aufl. 2012, Seite 390 f.). Ob den in der Folge ausgesprochenen Empfehlungen des FAUB gefolgt werden kann, wegen der niedrigen Basiszinssätze die Marktrisikoprämie nach Steuern mit 5,0 % bis 6 % (bzw. 5,5 % bis 7 % vor Steuern) anzusetzen, kann offen bleiben, denn sie betreffen nicht den hier maßgeblichen Stichtag Anfang 2010.

Für die Phase der ewigen Rente liegt der von Bewerterin und Prüferin ermittelte Beta-Faktor unter Berücksichtigung des Kapitalstrukturrisikos bei 1,079. Es liegt im Rahmen des Schätzungsermessens, hier eine Abrundung auf 1 vorzunehmen und das langfristige Risiko des zu bewertenden Unternehmens dem des Marktes insgesamt gleichzusetzen. Die Bemessung des Beta-Faktors ist bei jedem Schritt - beginnend mit der Bildung der Peer Group über die Wahl des Zeitraums und des Vergleichsindex bis hin zum Adjustieren (= Bilden eines gewichteten Durchschnitts, der zu 2/3 aus dem tatsächlich ermittelten Betafaktor besteht und zu 1/3 aus dem Markt-Beta von 1) und Unlevern und Relevern (= Berücksichtigung des Kapitalstrukturrisikos) - mit Unsicherheiten verbunden, die die Aussagekraft der zweiten und dritten Nachkommastelle des so gewonnenen Wertes erheblich relativieren. Aus diesem Grund ist es auch nicht zu beanstanden, wenn für die Detailplanung wegen der in dieser Phase außergewöhnlich hohen Verschuldung einheitlich für jedes Planjahr der Risikozuschlag auf 4,5 % heraufgesetzt wird. Der Senat hält es für vertretbar, hier ebenso wie beim Basiszinssatz eine Vereinfachung und Pauschalierung vorzunehmen und den Risikozuschlag für diese Phase einheitlich festzusetzen. Der Risikozuschlag von 4,5 % entspricht dem Ansatz eines Beta relevered von 1,15, das geringfügig unter dem Durchschnitt der von der Bewerterin berechneten Einzelwerte liegt (1,26 ohne Berücksichtigung des nur 3 Monate umfassenden Rumpfjahres 2010).

Der Senat ist mit dem Landgericht der Auffassung, dass das Risiko des zu bewertenden Unternehmens für die Phase II in etwa dem des Marktes entspricht, während für die Detailplanungsphase wegen der in dieser Phase noch erheblich höheren Verschuldung ein Zuschlag vorzunehmen ist. Es liegen keine durchgreifenden Gesichtspunkte vor, die bei der gebotenen Gesamtbetrachtung das Risiko als besonders hoch oder besonders gering erscheinen lassen. Die Einwände der Antragsteller auf der einen Seite und der Antragsgegnerin auf der anderen Seite sind im Wesentlichen dadurch geprägt, dass jeweils die für die eigene Position günstigen Gesichtspunkte in den Vordergrund gestellt werden. Zu Unrecht rügen die Antragsteller zu 84 und 85 als "Behauptung des Landgerichts ins Blaue", dass die Leistungen der T. AG diejenigen seien, auf die in der Krise als erste verzichtet werde und die als letzte nach der Krise wieder in Anspruch genommen würden. Vielmehr hat die Prüferin hat in ihrer Stellungnahme vom 19.9.2012 (S. 5) auf eben diesen Umstand hingewiesen. Auch im Übertragungsbericht (dort S. 48, 51) wird ausgeführt, dass die Kunden damit beschäftigt seien, die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise zu bewältigen, wobei die Entscheidung über den Erwerb oder die Restrukturierung von Bürokommunikationsgeräten eine eher untergeordnete Priorität habe.

Die von den Antragstellern zu 82 und 83 zitierten Studien, wonach eine Überperformance von Aktien in den letzten 20 Jahren nicht habe erzielt werden können und in Zukunft von deutlich niedrigeren Renditen auszugehen sei, führen zu keiner anderen Beurteilung. Zum einen stehen diesen Studien zahlreiche andere Studien gegenüber, die zu einer Überrendite von Aktien in unterschiedlichem Umfang kommen (vgl. etwa die Zusammenstellungen bei Ballwieser, Unternehmensbewertung, 3. Aufl. 2011, S. 100; Dörschell/Franken/Schulte, Der Kapitalisierungszinssatz in der Unternehmensbewertung, 2. Aufl. 2012, S. 119 ff.). Im Übrigen wäre es nicht plausibel, dass Marktteilnehmer in ungesicherte, ggf. hohen Kursschwankungen unterliegende Aktien investierten, wenn nicht langfristig eine höhere Rendite als bei staatlich gesicherten festverzinslichen Anleihen zu erwarten wäre (OLG Düsseldorf AG 2012, 797/800). Aus diesem Grund erscheint es auch abwegig, in der Phase der ewigen Rente die Erträge nur mit dem Basiszinssatz zu kapitalisieren, wie von einigen Antragstellern gefordert.

c) Der Wachstumsabschlag von 1,0 % ist nicht zu niedrig. Mit dem Wachstumsabschlag soll das nachhaltige Wachstum in der Phase der ewigen Rente berücksichtigt werden, das - anders als in der Detailplanungsphase - nicht bereits bei der Prognose der finanziellen Überschüsse erfasst ist (vgl. Dörschell/Franken/Schulte, Der Kapitalisierungszinssatz in der Unternehmensbewertung, 2. Aufl. 2012, Seite 313 ff.; Großfeld Rdnr. 1054 ff.). Die Höhe des Abschlags hängt davon ab, ob und in welcher Weise das Unternehmen aufgrund der Unternehmensplanung und der Erwartungen an die Marktentwicklung und die Inflationserwartung in der Lage sein wird, nachhaltige Wachstumserwartungen zu erfüllen (MünchKommAktG/Paulsen 3. Aufl. 2010 § 305 Rn. 132 ff.). Zu berücksichtigen ist, dass eine Geldentwertung bei der Anlage in einem Unternehmen nicht in gleichem Umfang eintritt wie bei Kapitalanlagen in fest verzinslichen Wertpapieren, weil Unternehmen die laufende Geldentwertung auffangen und gegebenenfalls an Kunden weiter geben können. Dabei kann jedoch nicht unterstellt werden, dass die mit der Geldentwertung einhergehenden Preissteigerungen in vollem Umfang auf die Kunden übergewälzt werden können. Die Geldentwertungsrate kann als erster Anhaltspunkt für preisbedingtes Wachstum dienen. Als weitere Faktoren können etwa auch Mengen- und Strukturveränderungen hinzukommen (technischer Fortschritt, Umsatzausweitung, Einsparung von Kosten, neue Wettbewerber). Der hier angesetzte Wachstumsabschlag erreicht sogar nahezu die erwartete Inflationsrate von 1,04 %. Der Hinweis der Antragsteller zu 82 und 83 auf die höhere durchschnittliche Inflationsrate der letzten 30 bzw. 50 Jahre ist unbehelflich, denn dieser Wert besagt nichts über die künftig zu erwartende Geldentwertung. Der Wachstumsabschlag ist entgegen der Auffassung der Antragsteller zu 84 und 85 auch nicht in Abhängigkeit vom Risikozuschlag zu ermitteln.

4. Der Ansatz eines negativen Sonderwertes für die Pensionsverpflichtungen in Höhe von 85.944 TEUR (nach Aufzinsung) ist nicht zu beanstanden. Die Mitarbeiter der Prüferin haben ausführlich und schlüssig dargelegt, dass sich bei einer Integration der Pensionsverpflichtungen in die Planungsrechnung kein höherer, sondern ein geringfügig niedrigerer Unternehmenswert ergibt (vgl. Stellungnahme vom 19.9.2012 S. 6-9, Sitzungsniederschrift vom 11.10.2012 S. 14-16, Stellungnahme vom 5.11.2012). Ob in anderen Verfahren bei Alternativberechnungen größere Differenzen aufgetreten sind, wie der Antragsteller zu 70 vorträgt, ist für den hier zu beurteilenden Fall ohne Belang. Das Landgericht hat bei seiner Alternativberechnung auch nicht das Kapitalstrukturrisiko über Gebühr berücksichtigt, denn ohne die durch die Pensionsverpflichtung bewirkte zusätzliche Verschuldung ist von einem Risikozuschlag von 4,5 % in Phase I und von 4 % in Phase II auszugehen (s.o. II. .3 b), und nicht etwa von 2 %, wie die Antragsteller zu 84 und 85 meinen.

Es begegnet keinen Bedenken, dass Bewerter und Prüfer vom Barwert der zukünftigen Verpflichtungen ausgegangen sind, bei dem sowohl die Altersstruktur der Berechtigten als auch Annahmen über die Gehalt- und Rentenentwicklung berücksichtigt werden, so dass die Belastung realitätsnäher ermittelt werden kann als durch Ansatz des steuerlichen Teilwerts (vgl. auch Großfeld Rdnr. 391). Die Annahme eines fiktiven Verkaufs der Verpflichtungen mit den daraus folgenden weiteren Annahmen - Eigenfinanzierung, Steuerentlastung - erscheint zur Ermittlung des Sonderwertes geeignet.

Zu Unrecht monieren die Antragsteller zu 84 und 85, das Landgericht habe die gebotene Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes für Pensionsverpflichtungen unterlassen. Im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 1.6.2011 (S. 151 f.) ist ausführlich dargelegt, welche Annahmen - auch zum Zinssatz (5,4 % bzw. 5,2 %) - dem versicherungsmathematischen Gutachten zur Ermittlung des Barwertes der Pensionsverpflichtungen zugrundeliegen. Ferner wird dort (S. 154) erläutert, dass die unterschiedlichen Kapitalisierungszinssätze für die Ermittlung des Ertragswerts des Unternehmens einerseits und für die Ermittlung des Barwerts der Pensionsverpflichtungen andererseits darauf zurückzuführen sind, dass bei letzterem ein Teil des Risikos bereits in den Annahmen über die Erlebenswahrscheinlichkeit abgebildet ist. Es besteht entgegen der Auffassung der Antragstellerin zu 90 auch kein Widerspruch zwischen den vom Gutachter angesetzten Pensionsauszahlungen und den in den Geschäftsberichten 2005-2012 genannten Beträgen zum Pensionsaufwand. Wie von der Antragsgegnerin schlüssig dargelegt, ist im Geschäftsbericht nur der Aufwand für die restlichen Zuführungen an die Rücklage und für die Aufzinsung abgebildet, während die tatsächlichen Pensionsauszahlungen gegen die Rückstellungen verbucht werden (vgl. Schriftsatz vom 9.10.2013, S. 34).

5. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin kann hier aus dem ca. 10 % niedrigeren Aktienkurs in Höhe von 1,89 € nicht hinreichend zuverlässig abgeleitet werden, dass die vom Landgericht festgesetzte Barabfindung von 2,13 € überhöht ist. Der Börsenkurs der Aktie der T. AG ist hier zur Schätzung des Unternehmenswertes nicht geeignet. Er war ab Ende 2008 wesentlich durch das Übernahmeangebot der Antragsgegnerin in Höhe von 1,90 € bestimmt, während er davor deutlich unter diesem Betrag lag (0,71 € im 3-Monats-Zeitraum vor dem Übernahmeangebot, 1,10 € im 6-Monats-Zeitraum vor Ankündigung). Der Kurs war zudem auch vorher deutlichen Schwankungen ausgesetzt, wies eine überdurchschnittliche Volatilität auf und lag etwa am 5. Februar 2007 bei 2,08 € (vgl. Geschäftsbericht 2006 S. 24 f.). Ende Juli und Anfang August 2007 erreichte die Aktie ähnliche Kurse (2,07 €).

6. Entgegen der Auffassung der Antragsteller zu 18, 53, 88, 89 und 91 liegt kein Fehler bei der Aufzinsung vor. Technischer Bewertungsstichtag war der 31.12.2009 (vgl. Übertragungsbericht S. 34). Die Aufzinsung des zum 31.12.2009 ermittelten Ertragswerts hat deshalb nur den Zeitraum vom 1.1.2010 bis zum Stichtag 20.4.2010 zu umfassen.

7. Soweit die Antragsteller zu 39, 40, 41, 42 und 71 meinen, es sei "die Kostenentscheidung des Landgerichts als falsch zu korrigieren", sind sie nicht beschwert, denn das Landgericht hat in Ziffer IV des Beschlusses vom 28.3.2013 der Antragsgegnerin die Kosten der Antragsteller, mit Ausnahme des Antragstellers zu 95, auferlegt.

III.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 15 Abs. 1 Satz 2 bis 4 SpruchG a.F. Die Antragsgegnerin hat kraft Gesetzes die Gerichtskosten zu tragen. Die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten der Antragsteller ist nicht veranlasst, nachdem die Beschwerden erfolglos geblieben sind. Die Festsetzung der Vergütung des gemeinsamen Vertreters beruht auf RVG VV Nr. 3500, 7002, 7008. Maßgeblich ist hier die bis 31.7.2013 geltende Fassung, da das Beschwerdeverfahren vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (§ 60 Abs. 1 RVG).






OLG München:
Beschluss v. 18.02.2014
Az: 31 Wx 211/13, 31 Wx 211/2013


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