Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. August 2003
Aktenzeichen: 14 W (pat) 50/02

(BPatG: Beschluss v. 01.08.2003, Az.: 14 W (pat) 50/02)

Tenor

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und das Patent beschränkt aufrechterhalten mit der Maßgabe, daß im Patentanspruch 1 an Stelle von "bis zu größer 1100¡C" der Passus "von 1100¡C und mehr" gesetzt wird.

Gründe

I Mit dem angefochtenen Beschluß vom 12. April 2002 hat die Patentabteilung 45 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent 43 15 212 mit der Bezeichnung

"Verfahren zur Herstellung von Zementklinker"

widerrufen.

Dem Beschluß liegen die erteilten Patentansprüche 1 bis 5 zugrunde, von denen Anspruch 1 wie folgt lautet:

"Verfahren zur Herstellung von Zementklinker,

- bei dem Rohmehl unverzweigt über jeweils einen ein- oder mehrstufigen Dehydrator-Wärmetauscher (2) und einen sich anschließenden Calcinator-Wärmetauscher (3) in den Einlauf eines Drehrohrofen (1) geführt, als erbrannter Zementklinker den Drehrohrofen (1) verläßt und über einen Kühler (4) ausgetragen wird,

- wobei das Rohmehl im Calcinator (3) bei Temperaturen bis zu größer 1100¡C vollständig calciniert und im Drehrohrofen nur noch gesintert wird,

- das Abgas des Drehrohrofens unter Umgehung des Calcinators (3) direkt in den Dehydrator geführt wird,

- und das Calcinatorabgas in den Dehydrator (2) geführt wird,

- von wo aus Drehrohrofenabgas und Calcinatorabgas als Gesamtabgas aus dem Dehydrator abgezogen wird."

Zum Wortlaut der auf besondere Ausführungsformen dieses Verfahrens gerichteten Unteransprüche 2 bis 5 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Der Widerruf ist im wesentlichen damit begründet, ein Verfahren mit den in Anspruch 1 des Streitpatents angegebenen Maßnahmen sei gegenüber dem durch

(D1) US 3 873 331 belegten Stand der Technik nicht mehr neu. Aus dem Beispiel und der zugehörigen Figur 1 der Entgegenhaltung gehe ein Verfahren zur Herstellung von Zementklinker hervor, bei dem das Rohmehl über einen Vorwärmer und einen Calcinator in den Einlauf eines Drehrohrofens geführt und der erbrannte Klinker über einen Kühler ausgetragen werde. Dieses Verfahren sei ua als unverzweigt ausführbar beschrieben, denn über die Zyklonausgangsleitung könne die gesamte Menge des Rohmehls dem Calcinator zugeleitet werden. Das Rohmehl werde im Calcinator bei Temperaturen von 850 bis 900¡C - also bei Temperaturen bis zu größer 1100¡C - sehr wirksam calciniert; dh es werde eine vollständige Calcinierung angestrebt und demzufolge im Drehrohrofen nur noch gesintert. Das Abgas des Drehrohrofens werde unter Umgehung des Calcinators zusammen mit dem Calcinatorabgas in den Vorwärmer geführt und aus diesem als Gesamtabgas abgezogen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde des Patentinhabers, mit der er die durch die Maßgabe, daß im Patentanspruch 1 die Angabe "bis zu größer 1100¡C" durch "von 1100¡C und mehr" ersetzt wird, beschränkte Aufrechterhaltung des Patents verfolgt. Er trägt im wesentlichen vor, weder aus (D1) noch aus der erstmals im Beschwerdeverfahren eingeführten Entgegenhaltung

(D5) ZKG International 1986, Seiten 351 bis 366 oder der in der mündlichen Verhandlung wieder aufgegriffenen

(D4) DE 24 51 115 A1 gehe eine unverzweigte Verfahrensführung im Sinne des Streitpatents hervor, bei der der Calcinator mit Mindesttemperaturen von 1100¡C betrieben werde.

Der Patentinhaber beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten mit der Maßgabe, daß im Patentanspruch 1 an Stelle von "bis zu größer 1100¡C" der Passus "von 1100¡C und mehr" gesetzt wird.

Die Einsprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, das beanspruchte Verfahren sei insbesondere gegenüber dem in (D5) beschriebenen Pyroclon-RP-Verfahren nicht patentfähig. Der Festmaterialstrom verlaufe dort unverzweigt vom mehrstufigen Dehydrator-Wärmetauscher über einen Calcinator in einen Drehrohrofen und werde als erbrannter Zementklinker über einen Kühler ausgetragen und das Abgas des Drehrohrofens werde unter Umgehung des Calcinators in den Dehydrator geführt. Temperaturen von 1100¡C und höher würden sich im Calcinator deshalb einstellen, weil die in diesen eingeführte Tertiärluft 1200¡C heiß sein könne. Dies sei dem Fachmann bekannt und werde beispielsweise durch die in der Beschreibungseinleitung erwähnte Literaturstelle

(D6) ZKG International 1989, Seiten 510 bis 514 veranschaulicht.

Wegen weiterer Einzelheiten des schriftlichen Vorbringens wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die Beschwerde des Patentinhabers ist zulässig (PatG § 73); sie führt zu dem im Tenor angegebenen Ergebnis.

1. Die geltenden Patentansprüche sind zulässig, was von der Einsprechenden auch nicht bestritten wird. Anspruch 1 geht inhaltlich auf die ursprünglichen Ansprüche 1, 2 und 8 in Verbindung mit Seite 2 Zeilen 20 bis 36 und Seite 3 Zeilen 15 bis 18 und 22 bis 27 sowie Figuren 1 bis 4 der ursprünglichen Unterlagen bzw auf den erteilten Anspruch 1 zurück.

Die unverändert geltenden erteilten Ansprüche 2 und 3 basieren auf dem ursprünglichen Anspruch 2 in Verbindung mit Seite 2 Zeilen 33 bis 36 und Figur 1 (für Anspruch 2) bzw den Figuren 2 und 3 (für Anspruch 3) der ursprünglichen Unterlagen. Der erteilte Anspruch 4 ist aus Seite 3 Zeilen 5/6 der ursprünglichen Beschreibung abzuleiten und das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 5 ist im ursprünglichen Anspruch 7 offenbart.

2. Das Verfahren nach dem geltenden Anspruch 1 ist neu.

Es unterscheidet sich von jedem der bekannten Verfahren zur Herstellung von Zementklinker durch die Calcinierung im Calcinator bei Temperaturen von 1100¡C und mehr.

Nach (D1) wird bei 850 bis 900¡C calciniert (Sp 3 Z 41 bis 49 sowie Tabelle in Sp 5). In (D5) und (D4) sind keine Zahlenwerte für die Calcinierungstemperaturen angegeben, so daß der Fachmann von üblichen Calcinierungstemperaturen ausgehen muß. Diese liegen - in Übereinstimmungen mit den Angaben in (D1) - nach (D6) unterhalb von 1000¡C (S 510 liSp le Abs, vgl auch S 513 Bild 5); selbst bei den höchsten untersuchten Temperaturen liegen die lokalen Maxima unterhalb 1100¡C (S 514 Bild 6).

Auch wenn als zutreffend unterstellt wird, daß die gemäß (D5) Bild 6 dem Calcinator aus dem brennerseitigen Ende des Drehrohrofens zugeführte Tertiärluft Temperaturen bis 1200¡C aufweist (vgl hierzu auch (D4) S 5 Abs 4), führt dies nach Überzeugung des Senates nicht zur Einstellung einer Temperatur von 1100¡C (und mehr) im Calcinator. Eine möglicherweise im Brennerbereich auftretende Temperaturspitze von 1100¡C (und darüber) ist nämlich nicht einer Calciniertemperatur in dieser Höhe im Calcinator gleichzusetzen (vgl hierzu das erwähnte Bild 6 in (D6)).

Für die im Beschwerdeverfahren nicht mehr aufgegriffenen Entgegenhaltungen (D2) EP 0 327 717 B1 und (D3) US 4 201 546 gilt sinngemäß das zu (D4) und (D5) ausgeführte: da auch hier keine spezifischen Calciniertemperaturen angegeben sind, können keine höheren als die allgemein üblichen abgeleitet werden. Auch (D2) und (D3) können somit die Neuheit des beanspruchten Verfahrens nicht in Frage stellen.

3. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die dem Senat vorliegenden Druckschriften können schon deshalb nicht zu einer Erhöhung der Calciniertemperaturen auf mindestens 1100¡C anregen, weil ihnen hierauf - wie ausgeführt - kein Hinweis zu entnehmen ist.

Es sind aber auch keine sonstigen Überlegungen ersichtlich, die zu der in Rede stehenden Maßnahme hinführen könnten. Vielmehr hat die Fachwelt unbestritten eine 95 bis 98 %ige Calcinierung im Calcinator als ausreichend erachtet, einen höheren Calcinierungsgrad in dieser Stufe wegen der möglichen Rückreaktion im System CaO/CO2/CaCO3 für aufwendig gehalten (vgl zB (D4) S 9 Abs 3) und daher dessen Erzielung in der Verklinklerung als technisch sinnvoll bewertet. Es bestand somit für den Fachmann keine Veranlassung, einen höheren Calcinierungsgrad im Calcinator durch Einstellung einer Calcinierungstemperatur von 1100¡C und mehr in Betracht zu ziehen.

4. Das Verfahren nach dem geltenden Anspruch 1, dessen gewerbliche Anwendbarkeit außer Zweifel steht, weist somit alle Kriterien der Patentfähigkeit auf und ist daher rechtsbeständig.

Die Ansprüche 2 bis 5 beziehen sich auf besondere Ausführungsarten des Verfahrens nach dem geltenden Anspruch 1 und haben mit diesem Bestand.

Schröder Wagner Harrer Gerster Pü






BPatG:
Beschluss v. 01.08.2003
Az: 14 W (pat) 50/02


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