Bundespatentgericht:
Urteil vom 5. März 2009
Aktenzeichen: 10 Ni 2/08

(BPatG: Urteil v. 05.03.2009, Az.: 10 Ni 2/08)

Tenor

I. Das europäische Patent 0 627 273 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass es folgende Fassung erhält:

1.

Kombination aus Presswerkzeug (91, 92) einerseits sowie Kupplungswerkstück (101) und Rohrende (108) als Werkstücke (101, 108) andererseits mit mehr als zwei Pressbacken (94, 95, 110, 111), welche unter Bildung eines Pressrings (93, 109) gelenkartig miteinander verbunden sind und mit Hilfe wenigstens einer Antriebseinrichtung (103) im Wesentlichen radial nach innen bewegbar sind, wobei der Pressring (93, 109) für den Verpressvorgang um die Werkstücke (101, 108) herumlegbar und dann schließbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Geometrie von Pressring (93, 109) und Werkstücken (101, 108) derart aneinander angepasst sind, dass einerseits die Werkstücke (101, 108) von dem Pressring (93, 109) nach dem Herumlegen um diese nicht vollständig umschließbar sind und dass andererseits durch Schließen des Pressrings (93, 109) eine Verpressung mit plastischer Verformung bewirkbar ist, und dass die zumindest eine Antriebseinrichtung (103) so ausgebildet ist, dass mit ihrder Pressring (93, 109) aus der Stellung nach dem Herumlegen um die Werkstücke (101, 108) in die Schließstellung bewegbar ist, wobei die Antriebseinrichtung(en) (103) von dem Pressring (93, 109) trennbar ist bzw. sind und die Antriebseinrichtung(en) (103) und der Pressring (93, 109) Kupplungselemente (102, 105, 118) aufweisen, über die die Antriebseinrichtung(en) (103) mit den freien Enden des Pressrings (93, 109) in Wirkverbindung bringbar sind, und wobei zumindest ein Teil der Pressbacken (94, 95; 111) in Pressbackenträgern (97; 113) relativ zu diesen in Umfangsrichtung (K, M) bewegbar geführt ist.

2.

Kombination nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass Führungseinrichtungen für die bewegbaren Pressbacken (95; 111) dergestalt vorgesehen sind, dass deren stirnseitigen Abstände zu Beginn des Pressvorgangs gleich sind.

3.

Kombination nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Führungseinrichtungen eine Kulissenführung aufweisen.

4.

Kombination nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Führungseinrichtungen eine gegen Anschläge gerichtete Federbeaufschlagung (98; 115 bis 117) aufweisen.

5.

Kombination nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass der Pressring (93) wenigstens ein außenseitig an zumindest den bewegbaren Pressbacken (95) anliegendes Zugband (97) aufweist, über das bzw. die die Pressbacken (94, 95) zusammenbewegbar sind.

6.

Kombination nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass zwei Zugbänder (97) vorgesehen sind, die im Bereich der freien Enden des Pressrings (93) zusammenziehbar sind.

7.

Kombination nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Pressbacken (94, 95, 110, 111) in Umfangsrichtung gleich lang ausgebildet sind.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 1/3, der Beklagte 2/3.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 627 273 (Streitpatent). Das Streitpatent ist vom Europäischen Patentamt unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung 40 11 822 vom 12. April 1990 erteilt worden. Es wird beim Deutschen Patentund Markenamt unter dem Aktenzeichen 591 09 090 geführt und trägt die Bezeichnung "Presswerkzeug".

Das Streitpatent umfasst 11 Patentansprüche, von denen der Anspruch 1 auf ein Verfahren zur Herstellung einer Rohrverbindung und die Patentansprüche 2 bis 11 auf die Kombination von Presswerkzeug einerseits sowie Kupplungswerkstück und Rohrende als Werkstücke andererseits zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1 gerichtet sind.

Die erteilten Patentansprüche 1 und 2 haben folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zur Herstellung einer Rohrverbindung, bei dem rohrförmige Werkstücke (101, 108), nämlich ein Kupplungswerkstück (101) und jeweils ein Rohrende (108), durch plastische Verformung in radialer Richtung mittels eines Presswerkzeugs (91, 92) mit mehr als zwei Pressbacken (94, 95, 110, 111) verbunden werden, welche unter Bildung eines Pressrings (93, 109) gelenkartig miteinander verbunden sind und mit Hilfe wenigstens einer Antriebseinrichtung (103) im Wesentlichen radial nach innen bewegbar sind, wobei der Pressring (93, 109) mit den Pressbacken (94, 95,110,111) für den Verpressvorgang um die Werkstücke (101,108) herumgelegt und dann geschlossen wird, dadurch gekennzeichnet, dass ein solcher Pressring (93,109) verwendet wird, der nach dem Herumlegen um die Werkstücke (101, 108) diese zunächst nicht vollständig umschließt, und dass dann die Verpressung und plastische Verformung durch Schließen des Pressrings (93, 109) mit Hilfe der Antriebseinrichtung(en) (103) bewirkt wird.

2. Kombination aus Presswerkzeug (91, 92) einerseits sowie Kupplungswerkstück (101) und Rohrende (108) als Werkstücke (101, 108) andererseits zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1, mit mehr als zwei Pressbacken (94, 95, 110, 111), welche unter Bildung eines Pressrings (93, 109) gelenkartig miteinander verbunden sind und mit Hilfe wenigstens einer Antriebseinrichtung (103) im Wesentlichen radial nach innen bewegbar sind, wobei der Pressring (93, 109) für den Verpressvorgang um die Werkstücke (101, 108) herumlegbar und dann schließbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Geometrie von Pressring (93, 109) und Werkstücken (101, 108) derart aneinander angepasst sind, dass einerseits die Werkstücke (101, 108) von dem Pressring (93,109) nach dem Herumlegen um diese nicht vollständig umschließbar sind und dass andererseits durch Schließen des Pressrings (93, 109) eine Verpressung mit plastischer Verformung bewirkbar ist, und dass die zumindest eine Antriebseinrichtung (103) so ausgebildet ist, dass mit ihr der Pressring (93, 109) aus der Stellung nach dem Herumlegen um die Werkstücke (101, 108) in die Schließstellung bewegbar ist."

Die Klägerin beruft sich auf den Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit der Gegenstände des Streitpatents. Sie macht geltend, diese seien nicht neu gegenüber den von ihr genannten Schriften - DE-OS 1 907 956 (D1),

- DE-OS 21 18 782 (D2),

- US 2 211 008 (D3).

Jedenfalls beruhten die Gegenstände des Streitpatents nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Den von ihr schriftsätzlich darüber hinaus angesprochenen Widerrufsgrund der unzulässigen Erweiterung hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht weiter verfolgt.

Die Klägerin beantragt, den deutschen Teil des europäischen Patents 0 627 273 für nichtig zu erklären.

Der Beklagte beantragt, die Nichtigkeitsklage abzuweisen, hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen das Patent in der Fassung eines Hilfsantrags 1, weiter hilfsweise, soweit sie sich gegen das Patent in der Fassung eines Hilfsantrags 2 wendet.

In der Fassung der Patentansprüche gemäß den in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsanträgen entfällt jeweils der erteilte Patentanspruch 1 und der bisherige Patentanspruch 2 wird jeweils zum Patentanspruch 1, wobei im Oberbegriff die Worte "zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1" entfallen und der Anspruchswortlaut am Ende wie folgt ergänzt wird:

-In der Fassung des Hilfsantrags 1 lautet die Ergänzung:

"wobei die Antriebseinrichtung(en) (103) von dem Pressring (93, 109) trennbar ist bzw. sind und die Antriebseinrichtung(en) (103) und der Pressring (93, 109) Kupplungselemente (102, 105, 118) aufweisen, über die die Antriebseinrichtung(en) (103) mit den freien Enden des Pressrings (93, 109) in Wirkverbindung bringbar sind und wobei zumindest ein Teil der Pressbacken (94, 95, 111) in Pressbackenträgern (97, 113) relativ zu diesen in Umfangsrichtung (K, M) bewegbar geführt ist."

-In der Fassung des Hilfsantrags 2 lautet die Ergänzung:

"wobei die Antriebseinrichtung(en) (103) von dem Pressring (93, 109) trennbar ist bzw. sind und die Antriebseinrichtung(en) (103) und der Pressring (93, 109) Kupplungselemente (102, 105, 118) aufweisen, über die die Antriebseinrichtung(en) (103) mit den freien Enden des Pressrings (93, 109) in Wirkverbindung bringbar sind und wobei die Pressbacken (95, 111), die den freien Enden des Pressrings (93, 109) benachbart sind, in Pressbackenträgern (97, 113) relativ zu diesen in Umfangsrichtung (K, M) bewegbar geführt sind".

Unter Wegfall der erteilten Unteransprüche 7 und 8 und unter Anpassung der Rückbezüge an die geänderte Nummerierung werden die erteilten Unteransprüche 4 bis 6 und 9 bis 11 in den Fassungen beider Hilfsanträge zu Unteransprüchen 2 bis 7.

Der Beklagte vertritt die Auffassung, die Gegenstände des Streitpatents seien gegenüber den Schriften D1 bis D3 neu und beruhten auch auf erfinderischer Tätigkeit. Er führt zur Darlegung der Entwicklung von Rohrpressverbindungen die folgenden Schriften in das Verfahren ein:

- DE-PS 1 187 870 (D4),

- DE-PS 21 36 782 C2 (D5),

- DE-OS 34 23 283 A1 (D6),

- DE-OS 27 25 280 (D7),

- Prospekt "Mannesmann Pressfitting-System/Heizung", Ausgabe 1989, Mannesmann Edelstahlrohr GmbH (D8).

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich als teilweise begründet. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund führt zur Nichtigerklärung des Streitpatents mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. a. EPÜ), soweit dieses über die Fassung gemäß dem Hilfsantrag 1 des Patentinhabers hinausgeht.

I.

Die Lehre des Streitpatents betrifft ein Verfahren zur Herstellung einer Rohrverbindung sowie ein Erzeugnis in Gestalt einer Kombination aus einem Presswerkzeug mit einem Kupplungswerkstück und einem Rohrende zur Durchführung des Verfahrens. Die Streitpatentschrift (Spalte 1 Zeilen 9 ff.) geht von einem Stand der Technik aus, wonach zur Verbindung von Rohrenden Kupplungshülsen verwendet werden, die plastisch verformbar sind und aus Metall bestehen. Ihr Innendurchmesser ist um so viel größer als der Außendurchmesser der zu verbindenden Rohrenden, dass sie bei radialer Zusammenpressung bis zum Anliegen an der Mantelfläche der Rohrenden bleibend verformt werden. Das radiale Zusammenpressen geschieht mittels Presswerkzeugen, z. B. einem Presswerkzeug mit zwei jeweils zweiarmig ausgebildeten Klemmbacken, von denen wenigstens einer schwenkbar an dem Presswerkzeug gelagert ist. Die Pressbacken dieses Werkzeugs weisen Kreisbogenabschnitte bildende Pressflächen mit gleichen Radien oder konturierte Pressflächen auf, die einen Pressraum einschließen. Presswerkzeuge mit zwei Pressbacken haben sich bewährt, wenn eine nicht zu große Durchmesserverkleinerung bzw. Einpresstiefe gefordert wird. Bei größeren Einpresstiefen, die dann erforderlich sind, wenn die Rohrverbindung höheren Innendrücken standhalten soll, ist es erforderlich, mehr als zwei Pressbacken vorzusehen, damit es zwischen den Stirnseiten der Pressbacken nicht zum Ausbilden von nach außen vorstehenden Stegen kommt, welche ein vollständiges Schließen der Pressbacken verhindern würden. Im Stand der Technik sind solche Presswerkzeuge bekannt, wobei dort sämtliche Pressbacken beweglich und in radialer Richtung geführt sind. Dies bedingt aufwendige Führungen und Antriebseinrichtungen, wodurch die Presswerkzeuge schwer und deshalb schlecht handhabbar und ferner auch teuer sind. Bekannt ist auch ein Montagewerkzeug, das dazu dienen soll, ein Schlauchende mit einer eingesteckten Tülle zu verbinden.

Dem Gegenstand des Streitpatents liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren und eine Kombination (Vorrichtung) zur Herstellung einer Rohrverbindung der gattungsgemäßen Art so zu gestalten, dass das Verfahren trotz der Anordnung von mehr als zwei Pressbacken möglichst einfach und damit leicht handhabbar ausgebildet sowie die Vorrichtung kostengünstig herstellbar ist (Spalte 2 Zeilen 42 ff.). Die zur Lösung der genannten Aufgaben im Anspruch 1 und im Anspruch 2 angegebenen Merkmale lassen sich wie folgt gliedern:

Anspruch 1:

1) Verfahren zur Herstellung einer Rohrverbindung;

1a) Bei dem Verfahren werden rohrförmige Werkstücke, nämlichein Kupplungswerkstück und jeweils ein Rohrende verbunden;

1b) Die Verbindung erfolgt durch plastische Verformung in radialer Richtung;

1c) Die Verbindung wird mittels eines Presswerkzeugs mit mehrals zwei Pressbacken hergestellt;

1d) Die Pressbacken sind unter Bildung eines Pressringsgelenkartig miteinander verbunden;

1e) Die Pressbacken sind mit Hilfe wenigstens einer Antriebseinrichtung im Wesentlichen radial nach innen bewegbar;

1f) Für den Verpressvorgang wird der Pressring um die Werkstücke herumgelegt, wobei er diese zunächst nicht vollständig umschließt;

1g) Durch Schließen des Pressrings mit Hilfe der Antriebseinrichtung(en) wird dann die Verpressung und plastische Verformung bewirkt.

Anspruch 2:

2) Kombination aus Presswerkzeug einerseits und Werkstücken, nämlich Kupplungswerkstück und Rohrende, andererseits;

2a) Das Presswerkzeug weist mehr als zwei Pressbacken auf.

2b) Die Pressbacken sind unter Bildung eines Pressringsgelenkartig miteinander verbunden;

2c) Die Pressbacken sind mit Hilfe wenigstens einer Antriebseinrichtung im Wesentlichen radial nach innen bewegbar;

2d) Für den Verpressvorgang ist der Pressring um die Werkstü

cke herumlegbar und dann schließbar;

2e) Die Geometrie von Pressring und Werkstücken sind aneinander angepasst, derart, dass die Werkstücke von dem Pressring nach dem Herumlegen um diese nicht vollständig umschließbar sind;

2f) Die Geometrie von Pressring und Werkstücken sind aneinander angepasst, derart, dass durch Schließen des Pressringseine Verpressung mit plastischer Verformung bewirkbar ist;

2g) Die zumindest eine Antriebseinrichtung ist so ausgebildet, dass mit ihr der Pressring aus der Stellung nach dem Herumlegen um die Werkstücke in die Schließstellung bewegbarist.

II. A. Zum Hauptantrag Der Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung ist nicht patentfähig. Das Verfahren zum Herstellen einer Rohrverbindung nach Patentanspruch 1 und die Kombination von Presswerkzeug sowie Kupplungswerkstück und Rohrende nach Patentanspruch 2 sind gegenüber dem Stand der Technik zwar neu, beruhen aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

1.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist auf ein Verfahren zur Herstellung einer Rohrverbindung aus Rohrenden und einer Rohrhülse (Kupplungswerkstück) gerichtet, mit dem durch plastische Verformung des Kupplungswerkstücks und der Rohrenden in radialer Richtung, hier von außen nach innen, diese mit Hilfe eines Presswerkzeugs miteinander verbunden werden. Das Verfahren ist ganz wesentlich geprägt durch die Gestaltung des Presswerkzeugs selbst. Dieses Presswerkzeug weist mindestens drei Pressbacken auf, die derart geformt und gelenkartig miteinander verbunden sind, dass sie einen Pressring bilden, der für den Verpressvorgang um die zu verpressenden Werkstücke bzw. Verbindungselemente herumgelegt und dann geschlossen werden kann. Der aus gelenkartig verbundenen Gliedern bestehende Pressring besitzt demnach eine Stelle, die das Öffnen und Schließen des Pressrings ermöglicht. Als die Erfindung kennzeichnend ist im Anspruch 1 angegeben, dass der Pressring nach dem Herumlegen um die zu verpressenden Teile diese zunächst nicht vollständig umschließt und erst durch Schließen des Pressrings mit Hilfe einer Antriebseinrichtung die Verpressung der Rohrverbindung bewirkt wird. Das zunächst nicht vollständige Umschließen der zu verpressenden Rohranordnung durch den Pressring soll nach der Beschreibung der Streitpatentschrift zum Ausdruck bringen, dass mit der Anlage der Pressbacken an der Mantelfläche der Kupplungshülse nach dem Herumlegen des Pressrings zumindest eine umfängliche Lücke zwischen den die Öffnungsstelle bildenden Enden des Pressrings (Fig. 1, Bezugszeichen 100) verbleibt und insoweit noch keine nennenswerte Presskraft auf die Werkstücke wirkt. Erst mit dem Schließen zumindest dieser Lücke mittels einer Antriebseinrichtung werden radiale Presskräfte zur Herstellung der Pressverbindung erzeugt. Wo und wie die Antriebseinrichtung die erzeugten Kräfte auf die Pressbacken überträgt und dabei die umfängliche Lücke schließt, lässt der Anspruch 1 offen.

2.

Der Gegenstand des Anspruchs 2 betrifft die Kombination des Presswerkzeugs mit den zu verarbeitenden Werkstücken, die zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1 vorgesehen ist. Sie geht schon aus dem Anspruch 1 hervor, so dass zum Verständnis der Lehre des Anspruchs 2 und zur Vermeidung von Wiederholungen auf die entsprechenden Passagen der vorstehenden Ausführungen zum Anspruch 1 verwiesen werden kann.

3.

Die Gegenstände der nebengeordneten erteilten Patentansprüche 1 und 2 sind gegenüber dem Stand der Technik nach der Offenlegungsschrift DE 21 18 782 nicht neu.

In der Offenlegungsschrift DE 21 18 782 (D2) ist ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Herstellung einer Rohrverbindung aus zwei Rohrenden und einer Kupplungshülse beschrieben (S. 2 Abs. 1, S. 4 Abs. 4 i. V. m Fig. 1). Die Verbindung wird durch Druckbearbeitung oder Deformation des Kupplungsgliedes (Muffe 10) gegen das Rohr (bzw. die beiden zu verbindenden Rohrenden 11, 12) mittels eines Presswerkzeugs (Presse 15) mit vier, hier hydraulisch nach radial innen verstellbaren bzw. angetriebenen und an die Geometrie der Werkstücke angepassten Pressbacken (Formschuhe 102, Fig. 3, S. 9 Abs. 3 Z. 4 bis 6) und somit durch plastische Verformung in radialer Richtung erhalten. Insoweit besteht Übereinstimmung mit den Merkmalen 1, 1a, 1b, 1c, 1e, 2, 2a, 2c, 2f aus der oben angegebenen Merkmalsanalyse der angefochtenen Ansprüche 1 und 2, die im Folgenden zugrundegelegt wird. Die vier Pressbacken bzw. Formschuhe (102) sind jeweils an einem Pressbackenträger (längliche Glieder 26-29) gehalten, die untereinander mittels Gelenken (Gelenkstifte 33, 35) so verbunden sind, dass sie eine zu öffnende und zu schließende Presse (S. 4 letzter Absatz. 'Einschließung oder Zange', Fig. 2, 3) ergeben. Damit sind zugleich auch die Pressbacken jedenfalls mittelbar unter Bildung eines Pressringes gelenkartig miteinander verbunden (Merkmale 1d, 2b). Die Druckschrift spricht hierbei vom Öffnen und Schließen der Presse, das von einem Bedienungsmann mit Hilfe von an den Pressbackenträgern (28, 29) befestigten Handgriffen (40, 41) erfolgt und wobei der zwischen den Gliedern 28 und 29 vorgesehene Stift entnommen bzw. eingeführt wird (S. 4, letzter Absatz bis S. 5, Abs. 3). Für den Verpressvorgang wird die Presse bzw. der Pressring entsprechend den Merkmalen 1f und 2d der angegriffenen Ansprüche 1 und 2 um die zu verpressenden rohrförmigen Werkstücke (Muffe 10, Rohrenden 11, 12) herumgelegt (Fig. 3) und die Pressbackenträger an ihren freien Enden geschlossen (Fig. 2). Im Anschluss an das Schließen der Pressbackenträger erfolgt die Verpressung der Rohre mittels einer Antriebseinrichtung, hier u. a. eine handbetätigte hydraulische Pumpe (16), über die ein Druckmedium den zur radialen Verstellung der Formschuhe (102) vorgesehenen Zylindern (77) mit Kolben (90) zugeführt wird. Mit der hydraulischen Druckbeaufschlagung der Presse kommt es zum Ausschieben der Pressbacken radial nach innen, wodurch sie sich zunächst an die Kupplungshülse anlegen und von diesem Moment an Presskräfte auf die Kupplungshülse und die Rohrenden aufbringen. Mit dem Schließen der Presse, also nach dem Herumlegen um die Werkstücke und Verriegeln, verbleibt eine radiale Lücke zwischen den jeweiligen Pressbacken und der Kupplungshülse und damit zwangsläufig auch eine umfängliche Lücke zwischen den Pressbacken bzw. Formschuhen untereinander, so dass auch kein vollständiges Schließen des Pressrings im Sinne des Streitpatents vorliegt (Merkmale 1f, 2e). Erst mit der Betätigung der hydraulischen Handpumpe bzw. Antriebseinrichtung erfolgt das Schließen der Pressbacken bzw. des Pressringes und in Folge die Verpressung und plastische Verformung der zu verbindenden Werkstücke (Merkmale 1g, 2f, 2g).

B. Zum Hilfsantrag 1 Das im Umfang der Patentansprüche 1 bis 7 nach Hilfsantrag 1 beschränkt verteidigte Streitpatent ist rechtsbeständig.

Die Patentansprüche 1 bis 7 nach Hilfsantrag 1 sind zulässig. Die Merkmale des Anspruchs 1 sind aus den erteilten Patentansprüchen 2, 3, 7 und 8 sowie aus der Beschreibung Spalte 4, Zeilen 48 bis 52 der Streitpatentschrift hervorgegangen und auch ursprünglich offenbart. Die Merkmale der Ansprüche 2 bis 4 entsprechen den Merkmalen der erteilten Ansprüche 4 bis 6, die Merkmale der Ansprüche 5 bis 7 den Merkmalen der erteilten Ansprüche 9 bis 11.

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 umfasst neben den in der obigen Merkmalsgliederung für den erteilten Anspruch 2 schon angegebenen Merkmalen 2, 2a bis 2g, die für den Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 nun gedanklich als Merkmale 1, 1a bis 1g bezeichnet sein sollen, folgende weiteren Merkmale auf:

1h) Die Antriebseinrichtung(en) ist (sind) von dem Pressring trennbar;

1i) Die Antriebseinrichtung(en) und der Pressring weisen Kupplungselemente auf, über die die Antriebseinrichtung(en) mit den freien Enden des Pressrings in Wirkverbindung bringbar ist (sind).

1j) Zumindest ein Teil der Pressbacken ist in Pressbackenträgern relativ zu diesen in Umfangsrichtung bewegbar geführt.

Nach der Streitpatentschrift Spalte 2 letzter Absatz bis Spalte 3 Absatz 1 sind Handhabung und Transport der Pressvorrichtung vereinfacht, wenn Antriebseinrichtung und Pressring entsprechend Merkmal 1h als getrennte Teile ausgebildet werden. Entsprechend Merkmal 1i weisen die beiden Teile Kupplungselemente zu ihrer Verbindung auf, wobei die Kupplungselemente des Pressrings an dessen freien Enden angeordnet sind. Aufgrund des Merkmals 1j sind die freien Enden den Pressbackenträgern und nicht den baulich davon getrennten Pressbacken, die in Umfangsrichtung beweglich bleiben sollen, zugeordnet. Werden die freien Enden mit Hilfe der Antriebseinrichtung zusammengedrückt, sollen sich die gemäß Merkmal 1j in Pressbackenträgern geführten Pressbacken selbsttätig in Umfangsrichtung verschieben, bis sie schließlich in gegenseitige Anlage kommen (StrPS Sp. 5 Z. 38 bis 46) und den Pressring vollständig schließen. Das Merkmal 1j erlaubt eine Verpressung mit gleichmäßiger Rundheit der Pressverbindung trotz Einleitung der Presskraft im Wesentlichen in nur einer Hauptrichtung mittels der Antriebseinrichtung, da durch die Bewegung eines Teils der Pressbacken in Umfangsrichtung eine "Zentrierung" der Werkstücke zwischen den Pressbacken während des Pressens erfolgen kann. Somit wird eine unbeabsichtigte Deformation der Rohrverbindung durch ungleiche Backenabstände und die Kanten der noch beabstandeten Pressbacken sowie durch eine Verschiebung des Werkstücks gegenüber den Pressbacken vermieden.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 ist unbestritten neu. Keine der von der Klägerin entgegengehaltenen Druckschriften (D1 bis D3) offenbart eine Kombination aus Presswerkzeug und Werkstücken mit sämtlichen Merkmalen des Anspruchs 1, insbesondere ist bei keinem der bekannten Presswerkzeuge ein Teil der Pressbacken gegenüber dem Pressbackenträger in Umfangsrichtung verschieblich geführt (Merkmal 1j).

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der hier maßgebliche Fachmann ist ein Fachhochschul-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Berufserfahrung auf dem Gebiet der Pressverbindungstechnik bei Rohren und Schläuchen.

Der dem Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 am nächsten kommende Stand der Technik ist in der Offenlegungsschrift DE 2 118 782 A1 (D2) aufgezeigt, die -wie oben zum Hauptantrag im Einzelnen dargelegt -bereits eine Kombination aus Presswerkzeug und Werkstücken gemäß den Merkmalen 2 und 2a bis 2g des erteilten Patentanspruchs 2 bzw. gemäß den gleich lautenden Merkmalen 1, 1a bis 1g des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 aufweist. Bei dem bekannten Presswerkzeug (Presse 15) sind die einzelnen Pressbacken (Formschuhe 102) jeweils mittels einer mit einem hydraulischen Druck beaufschlagbaren Kolben-Zylinder-Einheit (Kolben 90, Zylinder 77) nach radial innen verstellbar, wobei die Zylinder integral in den Pressbackenträgern (Glieder 26 bis 29) ausgebildet sind. Die Figur 4 zeigt die Ausgangsstellung bzw. Ruhestellung des Kolbens, Figur 5 die weiteste radiale Kolbenstellung beim Verpressen. Wie aus diesen Figuren sowie den Ansprüchen 6 und 7 ferner hervorgeht, liegen die Kolben und die Pressbacken mit an ihnen jeweils sphärisch ausgebildeten Flächen (100, 101) unter Vorspannung einer Feder (108) aneinander an, um dem Formschuh bzw. der Pressbacke eine "universelle Bewegung" zu ermöglichen (S. 7 Abs. 1 ab Z. 4 bis 9). Aufgrund der sphärischen Anlageflächen ist damit nur eine veränderliche Winkellage bezüglich der Kolbenachse gemeint. Eine Verlagerung der Pressbacken in Umfangsrichtung entsprechend Merkmal 1j des angefochtenen Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 ist aufgrund der örtlich am Pressbackenträger festgelegten Kolben-Zylinder-Einheit nicht vorgesehen. Die Entgegenhaltung D2 kann dem Fachmann hierzu auch keine Anregung liefern, weil mit der bekannten Presse ein vollständiges Schließen des Pressrings und eine damit einhergehende Formstabilität bei der Verpressung bereits erreicht wird, und zwar durch vier Formschuhe mit jeweils einer einen Viertelkreis von 90 Grad überdeckenden Formfläche (112), wodurch bei vollem Kolbenhub sich praktisch eine fortlaufende ringförmige Eindrückfläche ergibt (S. 7, Abs. 3).

Auch die weiteren Entgegenhaltungen liefern dem Fachmann keine Anregung zu der Maßnahme gemäß Merkmal 1j des Anspruchs 1.

Die Pressvorrichtung nach der Patentschrift DE 1 907 956 (D1) umfasst ein mehrteiliges ringförmiges, umfangsseitig geschlossenes Gehäuse (Ringgehäuse 18, Endringe 20, 20a, 35 in Fig. 1, 5), innerhalb dessen mehrere, gemeinsam einen Pressring bildende Pressbacken, bestehend jeweils aus einem Primärsegment 30, 40 und einem Sekundärsegment 31, 41 (Fig. 2, 4), radial verschieblich geführt sind. Dieses Gehäuse erfüllt somit die Funktion eines Pressbackenträgers. Zwischen dem Ringgehäuse 18 und dem Pressring ist ein mit einem flüssigen oder gasförmigen Medium druckbeaufschlagbarer Ringraum 23 zur radialen Verschiebung bzw. zum Antrieb der Pressbacken vorhanden und durch eine hülsenförmige, elastische Dichtungsmuffe oder Membran 25 gegenüber dem Pressring abgedichtet. Die Pressbacken im Pressbackenträger 18, 20, 20a, 35 relativ zu diesem in Umfangsrichtung bewegbar zu führen, entsprechend Merkmal 1j des Anspruchs 1, um hierdurch einen geschlossenen Pressring bzw.

Pressbackenring zu ermöglichen, ist in der Schrift D1 jedoch nicht thematisiert. Hierfür bestand auch keine Veranlassung. Denn bei der bekannten Pressvorrichtung sind die Pressbacken und ihr Antrieb kreissymmetrisch in einem umfänglich geschlossenen Gehäuse angeordnet, so dass der hydraulisch oder pneumatisch erzeugte Pressdruck im Wesentlichen nur eine radiale Verlagerung der Pressbacken bewirkt (u. a. S. 4 letzter Absatz, S. 6 Abs. 2, 3), wobei diese Verlagerung wie auch bei der Pressvorrichtung nach Druckschrift D2 -allein schon zu einem vollständigen Schließen des Pressringes führt. Nach Seite 8 Absatz 2 der D1 weisen nämlich die primären Segmente 30 gemeinsame (seitliche) Berührungsflächen auf, die bei radialer Verstellung der Segmente mittels Dübelund Nutverbindungen 32 zueinander geführt werden, bis sie sich berühren, und -wenn im Ringraum 23 kein Pressdruck mehr vorliegt -mittels in den Berührungsflächen angeordneter Federn wieder voneinander trennbar sind.

Noch weniger kann die US-Patentschrift 2 211 008 (D3) das Merkmal 1j des Anspruchs 1 zur Ausbildung bei der Presse nach Druckschrift D2 nahe legen, da die dort beschriebene Pressvorrichtung zur Herstellung von Schlauchverbindungen, die der Fachmann als Teil des allgemeinen Fachgebiets der Rohrverbindungen einordnet, keine voneinander trennbaren Pressbacken und Pressbackenträger verwendet, was Voraussetzung einer möglichen gegenseitigen Verschiebbarkeit wäre. Mit dieser Presse werden zwei Schlauchenden mit einem in ihrem Inneren angeordneten, in Längsrichtung wellig profilierten Kupplungsstück verbunden, indem auf den Schlauchenden aufgeschobene, metallische Muffen mittels des Presswerkzeugs radial plastisch verformt werden und damit auch einen Reibund Formschluss zwischen Schlauchmaterial und Kupplungsstück erzeugen. Die Vorrichtung umfasst drei Pressbacken, von denen zwei gelenkig mit der dritten Pressbacke unter Bildung eines aufklappbaren Pressrings verbunden sind. Nach Einlegen der zu verbindenden Werkstücke in den Pressring werden die beiden zunächst um die Werkstücke herum geklappten Pressbacken an ihren freien Enden durch einen mit einem Spannbzw. Handhebel gekoppelten Bügel verbunden und sodann der Hebel für das Schließen des Pressrings angezogen, um die Pressverbindung an den Schlauchenden zu bewirken. Dabei sollen gerade Spalten zwischen den Pressbacken verbleiben, um darin Rippen aus dem Muffenmaterial zu formen (S. 2 rechte Spalte Z. 30 bis 64 i. V. m. Fig. 1, 2 und 4). Da insoweit eine vollständige Schließung des Pressrings nicht angestrebt ist, fehlt es in der Schrift D3 schon an einem Anhaltspunkt für Gedanken in Richtung auf eine bauliche Teilung von Pressbacken und Pressbackenträger und deren gegenseitige Verschiebbarkeit in Umfangsrichtung.

Selbst wenn man von Druckschrift D3 ausginge und anstrebte, mit der Vorrichtung Rohrverbindungen hoher Rundheitsgüte unter Vermeidung einer Rippenbildung herzustellen, würde der entgegengehaltene Stand der Technik nach D1 oder D2 nicht die streitpatentgemäße Bewegbarkeit der Pressbacken gegenüber dem Pressbackenträger nahe legen, weil dort gerade nicht von einer derartigen Maßnahme Gebrauch gemacht werden musste, um ein vollständiges Schließen des Pressringes zu erreichen.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 ist nach alledem patentfähig, und mit ihm die Gegenstände der auf den Hauptanspruch zumindest mittelbar rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 7.

C. Aufgrund der Rechtsbeständigkeit des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 kommt der ebenfalls in der mündlichen Verhandlung gestellte Hilfsantrag 2 nicht zum Tragen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO, da das Obsiegen bzw. Unterliegen der Parteien in diesem Verhältnis zueinander zu bewerten ist.

Die Erklärung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

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BPatG:
Urteil v. 05.03.2009
Az: 10 Ni 2/08


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/98916751e509/BPatG_Urteil_vom_5-Maerz-2009_Az_10-Ni-2-08




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