Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Oktober 2009
Aktenzeichen: 26 W (pat) 23/08

(BPatG: Beschluss v. 21.10.2009, Az.: 26 W (pat) 23/08)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patentund Markenamts vom 20. März 2006 und 3. Dezember 2007 teilweise aufgehoben, soweit der Widerspruch in Bezug auf die Waren "natürliches Mineralwasser und daraus hergestellte alkoholfreie Erfrischungsgetränke, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte" der angegriffenen Marke zurückgewiesen worden ist.

2.

Die teilweise Löschung der Marke 303 48 799 für die in Ziffer 1 genannten Waren wird angeordnet.

3.

Im übrigen wird die Beschwerde der Widersprechenden zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die Eintragung der Marke 303 48 799 Napoleonfür die Waren "Klasse 5: diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost Klasse 32: natürliches Mineralwasser und daraus hergestellte alkoholfreie Erfrischungsgetränke, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte, Biere" ist Widerspruch eingelegt worden aus der für die Waren "Klasse 32: Bières, limonades, sirops, eaux gazeuses et toutes boissons non alcoolisees ; Klasse 33: Vins, vins mousseux, cidres, alcools et eauxdevie, liqueurs et spiritueux divers" im Jahre 1989 eingetragenen international registrierten Marke IR 2 R 142 226 NAPOLÉON.

Die Markenstelle für die Klasse 32 des Deutschen Patentund Markenamts hat die Widersprüche in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahrenergangen ist, zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Widersprechende habe auf die zulässige Nichtbenutzungseinrede der Markeninhaberin hin die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht glaubhaft gemacht. Es seien zwar Werbebroschüren und Weinetiketten für die maßgeblichen Benutzungszeiträume (§ 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG) vorgelegt worden. Diese seien jedoch ebenso wenig geeignet, eine rechtserhaltende Benutzung glaubhaft zu machen, wie die weiterhin vorgelegte anwaltliche Versicherung des Vertreters der Widersprechenden.

Dagegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Zu deren Begründung verweist sie zum einen weiterhin auf die im Verfahren vor der Markenstelle zur Glaubhaftmachung der Benutzung bereits vorgetragenen Tatsachen und die insoweit vorgelegten Glaubhaftmachungsmittel. Ergänzend macht sie geltend, dass unter der Widerspruchsmarke in Deutschland jährlich mindestens 3 Millionen Flaschen Schaumwein abgesetzt worden seien. Zur weiteren Glaubhaftmachung der Benutzung hat sie im Beschwerdeverfahren einige im Zeitraum Oktober/November 2002 sowie im Frühjahr 2004 erschienene Werbeanzeigen für den Schaumwein "Napoleon" mit dem Hinweis vorgelegt, dass es sich dabei lediglich um Beispiele für die in den Jahren 2002 bis 2007 durchgeführten Werbungen handele. In Ergänzung hierzu hat der Vertreter der Widersprechenden anwaltlich versichert, dass er an Werbetafeln, die an einer Hauptverkehrsstraße in Saarbrücken angebracht worden seien und für das Produkt "VIN MOUSSEUX" geworben hätten, im Zeitraum von 2002 bis 2007 mindestens 20 Mal vorbeigefahren sei. Weiterhin hat die Widersprechende einen Auszug aus der Sortimentsliste der Firma H... der Jahre 2005 und 2006 vorgelegt, die Abbildungen der mit dem Wort "NAPOLÉON" versehenen Schaumweine zeigt. Insoweit hat der Vertreter der Widersprechenden ergänzend erklärt, dass er aus eigener Sachkenntnis eidesstattlich versichern könne, dass der Schaumwein "NAPOLÉON" im Zeitraum zwischen 2002 und 2007 in einer Stückzahl von vielen Tausenden über die Firma H... vertrieben worden sei.

Weiterhin hat die Widersprechende im Beschwerdeverfahren Rechnungen aus dem Zeitraum 2002 bis 2006 über den Verkauf von Produkten der Widerspruchsführerin im Inland unter Verwendung der Widerspruchsmarke "NAPOLÉON" vorgelegt. Sie ist der Ansicht, aus den vorgelegten Benutzungsunterlagen ergebe sich, dass sie mit der Widerspruchsmarke gekennzeichnete Waren im Zeitraum 2002 bis 2006 in Deutschland in ausreichendem Umfang vertrieben habe, so dass für das Beschwerdeverfahren vom Nachweis einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke auszugehen sei. Die beiderseitigen Marken seien, insbesondere wegen des hohen Bekanntheitsgrads der Widerspruchsmarke für Sekt, auch verwechselbar.

Die Widersprechende beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle 32 des Deutschen Patentund Markenamts vom 20. März 2006 und vom 3. Dezember 2007 aufzuheben und das Deutsche Patentund Markenamt anzuweisen, die Löschung der angegriffenen Marke 303 48 799.2/32 vorzunehmen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die Einrede der mangelnden Benutzung der Widerspruchsmarke aufrecht und vertritt die Ansicht, auch durch die im Beschwerdeverfahren ergänzend vorgelegten Unterlagen und Erklärungen sei eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht glaubhaft gemacht, da sie keine konkreten Umsatzzahlen enthielten. Die insgesamt lückenhaften Angaben zur Glaubhaftmachung ließen erhebliche Zweifel offen, die zu Lasten der Widersprechenden gingen. Die sich gegenüberstehenden Marken seien zwar nahezu identisch. Die Widerspruchsmarke sei aber kennzeichnungsschwach und weise nur einen geringen Schutzumfang auf, weil die Bezeichnung "Napoleon" als Klassifizierung für die Qualität von Weinbrandprodukten diene. Außerdem seien im Markenregister 34 "NAPOLÉON"-Marken eingetragen. Zudem bestehe zwischen den Waren, für die die beiderseitigen Marken eingetragen seien, ein deutlicher Abstand, da die Widerspruchsmarke lediglich für Waren der Klassen 32 und 33 registriert sei, während die angegriffene Marke für Waren der Klassen 32 und 5 eingetragen sei. Die in Betracht kommenden Waren wiesen deutliche Unterschiede im Alkoholgehalt, bei der Herstellung und den Vertriebswegen sowie in der Verwendung auf. Die Beschwerdekammer des HABM habe in der Sache "Lindenhof/LINDERHOF TROCKEN" (GRUR-RR 2003, 74) entschieden und ausführlich begründet, dass zwischen "Sekt" und "alkoholfreien Getränken" Warenferne bestehe. Bei dieser Sachlage sei die Gefahr von Verwechslungen zwischen den sich gegenüberstehenden Marken zu verneinen.

II Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist begründet, soweit sich ihr Widerspruch gegen die Eintragung der angegriffenen Marke für die Waren der Klasse 32 "natürliches Mineralwasser und daraus hergestellte alkoholfreie Erfrischungsgetränke, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte" richtet, im übrigen jedoch unbegründet.

Entgegen der Ansicht der Markeninhaberin ist durch die im Verfahren vor der Markenstelle vorgelegten Unterlagen in Verbindung mit den im Beschwerdeverfahren ergänzend beigebrachten anwaltlichen Versicherungen, Werbebeispielen, Katalogauszügen und Rechnungskopien die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für die hier maßgeblichen Zeiträume des § 43 Abs. 1 S. 1 und S. 2 MarkenG für die im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthaltene Ware der Klasse 33 "vins mousseux" glaubhaft gemacht.

Die Glaubhaftmachung der bestrittenen Benutzung hat sich auf alle gemäß § 26 MarkenG maßgeblichen Umstände einer Markenbenutzung zu erstrecken. Insbesondere ist die Verwendung der Widerspruchsmarke nach Art, Zeit, Ort und Umfang glaubhaft zu machen. Aus den zur Glaubhaftmachung vorgelegten Unterlagen muss sich eindeutig ergeben, für welche Waren und/oder Dienstleistungen, in welcher Form, in welchem Zeitraum, in welchem Gebiet und in welchem Umfang die Benutzung erfolgt ist. Diese Erfordernisse müssen insgesamt erfüllt sein (st. Rspr.; z. B. BPatG 23, 158, 165 - FLUDEX), Als Mittel zur Glaubhaftmachung kommen alle präsenten Beweismittel einschließlich der eidesstattlichen Versicherung in Betracht.

Bei der Glaubhaftmachung der bestrittenen Benutzung handelt es sich um eine Obliegenheit des Widersprechenden. Dieser trägt deshalb die Verantwortung für eine vollständige Glaubhaftmachung und muss sich alle Mängel der Glaubhaftmachungsmittel zurechnen lassen. Verbleibende Zweifel gehen zu Lasten des Widersprechenden (BGH GRUR 2006, 152, 154, Nr. 20 - GALLUP). Dabei hat die Beurteilung der vorgelegten Glaubhaftmachungsunterlagen jedoch verfahrensorientiert und ohne erfahrungswidrige Überspannung zu erfolgen, wobei insbesondere nicht ohne weiteres auf die strengen Regeln der Beweisführung zurückgegriffen werden darf. Im Gegensatz zum Beweis muss nämlich die Glaubhaftmachung nicht zur vollen Überzeugung führen. Vielmehr genügt eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, welche die Möglichkeit des Gegenteils nicht ausschließen muss (BGH a. a. O. -GALLUP).

Ausgehend von diesem rechtlichen Maßstab sind die von der Widersprechenden im Verfahren vor der Markenstelle und im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen zusammengenommen geeignet, die Benutzung der Widerspruchsmarke für die im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthaltene Ware "vins mousseux" im Inland in den gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 und S. 2 MarkenG maßgeblichen Zeiträumen glaubhaft zu machen. Die Form der Benutzung der Marke begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Hinzufügung der Angabe "Vin Mousseux De France" hat zu keiner Veränderung des kennzeichnenden Charakters der Widerspruchsmarke geführt, weil es sich insoweit nur um die Bezeichnung der Art und der geografischen Herkunft der angebotenen Ware und somit um markenmäßig bedeutungslose, austauschbare Zusätze handelt, denen der Verkehr keine eigene maßgebende kennzeichnende Wirkung beimisst. Dasselbe gilt sinngemäß auch für die oberhalb der Widerspruchsmarke angeordnete Abbildung einer Krone, die im Verkehr im Allgemeinen als bloßer Qualitätshinweis eingesetzt und verstanden wird und die im Übrigen von der Widerspruchsmarke hinreichend räumlich abgesetzt ist. Die von der Widersprechenden vorgelegten inländischen Werbebeispiele lassen zudem erkennen, dass die Widerspruchsmarke auf den auf der Vorderseite von Sektflaschen angebrachten Bauchetiketten in nach Art einer Marke größenmäßig herausgestellter Form für "vin mousseux" verwendet worden ist.

Entgegen der Ansicht der Markeninhaberin ist durch die von der Widersprechenden als Anlage zu ihrem Schriftsatz vom 6. Januar 2009 vorgelegten Rechnungskopien aus den Jahren 2002 bis 2006 in Verbindung mit den vorgelegten Werbebeispielen und den anwaltlichen Versicherungen des Vertreters der Widersprechenden auch glaubhaft gemacht worden, dass die Widerspruchsmarke in den hier maßgeblichen Zeiträumen des § 43 Abs. 1 S. 1 und S. 2 MarkenG, nämlich zwischen dem 16. Januar 1999 und dem 16. Januar 2004 bzw. zwischen dem 20. Oktober 2004 und dem 20. Oktober 2009, von der Widersprechenden im Inland ernsthaft i. S. d. § 26 Abs. 1 MarkenG benutzt worden ist.

Aus den vorgelegten Rechnungskopien können zwar angesichts der Tatsache, dass sämtliche Preisangaben unkenntlich gemacht worden sind, keine Umsatzzahlen entnommen werden. Dies ist jedoch für die Glaubhaftmachung einer Benutzung i. S. d. § 26 Abs. 1 MarkenG auch nicht zwingend erforderlich. Vielmehr reicht es für eine Glaubhaftmachung einer dem Umfang und dem Zeitraum nach ernsthaften Benutzung aus, wenn den vorgelegten Unterlagen zu entnehmen ist, dass die Marke tatsächlich, stetig und mit stabilem Erscheinungsbild auf dem Markt präsent war (EuGH GRUR 2008, 343, 346, Nr. 74 - Il Ponte Finanziaria Spa/HABM). Davon kann im vorliegenden Fall auf Grund der von der Widersprechenden zur Glaubhaftmachung der Benutzung insgesamt vorgelegten Unterlagen ausgegangen werden. Die von der Widersprechenden vorgelegten Rechnungskopien lassen erkennen, dass unter der Widerspruchsmarke zwischen März 2002 und Juni 2006 von der Widersprechenden bzw. ihrer deutschen Importeurin kontinuierlich Sekt an den deutschen Lebensmitteleinzelhandel in einem mengenmäßigen Umfang geliefert worden ist, der über den Umfang einer bloßen Scheinbenutzung nach Dauer und Umfang auch dann deutlich hinausgeht, wenn zu Gunsten der Markeninhaberin Berücksichtigung findet, dass es sich bei Sekt bzw. Schaumwein um ein Massenprodukt handelt. Die aus den vorgelegten Rechnungskopien ersichtlichen Absatzmengen bewegten sich im Jahre 2002 bei ca.

35.000 Flaschen, im Jahre 2003 bei ca. 40.000 Flaschen, im Jahre 2004 bei ca.

20.000 Flaschen, in 2005 bei ca. 25.000 Flaschen und in 2006 bei ca.

60.000 Flaschen. Diese Absatzzahlen stellen in Verbindung mit der Dauer und der Konstanz der Benutzung einen Vertriebsumfang dar, der auch unter Berücksichtigung der branchenbezogenen Gegebenheiten als ernsthafte, über den bloßen Bestandserhalt der Marke hinausgehende Benutzung zu bewerten ist, so dass es auf die Frage, ob durch die anwaltliche Versicherung des Vertreters der Widersprechenden der dort behauptete jährliche Absatz von 3 Millionen Flaschen "NAPOLÉON"-Sekt glaubhaft gemacht werden kann, für die Entscheidung nicht mehr ankommt.

Die von der Widersprechenden im Beschwerdeverfahren weiterhin vorgelegten Kopien von Werbewurfsendungen aus den maßgeblichen Nachweiszeiträumen sind geeignet, die Ernsthaftigkeit der Benutzung der Widerspruchsmarke für Sekt weiter zu untermauern, da sie erkennen lassen, dass ein unter der Widerspruchsmarke abgefüllter Sekt von einigen großen Einzelhandelsketten beworben und angeboten worden ist.

Hingegen konnte die Widersprechende die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für andere Waren als "vin mousseux" nicht glaubhaft machen. Aus den vorgelegten Unterlagen ist ersichtlich, dass sie Weine nur unter der firmenmäßigen Bezeichnung "NICOLAS NAPOLÉON" angeboten hat, wodurch der kennzeichnende Charakter der Widerspruchsmarke i. S. d. § 26 Abs. 1 MarkenG in unzulässiger Weise verändert worden ist, da die Hinzufügung eines Vornamens (hier: "NICOLAS") den Begriffsgehalt von "NAPOLÉON" verändert und beide Namensbestandteile zudem zu einer Einheit verschmelzen. Für die weiteren im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke fehlt es an jeglichen Angaben zu einer rechtserhaltenden Benutzung.

Da für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG nur die Waren und Dienstleistungen zu berücksichtigen sind, für die eine Benutzung glaubhaft gemacht worden ist (§ 43 Abs. 1 S. 3 MarkenG), ist auf Seiten der Widerspruchsmarke nur von der als solcher auch im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthaltenen Ware "vin mousseux" auszugehen. Diese weist entgegen der Ansicht der Markeninhaberin eine markenrechtlich relevante Ähnlichkeit mit den im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke enthaltenen Waren der Klasse 32 "natürliches Mineralwasser und daraus hergestellte alkoholfreie Erfrischungsgetränke, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte" auf.

Die Ähnlichkeit von Waren ist anzunehmen, wenn diese in Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (BGH GRUR 2001, 507, 508 -EVIAN/REVIAN; EuGH MarkenR 2009, 47, 53, Nr. 65 - Edition Albert Rene).

Hiervon ausgehend ist festzustellen, dass zwischen der Ware "vin mousseux" einerseits und den Waren "natürliches Mineralwasser und daraus hergestellte alkoholfreie Erfrischungsgetränke, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte" bereits insoweit eine gewisse Ähnlichkeit besteht, als dass es sich bei ihnen durchweg um Getränke handelt. Zwar handelt es sich bei "vin mousseux" um ein alkoholisches Getränk, wohingegen die vorstehend aufgeführten Waren der angegriffenen Marke keinen Alkohol enthalten. Auch ist die betriebliche Herkunft der genannten beiderseitigen Waren regelmäßig nicht die gleiche. Dennoch ist die Ähnlichkeit dieser Waren nicht vollständig zu verneinen, weil sie häufig miteinander vermischt, z. B. als Cocktails oder Longdrinks, bzw. nebeneinander konsumiert werden, so dass es sich im Sinne der vorstehend dargestellten Grundsätze um einander ergänzende Waren verwandter Warensegmente handelt, bei denen deshalb zumindest von einer entfernten Ähnlichkeit auszugehen ist (vgl. insoweit auch BGH a. a. O. -EVIAN/REVIAN, wonach eine Ähnlichkeit zwischen Wein und Mineralwasser besteht).

Die Widerspruchsmarke weist für die bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr hier allein noch maßgebliche Ware "vins mousseux" entgegen der Ansicht der Markeninhaberin auch eine von Haus aus normale Kennzeichnungskraft auf. Die Tatsache, dass es sich nach dem Vortrag der Markeninhaberin bei dem Wort "Napoleon" für Branntweine um eine Qualitätsbezeichnung handelt, vermag die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für Sekt nicht zu schmälern, weil es sich insoweit um eindeutig voneinander abgegrenzte Warengebiete handelt, auch wenn beide auf der Grundlage von Wein hergestellt werden. Der Fachverkehr wird deshalb in der Bezeichnung "Napoleon", sofern diese für Sekte verwendet wird, keine beschreibende Angabe sehen. Noch weniger ist dies bei dem deutschen Durchschnittsverbraucher von Sekt zu erwarten, der in dem Wort "Napoleon" zunächst nur den Namen des französischen Kaisers und Feldherrn Napoleon Bonaparte erkennen wird.

Auch die Eintragung von insgesamt 34 Marken mit dem Bestandteil "Napoleon" für alkoholische Getränke ist nicht geeignet, die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke entscheidungserheblich zu reduzieren. Eingetragene Drittmarken, deren Benutzung nicht liquide bzw. glaubhaft gemacht ist, können die Kennzeichnungskraft grundsätzlich nicht unmittelbar schwächen. Sie können zwar als Indiz für einen von Haus aus bestehenden Originalitätsmangel gewertet werden. Allerdings erfordert eine solche Annahme über die für benutzte Drittmarken notwendigen Voraussetzungen hinaus eine wesentlich größere Anzahl im engsten Ähnlichkeitsbereich der Widerspruchsmarke liegender Drittzeichen (BGH GRUR 1999, 586, 587 - White Lion), die vorliegend noch nicht erreicht ist. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Vermutung einer Kennzeichnungsschwäche auf Grund einer Vielzahl eingetragener Drittmarken durch eine Benutzung der Widerspruchsmarke wieder aufgehoben werden kann, wobei davon auszugehen ist, dass der durch die Benutzung der Widerspruchsmarke begründete Besitzstand grundsätzlich nur noch durch tatsächlich benutzte Drittmarken in Frage gestellt werden darf (BPatG GRUR 2002, 345, 347 - ASTRO BOY/Boy). Aus diesem Grunde sind die von der Markeninhaberin behaupteten eingetragenen Drittmarken, zu deren Benutzung sie nichts vorgetragen hat, auch im vorliegenden Fall, in dem die Widersprechende die über mehrere Jahre fortdauernde Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft gemacht hat, nicht geeignet, die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zu schwächen.

Ausgehend von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke besteht zwischen den klanglich identischen und schriftbildlich in höchstem Grade ähnlichen, nur durch den leicht zu übersehenden Akzent über dem Buchstaben "E" der Widerspruchsmarke voneinander abweichenden Marken auch dann Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, wenn diese jeweils für Waren verwendet werden, die nur eine eher geringe Ähnlichkeit aufweisen, so dass die teilweise Löschung der angegriffenen Marke in dem aus Ziffer 2 des Beschlusstenors ersichtlichen Umfang anzuordnen war. Denn für die Frage der Verwechslungsgefahr ist von dem allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht zu ziehenden Faktoren -insbesondere der Ähnlichkeit der zu beurteilenden Marken, der Warennähe und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke -in der Weise auszugehen, dass ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2005, 513, 514 - MEY/Ella May; GRUR 2006, 859, 861 - Malteserkreuz; GRUR 2007, 235 ff. - Goldhase).

In Bezug auf die übrigen Waren der Widerspruchsmarke "Klasse 5: diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Klasse 32: Biere" kann die Beschwerde der Widersprechenden hingegen keinen Erfolg haben, weil es insoweit an einer Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren fehlt. Die vorstehend genannten Waren weisen zu "vin mousseux" keinerlei markenrechtlich relevante Berührungspunkte auf. Sie stammen regelmäßig aus unterschiedlichen Herstellungsstätten, werden aus jeweils unterschiedlichen Ausgangsstoffen erzeugt und auch nicht miteinander gemischt oder nebeneinander konsumiert. Eine gänzlich fehlende Ähnlichkeit der Waren kann auch nicht durch die anderen Tatbestandsmerkmale der Verwechslungsgefahr ausgeglichen werden (BGH a. a. O. - REVIAN/EVIAN), so dass dem Widerspruch der Erfolg insoweit versagt bleiben muss.

Bei dieser Sachlage besteht kein Anlass, von dem in § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG normierten Grundsatz, wonach jeder Verfahrensbeteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst trägt, abzuweichen und einer der Beteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Dr. Fuchs-Wissemann Lehner Reker Bb






BPatG:
Beschluss v. 21.10.2009
Az: 26 W (pat) 23/08


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