Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 3. Mai 2007
Aktenzeichen: I ZR 137/05

(BGH: Beschluss v. 03.05.2007, Az.: I ZR 137/05)

Tenor

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Urteile der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen vom 17. Dezember 2004 und des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 2. Juni 2005 sind wirkungslos.

Der Streitwert des Revisionsverfahrens beträgt bis zur Erledigungserklärung 35.000 €.

Gründe

I. Der Kläger betreibt in E. eine Rechtsanwaltskanzlei und ist Fach- anwalt für Arbeitsrecht. Er hat sich mit seiner Unterlassungsklage gegen eine Werbung der Beklagten für ihre Kanzlei in E. gewendet, die am 1. Mai 2004 in der W. in folgender Form erschienen ist:

An dieser Stelle befindet sich eine Abbildung.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.

In der Revisionsinstanz haben die Parteien den Rechtsstreit im Hinblick auf den Wegfall der Gebührentatbestände für außergerichtliche Beratung im Vergütungsverzeichnis (nachfolgend: VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz per 1. Juli 2006 übereinstimmend für erledigt erklärt. Der Kläger hat beantragt, die Kosten des Verfahrens der Beklagten aufzuerlegen. Die Beklagte hat sich der Erledigung angeschlossen und beantragt, den Kläger zur Kostentragung zu verurteilen.

II. Gemäß § 91a ZPO hat der Senat nur noch über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden. Diese Entscheidung hat zwar den bisherigen Sach- und Streitstand zu berücksichtigen. Sie ergeht aber nach billigem Ermessen. Der Senat kann sich deshalb auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage beschränken und darauf verzichten, alle für den Ausgang des Rechtsstreits bedeutsamen Rechtsfragen zu überprüfen (BGHZ 67, 343, 345; 163, 195, 197 m.w.N.). Nach dem Ergebnis dieser summarischen Prüfung sind die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger aufzuerlegen. Dem Kläger stand kein Unterlassungsanspruch nach den §§ 3, 4 Nr. 11, § 8 Abs. 1 UWG i.V.m. § 4 Abs. 2 S. 3 RVG zu.

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei den berufsrechtlichen Preisvorschriften der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung bzw. des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes um Marktverhaltensregelungen i.S. des § 4 Nr. 11 UWG handelt (BGH, Urt. v. 30.9.2004 - I ZR 261/02, GRUR 2005, 433, 435 = WRP 2005, 598 - Telekanzlei). Im Falle des Verstoßes gegen derartige Bestimmungen steht Mitbewerbern wie dem Kläger ein Unterlassungsanspruch aus den §§ 3, 8 Abs. 1 UWG zu.

2. Das Angebot arbeitsrechtlicher Erstberatung durch die Beklagte für Beträge von 10 bis 50 € etwa im Fall von Kündigungen umfasste auch Beratungen, bei denen aufgrund des Gegenstandswerts der Rahmen der nach den bisherigen Gebührentatbeständen der Nr. 2100 bis 2102 des VV zu § 2 Abs. 2 RVG geschuldeten gesetzlichen Gebühr deutlich unterschritten wurde.

3. Nach § 4 Abs. 2 RVG konnten, wovon auch das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist, schon vor dem 1. Juli 2006 in außergerichtlichen Angelegenheiten Pauschal- und Zeitvergütungen vereinbart werden, die niedriger waren als die gesetzlichen Gebühren. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht hinreichende Anhaltspunkte für eine unangemessene Unterschreitung der gesetzlichen Gebühren darin gesehen, dass die nach dem Vergütungsverzeichnis zum RVG geschuldete Mittelgebühr bereits bei einem nicht unüblichen Gegenstandswert von 7.000 € deutlich über den von der Beklagten für arbeitsrechtliche Erstberatung geforderten Sätzen lag.

Auch wenn die Beklagte in jedem einzelnen Fall das konkrete Honorar in dem durch die Werbung vorgegebenen Vergütungsrahmen bestimmen muss, handelt es sich um eine Pauschalvergütung (Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl., RVG § 4 Rdn. 51). Nach § 4 Abs. 2 Satz 3 RVG musste die vereinbarte Vergütung in angemessenem Verhältnis zu Leistung, Verantwortung und Haftungsrisiko des Rechtsanwalts stehen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts konnte sich der Anwalt aber auch schon nach der bis 1. Juli 2006 geltenden Rechtslage vollständig vom Gegenstandswert lösen, wenn er eine niedrigere als die gesetzliche Gebühr vereinbaren wollte. Der Bundesgerichtshof hatte zum früheren Recht bereits entschieden, dass eine vollständig vom Gegenstandswert gelöste Zeitgebühr zulässig war (BGH GRUR 2005, 433 - Telekanzlei). Dasselbe galt für eine Pauschal- oder Pauschalrahmengebühr, die nicht vom Gegenstandswert abhing.

4. Die Angemessenheit des von der Beklagten für Erstberatung angebotenen Pauschalhonorars war aufgrund einer Gesamtbetrachtung zu beurteilen.

a) Wie das Berufungsgericht nicht verkennt, ist Erstberatung eine pauschale, überschlägige Einstiegsberatung. Dazu gehört nicht, dass sich der Rechtsanwalt erst sachkundig macht oder dass er die Erstberatung schriftlich zusammenfasst (vgl. Madert in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Raab, RVG, 17. Aufl., § 34 Rdn. 39, 52; Göttlich/Mümmler, RVG, 2. Aufl., "Rat", S. 791).

b) Die Beklagte hat ihre Erstberatung in Verbindung mit der Aufforderung "Kommen Sie einfach zu uns - auch samstags!" angeboten. Die Erstberatung sollte also in einem persönlichen Beratungsgespräch erteilt werden. Dafür sah Nr. 2102 des VV zum RVG bis 1. Juli 2006 eine Höchstgebühr von 190 € vor, wenn der Mandant ein Verbraucher war. Arbeitnehmer, die sich in arbeitsrechtlichen Fragen an die Beklagte wenden, sind gem. § 13 BGB Verbraucher. Die Einbettung des Gebührenbeispiels für Arbeitsrecht zwischen diejenigen für Familienrecht und Sozialrecht sowie die Gestaltung der Anzeige und das gewählte Medium, eine weit verbreitete Regionalzeitung, sprechen dafür, dass die Werbung der Beklagten in erster Linie auf Verbraucher und im Bereich des Arbeitsrechts auf Arbeitnehmer zielte. Möglicherweise wurden von ihr allerdings auch kleinere Gewerbetreibende angesprochen. Für diese galt die Begrenzung der Vergütung für das erste Beratungsgespräch auf 190 € nicht.

c) Bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung und unter Berücksichtigung des dem Anwalt schon vor dem 1. Juli 2006 zustehenden, weiten Ermessens bei der Vereinbarung der Vergütung für außergerichtliche Beratung konnte in Anwendung der Kriterien Leistung, Verantwortung und Haftung nicht auf das Angebot eines unangemessen niedrigen Honorars geschlossen werden.

Beim Kriterium der Leistung konnte der Anwalt der von ihm aufgewendeten Zeit maßgebliches Gewicht beimessen. Es ist nicht ersichtlich, dass die von der Beklagten geführten Erstberatungsgespräche von mehr als kurzer Dauer waren.

Zwischen den Kriterien Verantwortung und Haftung ist kein wesentlicher sachlicher Unterschied ersichtlich. Das bei Übernahme eines Mandats bestehende Haftungsrisiko ist für den Rechtsanwalt häufig erst nach dem ersten Beratungsgespräch einzuschätzen. Sowohl Anwalt als auch Mandant haben aber das berechtigte Interesse, die Höhe der Vergütung für ein erstes Beratungsgespräch vorab zu regeln. Auch bei Zeitgebühren ist die Berücksichtigung des konkreten Haftungsrisikos kaum möglich. Zudem hielt der Gesetzgeber für die Erstberatung von Verbrauchern selbst bei sehr hohen Streitwerten und Risiken eine Höchstgebühr von 190 € für angemessen.

Das erste Beratungsgespräch dürfte für den Anwalt regelmäßig auch nur mit begrenztem Risiko verbunden sein. So wird er einem Mandanten außer in ganz eindeutigen Fällen kaum schon im ersten Gespräch von der Weiterverfolgung einer wichtigen Angelegenheit abraten und dadurch eine große Verantwortung und ein hohes Haftungsrisiko auf sich nehmen.

III. Es erscheint daher angemessen, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Auf Antrag der Beklagten ist die Wirkungslosigkeit der Urteile der Vorinstanzen auszusprechen.

Bornkamm Pokrant RiBGH Prof. Dr. Büscher istin Urlaub und kann daher nicht unterschreiben.

Bornkamm Bergmann Kirchhoff Vorinstanzen:

LG Essen, Entscheidung vom 17.12.2004 - 45 O 98/04 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 02.06.2005 - 4 U 12/05 -






BGH:
Beschluss v. 03.05.2007
Az: I ZR 137/05


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