Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 4. April 2005
Aktenzeichen: I-19 E 2/05 AktE

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 04.04.2005, Az.: I-19 E 2/05 AktE)

Tenor

Der Beschluss der VI. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund vom 9. Dezember 2004 wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Antrag des Antragstellers vom 6. Oktober 2004 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.

Gründe

Der Antragsteller ist außenstehender Aktionär der ................ AG. Diese schloss mit der Antragsgegnerin am 02.04.2004 einen Gewinnabführungsvertrag, der am 08.04.2004 in das Handelsregister des Amtsgerichts Gelsenkirchen eingetragen wurde. Die Eintragung wurde am 05.05.2004 im elektronischen Bundesanzeiger bekannt gemacht.

Der Antragsteller stellte mit einem an das Landgericht Essen gerichteten Schreiben vom 30.06.2004 einen Antrag auf angemessene Erhöhung des vertraglich geschuldeten Ausgleichs und der zu gewährenden Abfindung. Der Antrag ging am 05.07.2004 bei dem Landgericht Essen ein.

Mit Verfügung vom 20.07.2004 machte der Vorsitzende der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen den Antragsteller drauf aufmerksam, dass nach der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten vom 16.04.2002 das Landgericht Dortmund zur Entscheidung über den Antrag ausschließlich zuständig sei. Er bat um Mitteilung, ob die Abgabe an das zuständige Gericht beantragt werde. Die Verfügung wurde am selben Tag ausgeführt.

Mit Schreiben vom 26.07.2004, eingegangen bei dem Landgericht Essen am 30.07.2004, beantragte der Antragsteller die Verweisung an das Landgericht Dortmund. Der Vorsitzende verfügte unter dem 30.07.2004 die Abgabe an das Landgericht Dortmund. Dort ging die Akte am 10.08.2004 ein.

Mit Schreiben vom 06.10.2004 beantragte der Antragsteller auf den gerichtlichen Hinweis vom 01.10.2004, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er hat zur Begründung ausgeführt: Sein Antrag sei bei dem Landgericht Essen weit vor dem Ablauf der Antragsfrist eingegangen. Auf den weiteren Verlauf des Verfahrens habe er keinen Einfluss gehabt. Er habe auf die rechtzeitige Bearbeitung und Weiterleitung vertrauen dürfen.

Die Antragsgegnerin hat demgegenüber ausgeführt: Für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei kein Raum, da es sich bei der Frist des § 4 Abs. 1 SpruchG um eine materiellrechtliche Ausschlussfrist handele.

Das Landgericht Dortmund hat mit Beschlusss vom 09.12.2004 dem Antragsteller nach § 22 Abs. 1 FGG analog Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Zwar sehe § 4 Abs. 1 SpruchG eine Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht vor. Nach § 13 SpruchG wirke eine gerichtliche Entscheidung aber auch für und gegen die Anteilsinhaber, die keinen Antrag gestellt hätten. Nur wenn kein einziger wirksamer Antrag gestellt worden sei, wirke die Frist als materiellrechtliche Ausschlussfrist. Es lägen im vorliegenden Fall jedoch zwei weitere zulässige Anträge vor. Die Fristversäumung sei allein der Sphäre des Gerichts zuzurechnen. Mit der Versäumung der Frist habe der Antragsteller nicht zu rechnen brauchen. Die für die Wiedereinsetzung im Übrigen erforderlichen Voraussetzungen lägen vor.

Gegen den Beschluss hat die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde eingelegt. Sie wiederholt und vertieft in der Begründung die bereits von ihr vorgetragenen Argumente.

Sie beantragt,

den Beschluss des Landgerichts Dortmund vom 9. Dezember 2004 aufzuheben und den Antrag des Antragstellers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 6. Oktober 2004 zurückzuweisen.

Der Antragsteller verweist in seiner Stellungnahme zu der Beschwerdebegründung darauf, dass das Landgericht Essen seiner Ansicht nach den ihm obliegenden Hinweispflichten nicht nachgekommen sei und ihm daher die Überschreitung der Antragsfrist nicht zugerechnet werden könne.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, sie hat auch in der Sache Erfolg.

Dem Antragsteller ist nach § 22 Abs. 2 FGG analog nicht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da es sich bei der Antragsfrist um eine materiellrechtliche Ausschlussfrist handelt, auf die eine analoge Anwendung der Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen ihres materiellrechtlichen Charakters nicht in Betracht kommt (Zöller-Greger, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 230 Rn. 7).

Der bei dem Landgericht Dortmund am 10.08.2004 eingegangene Antrag des Antragstellers war verspätet. Die Frist des § 4 Abs. 1 SpruchG lief am Donnerstag, dem 05.08.2004, 24 Uhr ab. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 SpruchG kann ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nur binnen drei Monaten seit dem Tag gestellt werden, an dem in den Fällen des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages die Eintragung in das Handelsregister als bekannt gemacht gilt. Der zwischen der ................ AG und der Antragsgegnerin abgeschlossene Gewinnabführungsvertrag ist am 05.05.2004 im elektronischen Bundesanzeiger bekannt gemacht worden.

Der Eingang des Antrags bei dem Landgericht Essen am 05.07.2004 wahrt die Frist nicht. § 4 Abs. 1 S.2 verweist ausdrücklich darauf, dass die Frist nur durch die Einreichung bei dem zuständigen Gericht gewahrt wird. Dies ist nach der nordrheinwestfälischen Verordnung über die Zuständigkeit zur Entscheidung in gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten für den Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm, in dem die ................ AG ihren Sitz hat, das Landgericht Dortmund.

Dem Antragsteller ist entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil es sich bei der Frist des § 4 Abs. 1 SpruchG auch dann um eine materiellrechtliche Ausschlussfrist handelt, wenn bereits zulässige Anträge gestellt worden sind.

Ebenso wie die Frist der §§ 304 Abs. 6 S.2, 305 Abs.5 S. 4 AktG a.F. beinhaltet auch der § 4 Abs. 1 Spruch G eine materiellrechtliche Ausschlussfrist, deren Sinn darin besteht, den Unternehmen mit Ablauf der Frist Rechts- und Planungssicherheit für das von ihnen unterbreitete Kompensationsangebot zu geben (zur alten Rechtslage vgl. Hüffer, AktG, 4. Aufl., § 304 Rn. 26, MünchKomm-Bilda, AktG, § 304 Rn. 223; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 2. Aufl. § 304 Rn. 88; BayOblG , NZG 2002, 877, zu § 4 SpruchG: Hüffer, AktG, 6. Aufl., § 4 SpruchG Rn. 2; MünchKomm-Volhard, AktG, 2. Aufl., § 4 SpruchG Rn. 1). Der Charakter des § 4 SpruchG ändert sich durch das Vorliegen zulässiger, innerhalb der Frist eingegangener Anträge für die Folgeanträge nicht. Mit der Frist von drei Monaten statt früher zwei Monaten trägt der § 4 Abs. 1 SpruchG dem Umstand Rechnung, dass außenstehende Aktionäre nunmehr keine Anschlussanträge mehr stellen können, wie es nach § 306 Abs.3 S.2 AktG a.F. der Fall war (BT-Drucksache 15/371, S. 13). Nach der Rechtslage des § 306 Abs. 3 S. 2 AktG konnte ein Anschlussantrag nicht als unzulässig zurückgewiesen werden, wenn auch nur ein anderer Antragsteller wirksam das Verfahren zur Überprüfung von Ausgleich und Abfindung eingeleitet hatte (BayOblG, a.a.O., S. 877). Die Zusatzfrist von drei Monaten führte zu deutlichen Verfahrensverzögerungen, die das Spruchverfahrensgesetz mit der Erweiterung der Antragsfrist um einen Monaten einerseits und dem Verzicht auf die Zulässigkeit von Anschlussanträgen anderseits zu vermeiden sucht. Der Gesetzgeber hat damit zum Ausdruck gebracht, dass derjenige, der die Frist - auch schuldlos - versäumt hinnehmen muss, dass sein Rechte in dem Verfahren durch den gemeinsamen Vertreter der außenstehenden Aktionäre wahrgenommen werden.

Darüber hinaus kommt einem Folgeantrag dann selbständige Bedeutung zu, wenn die innerhalb der frist eingereichten Anträge zurückgenommen werden. Auch aus diesem Gesichtspunkt ist eine Ungleichbehandlung von Erst- und Folgeantrag nicht gerechtfertigt.

Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich. Über die Kosten des Verfahrens auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist in der beschließenden Entscheidung in der Hauptsache zu erkennen (Zöller- Greger, a.a.O., § 238 Rn. 11).

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