Landgericht München I:
Urteil vom 17. Januar 2008
Aktenzeichen: 17 HK O 22794/07, 17 HK O 22794/07

(LG München I: Urteil v. 17.01.2008, Az.: 17 HK O 22794/07, 17 HK O 22794/07)

Tenor

I) Die Einstweilige Verfügung vom 6.12.2007 wird bestätigt.

II) Die Kosten des weiteren Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Tatbestand

Der Antragsteller macht gegen den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch wegen getarnter Werbung geltend.

Der Antragsteller, ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört, wendet sich gegen ein vom Antragsgegner verfasstes Buch mit dem Titel "entgiften statt vergiften". Herausgeber dieses Buches ist die Firma "T Ltd." mit Sitz in Großbritannien.

Der Antragsgegner ist Heilpraktiker und Buchautor.

Der Antragsteller erlangte Kenntnis von dem genannten Buch durch eine Werbeanzeige in der Zeitschrift "L" vom 10.10.2007 und veranlasste eine Testbestellung. Das Buch ging am 6.11.2007 beim Testbesteller ein. Im Lieferumfang enthalten waren neben dem Buch: ein Fläschchen mit einer "Therapeutenprobe" des Mittels "Biologo-D nach K", eine Broschüre der aktuell über die Firma "..." bestellbaren Produkte der Firma "LL" ("..." bzw. "..."), zu denen auch das in der Broschüre ausführlich beschriebene Produkt "Biologo-D" gehört, sowie ein beidseitig bedrucktes DIN A4-Blatt, welches über Zusammensetzung, Anwendung und Nebenwirkungen des Mittels "Biologo-D nach K" informiert. Inhaber der eingetragenen Wortmarke "Biologo" ist die Firma "M Ltd.", welche ihren Sitz unter derselben Anschrift hat, wie die "T Ltd.".

Der Antragsteller ist Auffassung, dass es sich bei dem Buch des Antragsgegners um eine in wettbewerbswidriger Weise getarnte Werbung für das Mittel "B" handele.

Der Antragsteller stellte mit Schriftsatz vom 5.12.2007, eingegangen als Fax am selben Tag, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung:

Das Gericht hat durch Beschluss antragsgemäß am6.12.2007folgendeEinstweilige Verfügungerlassen:

Dem Antragsgegner wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten,

untersagt,

im geschäftlichen Verkehr für den Absatz des Mittels "Biologo-D nach K" mit der Schrift zu werben: "entgiften statt vergiften".

Mit Schriftsatz vom 28.12.2007, eingegangen am selben Tag, hat der Antragsgegner hiergegenWidersprucherhoben.

Er behauptet, sämtliche Rechte an dem von ihm verfassten Buch "entgiften statt vergiften" durch Vertrag vom 18.5.2007 auf den Verlag T übertragen zu haben (Anlage zum Protokoll vom 17.1.08). Dieser allein sei für die Veröffentlichung, die Verbreitung des Werkes sowie für die Nennung konkreter Bezugsadressen im Werk verantwortlich, während er selbst auf Ort, Umfang und Art und Weise der Publikation keinen Einfluss habe. Zudem sei er weder an der Produktion noch an dem Vertrieb des von ihm als Heilpraktiker lediglich eingesetzten und beobachteten Mittels "Biologo-D" beteiligt.

Er ist daher der Meinung, dass es ihm bereits an der Passivlegitimation fehle. Er berichte in dem bezeichneten Buch lediglich über seine Erfahrungen, die er als Heilpraktiker in Bezug auf bestimmte Stoffe in seiner Praxis mache. Dies entspreche seinem Selbstverständnis als Heilpraktiker und dem Charakter eines Ratgeber-Buches. Insoweit beruft er sich auf die Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit. Er meint zudem, dass es dem Antragsteller an der Antragsbefugnis und Aktivlegitimation fehle.

Der Antragsgegner beantragt:

Die Einstweilige Verfügung des Gerichts vom 07.12.2007 wird aufgehoben und der diesbezügliche Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung vom 05.12.2007 zurückgewiesen.

Der Antragsteller beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 6.12.2007 zu bestätigen.

Der Antragsteller ist der Meinung, dass das genannte Buch den Tatbestand der unlauteren Schleichwerbung für das Mittel "Biologo-D" erfülle und der Antragsgegner als Autor passivlegitimiert sei. Hierfür spreche auch, dass dieser in dem beanstandeten Buch sowie zuletzt in einer Werbeanzeige in der Zeitschrift "Frau Aktuell" vom 2.1.2008 als (Mit-)Entwickler des beworbenen Produkts ausgewiesen sei, welches zudem seinen Namen trage. Er bestreitet den Abschluss des vom Antragsgegner behaupteten Vertrags vom 18.5.2007 sowie dessen Inhalt mit Nichtwissen.

In der mündlichen Verhandlung vom 17.01.2008 hat der Antragsgegnervertreter eine Kopie der Vereinbarung zwischen dem Antragsgegner und dem Herausgeber/Verlag T vom 18.05.2007 zu Protokoll gegeben. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf das Protokoll vom 17.01.2008 sowie die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Einstweilige Verfügung war zu bestätigen, da der Antragssteller einen Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 und 3, § 4 Nr. 3 UWG hat. Die Dringlichkeit wird gemäß § 12 UWG vermutet.

Der Antragsteller ist als eingetragener Verein gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG antragsbefugt. Zu seinen satzungsmäßigen Aufgaben gehört die Wahrung der Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden. Seine Antragsbefugnis im Bereich des unlauteren Wettbewerbs im Zusammenhang mit pharmazeutischen Produkten, Nahrungsergänzungsmitteln sowie im Bereich der Heilbehandlungen ist höchstrichterlich anerkannt (BGHZ 167, 91; BGH, WRP 2004, 1024; BGH, WRP 2000, 389).

22Der Antrag ist auch begründet. Denn dem Antragsteller steht gegen den Antragsgegner der geltend gemachte Verfügungsanspruch gemäß §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 3 UWG zu. Durch das vom Antragsgegner verfasste Buch mit dem Titel "entgiften statt vergiften" wird mit dem konkreten Ziel der Verkaufsförderung jedenfalls für das Mittel "Biologo-D" verschleiert und daher gemäß §§ 4 Nr. 3, 3 UWG unlauter geworben.

23Mit dem von ihm verfassten Buch "entgiften statt vergiften" wirbt der Antragsgegner verschleiert jedenfalls für das Mittel "Biologo-D". Dies erfüllt gemäß §§ 4 Nr. 3, 3, 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG den Tatbestand einer unlauteren Wettbewerbshandlung.

Werbung/Wettbewerbshandlung

a) Das beanstandete Buch verfolgt jedenfalls auch das Ziel, den Absatz der Mittels "Biologo-D" zu fördern. Es erfüllt damit den Tatbestand der "Werbung", wie er in Art. 2 lit. a RL 2006/114/EG definiert ist. Diese Definition ist nach allgemeiner Meinung auf das UWG übertragbar.

aa) Der werbende Charakter des Buches muss aus diesem selbst ermittelt werden. Den im Lieferumfang des Buches enthaltenen Zugaben kommt dabei eine indizielle Bedeutung zu. Ob eine Verantwortlichkeit des Antragsgegners für diese Beigaben weder dargetan bzw. glaubhaft gemacht wurde, spielt für die Frage der Wettbewerbshandlung an sich noch keine Rolle.

27bb) Das Buch behandelt verschiedene Erscheinungsformen einer infolge von Umweltveränderungen "rasant zunehmenden Vergiftung", welche nach Auffassung des Antragsgegners der "Auslöser Nr. 1 für Krankheiten wie Alzheimer, Autoimmunerkrankungen, Arthritis, Parkinson, Depression, Migräne, Diabetes, Osteoporose, Herzinfarkt oder Allergien und Asthma" sowie weiterer Krankheiten sei. "Herzstück des Buches ist (jedoch) eine neuartige, natürliche Entgiftungsmethode, die (vom Antragsgegner) und Dr. T R entwickelt wurde". Diese "neue Methode" trägt den Namen "Biologo-D", eine "Kombination verschiedener Inhaltsstoffe, um eine optimale Entgiftung von toxischen Substanzen zu gewährleisten" (S. 90). Das Präparat "Biologo-D" wird wiederholt als Entgiftungsmittel empfohlen (S. 37, 49, 60, 79), bevor auf den S. 90 ff. eine ausführliche Charakterisierung der Inhalte und auf S. 102 ff. eine Darstellung der Anwendung von "Biologo-D" erfolgt. Schließlich werden verschiedene Krankheitsbilder geschildert, wobei zur Verbesserung des jeweiligen Krankheitsbildes durchweg die Einnahme von "Biologo-Dx" empfohlen wird (S. 163, 172, 180, 185, 193, 205, 215, 224, 229). Diese zunehmende Verdichtung der Darstellung, ihre anpreisende Formulierung, die starke Fixierung auf das Produkt "Biologo-D" und insbesondere die Aufforderung an den Leser, "sich eine Testampulle "Biologo-D" schicken" bzw. dieses Präparat durch einen Heilpraktiker an sich austesten zu lassen (S. 21), vermitteln dem Werk seinen werbenden Charakter.

cc) Gegen dieses Ergebnis sprechen auch nicht die Grundrechte des Antragsgegners. Zwar sind bei der hier anzustellenden Bewertung des Inhalts und der Wirkungsweise einer Schrift die Kommunikationsgrundrechte des Verfassers, namentlich sein Grundrecht der Meinungsfreiheit i. S. d. Art. 5 Abs. 1 S. 1 1. Alt. GG zu beachten. Insoweit ist zugunsten des Antragsgegners davon auszugehen, dass der Autor eines Gesundheits-Ratgebers durchaus ein berechtigtes Interesse an der Nennung eines bestimmten Produkts haben kann, insbesondere, wenn mit seiner Nennung in erster Linie die Unterrichtung der Öffentlichkeit zu sozialen oder erzieherische Zwecken bezweckt werde (vgl.Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, § 2 UWG, Rn. 2.30). Das Grundrecht der Meinungsfreiheit entzieht die gegenständlichen Äußerungen einer gerichtlichen Bewertung jedoch ebenso wenig wie es einer Werbung den werbenden Charakter nehmen kann.

b) Der werbende Charakter der Veröffentlichung vermittelt dieser zugleich den Charakter einer Wettbewerbshandlung i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Als solche gilt ausweislich des Gesetzeswortlauts jede Handlung einer Person mit dem Ziel, zugunsten eines eigenen oder fremden Unternehmens den Absatz von Waren zu fördern.

aa) Bezugspunkt der Handlung ist mithin die Förderung des Wettbewerbs eines Unternehmens. Diese ist gegeben, wenn das angegriffene Verhalten objektiv geeignet ist, den Warenabsatz eines Unternehmens zum Nachteil einen anderen Unternehmens zu begünstigen. Gleichgültig ist dabei, ob es sich bei dem begünstigten Unternehmen um ein eigenes oder ein fremdes Unternehmen handelt. Insofern kann dahinstehen, ob der Antragsgegner, der sowohl in dem beanstandeten Buch (vgl. S. 112) als auch in einer Werbeanzeige in der Zeitschrift "Frau Aktuell" vom 2.1.2008 als (Mit)-Entwickler des Präparats "Biologo-D" benannt ist, wie behauptet, tatsächlich in keiner Weise an Produktion und Vertrieb von "Biologo-D" beteiligt ist. Ausreichend ist insoweit, dass der Absatz eines Dritten, hier der Firma "LL" bzw. der "S D" als Vertreiberin von "Biologo-D", begünstigt wird. Der Antragsgegner musste sich dieses Effekts auch bewusst sein, denn ausweislich der zwischen ihm und dem Verlag T geschlossenen Vereinbarung vom 18.5.2007 gestattete er, "dass T mit seinem Namen und mit seinem Konterfei Werbung macht", wobei sich diese Werbung "auf das Manuskript bzw. auf die Thematik "entgiften-statt-vergiften" und/oder auf die Namensgebung bzw. Erklärung des Produktes "Biologo-D" beziehen" darf.

bb) Die streitgegenständliche Veröffentlichung weist zudem den gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG erforderlichen Marktbezug auf. Dabei kann dahinstehen, ob der Antragsteller der T tatsächlich lediglich ein Manuskript geliefert, die Entscheidung bezüglich der Veröffentlichung jedoch ganz in deren Hände gelegt hat. Denn jedenfalls mit der zwischenzeitlich erfolgten Veröffentlichung des Buches "entgiften statt vergiften" unter dem Namen des Antragsgegners ist die insoweit erforderliche Außenwirkung eingetreten.

Unlauterkeit der Wettbewerbshandlung

Die streitgegenständliche Wettbewerbshandlung war auch unlauter gemäß §§ 4 Nr. 3, 3 UWG.

a) Der Werbecharakter einer Wettbewerbshandlung wird verschleiert, wenn ihr äußeres Erscheinungsbild so gestaltet wird, dass sie ein verständiger Durchschnittsverbraucher nicht klar als solche erkennen kann.

Nach der äußeren Gestaltung des Buches "entgiften statt vergiften" handelt es sich um ein Sachbuch aus dem Bereich der sog. Gesundheits-Ratgeber. Gegenstand derartiger Bücher ist typischerweise Rat und Lebenshilfe in Gesundheitsfragen. Auch das vorliegende Buch vermittelt dem äußeren Erscheinungsbild nach diese Zielrichtung. Es wird insofern nicht nur auf dem Front-Cover beworben als "Der neue Bestseller von Deutschlands meistgelesenem Heilpraktiker". Auch der Klappentext verweist explizit auf die langjährige Tätigkeit des Antragsgegners als Heilpraktiker, seinen "großen Sachverstand" und seine Stellung als "Spezialist für natürliche Entgiftungsmethoden" und suggeriert dem Verbraucher, von sachkundiger Stelle Ratschläge für eine gesündere Lebensführung zu erhalten. Ganz bewusst nimmt der Antragsgegner ein Vertrauen auf seine besondere Sach- und Fachkunde als Heilpraktiker in Anspruch. Dem korrespondiert ein Glaubwürdigkeitsbonus beim Verbraucher, den der Antragsgegner bewusst für seine werbende Botschaft ausnutzt. Dass das Buch zu einem erheblichen Teil auch Werbung für das Mittel "Biologo-D" macht, wird aber aus der äußeren Gestaltung zunächst nicht ersichtlich.

b) Eine unlautere Verschleierung eines werblichen Kontakts liegt dann vor, wenn der Werbende unter einem nicht geschäftlichen Vorwand einen Kontakt zu Verbrauchern herstellt, um sie dann mit einem geschäftlichen Angebot zu konfrontieren und zu einer Bestellung zu veranlassen. Eine entsprechende Aufforderung zur Bestellung von "Biologo-D" € jedenfalls über den eigenen Heilpraktiker € folgt bereits auf S. 21. Es kann insofern dahinstehen, ob die Nennung der weiteren Bezugsadressen (S. 260 ff.) vom Antragsgegner selbst stammt oder nachträglich durch den Verlag eingefügt worden ist.

Passivlegitimation

38Der Antragsgegner ist auch Schuldner des Unterlassungsanspruchs gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 UWG, mithin passivlegitimiert. Seine Passivlegitimation ergibt sich aus dem Gesichtspunkt der Verletzerverantwortlichkeit. Er ist als Autor für den Inhalt des unter seinem Namen veröffentlichten Buches verantwortlich.

39a) An dieser Einschätzung ändert auch die vom Antragsgegner vorgetragene, vor Veröffentlichung des Buches vorgenommene Abtretung sämtlicher Rechte an dem Manuskript an die "T" nichts. Diese Übertragung betrifft die Einräumung von Nutzungs- und Verwertungsrechten, sowie Teile des Urheberpersönlichkeitsrechts. Dies ist in den Grenzen des § 29 UrhG zulässig.

aa) Dass er sich als Autor zum Zwecke der Veröffentlichung eines Verlages bedient, ist insoweit nichts Ungewöhnliches. Im Übrigen geht aus der vorgelegten Vereinbarung vom 18.5.2007 hervor, dass sich die T ertraglich verpflichtet hatte, das vom Autor vorgelegte Sachbuch "entgiften statt vergiften" noch im Jahr 2007 auf den Markt zu bringen. Diese Veröffentlichung sollte nach dem Willen der Beteiligten unter dem Namen des Antragsgegners erfolgen.

bb) Soweit der T das Recht eingeräumt wurde, "das Manuskript jederzeit zu ergänzen oder zu redigieren, wenn dies aus medizinischen, sachlichen, wirtschaftlichen oder juristischen Gründen notwendig und sinnvoll erscheint", stellt sich zwar die Frage, wem konkrete Textbestandteile zuzurechnen ist. Eine Vermutung streitet jedoch für die im Grunde umfassende Verantwortlichkeit des benannten Autors, der seinerseits mit dem Beweis des Gegenteils belastet ist. Dass die beanstandeten Teile nicht von ihm verfasst wurden trägt er nicht vor.

cc) Zwar ist dem Antragsgegner zuzugeben, dass die genannte Vereinbarung keine ausdrückliche Aussage dazu trifft, an welchem Ort das von ihm verfasste Manuskript veröffentlicht werden soll. Dass hieraus abzuleiten sei, dass die Entscheidung zur Publikation in Deutschland allein in den Händen der T gelegen habe, erscheint angesichts der Vorgeschichte des Falles sowie der in einer Werbeanzeige der T in der Zeitschrift "L" vom 10.10.2007 angekündigten Strategie, einer Untersagung durch Auslagerung der Verlagstätigkeit nach Großbritannien zu entgehen, zweifelhaft. Darüberhinaus ist der Antragsgegner in Deutschland als Heilpraktiker tätig und als Verfasser vieler Gesundheitsratgeber bekannt (siehe auch den Klappentext des Buches).

43Jedenfalls hat der Antragsgegner eine Veröffentlichung unter seinem Namen in Deutschland nicht ausdrücklich untersagt und diese damit zurechenbar in Kauf genommen. Entscheidend ist daher allein, dass das streitgegenständliche Buch unter dem Namen des Antragsgegners auf den deutschen Markt gelangt ist, nicht dagegen, dass dieser Erfolg erst das Ergebnis eines arbeitsteiligen Handelns von Antragsgegner und Verlag ist. Denn ohne den Beitrag des jeweils anderen Teils wäre die angegriffene Wettbewerbshandlung nicht begangen worden. Mit anderen Worten: Beide Tatbeiträge vervollständigen sich zu einem einheitlichen Ganzen. Dass der T insoweit ein eigenständiger Entscheidungsspielraum zukam, wertet den Tatbeitrag des Antragsgegners nicht ab.

b) Aus der sich insoweit ergebenden Mehrheit möglicher Anspruchsschuldner kann der Antragsgegner nicht den Einwand der missbräuchlichen Schuldnerauswahl ableiten. Vielmehr hat der Anspruchsinhaber grundsätzlich die Wahl, welchen von mehreren Schuldnern er in Anspruch nimmt. Gründe, die die Auswahl des Anspruchsgegners im konkreten Fall missbräuchlich erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich.

c) Soweit der Antragsgegner mit seinem Verweis auf die Vereinbarung vom 18.5.2007 schließlich den Einwand des Unvermögens geltend macht, kann er auch damit nicht durchdringen.

46Zwar ist insbesondere im Bereich der Störerhaftung nach § 1004 BGB allgemein anerkannt, dass ein aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen resultierendes Unvermögen des Schuldners den Anspruch auf Beseitigung bzw. Unterlassung entfallen lässt (statt allerMedicus, in: MüKo, BGB, 4. Aufl. 2004, § 1004 Rn. 56 m. w. N.). Allerdings gelten insoweit strenge Maßstäbe, weshalb sich derjenige, der die Störung durch einen Dritten gestattet, regelmäßig nicht unter Verweis auf die Gestattung aus der Verantwortung ziehen kann. Ausgeschlossen ist der Einwand des Unvermögens bereits dann, wenn der Störer die Gestattung (z. B. durch Kündigung) beenden kann (BGH, NJW 1967, 246), wozu er auch dann verpflichtet bleibt, wenn er den Gestattungsempfänger nur durch finanzielle Opfer zum Verzicht auf die Rechte aus der Gestattung bewegen kann. Das Fehlen einer solchen Abhilfemöglichkeit hat er zu darzulegen und ggf. zu beweisen (BGH, NJW 1977, 1920/1921; BGHZ 95, 307/308).

47Diese zur Störerhaftung entwickelten Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall übertragbar. Da der Antragsgegner aber die Unmöglichkeit der Abhilfe weder behauptet noch glaubhaft gemacht hat, kann er mit seinem Einwand nicht durchdringen.

Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung des Grundrechts der Meinungsfreiheit

49Das gefundene Ergebnis ist schließlich auch mit dem Grundrecht des Antragsgegners aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 1. Alt. GG vereinbar.

50a) Zwar greift das Verbot, im geschäftlichen Verkehr mit der Schrift "entgiften statt vergiften" für den Absatz des Mittels "Biologo-D nach K" zu werben, in sein Grundrecht der Meinungsfreiheit ein. Denn das Grundrecht schützt auch Meinungsäußerungen mit kommerziellem Charakter bis hin zur reinen Wirtschaftswerbung, solange in ihnen wertende, auf Meinungsbildung gerichtete Elemente enthalten sind (vgl. BVerfG, GRUR 2007, 1083;Degenhart, in: BK, GG, Stand: Juli 2006, Art. 5 Rn. 132 ff. jeweils m. w. N.).

51b) Das Grundrecht der Meinungsfreiheit findet jedoch Schranken in den "allgemeinen Gesetzen" (Art. 5 Abs. 2 GG), mithin solchen Normen, die nicht gegen eine bestimmte Meinung als solche gerichtet sind, sondern dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen. Ein solches allgemeines Gesetz stellt § 8 Abs. 1 S. 1 UWG dar. Er dient dem Schutz des Wettbewerber sowie der Verbraucher (vgl. § 1 Abs. 1 UWG).

c) Die Untersagungsverfügung ist zudem verhältnismäßig. Sie betrifft das Buch nur insoweit, als in der beanstandeten Weise verschleiert und damit unlauter für das Präparat "B-D" geworben wird. Mildere Mittel sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist es nicht Aufgabe des Gerichts, ein Buch, das von rechtlich unzulässigen Anpreisungen durchzogen ist, so zu verändern, dass ein neues, beanstandungsfreies Buch entsteht (BVerfG, GRUR 2007, 1083/1084). Die Untersagungsverfügung nimmt dem Antragsgegner auch nicht die Möglichkeit, das Buch neu zu fassen. Die getroffene Entscheidung ist schließlich auch angemessen. Denn insbesondere im Bereich verschleierter Werbung ist den grundrechtlichen Interessen der Verbraucher wie der Wettbewerber ein gesteigertes Gewicht beizumessen. Das Interesse des Antragsgegners, sein Buch unverändert weiter zu veröffentlichen, muss insoweit zurücktreten.

d) Das vom Antragsgegner zudem gerügte Grundrecht der Pressefreiheit tritt in Fällen wie dem vorliegenden, in denen es um die rechtliche Bewertung des Inhalts einer Schrift geht, hinter dem Grundrecht der Meinungsfreiheit zurück.

Die einstweilige Verfügung war daher zu bestätigen.

Kostenentscheidung

§ 91 i. V. m. § 97 Abs. 1 ZPO.






LG München I:
Urteil v. 17.01.2008
Az: 17 HK O 22794/07, 17 HK O 22794/07


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