Bundespatentgericht:
Beschluss vom 31. März 2011
Aktenzeichen: 21 W (pat) 45/06

(BPatG: Beschluss v. 31.03.2011, Az.: 21 W (pat) 45/06)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

BPatG 154

Gründe

I Die Anmelderin hat am 17. Dezember 2003 ein Patent mit der Bezeichnung "Verfahren zur gezielten Navigation eines medizinischen Instruments, insbesondere eines Katheters" beim Deutschen Patentund Markenamt angemeldet. Die Offenlegung erfolgte am 21. Juli 2005.

Die Prüfungsstelle für Klasse A 61 B hat die Anmeldung mit Beschluss vom 19. Mai 2006 zurückgewiesen, da der Gegenstand des Anspruchs 1 zumindest gemäß § 5 Abs. 1 nicht gewerblich anwendbar und daher nicht dem Patentschutz zugänglich sei. Er beinhalte als wesentlichen Verfahrensschritt den der ärztlichen Diagnose.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Mit Beschluss vom 26. Mai 2009 hat der erkennende Senat die Beschwerde zurückgewiesen, da das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 als Verfahren zur chirurgischen Behandlung unter das Patentierungsverbot des § 2a Abs. 1 Nr. 2 PatG falle.

Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde der Anmelderin hat der Bundesgerichtshof diese Entscheidung aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung über die erfinderische Tätigkeit zurückverwiesen.

Zur Begründung hat der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 31. August 2010, X ZB 9/09 (GRUR 2010, 1081 ff. -Bildunterstützung bei Katheternavigation) ausgeführt, dass das beanspruchte Verfahren zur Bildunterstützung bei der gezielten Navigation eines in ein Hohlraumorgan des menschlichen oder tierischen Körpers invasiv eingeführten Katheters an einen pathologischen Ort im Hohlraumorgan nicht dem Patentierungsausschluss für Verfahren zur chirurgischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers unterfalle, weil der Patentierungsausschluss nicht die Patentierung von Verfahren einschließe, die im Zusammenhang mit der Durchführung eines chirurgischen Verfahrens verwendet werden können.

Die Anmelderin verfolgt ihr Patentbegehren mit den bei der Prüfungsstelle eingereichten Patentansprüchen 1 bis 5, vom 28. Juni 2005, weiter.

Der danach geltende Patentanspruch 1 (Merkmalsgliederung hinzugefügt) lautet:

M1 Verfahren zur Bildunterstützung bei der gezielten Navigation eines in ein Hohlraumorgan des menschlichen oder tierischen Körpers invasiv eingeführten medizinischen Instruments (5) als Katheter an einen pathologischen Ort (4) im Hohlraumorgan (2), M2 bei welchem Verfahren anhand einer vorab mittels einer nichtinvasiven Untersuchungsmodalität aufgenommenen ersten Bilddarstellung zumindest eines Teils des Hohlraumorgans (2) die Position eines oder mehrerer pathologischer Orte (4) lokalisiertund M3 die Bilddarstellung während der nachfolgenden Navigation des Instruments (5) zusammen mit einer zweiten kontinuierlichenangiographisch aufgenommenen Bilddarstellung zumindest eines Teils des Hohlraumorgans (2), in dem sich die Spitze des Instruments (5) befindet, wiedergegeben wird, M4 wobei in der ersten Bilddarstellung der oder die pathologischen Orte (4) markiert und hervorgehoben dargestellt werden, M5 wobei der oder die pathologischen Orte (4) in der ersten Bilddarstellung manuell durch den Benutzer oder automatisch unter Verwendung eines Bildanalysesystems lokalisiert und markiertwerden, M6 und wobei die Angiographiebilder derart aufgenommen werden, dass sie die Katheterspitze des Instruments zeigen.

Die Anmelderin ist der Auffassung, dass der beanspruchte Gegenstand gegenüber folgenden im Verfahren befindlichen druckschriftlichen Stand der Technik neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

D1 WO 02/34153 A1 D2 DE10162272A1 D3 WO 01/93745 A2 D4 US6389104B1 D5 DE10210647A1 D6 DE10210650A1 D7 DE10047314A1 D8 DE19825999A1 D9 DE10051244A1 D10 WO 96/10949 A1 und D11 US 2003/0130576 A1.

Die Anmelderin stellt den Antrag, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse A 61 B des Deutschen Patentund Markenamts vom 19. Mai 2006 aufzuheben und das Patent DE 103 59 317 mit den Patentansprüchen 1 bis 5, eingegangen beim Deutschen Patentund Markenamt am 4. Juli 2005, der Beschreibung und der Zeichnung gemäß Offenlegungsschrift zu erteilen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist aber nicht begründet, denn das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 ist dem bei der Entwicklung derartiger bildgebender Verfahren in der Medizin zuständigen Fachmann, bei dem es sich aufgrund der dabei behandelten Strahlenphysik um einen Dipl.-Physiker mit entsprechenden Fachkenntnissen auch im medizinischen Bereich handelt, durch den Inhalt der Druckschrift D9 nahe gelegt.

1. Laut Beschreibungseinleitung betrifft die Erfindung ein Verfahren zur gezielten Navigation eines in ein Hohlraumorgan des menschlichen oder tierischen Körpers invasiv eingeführten medizinischen Instruments, insbesondere eines Katheters, an einen pathologischen Ort im Hohlraumorgan. Das Verfahren soll insbesondere für eine bestimmte Form der Arteriosklerose anwendbar sein und die Lokalisierung von sogenannten "Vulnerable Plaques" erlauben. Zur Darstellung und Diagnose der "Vulnerable Plaques" seien verschiedene bildgebende invasive Methoden, wie die intravaskuläre Ultraschall-Untersuchung oder die optische Kohärenztomographie (OCT) und nichtinvasive Methoden wie Magnetresonanzund Computertomographieuntersuchungen bekannt. Der Hauptnachteil der invasiven OCT-Methode sei, dass das Blut aus den zu untersuchenden Gefäßteilen durch Spülen und/oder unter Verwendung eines Ballons, der den Blutfluss verhindert, entfernt werden müsse. Zudem sei ein langwieriges Abfahren aller möglichen Gefäßäste nötig, da mittels der parallel dazu durchgeführten, der Katheterbewegungserfassung dienenden Röntgenangiographieüberwachung die "Vulnerable Plaques" nicht lokalisiert werden könnten. Dies führe zu verlängerten Untersuchungszeiten im Katheterlabor, bei Nutzung der invasiven Bildgebungsmethode erhöhe sich das Patientenrisiko und ferner sei eine erhöhte Strahlenbelastung gegeben. Der Hauptnachteil der nichtinvasiven Methoden sei demgegenüber u. a. die mangelnde Ortsauflösung, sodass insbesondere eine Aussage über das wesentliche Kriterium zur Risikoeinschätzung eines sich abzeichnenden akuten Vorfalls, nämlich der Dicke der fibrösen Plaquekappe, nicht möglich sei. Es sei aber gerade aus diagnostischer Sicht wichtig, das tatsächliche Risiko eines Vorfalls, resultierend aus einem Aufreißen der Plaquekappe, abschätzen zu können (siehe Offenlegungsschrift, Absatz [0004]).

Der Erfindung liegt gemäß der Beschreibung das Problem zugrunde, ein Verfahren anzugeben, das zur Verringerung des Patientenrisikos und zur Reduzierung der Strahlenbelastung während der zur Untersuchung des Hohlraumorgans zwingend durchzuführenden invasiven Methode ein einfaches Navigieren und damit schnelles Auffinden und Lokalisieren der relevanten pathologischen Orte, insbesondere der "Vulnerable Plaques" zulässt (siehe OS, Abs. [0005]).

Wie der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss a. a. O. dargelegt hat, gehört im vorliegenden Fall die gezielte Navigation des invasiv eingeführten Elements als Katheter an einen pathologischen Ort in einem menschlichen Hohlraumorgan nicht zu den Merkmallen der beanspruchten Lehre (a. a. O. Rn. 13). Der Patentanspruch 1 unterscheide zwischen dem Bildgebungsverfahren und der Katheternavigation. Weder die Ansprüche noch die gesamten Anmeldeunterlagen befassten sich mit den Modalitäten der Katheteruntersuchung selbst. Die Patentanmeldung lasse nur erkennen, für das Bildgebungsverfahren eine Lehre zum technischen Handeln zu geben (a. a. O. Rn. 14 und 15).

Die beanspruchte Lehre betrifft daher ein Bildgebungsverfahren, das sich entsprechend den Ausführungen des Bundesgerichtshofs folgendermaßen in drei Verfahrensschritte gliedern lässt:

Bildgebungsverfahren, bei welchem, 1.

anhand einer vorab mittels einer nichtinvasiven Untersuchungsmodalität aufgenommenen ersten Bilddarstellung zumindest eines Teils des Hohlraumorgans die Position eines oder mehrerer pathologischer Orte manuell durch den Benutzer oder automatisch unter Verwendung eines Bildanalysesystemsa) lokalisiert, b) markiert, und c) hervorgehoben dargestellt werden und 2.

die Bilddarstellung während der nachfolgenden Navigation des Instruments zusammen mit einer zweiten kontinuierlichen angiografisch aufgenommenen Bilddarstellung zumindest eines Teils des Hohlraumorgans, in dem sich die Spitze des Instruments befindet, wiedergegeben wird, 3.

wobei die Angiografiebilder derart aufgenommen werden, dass sie die Katheterspitze des Instruments zeigen.

2. Aus der Druckschrift D9 (siehe insbesondere die Fig. mit zugehöriger Beschreibung) ist ein Bildgebungsverfahren (siehe Titel und Anspruch 1) bekannt, bei dem mittels einer nichtinvasiven Untersuchungsmodalität (CT oder MRT, siehe Absatz [0022]) vorab (siehe Spalte 4, Zeilen 60 bis 63 "... bei einer früheren Diagnose ...") ein Hohlraumorgan (Herzkranzgefäße, siehe Absatz [0013]) aufgenommen wird. Da dieses Übersichtsbild der Vorbereitung einer medizinischen Intervention dient (siehe Spalte 4, Zeilen 60 bis 63), ist es für den Fachmann eine Selbstverständlichkeit, dass diese Übersichtsbilder zur Erstellung einer Diagnose und zur Planung des medizinischen Eingriffs ausgewertet werden und dass damit zwingend zu behandelnde pathologische Orte lokalisiert, markiert und bei Bedarf auch hervorgehoben dargestellt werden (siehe Monitor 14; Übersichtsbild 15). Damit ist aus der Druckschrift D9 der Verfahrensschritt 1 des Patentanspruchs 1 dem Fachmann zumindest nahegelegt. Aus der Druckschrift D9 ist ebenfalls bekannt, bei der nachfolgenden Navigation eines Katheters 3 eine kontinuierliche angiografische zweite Bilddarstellung (siehe Absatz [0023]) des Teils der Gefäßwand an der Spitze des Katheters aufzunehmen, wobei auch der ganze Katheter und damit die Katheterspitze aufgenommen und im Übersichtsbild gezeigt werden kann (siehe Absatz [0024], Variante d)). Da die erste und zweite Bilddarstellung zusammen wiedergegeben werden (siehe Monitor 14 und Spalte 5, Zeilen 11 bis 16), sind aus der Druckschrift D9 ebenfalls die Verfahrensschritte 2 und 3 des Patentanspruchs 1 bekannt.

Das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 beruht daher zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Mit dem nicht gewährbaren Anspruch 1 fallen aufgrund der Antragsbindung auch die weiteren Ansprüche (vgl. BGH, GRUR 1983, 171 -Schneidhaspel).

Im Übrigen hat eine Überprüfung des Senats ergeben, dass auch die weiteren Ansprüche keine patentfähigen Merkmale aufweisen.

Dr. Winterfeldt Baumgärtner Dr. Morawek Bernhart Ko






BPatG:
Beschluss v. 31.03.2011
Az: 21 W (pat) 45/06


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/953405b410ea/BPatG_Beschluss_vom_31-Maerz-2011_Az_21-W-pat-45-06




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share