Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. März 2007
Aktenzeichen: 5 W (pat) 459/05

(BPatG: Beschluss v. 28.03.2007, Az.: 5 W (pat) 459/05)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterabteilung I - vom 13. September 2005 aufgehoben.

2. Das Gebrauchsmuster 201 04 102 wird im Umfang der Ansprüche 1 bis 9 gelöscht.

3. Die Kosten des Löschungsverfahrens in beiden Rechtszügen trägt die Antragsgegnerin.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des am 9. März 2001 angemeldeten und am 28. Juni 2001 eingetragenen Gebrauchsmusters 201 04 102 (Streitgebrauchsmuster) mit der Bezeichnung "Öse zum Verstärken des Randbereichs um ein Loch in einer Trägerbahn und Vorrichtung zum Ansetzen der Öse an einer Trägerbahn". Das Gebrauchsmuster nimmt die innere Priorität der deutschen Patentanmeldung 100 39 462.0 vom 12. August 2000 in Anspruch. Es umfasst sechzehn eingetragene Schutzansprüche, wegen deren Wortlaut auf die Registerakte verwiesen wird. Mit Schriftsatz vom 13. März 2003 reichte die Gebrauchsmusterinhaberin einen neuen Hauptanspruch zur Registerakte nach.

Die Schutzdauer ist auf acht Jahre verlängert worden.

Die der Eintragung zugrunde liegenden Schutzansprüche 1 bis 9 lauten:

1.) Öse zum Verstärken des Randbereichs (21) um ein Loch (22) in einer Trägerbahn (20), mit einem scheibenlosen Ösenteil (10, 10'), der aus einem auf der Schauseite (23) der Trägerbahn (20) aufliegenden Teller (11), aus einem das Loch (22) durchsetzenden rohrförmigen Hals (12) und aus einem bogenförmigen Übergang (14) zwischen Teller (11) und Hals (12) besteht, wobei das freie Endstück (15) des Halses (12) mit Vorsprüngen (16) versehen ist, und mit einer auf der Rückseite (24) der Trägerbahn (20) sich abstützenden Bördelung des Halses (12) des Ösenteils (10'), dadurch gekennzeichnet, dass die Halsvorsprünge (16) in axialer und/oder radialer Richtung verlaufen, dass die vollzogene Umbördelung des Halses (12) ein im Wesentlichen in sich geschlossenes Ringprofil (50) aufweist, in welches das die Halsvorsprünge (16) aufweisende Endstück (15) integriert ist, dass unter Zwischenschaltung des Lochrandbereiches (21) der Trägerbahn (20) die Halsvorsprünge (16) im Ringprofil (50) an vom Teller (11) oder vom Übergang (14) gebildeten Widerlagerflächen (49) angedrückt sind und Andruckstellen (40) an der erfassten Trägerbahn (20) erzeugen, gegen die sich die Trägerbahn (20) bei Zugbelastungen (52) stellt, und dass die Trägerbahn (20) im Ringprofil-Inneren (51) über die Druckpunkte (40) hinaus bis zu ihrer Lochkante weiterläuft (41).

2.) Öse nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die axialen Halsvorsprünge (16) aus einer gezahnten Endkante (19) des Halses (12) bestehen.

3.) Öse nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Zahnspitzen (17) konvex und die Zahnlücken (18) konkav gerundet sindund dass beide Rundungen (27, 28) einen Wellenverlauf der Zahnkante (19) bestimmen.

4.) Öse nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Zahnkante (19) einen unsymmetrischen Wellenverlauf aufweist.

5.) Öse nach Anspruch 3 oder 4, dadurch gekennzeichnet, dass die konvexen Rundungen (27) der Zahnspitzen (17) kleiner als die konkaven Rundungen (28) der Zahnlücken (18) ausgebildet sind.

6.) Öse nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass das Material der Trägerbahn (20) flexibel und/oder dehnfähig ausgebildet ist.

7.) Öse nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Trägerbahn (20) aus einer Segeltuch-Plane besteht.

8.) Öse nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Trägerbahn (20) aus einer verstärkten Kunststoff-Folie besteht.

9.) Öse nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass gegenüber der lichten Weite zwischen den diametralen Ringprofilen (50) des umbördelten Halses (12) der Lochdurchmesser (49) der Trägerbahn (20) kleiner ausgebildet ist.

Der mit Schriftsatz vom 13. März 2003 eingereichte neue Hauptanspruch 1 lautet:

Öse zum Verstärken des Randbereichs (21) um ein Loch (22) in einer Trägerbahn (20), mit einem scheibenlosen Ösenteil (10, 10'), der aus einem auf der Schauseite (23) der Trägerbahn (20) aufliegenden Teller (11), aus einem das Loch (22) durchsetzenden rohrförmigen Hals (12) und aus einem bogenförmigen Übergang (14) zwischen Teller (11) und Hals (12) besteht, wobei das freie Endstück (15) des Halses (12) mit Vorsprüngen (16) versehen ist, und mit einer auf der Rückseite (24) der Trägerbahn (20) sich abstützenden Bördelung des Halses (12) des Ösenteils (10'), dadurch gekennzeichnet, dass die Halsvorsprünge (16) in axialer und/oder radialer Richtung verlaufen, dass die vollzogene Umbördelung des Halses (12) sich über mehr als ein geschlossenes Ringprofil (50) erstreckt, weil praktisch die ganze Halslänge (48) spiralartig ins Ring-Innere (51) eingerollt ist und das die Halsvorsprünge (16) aufweisende Endstück (15) in die Spiralbildung integriert ist, dass unter Zwischenschaltung des Lochrandbereiches (21) der Trägerbahn (20) die Halsvorsprünge (16) im Spiralinneren des Ringprofils (50) an vom Teller (11) oder vom Übergang (14) gebildeten Widerlagerflächen (49) angedrückt sind und großflächige Andruckstellen (40) an der erfassten Trägerbahn (20) erzeugen, gegen die sich die Trägerbahn (20) bei Zugbelastungen (52) stellt, und dass die Trägerbahn (20) sich ringsementartig dem Profil (50) anpasst und im Ringprofil-Inneren (51) über die Druckpunkte (40) hinaus bis zu ihrer Lochkante weiterläuft (41).

Mit ihrem am 7. Januar 2004 eingegangenen Löschungsantrag begehrt die Antragstellerin die Löschung des Streitgebrauchsmusters im Umfang der eingetragenen Ansprüche 1 bis 9. Sie macht den Löschungsgrund der mangelnden Schutzfähigkeit geltend und stützt sich auf eine Reihe von vorveröffentlichten Druckschriften.

Zum Stand der Technik verweist sie u. a. auf folgende Druckschriften:

US 2 107 375 (D2)

US 4 479 287 (D12)

Die Antragsgegnerin hat dem Löschungsantrag fristgerecht und in vollem Umfang widersprochen.

In der Sitzung der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. September 2005 hat die Antragsgegnerin das Streitgebrauchsmuster mit einem Hauptanspruch vom 8. September 2005 und den darauf rückbezogenen eingetragenen Schutzansprüche 2 bis 9 verteidigt. Anspruch 1 vom 8. September 2005 hat folgenden Wortlaut:

Öse zum Verstärken des Randbereichs (21) um ein Loch (22) in einer Trägerbahn (20), mit einem scheibenlosen Ösenteil (10, 10'), der aus einem auf der Schauseite (23) der Trägerbahn (20) aufliegenden Teller (11), aus einem das Loch (22) durchsetzenden rohrförmigen Hals (12) und aus einem bogenförmigen Übergang (14) zwischen Teller (11) und Hals (12) besteht, wobei das freie Endstück (15) des Halses (12) mit Vorsprüngen (16) versehen ist, und mit einer auf der Rückseite (24) der Trägerbahn (20) sich abstützenden Bördelung des Halses (12) des Ösenteils (10'), dadurch gekennzeichnet, dass die Halsvorsprünge (16) in axialer Richtung verlaufen, dass die vollzogene Umbördelung des Halses (12) sich über mehr als ein geschlossenes Ringprofil (50) erstreckt, weil praktisch die ganze Halslänge (48) spiralartig ins Ring-Innere (51) eingerollt ist und das die Halsvorsprünge (16) aufweisende Endstück (15) in die Spiralbildung integriert ist, dass unter Zwischenschaltung des Lochrandbereiches (21) der Trägerbahn (20) die Halsvorsprünge (16) im Spiralinneren des Ringprofils (50) an vom Teller (11) oder vom Übergang (14) gebildeten Widerlagerflächen (49) angedrückt sind und großflächige Andruckstellen (40) an der erfassten Trägerbahn (20) erzeugen, gegen die sich die Trägerbahn (20) bei Zugbelastungen (52) stellt, und dass die Trägerbahn (20) sich ringsementartig dem Profil (50) anpasst und im Ringprofil-Inneren (51) über die großflächigen Andruckstellen (40) hinaus bis zu ihrer Lochkante weiterverläuft (41).

Mit Beschluss vom 13. September 2005 hat die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamtes das Streitgebrauchsmuster gelöscht, soweit es über die verteidigten Ansprüche 1 bis 9 hinausgeht, den weitergehenden Löschungsantrag zurückgewiesen und die Kosten des Löschungsverfahrens der Antragstellerin zu 4/5 und der Antragsgegnerin zu 1/5 auferlegt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie ist der Ansicht, der im Vorverfahren verteidigte Anspruch 1 sei nicht zulässig, weil sein Gegenstand über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinausgehe. Zudem sei dessen Gegenstand im Hinblick auf den nachgewiesenen Stand der Technik nicht schutzfähig. Die Antragsgegnerin verteidigt das Streitgebrauchsmuster zuletzt mit einem in der mündlichen Verhandlung vom 28. März 2007 vorgelegten Anspruch 1. Sie hält diesen für zulässig und dessen Gegenstand für schutzfähig. Der Hauptanspruch in der Fassung vom 28. März 2007 hat folgenden Wortlaut:

Öse zum Verstärken des Randbereichs (21) um ein Loch (22) in einer Trägerbahn (20), mit einem scheibenlosen Ösenteil (10, 10'), der aus einem auf der Schauseite (23) der Trägerbahn (20) aufliegenden Teller (11)

aus einem das Loch (22) durchsetzenden rohrförmigen Hals (12)

und aus einem bogenförmigen Übergang (14) zwischen Teller (11) und Hals (12) besteht, wobei das freie Endstück (15) des Halses (12) mit Vorsprüngen (16) versehen ist, und mit einer auf der Rückseite (24) der Trägerbahn (20) sich abstützenden Bördelung des Halses (12) des Ösenteils (10'), dadurch gekennzeichnet, dass die Halsvorsprünge (16) in axialer Richtung verlaufen, dass die vollzogene Umbördelung des Halses (12) unter Einbeziehung des Tellers (11) oder des Übergangs (14) sich über mehr als ein geschlossenes Ringprofil (50) erstreckt, weil praktisch die gesamte Halslänge (48) spiralartig ins Innere (51) des von der Umbördelung und dem Teller (11) bzw. dem Übergang (14) gebildeten Ringes eingerollt ist und dass die Halsvorsprünge (16) aufweisende Endstück (15) in die Spiralbildung integriert ist, dass unter Zwischenschaltung des Lochrandbereiches (21) der Trägerbahn (20) die Halsvorsprünge (16) im Spiralinneren des Ringprofils (50) an vom Teller (11) oder vom Übergang (14) gebildeten Widerlagerflächen (49) angedrückt sind und flächige Andruckstellen (40) an der erfassten Trägerbahn (20) erzeugen, gegen die sich die Trägerbahn (20) bei Zugbelastungen (52) stellt, und dass die Trägerbahn (20) sich ringsegmentartig dem Profil (50) anpasst und im Ringprofil-Inneren (51) über die flächigen Andruckstellen (40) hinaus bis zu ihrer Lochkante (41) weiterläuft.

Die Antragstellerin sieht auch den Gegenstand dieses Schutzanspruchs als nicht schutzfähig an. Sie beantragt, den vorgenannten angefochtenen Beschluss aufzuheben, das durch den Löschungsantrag angegriffene Gebrauchsmuster 201 04 102.2 im Umfange seiner geltenden Ansprüche 1 bis 9 zu löschen und die Kosten des Löschungsverfahrens der Antragsgegnerin aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin beantragt, das Gebrauchsmuster im Umfang des in der mündlichen Verhandlung überreichten Anspruchs 1, an den sich die eingetragenen Unteransprüche 2 bis 9 anschließen, aufrechtzuerhalten und darüber hinaus die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss und die Schriftsätze der Parteien verwiesen.

II Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig. Sie hat auch Erfolg, denn der Löschungsantrag ist in vollem Umfang begründet.

A.

Die Antragsgegnerin verteidigt das Streitgebrauchsmuster nur noch im Rahmen des in der mündlichen Verhandlung überreichten Anspruchs 1, an den sich die eingetragenen Unteransprüche 2 bis 9 anschließen.

Der verteidigte Schutzanspruch 1 lässt sich wie folgt gliedern (Änderungen gegenüber der eingetragenen Fassung sind hervorgehoben):

Merkmal 1 Öse zum Verstärken des Randbereichs (21) um ein Loch (22) in einer Trägerbahn (20), Merkmal 2 mit einem scheibenlosen Ösenteil (10, 10'), bestehend aus Merkmal 2.1 einem auf der Schauseite (23) der Trägerbahn(20) aufliegenden Teller (11), Merkmal 2.2 aus einem das Loch (22) durchsetzenden rohrförmigen Hals (12)

Merkmal 2.2.1 wobei das freie Endstück (15) des Halses (12) mit Vorsprüngen (16) versehen ist, und Merkmal 2.3 einem bogenförmigen Übergang (14) zwischen Teller (11) und Hals (12), Merkmal 3 mit einer auf der Rückseite (24) der Trägerbahn (20) sich abstützenden Bördelung des Halses (12) des Ösenteils (10'), dadurch gekennzeichnet, Merkmal 3.1 dass die Halsvorsprünge (16) in axialer (gestrichen: und/oder radialer) Richtung verlaufen, und Merkmal 3.2 dass die vollzogene Umbördelung des Halses (12) (gestrichen: ein im Wesentlichen) unter Einbeziehung des Tellers (11) oder des Übergangs (14) sich über mehr als ein geschlossenes Ringprofil (50) erstreckt, weil praktisch die gesamte Halslänge (48) spiralartig ins Innere (51) des von der Umbördelung und dem Teller (11) bzw. dem Übergang (14) gebildeten Ringes eingerollt ist und dass das die Halsvorsprünge (16) aufweisende Endstück (15) in die Spiralbildung integriert ist, und Merkmal 3.3 dass unter Zwischenschaltung des Lochrandbereiches (21) der Trägerbahn (20) die Halsvorsprünge (16) im Spiralinneren des Ringprofils (50) an vom Teller (11) oder vom Übergang (14) gebildete Widerlagerflächen (49) angedrückt sind und flächige Andruckstellen (40) an der erfassten Trägerbahn (20) erzeugen, gegen die sich die Trägerbahn (20) bei Zugbelastungen (52) stellt, und Merkmal 4 dass die Trägerbahn (20) sich ringsegmentartig dem Profil (50) anpasst und im Ringprofil-Inneren (51) über die flächigen Andruckstellen (gestrichen: Druckpunkte) (40) hinaus bis zu ihrer Lochkante weiterläuft (41).

1) Zum Verständnis des verteidigten Anspruchs 1.

Beansprucht wird eine Öse zum Verstärken des Randbereichs um ein Loch in einer Trägerbahn (20), wie sie im eingebauten, gebrauchsfertigen Zustand vorliegt. Dies ergibt sich aus dem Sinngehalt des Merkmals 1 in Verbindung mit den Merkmalen 3, 3.2, 3.3 und 4. Das Merkmal 3.1 ist andererseits einem Rohzustand der Öse vor deren Einbau zuzuordnen, was sich dem hier zuständigen Durchschnittsfachmann - ein Maschinenbau-Techniker oder -Ingenieur (FH) mit der langjähriger Erfahrung in der Herstellung und im Einbau von Ösen - aus der Beschreibung erschließt, der die axialen Vorsprünge ausschließlich in Verbindung mit dem Rohzustand der Öse zu entnehmen sind (vgl. Seite 4, Absatz 1, letzter Satz und Absatz 2) . Auch die Figur 3 in Verbindung mit den Figuren 4 bis 6 des Streitgebrauchsmusters stellen dieses Verständnis des hier Beanspruchten in anschaulicher Weise dar.

2) Der verteidigte Schutzanspruch 1 ist zulässig.

Durch die Streichung der Worte "und/oder radialer" im Merkmal 3.1 gemäß Merkmalsgliederung hat die Antragsgegnerin auf in den Figuren des Streitgebrauchsmusters ohnehin nicht dargestellte Ausführungsformen verzichtet.

Das mehr als geschlossene Ringprofil gemäß Merkmal 3.2 ist ferner ohne weiteres der Figur 3 zu entnehmen, nach der sich das Ringprofil erkennbar über mehr als 360 ¡ erstreckt. Im Übrigen ergibt sich auch zwangsläufig aus Merkmal 3.3, nach dem die Halsvorsprünge an vom Teller oder vom Übergang gebildete Widerlagerflächen angedrückt sind, dass sich die vollzogene Umbördelung des Halses - allerdings nur unter Einbeziehung des Tellers (11) oder des Übergangs (14) - über mehr als ein geschlossenes Ringprofil erstreckt. Insofern ist der verteidigte Anspruch 1 gegenüber den Schutzansprüchen 1 vom 13. März 2003 und 8. September 2005 berichtigt, die eine ursprünglich nicht offenbarte Umbördelung allein des Halses über mehr als ein geschlossenes Ringprofil vorsahen.

Die flächigen Andruckstellen in den Merkmalen 3.3 und 4 erschließen sich dem fachmännischen Leser des Streitgebrauchsmusters aus der schon im ursprünglichen Schutzanspruch 1 enthaltenen Angabe, dass "die Halsvorsprünge (16) an Widerlageflächen" angedrückt sind, was eine punktförmige Anlage ausschließt. Schließlich ist die ringsegmentartige Anpassung der Trägerbahn an das Profil gemäß Merkmal 4 in der Beschreibung (Seite 10, Absatz 2) offenbart.

3) Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 mag neu sein, er beruht jedenfalls nicht auf einem erfinderischen Schritt (§ 1 GebrMG). Dieses gilt auch für die Gegenstände der acht angegriffenen Unteransprüche.

Das Streitgebrauchsmuster beschäftigt sich mit der Verbesserung der Festigkeit von Ösen. In der Streitgebrauchsmusterschrift, Seite 1, letzter Absatz bis Seite 3, Absatz 1, werden den bisher bekannten Ösen eine Reihe von Nachteilen zugeschrieben. Dem Streitgebrauchsmuster ist daher die Aufgabe zugrunde gelegt worden, eine preiswerte, schnell ansetzbare Öse zu entwickeln, die sich nach ihrer Anbringung an der Trägerbahn durch eine hohe Reißfestigkeit auszeichnet, siehe Seite 3, Absatz 2.

Als Lösung schlägt das Streitgebrauchsmuster eine Öse mit den Merkmalen des verteidigten Anspruchs 1 vor.

Der Senat sieht die US 2 107 375 (D2) als den nächst kommenden Stand der Technik. Darin ist eine Öse (eyelet gemäß Bezeichnung in der Druckschrift D2) zum Verstärken des Randbereichs um ein Loch einer Trägerbahn (dort eyeletreceiving material 24) entsprechend Merkmal 1 beschrieben und dargestellt. Wie insbesondere den Figuren 2 und 3 ohne weiteres zu entnehmen ist, erfüllt die bekannte Öse auch die Merkmale 2 bis 3.1, was auch die Antragsgegnerin bestätigt hat. So weist die Öse ein scheibenloses Ösenteil auf, bestehend aus einem üblicherweise auf der Schauseite der Trägerbahn (eyeletreceiving material 24) aufliegenden Teller (flange 11) und aus einem das Loch durchsetzenden rohrförmigen Hals (barrel 10). Der Übergang zwischen Teller (flange 11) und Hals (barrel 10) ist bogenförmig und das freie Endstück des Halses (barrel 10) ist mit in axialer Richtung verlaufenden Vorsprüngen (high segments 17) versehen. Auf der Rückseite der Trägerbahn (eyeletreceiving material 24) stützt sich die Bördelung des Halses (barrel 10) des Ösenteils ab (Figur 3 der Druckschrift D2). Da auf Seite 2, rechte Spalte, Zeilen 8 bis 10 der D2 ausgeführt wird, dass Figur 3 den Zustand nach Beendigung des Umbördelns zeigt, unterscheidet sich die bekannte Öse durch das Ausmaß der Umbördelung des Halses gemäß den Merkmalen 3.2 bis 4.

Der Druckschrift D2 ist zu entnehmen, dass sich der in Figur 3 dargestellte Zustand zwar als zufriedenstellend erwiesen hat, eine größere Ausdehnung, d. h. Umbördelung, als die dargestellte aber möglich ist (vgl. Seite 2, rechte Spalte, Zeilen 46 bis 50). Wie außerdem der Vortrag beider Parteien in der mündlichen Verhandlung zweifelsfrei ergeben hat, ist dem Fachmann bekannt, dass das Ausmaß der Umbördelung des Halses auch von der Materialdicke der Trägerbahn abhängig ist. Ein dünneres Trägermaterial führt bei gleicher Kraft, die auf das Umbördelungswerkzeug aufgebracht wird, zu einer stärkeren Umbördelung des Halses der Öse. Der Fachmann weiß auf Grund dieses Zusammenhangs, dass sich das Ausmaß der Umbördelung bei der bekannten Öse nach der Druckschrift D2 allein schon durch die Verwendung einer dünneren Trägerbahn erhöht. Der Druckschrift D2 ist zwar zu entnehmen, dass bei einer Fortsetzung der Umbördelung mit Rissbildung an dem Ösenteil gerechnet werden muss (vgl. Seite 2, rechte Spalte, Zeilen 46 bis 50). Dem Fachmann war am Prioritätstag des Streitgebrauchsmusters aber geläufig, dass sich seit der Veröffentlichung der Druckschrift D2 im Jahre 1935 die Werkstoffe für Ösen derart verbessert haben, dass eine Rissbildung auch bei stärkerer Umbördelung des Halses der Öse, wie sie beispielsweise in der Druckschrift D12, der US 4 479 287 (vgl. insb. Figur 2 und 5), dargestellt ist, nicht zu befürchten ist. Vielmehr wird erkennbar durch die in der Druckschrift D12 dargestellte größere Umbördelung die Haltekraft der Öse gesteigert, da die Trägerbahn über einen größeren Umfangsabschnitt der Öse eingeklemmt ist. Insofern war es für den Fachmann nahe liegend, das Ausmaß der Umbördelung bei der bekannten Öse nach der Druckschrift D2 zu erhöhen, wodurch sich nach Überzeugung des Senats bei entsprechender Krafteinwirkung die einteilige Öse von selbst spiralartig über mehr als ein geschlossenes Ringprofil einrollt, da das Werkzeug (tool 20) über eine bogenförmige Oberfläche (annular concave operating surface 22) verfügt.

Eine stärkere Umbördelung der aus der Druckschrift D2 bekannten Öse führt insofern - wie in den Figuren 2 und 5 der Druckschrift D12 dargestellt - dazu, dass die vollzogene Umbördelung des Halses (barrel 10 in der D2) unter Einbeziehung des Tellers (flange 11) oder des Übergangs sich über mehr als ein geschlossenes Ringprofil erstreckt und dass das die Halsvorsprünge (high segments 17) aufweisende Endstück in die Spiralbildung integriert ist, entsprechend Merkmal 3.2. Die im Merkmal 3.2 verbleibende Angabe (weil praktisch die ganze Halslänge spiralartig ins Innere des von der Umbördelung und dem Teller bzw. dem Übergang gebildeten Ringes eingerollt ist) beschreibt nochmals das geschlossene Ringprofil bestehend aus dem Hals (barrel 10 in der D2) unter Einbeziehung des Tellers (flange 11) oder des Übergangs und stellt insofern eine Wiederholung dar.

Die weitergehende Umbördelung der Halsvorsprünge nach der Druckschrift D2 führt außerdem dazu, dass die Halsvorsprünge nicht - wie in Figur 3 der D2 dargestellt - nahezu senkrecht in die Trägerbahn eingreifen, sondern durch die weitere Umbiegung in das Spiralinnere eingerollt werden, wie dieses auch den Figuren 2 und 5 der Druckschrift D12 zu entnehmen ist. Der Fachmann erkennt aus den Darstellungen in den Figuren 2 und 5 der D12, dass auch die Halsvorsprünge nach der D2 bei weiterer Umbördelung unter Zwischenschaltung des Lochrandbereiches der Trägerbahn im Spiralinneren des Ringprofils an vom Teller oder vom Übergang gebildete Widerlagerflächen angedrückt werden und flächige Andruckstellen an der erfassten Trägerbahn erzeugen, gegen die sich die Trägerbahn bei Zugbelastungen stellt (Merkmal 3.3).

Dem Fachmann erschließt sich außerdem ohne weiteres aus den Figuren 2 und 5 der Druckschrift D12, dass sich durch die weitergehende Umbördelung der Halsvorsprünge die Trägerbahn ringsegmentartig dem Profil anpasst und im Ringprofil-Inneren über die flächigen Andruckstellen hinaus bis zu ihrer Lochkante weiterläuft (Merkmal 4).

Der Gegenstand des verteidigten Anspruchs 1 beruht nach alledem nicht auf einem erfinderischen Schritt. Der Schutzanspruch 1 hat aus den vorstehenden Erwägungen keinen Bestand.

4) Die auf Anspruch 1 rückbezogenen verteidigten Schutzansprüche 2 bis 9 sind nicht selbstständig schutzfähig, da ihre kennzeichnenden Merkmale bekannte fachübliche Maßnahmen betreffen, die keinen erfinderischen Schritt begründen können. Gegenteiliges ist von der Antragsgegnerin nicht vorgetragen worden.

Die Unteransprüche teilen deshalb das Schicksal des Hauptanspruchs und haben ebenfalls keinen Bestand.

B Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG in Verbindung mit § 84 Abs. 2 PatG und §§ 91 ff. ZPO. Die Billigkeit erfordert keine andere Entscheidung.






BPatG:
Beschluss v. 28.03.2007
Az: 5 W (pat) 459/05


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