Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 25. Januar 1999
Aktenzeichen: 7 W 20/97

(OLG Köln: Beschluss v. 25.01.1999, Az.: 7 W 20/97)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Das Verfahren über die Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die Beschwerde ist an sich statthaft und in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt worden (§ 25 GKG). In der Sache selbst hat sie jedoch keinen Erfolg.

1.

Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, daß die Wertangaben der Antragsteller in dem das selbständige Beweisverfahren einleitenden Antrag für die Streitwertbemessung nicht verbindlich sind.

Nach einhelliger Auffassung ist der Streitwert für das selbständige Beweisverfahren gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO zu schätzen. Maßgebend hierfür ist das (objektive) Interesse des Antragstellers z. Zt. der Antragstellung. Sollen - wie im vorliegenden Fall - Feststellungen hinsichtlich eines später zu verfolgenden Anspruchs auf Mängelbeseitigung bzw. auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten getroffen werden, so bestimmt sich das objektive Interesse danach, mit welchen Schäden und Mängeln nach der Behauptung in der Antragsschrift zu rechnen war.

Es kommt deshalb regelmäßig, was allerdings vereinzelt vertreten wird (vgl. z. B. OLG Köln, 8. Zivilsenat, OLGR 1998, 6; OLG Köln, 2. Zivilsenat, VersR 1993, 125 = JMBl NW 1992, 92; OLG Koblenz, JurBüro 1993, 552; Oberlandesgericht Celle OLGR 1997, 183; OLG Karlsruhe JurBüro 1997, 531; SchlHOLG OLGR 1998, 38) nicht darauf an, welche Angaben der Antragsteller macht. Wird ein Gutachten eingeholt, so ist vielmehr von den Feststellungen des Sachverständigen zum Mängelbeseitigungsaufwand auszugehen.

Dies erweist sich als allein praxis- und sachgerecht. Der Antragsteller wird regelmäßig keine auch nur annähernd genauen Angaben zum Schadensbeseitigungsaufwand und damit zu dem von ihm mit dem Beweisverfahren zu verfolgenden Interesse machen können. In aller Regel - wie auch im vorliegenden Fall - soll der Mängelbeseitigungsaufwand gerade erst durch den Sachverständigen näher bestimmt werden. Dessen Feststellungen bilden dann vielfach erst die Grundlage für den im Hauptverfahren gestellten Leistungsantrag (wie hier: OLG Köln, 16. Zivilsenat, OLGR 1997, 135 = NJW-RR 1997, 1292; ThürOLG OLGR 1998, 24; OLG Frankfurt OLGR 1997, 88 und OLGR 1997, 104; OLG Düsseldorf JurBüro 1997, 532; Schneider, Wertangabe und Streitwertbemessung im selbständigen Beweisverfahren, MDR 1998, 255 f.).

Soweit sich die abweichende Auffassung auf § 4 Abs. 1 ZPO oder § 15 GKG beruft, verkennt sie, daß durch diese Vorschriften im Interesse der Verfahrenssicherheit allein der für die Wertberechnung im Zivilprozeß maßgebliche Zeitpunkt festgelegt wird (Stein/Jonas/Roth, 21. Aufl., § 4, Rn. 1). Wie dieser Wert zu bestimmen ist, kann hingegen aus diesen Vorschriften nicht entnommen werden, weil sie keine Bewertungsmaßstäbe enthalten, sondern nur die Leitlinie dafür, nach welchem Zeitpunkt sich die Wertberechnung richten soll. Ungeachtet der vorläufigen Wertangabe des Antragstellers und einer entsprechend vorläufigen Wertfestsetzung durch das Gericht ist deshalb die endgültige Streitwertfestsetzung erst anhand des Sachverständigengutachtens möglich, bezogen allerdings auf den Eingang des Antrags. Wertveränderungen des Streitgegenstandes selbst, die später auftreten, bleiben unberücksichtigt. Nur das besagen die §§ 4 Abs. 1 ZPO, 15 GKG (so ausdrücklich Schneider, a. a. O.). Bloß vorläufige Schätzungen des Antragstellers haben zwar für die nachfolgende gerichtliche Schätzung Indizwert (BGH NJW-RR 1991, 1210); sie können aber bei besseren Erkenntnissen von dem Antragsteller jederzeit berichtigt werden (§ 23 Abs. 2 GKG). Diese Möglichkeit hat auch das Gericht (§ 25 Abs. 2 Satz 2 und 3 GKG). Wegen des im Streitwertrecht geltenden Grundsatzes der materiellen Wahrheit ist es sogar verpflichtet, den der Parteidisposition entzogenen wirklichen Wert unter Abänderung einer unrichtigen früheren Entscheidung neu festzusetzen (so ausdrücklich OLG Köln, 16. Zivilsenat, a. a. O.).

Auszugehen ist sonach vorliegend nicht von dem als vorläufig angegebenen Wert von 52.000,00 DM, sondern von dem sachverständigenseits geschätzten Mängelbeseitigungsaufwand von 122.590,00 DM. Dies entspricht der Wertfestsetzung des Landgerichts.

2.

Von diesem Wert sind wegen des besonderen Charakters des Verfahrens keine Abschläge vorzunehmen. Allerdings ist in der Rechtsprechung und Literatur nach wie vor umstritten, ob im selbständigen Beweisverfahren der Hauptsachestreitwert oder nur ein Bruchteil davon anzusetzen ist. Nach inzwischen ganz überwiegender Auffassung ist der Wert des beweisrechtlich vorbereiteten Hauptverfahrens maßgebend, und zwar auch dann, wenn es dazu nicht mehr kommt (vgl. dazu aus der neueren Rechtsprechung: OLG Braunschweig, 2. Zivilsenat, OLGR 1997, 84; OLG Braunschweig, 5. Zivilsenat, OLGR 1995, 144; HansOLG Bremen OLGR 1996, 143; OLG Celle, 4. Zivilsenat, OLGR 1994, 31; OLG Celle 6. Zivilsenat, OLGR 1996, 142; OLG Celle, 13. Zivilsenat, OLGR 1994, 240; OLG Celle, 14. Zivilsenat, OLGR 1994, 298; OLG Düsseldorf, 5. Zivilsenat, OLGR 1995, 163; OLG Düsseldorf, 7. Zivilsenat, OLGR 1995, 232; OLG Frankfurt, 3. Zivilsenat, OLGR 1993, 226; OLG Frankfurt, 21. Zivilsenat, OLGR 1993, 348; OLG Frankfurt, 24. Zivilsenat, OLGR 1997, 88; OLG Hamm, AnwaltsBl 1996, 41; HansOLG Hamburg, OLGR 1996, 205; OLG Karlsruhe MDR 1992, 615; OLG Koblenz NJW-RR 1993, 1086; OLG Köln, 1. Zivilsenat, OLGR 1994, 155 = MDR 1994, 734; OLG Köln, 2. Zivilsenat, OLGR 1992, 30 = VersR 1993, 125 = JMBl NW 1992, 92; OLG Köln, 9. Zivilsenat, OLGR 1993, 47 = VersR 1993, 858 JurBüro 1993, 552; OLG Köln, 11. Zivilsenat, MDR 1992, 192 = JurBüro 1992, 191 und OLGR 1994, 155 = MDR 1994, 734; OLG Köln, 13. Zivilsenat, OLGR 1995, 312 und JurBüro 1996, 31; OLG Köln, 16. Zivilsenat, OLGR 1998, 148; OLG München BauR 1993, 117; OLG Nürnberg BauR 1995, 134; OLG Rostock BauR 1993, 367; OLG Stuttgart BauR 1996, 145; ThürOLG OLGR 1996, 12; differenzierend: OLG Köln, 5. Zivilsenat, VersR 1995, 360; OLG Köln, 19. Zivilsenat, OLGR 1992, 305 = VersR 1992, 1111 = JurBüro 1992, 700; OLG Koblenz, MDR 1993, 288).

Aber auch die Bruchteilsbewertung hat weiterhin Anhänger (vgl. z. B.: OLG Bamberg, JurBüro 1992, 629; OLG Hamm, Jur Büro 1995, 430; OLG Karlsruhe, JurBüro 1992, 559; OLG Köln, 22. Zivilsenat, OLGR 1992, 383 = MDR 1992, 1190; SchlHOLG OLGR 1998, 38 und SchlHA 1994, 184).

Auch der Senat hat bisher die Mindermeinung vertreten (Beschluß vom 20.01.1992 - 7 W 29/91 - JurBüro 1992, 351 = NJW-RR 1992, 767 = OLGR 1992, 145). An dieser Ansicht hält er jedoch nach neuerlicher Prüfung nicht mehr fest. Tragender Gesichtspunkt für den bisher eingenommenen Standpunkt war der Umstand, daß das Beweisverfahren zwar zu einer endgültigen Beilegung des Streits führen kann, dies aber nicht notwendig erweise so ist und deshalb das Beweisverfahren in diesen Fällen einen nur vorläufigen Charakter hat. "Endgültig" wird die Beweiserhebung erst mit ihrer Verwertung in einem späteren Hauptverfahren, durch die der Rechtsanwalt ohnehin die Gebühr nach dem vollen Streitwert verdient. Hiergegen spricht indessen folgende Erwägung: Kommt es später zum Prozeß wegen aller Punkte, die Gegenstand des Beweisverfahrens waren, so verliert das Beweisverfahren gem. § 493 Abs. 1 ZPO seinen gewissermaßen vorläufigen Charakter. Der Streit ist dann ohnehin, sofern dieselben Rechtsanwälte tätig sind, bedeutungslos, da die Anwälte die Gebühr nach dem vollen Streitwert der Hauptsache verdienen. Kommt es nicht zum Prozeß oder nur wegen einzelner Punkte (mit entsprechend geringerem Streitwert), so ist das typischerweise Folge des Beweisergebnisses, das insoweit dann faktisch zu einer endgültigen Streiterledigung geführt hat. Das gilt erst recht, wenn sich die Parteien im Anschluß an das Beweisverfahren außergerichtlich oder im Beweisverfahren selbst gem. § 492 Abs. 3 ZPO einigen. Letzteres ist zwar auch im Arrest- oder einstweiligen Verfügungsverfahren nicht anders, ohne daß daraus hergeleitet wird, es müsse der volle Wert des zugrundeliegenden Anspruchs angesetzt werden. Insoweit geht es aber um selbständige Verfahren, die gegenüber dem Hauptprozeß gesondert abzurechnen sind, während das selbständige Beweisverfahren in einem späteren Prozeß zum Rechtszug gehört, ganz gleich, ob es vor oder nach dessen Anhängigkeit durchgeführt wurde (§ 37 Nr. 3 BRAGO) und das Beweisergebnis gem. § 493 Abs. 1 ZPO zum Teil des Prozesses wird.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 25 Abs. 4 GKG.






OLG Köln:
Beschluss v. 25.01.1999
Az: 7 W 20/97


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