Bundespatentgericht:
Urteil vom 23. März 2005
Aktenzeichen: 4 Ni 27/04

(BPatG: Urteil v. 23.03.2005, Az.: 4 Ni 27/04)

Tenor

1. Das europäische Patent 0 367 715 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass die Patentansprüche 1 und 9 folgende Fassung erhalten:

1. Verfahren zum Beschneiden von kontinuierlich geförderten mehrlagigen Druckprodukten (2) in einem Durchlauf-Prozess, wobei jedem einzelnen oder mehreren Druckprodukten (2) gemeinsam mindestens ein erster Messerteil (3, 31) zugeordnet wird, wobei der mindestens eine erste Messerteil (3, 31) und das zugehörige Druckprodukt (2) mit im wesentlichen gleicher Geschwindigkeit bewegt, sowie entlang mindestens einer vorgesehenen Schnittkante (4) zueinander in Anlage gebracht werden, dadurch gekennzeichnet, dass je ein erster Messerteil für den Vorder- und für den Hinterkantenschnitt und das dazugehörige Druckprodukt an je einem zweiten ortsfest gelagerten Messerteil (14, 15, 18, 19) für den Vorder- und für den Hinterkantenschnitt vorbeigeführt werden, und dass ein erster Messerteil für den Oberkantenschnitt und das dazugehörige Druckprodukt an einem zweiten ortsfest in Förderrichtung getrennt von den Messerteilen für den Vorder- und für den Hinterkantenschnitt gelagerten Messerteil (16, 24) für den Oberkantenschnitt vorbeigeführt werden, um mit diesen jeweils in Schneideingriff gebracht zu werden, so dass das Druckprodukt entlang drei vorgesehenen Schnittkanten beschnitten wird.

9. Vorrichtung zum Beschneiden von kontinuierlich geförderten, mehrlagigen Druckprodukten (2) in einem Durchlauf-Prozess mit mehreren auf einem geschlossenen Pfad umlaufenden Transporteinheiten (12) zur Aufnahme von je mindestens einem Druckprodukt, wobei die Transporteinheit (12) mindestens ein Gegenmesser (31) enthält, die Vorrichtung Mittel (17, 33, 34, 35, 41, 42, 43, 44, 45, 47) aufweist, um die Druckprodukte in den Transporteinheiten mindestens entlang einer vorgesehenen Schnittkante mit dem mindestens einen Gegenmesser (31) in Anlage zu bringen, dadurch gekennzeichnet, dass entlang dem geschlossenen Pfad drei ortsfest gelagerte Schneidmesser (14, 15, 16, 18, 19, 24) je für den Vorder-, für den Hinter- und für den Oberkantenschnitt angeordnet sind, welche je mit dem mindestens einen Gegenmesser jeder Transporteinheit so zusammenwirken, dass die Druckprodukte entlang der drei vorgesehenen Schnittkanten beschnitten werden, wobei die Schneidmesser (16, 24) für den Oberkantenschnitt an einem Ort vorgesehen sind, der von den Orten der zweiten Messerteile (14, 15, 18, 19) für den Vorder- und für den Hinterkantenschnitt in Förderrichtung der Druckprodukte verschieden ist.

2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

4. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von ... € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 367 715 (Streitpatent), das am 29. September 1989 unter Inanspruchnahme der Priorität der schweizerischen Patentanmeldung CH 4046/88 vom 31. Oktober 1988 angemeldet worden ist. Das Streitpatent ist in der Verfahrenssprache Deutsch veröffentlicht und wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 589 03 803 geführt. Es betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Beschneiden von Druckprodukten und umfasst 8 Verfahrens- und 12 Vorrichtungsansprüche. Die Patentansprüche 1 (Verfahren) und 9 (Vorrichtung) lauten wie folgt:

1. Verfahren zum Beschneiden von kontinuierlich geförderten mehrlagigen Druckprodukten (2) in einem Durchlauf-Prozess, wobei jedem einzelnen oder mehreren Druckprodukten (2) gemeinsam mindestens ein erster Messerteil (3, 31) zugeordnet wird, wobei der mindestens eine erste Messerteil (3, 31) und das zugehörige Druckprodukt (2) mit im wesentlichen gleicher Geschwindigkeit bewegt, sowie entlang mindestens einer vorgesehenen Schnittkante (4) zueinander in Anlage gebracht werden, dadurch gekennzeichnet, dass der erste Messerteil und das dazugehörige Druckprodukt an einem zweiten ortsfest gelagerten Messerteil (5, 14, 15, 16, 18, 19) vorbeigeführt werden, um mit diesem in Schneideingriff gebracht zu werden, so dass das Druckprodukt mindestens entlang einer vorgesehenen Schnittkante beschnitten wird.

9. Vorrichtung zum Beschneiden von kontinuierlich geförderten, mehrlagigen Druckprodukten (2) in einem Durchlauf-Prozess mit mehreren auf einem geschlossenen Pfad umlaufenden Transporteinheiten (12) zur Aufnahme von je mindestens einem Druckprodukt, wobei die Transporteinheit (12) mindestens ein Gegenmesser (31) enthält, die Vorrichtung Mittel (17, 33, 34, 35, 41, 42, 43, 44, 45, 47) aufweist, um die Druckprodukte in den Transporteinheiten mindestens entlang einer vorgesehenen Schnittkante mit dem mindestens ein Gegenmesser (31) in Anlage zu bringen, dadurch gekennzeichnet, dass entlang dem geschlossenen Pfad mindestens ein ortsfest gelagertes Schneidmesser (14, 15, 16, 18, 19, 24) angeordnet ist, welches mit dem mindestens einen Gegenmesser jeder Transporteinheit so zusammenwirkt, dass die Druckprodukte entlang der mindestens einen vorgesehenen Schnittkante beschnitten werden.

Wegen der unmittelbar und mittelbar auf die Patentansprüche 1 und 9 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 8 bzw 10 bis 20 wird auf die Streitpatentschrift EP 0 367 715 B1 verwiesen. Die Klägerin behauptet, weder das geschützte Verfahren noch die Vorrichtung seien neu, noch beruhten sie auf einer erfinderischen Tätigkeit. Zur Begründung nennt sie folgende Druckschriften:

- CH 650 967 A5 (Anlage N2)

- EP 0 017 878 B1 (Anlage N3)

- CH 583 611 A5 (Anlage N4)

- DE-PS 308 330 (Anlage N5)

- CH 668 216 A5 (Anlage N6)

- DE 34 34 609 A1 (Anlage N8)

- US 4 496 140 (Anlage N8a)

- FR 2 552 009 A1 (Anlage N11/11a)

- R. Romano (ed.), The GATF Encyclopedia of Graphic Communications, 1998, S, 720; Hesse, Tenzer, Arbeitsverfahren der Papierverarbeitung, Leipzig 1963, S. 14-21; H. Kipphan (Hrsg.), Handbuch der Printmedien, 2000, Kap. 7.2.; B.M. Mordowin, Buchbindereimaschinen1962, S. 33-47; D. Liebau ua, Industrielle Buchbinderei, 1997, S. 34-37, 56, 57 (Anlagenkonvolut N12)

- Bundesverband Druck E.V., Druckweiterverarbeitung - Ausbildungsleitfaden für Buchbinder, 1986, S 3-5, 157-176 (Anlage N14)

Die Klägerin beantragt, das europäische Patent EP 0 367 715 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise mit der Maßgabe, dass die Ansprüche 1 und 9 folgende Fassung erhalten (Hilfsantrag 1):

1. Verfahren zum Beschneiden von kontinuierlich geförderten mehrlagigen Druckprodukten (2) in einem Durchlauf-Prozess, wobei jedem einzelnen oder mehreren Druckprodukten (2) gemeinsam mindestens ein erster Messerteil (3, 31) zugeordnet wird, wobei der mindestens eine erste Messerteil (3, 31) und das zugehörige Druckprodukt (2) mit im wesentlichen gleicher Geschwindigkeit bewegt, sowie entlang mindestens einer vorgesehenen Schnittkante (4) zueinander in Anlage gebracht werden, dadurch gekennzeichnet, dass je ein erster Messerteil für den Vorder- und für den Hinterkantenschnitt und das dazugehörige Druckprodukt an je einem zweiten ortsfest gelagerten Messerteil (14, 15, 18, 19) für den Vorder- und für den Hinterkantenschnitt vorbeigeführt werden, und dass ein erster Messerteil für den Oberkantenschnitt und das dazugehörige Druckprodukt an einem zweiten ortsfest in Förderrichtung getrennt von den Messerteilen für den Vorder- und für den Hinterkantenschnitt gelagerten Messerteil (16, 24) für den Oberkantenschnitt vorbeigeführt werden, um mit diesen jeweils in Schneideingriff gebracht zu werden, so dass das Druckprodukt entlang drei vorgesehenen Schnittkanten beschnitten wird.

9. Vorrichtung zum Beschneiden von kontinuierlich geförderten, mehrlagigen Druckprodukten (2) in einem Durchlauf-Prozess mit mehreren auf einem geschlossenen Pfad umlaufenden Transporteinheiten (12) zur Aufnahme von je mindestens einem Druckprodukt, wobei die Transporteinheit (12) mindestens ein Gegenmesser (31) enthält, die Vorrichtung Mittel (17, 33, 34, 35, 41, 42, 43, 44, 45, 47) aufweist, um die Druckprodukte in den Transporteinheiten mindestens entlang einer vorgesehenen Schnittkante mit dem mindestens einen Gegenmesser (31) in Anlage zu bringen, dadurch gekennzeichnet, dass entlang dem geschlossenen Pfad drei ortsfest gelagerte Schneidmesser (14, 15, 16, 18, 19, 24) je für den Vorder-, für den Hinter- und für den Oberkantenschnitt angeordnet sind, welche je mit dem mindestens einen Gegenmesser jeder Transporteinheit so zusammenwirken, dass die Druckprodukte entlang der drei vorgesehenen Schnittkanten beschnitten werden, wobei die Schneidmesser (16, 24) für den Oberkantenschnitt an einem Ort vorgesehen sind, der von den Orten der zweiten Messerteile (14, 15, 18, 19) für den Vorder- und für den Hinterkantenschnitt in Förderrichtung der Druckprodukte verschieden ist.

weiter hilfsweise mit der Maßgabe, dass Patentanspruch 1 die Fassung nach den in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsanträgen 2 und 3 erhält.

Die Beklagte hält die Erfindung zumindest im hilfsweise verteidigten Umfang für patentfähig.

Gründe

Die zulässige Klage mit der der in Art II § 6 Abs 1 Nr 1 IntPatÜG, Art 138 Abs 1 lit a iVm Art 54 Abs 1 und Art 56 EPÜ vorgesehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist teilweise begründet. Die beschränkte Fassung des Patents gemäß Hilfsantrag 1 ist patentfähig.

I.

Das Streitpatent betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Beschneiden von mehrlagigen Druckprodukten, zB Zeitschriften. Nach der Patentbeschreibung müssen derartige Druckprodukte im Allgemeinen meist auf zwei oder drei Seiten beschnitten werden. Bei der industriellen Fließfertigung solcher Druckprodukte sei man bestrebt, den Schneidvorgang in den dynamischen Produktionsprozess zu integrieren.

1. Im Stand der Technik seien verschiedene Schneidvorrichtungen bekannt, die jedoch mit verschiedenen Nachteilen behaftet seien. So erweise es sich als schwierig und aufwendig, die einzelnen Druckprodukte, die in der Regel in Form eines Schuppenstromes von der Rotationspresse weggefördert würden, genau auszurichten. Zudem entstehe beim Schuppenstrom ein Hohlraum zwischen den Produkten und der Unterlage, was vor allem bei dickeren Schneidprodukten zu einem Einreißen der Schneidkanten und zu unregelmäßigen Schneidspuren führen könne. Falls die Produkte nicht nur auf den zur Förderrichtung parallelen Seiten beschnitten werden sollten, müsse der Schuppenstrom um 90¡ umgelenkt oder die Produkte einzeln gedreht werden, was technisch aufwendig sei. Es gebe auch Lösungsversuche, bei denen die Druckprodukte nicht im Schuppenstrom geschnitten würden. Eine derartige Vorrichtung umfasse ein rotierendes Zellenrad, dessen einzelne Zellen je zur Aufnahme eines Druckproduktes bestimmt und mit über gemeinsame Steuerkurven betätigbaren beweglichen Messern und mit diesen zusammenwirkenden Gegenmessern versehen seien. Diese Einrichtung sei verhältnismäßig kompliziert in der Konstruktion und dementsprechend aufwendig im Unterhalt.

Aufgabe der Erfindung ist deshalb, ein zuverlässiges und präzises Verfahren und eine einfache, wartungsfreundliche und kostengünstige Vorrichtung zu schaffen, mit welchen ein hochqualitatives Beschneiden von mehrlagigen Druckprodukten im kontinuierlichen Durchlaufprozess, insbesondere einem Hochleistungs-Fertigungsprozess, ermöglicht wird.

Diese Aufgabe wird nach dem Hauptantrag durch ein Verfahren mit den im erteilten Patentanspruch 1 angegebenen Verfahrensschritten sowie durch eine Vorrichtung mit den im erteilten Patentanspruch 9 angegebenen Merkmalen gelöst. Nach dem Hilfsantrag 1 wird sie gelöst durch ein Verfahren mit den im hilfsweise verteidigten Patentanspruch 1 angegebenen Verfahrensschritten sowie durch eine Vorrichtung mit den im hilfsweise verteidigten Patentanspruch 9 angegebenen Merkmalen.

2. Das Verfahren nach Anspruch 1 und die Vorrichtung nach Anspruch 9 des Streitpatents nach Haupt- und Hilfsantrag 1 sind nicht unzulässig erweitert gegenüber der ursprünglichen Offenbarung.

Für die Patentansprüche 1 und 9 nach Hauptantrag wird dies auch nicht bestritten.

Maßgeblich für das Verständnis des Gesamtinhalts der Offenbarung ist das Verständnis des Fachmanns. Fachmann ist hier ein Ingenieur des Maschinenbaus, der berufliche Erfahrung auf dem Gebiet des Beschneidens von Druckprodukten aufweist.

Das Verfahren nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ergibt sich aus dem erteilten Patentanspruch 1 in Verbindung mit der Beschreibung des Verfahrens in der EP 0 367 715 B1 Sp 3, Z 55 bis Sp 4, Z 50 und den Fig 1a, 1b. Im erteilten Patentanspruch 1 ist beansprucht, dass das Druckprodukt mindestens entlang einer Schnittkante beschnitten wird. Dieses Merkmal beinhaltet die Aussage, dass das Druckprodukt auch entlang dreier Schnittkanten beschnitten werden kann, wie dies ua bei Zeitschriften üblich ist. Damit sind Vorder- und Hinterkantenschnitt sowie ein Oberkantenschnitt am Druckprodukt als Verfahrensschritte offenbart. Die zitierte Beschreibungsstelle offenbart einen Schnitt für eine dieser Schnittkanten. Dieser ist in den Fig 1a, 1b gezeigt. Zu einem Schnitt gehört demzufolge ein erster Messerteil 3, der zusammen mit dem Druckprodukt an dem zweiten Messerteil 5 vorbeigeführt wird, um den Schnitt entlang einer der Schnittkanten durchzuführen. Angewandt auf die drei Seitenkanten des Druckprodukts bedeutet dies, dass die feststehenden Messer 5 jeweils an verschiedenen Orten angeordnet sein können, da sich dabei ihre Schnittlinien beim Schnitt nicht schneiden. Die Reihenfolge der Messer ist dann so, dass das Messer für den Oberkantenschnitt sowohl vor als auch nach den anderen Messern in Förderrichtung angeordnet sein kann. Die dieser Anordnung entsprechenden Verfahrensschritte entnimmt der Fachmann ohne weiteres diesen Offenbarungsstellen. Diese Offenbarungsstellen sind auch in der EP 0 367 715 A1 Sp 4, Z 20 bis Sp 5, Z 16 und in den Fig 1a, 1b enthalten. Die Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1 werden daher durch die Merkmale des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 in zulässiger Weise eingeschränkt.

Die Merkmale des Patentanspruchs 9 nach Hilfsantrag 1 ergeben sich aus dem erteilten Patentanspruch 9 in Verbindung der EP 0 367 715 B1, Sp 4, Z 51 bis Sp 5, Z 23 und Fig 2. Die zitierte Textstelle befindet sich in der EP 0 367 715 A1 in Sp 5, Z 17 bis 48. Somit werden auch die Merkmale des erteilten Patentanspruchs 9 durch die Merkmale des Patentanspruchs 9 nach Hilfsantrag in zulässiger Weise eingeschränkt.

Inwieweit die Patentbegehren gemäß Hilfsanträgen 2 und 3 zulässig sind kann dahingestellt bleiben, da dem Hilfsantrag 1 stattgegeben wurde.

II.

1. Zum Hauptantrag:

1.1 Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 und die Vorrichtung nach dem Patentanspruch 9 mögen gewerblich anwendbar sein, sie sind jedoch nicht mehr neu.

Die DE 34 34 609 A1 zeigt ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Trimmen der Ränder von auf einer der Handhabung dienenden Förderbahn bewegten, aus vorzugsweise gefalteten Bögen bestehenden Signaturen. Der Begriff "Trimmen" wird hierbei in Sinne von "Beschneiden" verwendet. Unter Signaturen versteht der Fachmann eine bestimmte Art von mehrlagigen Druckprodukten. Die Druckprodukte (Signaturen) werden mittels einer Fördervorrichtung 12, 13 einem kontinuierlich umlaufenden Trimmer 14 zugeführt, in diesem auf drei Seiten beschnitten und fallen danach aus diesem. Der Trimmer weist mehrere Greiferglieder 18, 19 auf, die auf einem geschlossenen Pfad umlaufende Transporteinheiten für je ein Druckprodukt bilden. Mit ihnen wird je ein Druckprodukt nach dem Verlassen der Fördervorrichtung erfasst und zum Transport mit dem Trimmer und zum Beschnitt der drei Ränder der Druckprodukte festgehalten. Zum Beschnitt sind dem Trimmer drei Schneideinrichtungen zugeordnet. Diese Schneideinrichtungen bestehen aus zwei ortsfesten Seitenmessern 16 für den Vorder- und Hinterkantenschnitt und einem ortsfesten Endmesser 17 für den Oberkantenschnitt, die mit entsprechenden Gegenmessern zusammenwirken (S 9, Z 14 bis S 10, Z 29). Die Gegenmesser bestehen dabei aus den Messern zugewandten Kanten von Leisten 46, 47, aus denen das Greiferglied ua aufgebaut ist. Durch Verstellen der Leisten 46 längs einer Welle 15 des Trimmers kann die Schnittbreite des Vorder- und Hinterkantenschnitts der Druckprodukte und durch einen verstellbaren Anschlag kann die Schnittbreite des Oberkantenschnitts gegenüber der Falzkante eingestellt werden. Die festen Messer 16, 17 müssen in ihrer Lage diesen Schnittbreiten (bündig) angepasst werden (S 13, Z 21 bis S 14, Z 29, sowie S 15, Z 8 bis 16). Dass das Greiferglied 19 ein Gegenmesser zu den Messern 16, 17 darstellt, ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus der Beschreibung S 15, Z 8 bis 16, wo das Gegenmesser als "Gegenlager" bezeichnet wird, sondern aus der Darstellung des Trimmers in Fig 1 im Zusammenhang mit der Beschreibung. Einlassungen der Patentinhaberin zu dem Sinngehalt des Wortes "Gegenlager" im Hinblick auf anderssprachige Patentfamilienmitglieder sind hier nicht hilfreich, da sich Nichtmuttersprachlern diese sprachliche Feinheiten nicht ohne weiteres erschließen. In Fig 1 ist zu sehen, dass die Messerklingen 23 der Seitenmesser 16 eine zur Horizontalen schräge Schnittkante aufweisen, das Endmesser 17 dagegen eine horizontale Schnittkante. Der Beschnitt der Ränder erfolgt dabei so, dass das Endmesser zunächst den Oberkantenschnitt durchführt, dann die Seitenmesser den Vorder- und Hinterkantenschnitt beenden, wobei der zweite Schnitt infolge der schrägen Schnittkante der Seitenmesser am äußeren Ende der mit dem Trimmer umlaufenden Leiste 46 beginnt und dann entlang einer Schneidlinie, die von der Leiste 46 gebildet wird, nach innen verläuft. Die Leiste 46 muss dabei die Funktion eines Gegenmessers ausüben, da sich sonst der Rand des biegeschlaffen Druckprodukts zwischen den Teilen 16 und 46 verklemmen würde bzw ein unsauberer Schnitt entstehen würde. (Vgl hierzu auch die Darstellung der Fig 4, 5). Der mit dem Trimmer der DE 34 34 609 A1 erzielte Beschnitt wird auf S 6, Z 27 bis 33 aber als sauber und genau bezeichnet.

Der Senat kann sich der Auffassung der Beklagten nicht anschließen, dass das Greiferglied mit seinen Leisten 46 wortlautgemäß nach der DE 34 34 609 A1 ein reines Gegenlager zu den Messern 16 und 17 darstellt. Zum einen wird ein Messer, das eine Schrägstellung der Schneide aufweist in der einschlägigen Literatur (zB Hesse, Tenzer, Grundlagen der Papierverarbeitung , Leipzig 1963, S 17, 18, Anlagenkonvolut 12) immer einem Scherschnitt, mit Messer und Gegenmesser (Untermesser), zugeordnet und nicht einem Messerschnitt mit Gegenlager. Zum anderen ist der über die Greiferränder vorstehende zu beschneidende Rand des Druckprodukts, dessen Dicke sehr variabel ist, nicht immer so steif, dass der Schnitt mit einem Messerschnitt erfolgen könnte. Vielmehr wird bei dünnen Druckprodukten und einem Spalt größer einer Seitenstärke zwischen Messer und Gegenlager ein Verklemmen des Druckprodukts erfolgen, nicht aber ein scharfer Schnitt. Ein für einen Scherschnitt geeigneter enger Spalt ist aber mit dem beschriebenen Trimmer erzielbar, da das Greiferglied 19 mit seinen Leisten 46, 47 vom Fachmann konstruktiv so steif ausgebildet werden kann, dass ein Scherschnitt mit den Messern 16, 17 erfolgen kann. Die Messerteile sind nach Auffassung des Senats auch vor der Inbetriebnahme des Trimmers so zueinander einstellbar, dass ein sauberer Scherschnitt gewährleistet ist. Der Fachmann kann ferner die Anschläge 54 für die Druckprodukte konstruktiv so auslegen, dass sie nicht mit den feststehenden Seitenmessern 16 kollidieren.

Der Fachmann entnimmt der DE 34 34 609 A1 (Merkmale in Klammern) somit die oberbegrifflichen Merkmale des Patentanspruchs 1, nämlich ein Verfahren zum Beschneiden von kontinuierlich geförderten mehrlagigen Druckprodukten in einem Durchlaufprozess (realisiert mit dem kontinuierlich drehenden Trimmer), einem einzelnen oder mehreren Druckprodukten sind mindestens ein erster Messerteil zugeordnet (die zuvor in ihrer Funktion definierten Gegenmesser an dem Greiferglied 19, welches das Druckprodukt hält), der mindestens eine Messerteil und das Druckprodukt werden mit im Wesentlichen gleicher Geschwindigkeit bewegt (es bewegt sich das Druckprodukt gemeinsam mit den Greifergliedern 18 und 19 und den Gegenmessern am Greiferglied 19 mit dem drehenden Trimmer) undder mindestens eine Messerteil und das Druckprodukt werden entlang mindestens einer vorgesehenen Schnittkante zueinander in Anlage gebracht (es erfolgt die Anlage der Druckprodukte durch die Greiferglieder, wobei die Schnittkanten durch die Leisten des Greiferglieds 19 gebildet werden).

Gleichfalls werden die kennzeichnenden Merkmale des Patentanspruchs 1 durch diese Druckschrift vorweggenommen, nämlichdie ersten Messerteile und das zugehörige Druckprodukt werden an einem zweiten ortsfest gelagerten Messerteil vorbeigeführt, um mit diesem in Schneideingriff gebracht zu werden (Druckprodukt und Greiferglied mit erstem Messerteil werden an den Seitenmessern und dem Endmesser beim Schnitt vorbeigeführt), das Druckprodukt wird mindestens entlang einer vorgesehenen Schnittkante beschnitten (es werden drei Schnittkanten beschnitten).

Der Fachmann entnimmt der DE 34 34 609 A1 (Merkmale in Klammern) auch die oberbegrifflichen Merkmale des Patentanspruchs 9, nämlich eine Vorrichtung zum Beschneiden von kontinuierlich geförderten, mehrlagigen Druckprodukten in einem Durchlaufprozess (Vorrichtung mit dem kontinuierlich drehenden Trimmer), mit mehreren auf einem geschlossenen Pfad umlaufenden Transporteinheiten zur Aufnahme von je mindestens einem Druckprodukt (der sich drehende Trimmer mit vier Greifergliedern als Transporteinheiten zur Aufnahme je einer Signatur), die Transporteinheit enthält mindestens ein Gegenmesser (das Greiferglied 19 umfasst drei Gegenmesser), die Vorrichtung weist Mittel auf, um die Druckprodukte in den Transporteinheiten mindestens entlang einer vorgesehenen Schnittkante mit dem mindestens einen Gegenmesser in Anlage zu bringen (die Leisten 46, 47 und der Anschlag 54 des Greiferglieds 19 bilden die Anlage, wobei die Leisten auch das Gegenmesser bilden).

Ferner sind durch diese Vorrichtung nach der DE 34 34 609 A1 auch die kennzeichnenden Merkmale des Patentanspruchs 9 vorweggenommen, entlang dem geschlossenen Pfad ist mindestens ein ortsfest gelagertes Schneidmesser angeordnet, (die zwei Seitenmesser und das Endmesser sind jeweils ortsfest zum Trimmer gelagert), das mindestens eine Schneidmesser wirkt mit einem Gegenmesser jeder Transporteinheit so zusammen, das die Druckprodukte entlang der mindestens einen vorgesehenen Schnittkante beschnitten werden, (es wirken die Schneidmesser mit den Gegenmessern der Greiferglieder zusammen, so dass die Druckprodukte entlang der vorgesehenen Schnittkanten beschnitten werden).

Mit den Patentansprüchen 1 und 9 fallen auch die darauf rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 8 und 10 bis 20.

2. Zum Hilfsantrag 1:

2.1 Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 und die Vorrichtung nach dem Patentanspruch 9 sind neu.

Keine der genannten Druckschriften weist alle Merkmale des Verfahrens nach Anspruch 1 oder der Vorrichtung nach Anspruch 9 auf, was auch nicht bestritten wird.

2.2 Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 und die Vorrichtung nach dem Patentanspruch 9 beruhen auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

2.2.1 Zum Patentanspruch 1:

Der Senat interpretiert die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Patentanspruchs 1 so, dass das zweite Messerteil in Förderrichtung des Druckprodukts nach dem ersten Messerteil angeordnet ist. Diese Interpretation folgt dabei auch den entsprechenden Merkmalen des kennzeichnenden Teils des Patentanspruchs 9, wonach der Ort des Schneidmessers für den Oberkantenschnitt in Förderrichtung verschieden zu den Orten der zweiten Messerteile für den Vorder- und Hinterkantenschnitt ist, dh das zweite Messerteil für den Oberkantenschnitt liegt hier in Förderrichtung nach den zweiten Messerteilen für den Vorder- und Hinterkantenschnitt. Diese Interpretation beinhaltet die Aussage, dass der Oberkantenschnitt örtlich und zeitlich nach den beiden anderen Schnitten erfolgt.

Beim Verfahren zum Beschneiden von Druckprodukten nach der DE 34 34 609 A1 sind die zweiten Messer 16, 17 ortsfest angeordnet. Gemäß S 11, Z 5 bis Z 8 erfolgt der Beschnitt des Druckprodukts im Zusammenwirken mit den Greifergliedern 18, 19 so, "dass sämtliche zu trimmenden Ränder der Signatur 10 gleichzeitig beschnitten werden". Diese gleichzeitige Beschneidung aller Ränder ist ein vorteilhaftes Merkmal dieses Verfahrens, wie auch auf S 8, Z 10 bis 16 nochmals hervorgehoben wird. Anregungen dieses Verfahren zu verlassen, gibt diese Druckschrift nicht zu erkennen.

Bei der Vorrichtung zum Beschneiden von Druckprodukten nach der CH 583 611 sind für den Vorder- und Hinterkantenschnitt sowie für den Oberkantenschnitt zwei getrennte Vorrichtungen erforderlich. Nach dem Beschnitt in der einen Vorrichtung (Fig 2) werden die Druckprodukte der weiteren (Fig 3) übergeben und dort beschnitten (Sp 5, Z 40 bis Z 45). Bei jeder Vorrichtung laufen die ersten und zweiten Messerteile 48, 49; 48', 49' für den Vorder- und Hinterkantenschnitt sowie für den Oberkantenschnitt zusammen mit den auf einem geschlossenen Pfad umlaufenden Transporteinheiten 35 um und werden mittels Kurvensteuerung an feststehenden Steuerkurven 46, 57 betätigt (vgl Sp 2, Z 58 bis Sp 3, Z 28; Sp 4, Z 44 bis Sp 5, Z 5). Es besteht für den Fachmann kein Anlass, einzig das Teilmerkmal der zwei getrennten Vorrichtungen für den Beschnitt der Ränder des Druckprodukts nach der CH 583 611 auf das Verfahren nach der DE 34 34 609 A1 zu übertragen, da er damit deren Lehre des gemeinsamen Schnitts der Ränder verlassen würde und er sich den Nachteil einer komplizierten Vorrichtung und der zusätzlicher Synchronisierung der beiden Transporteinheiten bezüglich der Übergabe der Druckprodukte einhandeln würde.

Die CH 668 216 zeigt eine Vorrichtung zum Beschneiden von Druckprodukten, bei der die Druckprodukte 17 zum Beschneiden in längs eines Pfades endlos umlaufende Abteile 18 abgelegt werden. Die Schneidaggregate 27-29 zum Beschneiden der Vorder- und Hinterkanten sowie der Oberkante sind dabei an verschieden Orten in Förderrichtung angebracht (Fig 1 und zugehörige Beschreibung). Die Schneidaggregate besitzen synchron mit den Abteilen umlaufende Ketten, an denen mehrere bewegliche erste Messerteile 43 und feste zweite Messerteile 42 befestigt sind. Während des Vorbeilaufs des Druckprodukts an einem Schneidaggregat erfolgt jeweils ein Randbeschnitt durch die entsprechenden Messerteile (S 3, linke Sp, Z 47 bis rechte Sp Z 13). Auch hier wird der Fachmann den Gedanken des Randbeschnitts in drei nacheinanderfolgenden Schneidstationen nicht isoliert auf das Verfahren nach der DE 34 34 609 A1 übertragen, da der Druckschrift ein Hinweis hierfür nicht entnehmbar ist und er mit einer solchen Anordnung auch nicht den mit der Aufgabe des Patents geforderten Hochleistungs-Fertigungsprozess erzielen würde.

In der EP 0 017 878 B1 wird eine Schneideinrichtung für Druckprodukte 2 beschrieben, bei der die Druckprodukte im Schuppenstrom auf einem Bandförderer 4 gefördert und an drei Rändern beschnitten werden. Die aus einem Messer 9 und einem Gegenmesser 10 bestehenden Schneidvorrichtungen sind ortsfest seitlich des Bandförderers angeordnet. Dabei liegen die Messer für den Vorder- und Hinterkantenschnitt auf gleicher Höhe jeweils einander gegenüber, das Messer für den Oberkantenschnitt ist in Transportrichtung der Druckprodukte danach angeordnet. Zwischen den beiden Messerschnitten wird der Schuppenstrom um 90¡ umgelenkt. Der Fachmann wird diese Druckschrift zum Optimieren des Schneidverfahrens nach der DE 34 34 609 A1 nicht aufgreifen, da er weiß, dass ein Schnitt in der Schuppe immer etwas weniger präzise ist als ein Einzelschnitt bei festgehaltenem Druckprodukt. Er wird insbesondere auch nicht deren Anordnung der Messer nacheinander im Förderstrom aufgreifen, da hierzu kein Anlass besteht bzw der Druckschrift keine Anregung dazu zu entnehmen ist.

Der von den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffene übrige Stand der Technik liegt dem Beanspruchten noch ferner, und ist daher weder für sich noch in einer Zusammenschau geeignet, die Merkmale des Patentanspruchs 1 nahezulegen.

2.2.2 Zum Patentanspruch 9:

Die Vorrichtung zum Beschneiden von Druckprodukten nach der DE 34 34 609 A1 weist alle Merkmale des Oberbegriffs des Patentanspruchs 9 auf. (Vgl hierzu die vorausgehenden Ausführungen unter Punkt 1.1). Diese Vorrichtung weist aber auch die weiteren kennzeichnenden Merkmale auf, wonach - entlang dem geschlossenen Pfad drei ortsfest gelagerte Schneidmesser je für den Vorder-, für den Hinter- und für den Oberkantenschnitt angeordnet sind,

- welche je mit dem mindestens einen Gegenmesser jeder Transporteinheit so zusammenwirken,

- dass die Druckprodukte entlang der drei vorgesehenen Schnittkanten beschnitten werden.

Die drei Schneidmesser 16, 17 sind ortsfest gelagert, sie arbeiten mit Gegenmessern an den Greifergliedern 18, 19 zusammen, so dass die Druckprodukte entlang dreier Schnittkanten beschnitten werden (aaO S 9, Z 14 bis S 10, Z 20). Bezüglich der erfinderischen Tätigkeit bei der Auffindung der restlichen kennzeichnenden Merkmale gelten analog die vorstehenden Ausführungen zu den den Vorrichtungsmerkmalen entsprechenden Verfahrensmerkmalen nach Anspruch 1 unter Punkt 2.2.1.

Auch hier liegt der von den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffene übrige Stand der Technik dem Beanspruchten noch ferner, und ist daher weder für sich noch in einer Zusammenschau geeignet, die Merkmale des Patentanspruchs 9 nahezulegen.

Die Patentansprüche 1 und 9 nach Hilfsantrag 1 haben daher Bestand. Die auf diese Patentansprüche rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 8 und 10 bis 20 sind als vorteilhafte Ausgestaltungen rechtsbeständig.

Da dem Hilfsantrag 1 stattgegeben wird, ist auf die weiteren Hilfsanträge nicht einzugehen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 92 Abs 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 ZPO.

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BPatG:
Urteil v. 23.03.2005
Az: 4 Ni 27/04


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