Landesarbeitsgericht Hamm:
Beschluss vom 12. Juli 2006
Aktenzeichen: 10 Ta 384/06

(LAG Hamm: Beschluss v. 12.07.2006, Az.: 10 Ta 384/06)

Die Wertfestsetzung für ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren, in dem im Wege der einstweiligen Verfügung in erster Linie die Zulassung einer Wahlvorschlagsliste für eine Betriebsratswahl und hilfsweise der Abbruch der Betriebsratswahl begehrt wird, kann der Festsetzungspraxis in Wahlanfechtungsverfahren nach § 19 BetrVG folgen.

Dies gilt auch dann, wenn über den Hilfsantrag nicht entschieden wurde, weil bereits dem Hauptantrag stattgegeben worden ist. § 45 Abs. 1 S. 2 GKG steht dem nicht entgegen, weil die Wertfestsetzung nach § 23 Abs. 3 RVG sich nach der tatsächlich erbrachten anwaltlichen Leistung richtet.

Tenor

Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Wahlvorstandes wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 12.05.2006 - 10 BVGa 2/06 - abgeändert.

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 26.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Im Ausgangsverfahren haben die Antragsteller im Wege der einstweiligen Verfügung die Zulassung einer Wahlvorschlagsliste "Neue Wege" zu der am 06.04.2006 im Betrieb der Arbeitgeberin stattfindenden Betriebsratswahl verlangt. Hilfsweise haben sie vom Wahlvorstand den Abbruch des laufenden Wahlverfahrens begehrt.

Durch Beschluss vom 22.03.2006 hat das Arbeitsgericht dem Hauptantrag der Antragsteller auf Zulassung der Wahlvorschlagsliste " Neue Wege" stattgegeben.

Noch am 22.03.2006, dem Tag des Anhörungstermins vor dem Arbeitsgericht, teilte der Wahlvorstand mit, dass er beschlossen habe, die Betriebsratswahl abzubrechen und neu auszuschreiben.

Der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 22.03.2006 wurde rechtskräftig.

Auf Antrag des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller hat das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 12.05.2006 den Gegenstandswert für das Ausgangsverfahren auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gegen diesen Beschluss, dem Wahlvorstand am 24.05.2006 zugestellt, wenden sich die Verfahrensbevollmächtigten des Wahlvorstandes mit der am 01.06.2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Beschwerde, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

Die Verfahrensbevollmächtigten des Wahlvorstandes sind der Auffassung, dass angesichts des Umstandes, dass im Betrieb der Arbeitgeberin ein elfköpfiger Betriebsrat zu wählen gewesen sei, der Gegenstandswert mit 26.000,00 € bemessen werden müsse. Auch aufgrund der Durchführung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens komme ein Abschlag gegenüber dem Hauptsacheverfahren nicht in Betracht.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

Die nach § 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde ist begründet.

Der Gegenstandswert für das vorliegende Beschlussverfahren war gem. § 23 Abs. 3 RVG auf 26.000,00 € festzusetzen.

1. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern des erkennenden Gerichts richtet sich der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für ein Beschlussverfahren, mit dem eine Betriebsratswahl nach § 19 BetrVG angefochten wird, regelmäßig nach der Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder, die gemäß § 9 BetrVG durch die Größe des Betriebes bestimmt wird. Dies entspricht der überwiegenden Auffassung der Landesarbeitsgerichte (LAG Berlin, Beschluss vom 17.12.1991 - NZA 1992, 327; LAG Thüringen, Beschluss vom 13.11.1998 - AuR 1999, 146; LAG Brandenburg, Beschluss vom 21.09.1995 - NZA 1996, 112; LAG Köln, Beschluss vom 10.10.2002 - NZA-RR 2003, 493; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 09.07.1993 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 55). Die zuständigen Kammern des Beschwerdegerichts haben sich dieser Auffassung in ständiger Rechtsprechung angeschlossen (LAG Hamm, Beschluss vom 09.03.2001 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 48 a = NZA-RR 2002, 104; LAG Hamm, Beschluss vom 28.04.2005 - NZA-RR 2005, 435; vgl. auch die Nachweise bei Wenzel, GK-ArbGG, § 12 Rz. 461, 464). Bei der Wahl eines elfköpfigen Betriebsrates würde sich für ein etwaiges Anfechtungsverfahren nach § 19 BetrVG hiernach ein Gegenstandswert von 26.000,00 € ergeben.

2. Auch im vorliegenden Fall war der Gegenstandswert in Anlehnung an die Wertfestsetzungspraxis in Wahlanfechtungsverfahren auf 26.000,00 € festzusetzen.

Eine Ermäßigung des Gegenstandswertes von 26.000,00 € kam nicht allein deshalb in Betracht, weil die Anspruchssteller in erster Linie die Zulassung der Wahlvorschlagsliste "Neue Wege" zu der am 06.04.2006 stattfindenden Betriebsratswahl verlangt haben. Richtig ist zwar, dass der Streit um die Zulassung einer Wahlvorschlagsliste geringer bewertet werden kann als ein Wahlanfechtungsverfahren. Werden im Rahmen einer Betriebsratswahl vom Wahlvorstand im Wege einer einstweiligen Verfügung berichtigende oder korrigierende Eingriffe in das Wahlverfahren verlangt, kann es angemessen sein, den Gegenstandswert auf einen Bruchteil des jeweiligen Anfechtungsverfahrens festzusetzen, weil in einem derartigen

Fall nicht alle zur Wahlanfechtung berechtigende Gründe überprüft werden und eine Anfechtung der noch bevorstehenden Betriebsratswahl nicht ausgeschlossen ist (vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 28.04.2005 - NZA-RR 2005, 436; LAG Hamm, Beschluss vom 27.11.2003 - 13 TaBV 88/03 -). Auch das vorliegende Verfahren betrifft jedenfalls nach seinem Hauptantrag nur einen Teil der durchzuführenden Betriebsratswahl.

b) Eine Ermäßigung des Gegenstandswertes von 26.000,00 € würde aber dem von den Antragstellern gestellten Hilfsantrag nicht ausreichend Rechnung tragen. Mit dem Hilfsantrag haben die Antragsteller vom Wahlvorstand den Abbruch des laufenden Wahlverfahrens verlangt. Dieser Umstand rechtfertigt es, sich auch im vorliegenden Verfahren an der Wertfestsetzung im Verfahren über die Anfechtung einer Betriebsratswahl zu orientieren. Wollen Wahlbewerber im Beschlussverfahren die Durchführung einer Betriebsratswahl ohne Zulassung ihrer Liste verbieten lassen, kann die Festsetzung des Gegenstandswertes der Wertfestsetzungspraxis in Wahlanfechtungsverfahren folgen (LAG Köln, Beschluss vom 10.10.2002 - NZA-RR 2003, 493; LAG Hamm, Beschluss vom 19.12.2005 - 10 TaBV 161/05 -). So liegt der vorliegende Fall. Durch den Hilfsantrag haben die Antragsteller deutlich gemacht, dass sie die für den 06.04.2006 vorgesehene Betriebsratswahl in jedem Fall verhindern wollen, sofern sie nicht nach ihren Vorstellungen abläuft. Wäre dem Hilfsantrag der Antragsteller in vollem Umfange stattgegeben worden, hätte sich ein Anfechtungsverfahren in vollem Umfang erübrigt. Insoweit ist mit dem vorliegenden Antrag auch keine vorläufige Regelung begehrt worden.

Der Umstand, dass das Arbeitsgericht über den Hilfsantrag auf Abbruch der Betriebsratswahl nicht entschieden hat, weil es bereits dem Hauptantrag stattgegeben hat, rechtfertigt ebenfalls keine Herabsetzung des Gegenstandswertes. Zwar bestimmt § 45 Abs. 1 S. 2 GKG, dass eine Zusammenrechnung des Wertes eines Hilfsanspruchs mit dem des Hauptanspruchs nur stattfindet, wenn über den Hilfsantrag auch entschieden worden ist. Das Arbeitsgericht hat über den Hilfsantrag nicht entschieden, weil es bereits dem Hauptantrag stattgegeben hat. Dies hat jedoch nicht die Konsequenz, dass der Hilfsantrag wertmäßig unberücksichtigt bleiben muss. § 45 Abs. 1 S. 2 GKG ist nämlich vorliegend nicht anwendbar. Das ergibt sich bereits aus dem Eingangssatz des § 23 Abs. 3 RVG. Der Gegenstandswert in arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren richtet sich nicht nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes. Die Wertfestsetzung muss sich vorliegend vielmehr an der tatsächlich erbrachten anwaltlichen Leistung orientieren (vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 28.07.1988 - LAGE GKG § 19 Nr. 4; LAG Köln, Beschluss vom 14.09.2001 - AnwBl 2002, 185; LAG Berlin, Beschluss vom 09.03.2004 - NZA-RR 2004, 492; Wenzel, a.a.O., § 12 Rz. 477, 447; 186; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., VV 3100 Rz. 129 m.w.N.). Die Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren ist für die Anwaltsgebühren dann nicht maßgebend, wenn sich die anwaltliche und die gerichtliche Tätigkeit nicht auf denselben Gegenstand beziehen. Das trifft auch zu, wenn das Gericht in eine Prüfung des Hilfsantrags nicht mehr eingetreten ist, weil es bereits den Hauptantrag für begründet erachtet hat. Der tätig gewordene Anwalt hat sich jedoch mit der Begründung des Hilfsantrags befassen müssen.

Da im vorliegenden Fall der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Abbruch der Betriebsratswahl der weitergehende Anspruch ist, ist dessen Wert maßgebend.

3. Eine Herabsetzung des Gegenstandswertes von 26.000,00 € kam schließlich auch nicht allein deshalb in Betracht, weil es sich bei dem vorliegenden Ausgangsverfahren um ein Verfahren im Wege der einstweiligen Verfügung gehandelt hat.

Zwar wird vielfach im einstweiligen Verfügungsverfahren ein Abschlag gegenüber dem Hauptsacheverfahren vorgenommen (vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 15.04.1993 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 22; Bertelsmann, Gegenstandswert im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, S. 30 m.w.N.). Sichert jedoch ein einstweiliges Verfügungsverfahren bei Erfolg des Antragstellers den geltend gemachten Anspruch, handelt es sich um eine Befriedigungs- bzw. Erfüllungsverfügung, erscheint ein Wertabzug nicht gerechtfertigt. Es wird in derartigen Fällen nämlich nicht nur eine vorläufige Regelung getroffen. Die Streitigkeit ist vielmehr regelmäßig mit dem Erlass der einstweiligen Verfügung beendet (LAG Bremen, Beschluss vom 15.02.1990 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 14; LAG Köln, Beschluss vom 09.06.1999 - NZA-RR 1999, 608; LAG Hamm, Beschluss vom 12.06.2001 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 50; LAG Hamm, Beschluss vom 28.04.2005 - NZA-RR 2005, 435; Wenzel, a.a.O., § 12 Rz. 280, 473).

So liegt auch der vorliegende Fall. Die Antragsteller haben mit der vorliegenden einstweiligen Verfügung u.a. auch den vollständigen Abbruch der Betriebsratswahl geltend gemacht. Durch das vorliegende Verfahren der einstweiligen Verfügung ist der Streit zwischen den Beteiligten praktisch endgültig erledigt worden.

Schierbaum /N.






LAG Hamm:
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