Sozialgericht Lüneburg:
Beschluss vom 27. April 2009
Aktenzeichen: S 12 SF 39/09 E

(SG Lüneburg: Beschluss v. 27.04.2009, Az.: S 12 SF 39/09 E)

Zur Frage der Gebührenbemessung in Verfahren nach den Bestimmungen des SGB II, in denen Betragsrahmengebühren entstehen; zur Höhe der (fiktiven) Terminsgebühr und zum Verbot der reformatio in peius im Erinnerungsverfahren.

Tenor

Die Erinnerung der Erinnerungsführerin vom 20. Januar 2009 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 05. Januar 2009 - S 19 AS 897/08 - wird zurückgewiesen.

Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen anfechtbar.

Gründe

Die Beteiligten streiten im Kostenfestsetzungsverfahren um die Höhe des Gesamtvergütungsanspruches des Prozessbevollmächtigten der Erinnerungsführerin für ein Klageverfahren über die Rechtmäßigkeit einer Aufhebungs- und Erstattungsforderung der Beklagten und Erinnerungsgegnerin (im Folgenden: Erinnerungsgegnerin) im Rahmen der Leistungsgewährung nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II), das nach etwa einmonatiger Verfahrensdauer durch die Annahme eines von der Erinnerungsgegnerin abgegebenen Anerkenntnisses seine Erledigung fand.

Die gemäß § 197 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Erinnerung ist unbegründet.

Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss ist rechtmäßig und hält der beantragten gerichtlichen Überprüfung stand. Der von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle festgesetzte Gesamtvergütungsanspruch in Höhe eines Betrages von 380,80 € ist - jedenfalls zu Ungunsten der Erinnerungsführerin - kostenrechtlich nicht zu beanstanden. Denn einen höheren als den bereits festgesetzten Betrag kann die Erinnerungsführerin nicht beanspruchen.

Die Kammer hält für das hier zugrunde liegende Klageverfahren eine Rechtsanwaltsvergütung in Höhe eines Betrages von 357,00 € für angemessen. Dabei ist eine Verfahrensgebühr in Höhe eines Betrages von 180,00 € (dazu unter 1.) und eine (fiktive) Terminsgebühr in Höhe eines Betrages von 100,00 € (dazu unter 2.) in die Berechnung einzustellen. Die übrigen Gebührenpositionen standen zwischen den Beteiligten nicht im Streit (dazu unter 3.).

Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung auch im Anwendungsbereich des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ein gewisser Toleranzrahmen zusteht. Unbilligkeit liegt vor, wenn er die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006, - L 1 B 320/05 SF SK, zitiert nach juris). Dabei ist für jede Rahmengebühr eine eigene Prüfung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG erforderlich. Die unterschiedliche Abgeltung der anwaltlichen Tätigkeit mit unterschiedlichen Gebühren verbietet es, die Bewertung bei einer Rahmengebühr automatisch auf eine andere Rahmengebühr zu übertragen. Dies gilt sowohl für die Verfahrens- und Terminsgebühr (vgl. Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006, a. a. O. sowie Keller in jurisPR-SozR 10/2006, Anm. 6) als auch für die der Einigungs- bzw. Erledigungsgebühr.

Was die Bestimmung der angemessenen Gebühr innerhalb des jeweiligen Gebührenrahmens angeht, entspricht es allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass die Mittelgebühr ein angemessenes Äquivalent für die anwaltliche Tätigkeit in einem in jeder Hinsicht durchschnittlichen Streitverfahren darstellt. Davon ausgehend sind sodann Abschläge für unterdurchschnittliche und Zuschläge für überdurchschnittliche Verfahren vorzunehmen. Dabei kann im Übrigen etwa die Überdurchschnittlichkeit eines Bewertungskriteriums durch die Unterdurchschnittlichkeit anderer Bewertungskriterien kompensiert werden.

71. Danach hat der Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsführerin eineVerfahrensgebührin Höhe eines Betrages von 180,00 € verdient. Die Verfahrensgebühr ist dabei dem Rahmen der Nr. 3102 des Vergütungsverzeichnisses (VV-RVG) - Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG - zu entnehmen. Dieser Rahmen sieht eine Gebührenspanne von 40,00 € bis 460,00 € vor. Erweist sich das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information nach den Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG als durchschnittliche Leistung, ist die Mittelgebühr von 250,00 € angemessen.

Die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Erinnerungsführerin beschränkte sich auf das Verfassen eines vergleichsweise kurzen Klageschriftsatzes, der Einreichung der Original-Vollmacht und der schriftsätzlichen Annahme des abgegebenen Anerkenntnisses. Inhaltliche Stellungnahmen oder umfangreiche Repliken waren nicht erforderlich. Der Klageschriftsatz enthielt im Wesentlichen die Wiedergabe des streitigen Sachverhalts sowie kurze rechtliche Erwägungen, das Aktenvolumen war dabei vergleichsweise gering. Damit handelte es sich um einen unterdurchschnittlichen Arbeits- und Zeitaufwand. Zeitintensive Tätigkeiten, wie etwa das Lesen und Auswerten von medizinischen Gutachten, das Verfassen von Schriftsätzen, die sich mit komplexen tatsächlichen oder rechtlichen Fragen auseinandersetzen, die Sichtung und Auswertung von Rechtsprechung, die den Rückschluss auf einen erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand zulassen, sind nicht angefallen bzw. nicht belegt. Dementsprechend vermag die Kammer auch eine durchschnittliche Schwierigkeit des Klageverfahrens nicht zu erkennen, weil eine Auseinandersetzung mit schwierigen oder komplexen rechtlichen Fragestellungen des Falles nicht erforderlich war und auch nicht erfolgt ist. Der Tätigkeitsumfang des Prozessbevollmächtigten der Erinnerungsführerin ist für einen seine Mandantin im Klageverfahren gewissenhaft vertretene Anwältin obligatorisch und entspricht demjenigen Aufwand, der erforderlich ist, um die Mandanteninteressen ordnungsgemäß und unter Beachtung seiner aus §§ 43, 43a der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) folgenden Berufspflichten zu wahren. Auch war kein ordnungsgemäßer Beweisantritt unter Benennung der zulässigen Beweismittel erforderlich. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Verfahrensdauer besonders kurz war (von der Klageerhebung am 10. Juni 2008 bis zur Annahme des Anerkenntnisses am 09. Juli 2008 war das Verfahren gerade einmal einen Monat anhängig) sowie schließlich keine umfangreichen Beiakten und medizinische Unterlagen geprüft werden mussten. Insoweit erscheint es gerechtfertigt, von einem weit unterdurchschnittlichen Umfang und einer unterdurchschnittlichen Schwierigkeit des vorliegenden Verfahrens auszugehen.

Neben Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sind ferner auch die weiteren Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG in die Abwägung einzustellen.

Die Bedeutung der Angelegenheit für die Erinnerungsführerin ist als allenfalls durchschnittlich, eher als unterdurchschnittlich zu bewerten. Bei der Beurteilung der Bedeutung der Angelegenheit ist auf das unmittelbare Ziel der anwaltlichen Tätigkeit, d. h. auf die Interessen des Auftraggebers, insbesondere die Auswirkungen der begehrten Entscheidung auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Auftraggebers abzustellen. Mittelbare Auswirkungen oder Fernwirkungen des anwaltlichen Handels sind nicht zu berücksichtigen. Bei den Leistungen nach dem SGB II handelt es sich um existenzsichernde Leistungen, was eher für eine überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber sprechen kann. Jedoch ist auch zu berücksichtigen, dass Streitgegenstand des Verfahrens im Wesentlichen lediglich die Aufhebung und Rückforderung von erbrachten Leistungen für einen eingeschränkten Zeitraum (hier: 01. Mai 2005 bis 28. Februar 2006) gewesen ist. Dies spricht im Vergleich zu sonstigen Streitigkeiten in der Sozialgerichtsbarkeit, die etwa den Bezug von Dauerleistungen oder die Rückforderung von Leistungen über mehrere Jahre hinweg zum Gegenstand haben, eher für eine nur unterdurchschnittliche Bedeutung des Verfahrens, zumal sich der Rückforderungsbetrag lediglich auf 1.641,22 € belief. Daher ist insgesamt von einer (allenfalls) durchschnittlichen Bedeutung und dementsprechend auch von einem (allenfalls) durchschnittlichen Haftungsrisiko auszugehen; jedenfalls ist für ein besonderes Haftungsrisiko nichts erkennbar.

Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse erweisen sich auch als deutlich unterdurchschnittlich: Sie orientieren sich an dem Durchschnittseinkommen der Gesamtbevölkerung. Bessere wirtschaftliche Verhältnisse rechtfertigen demgemäß eine höhere Vergütung, eine schlechtere Einkommens- und Vermögenssituation des Auftraggebers bedingt eine geringere Vergütung. Für die gleiche Leistung hat deshalb ein wirtschaftlich besser ausgestatteter Mandant eine höhere Vergütung zu entrichten als ein wenig bemittelter Auftraggeber (vgl. etwa Mayer in: Gerold/Schmidt - Mayer, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, § 14, Rdn. 18). Daher liegt es auf der Hand und bedarf keiner näheren Ausführungen, dass sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Erinnerungsführerin als Bezieherin von Leistungen nach den Bestimmungen des SGB II als deutlich unterdurchschnittlich darstellen.

Damit rechtfertigen der weit unterdurchschnittliche Umfang, die unterdurchschnittliche Schwierigkeit, die durchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit, die deutlich unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Erinnerungsführerin und das unterdurchschnittliche Haftungsrisiko des Prozessbevollmächtigten der Erinnerungsführerin die Zuerkennung einer Verfahrensgebühr in Höhe eines Betrages von 180,00 €; der darüber hinausgehend geltend gemachte Betrag in Höhe von 225,00 € ist - auch unter Berücksichtigung eines gewissen Toleranzrahmens - unbillig.

2. Darüber hinaus ist eineTerminsgebührin Höhe eines Betrages von 100,00 € entstanden, die die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle zu Recht in dieser Höhe berücksichtigt hat. Im Hinblick auf das Vorbringen des Erinnerungsführers im Erinnerungsverfahren zur Höhe der verdienten (fiktiven) Terminsgebühr, die dem Rahmen der Nr. 3106 VV-RVG (20,00 € bis 380,00 €) zu entnehmen ist, gilt Folgendes: Erweist sich das Betreiben eines Geschäfts einschließlich der Information nachallenKriterien des § 14 Abs. 1 RVG als durchschnittliche Leistung, ist die Mittelgebühr von 200,00 € angemessen. Liegen Schwierigkeit, Wert und Bedeutung der Sache unter oder über diesem Mittelwert, bietet sich eine entsprechende Quotierung, mithin eine Über- oder Unterschreitung dieser Mittelgebühr an.

Der Rechtsstreit wurde durch die Annahme eines Anerkenntnisses beendet, so dass ein Termin tatsächlich nicht stattgefunden hat. Eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG ist dennoch entstanden. Durch die Regelung der Nr. 3106 VV-RVG (Ziffern 1 bis 3) soll verhindert werden, dass gerichtliche Termine allein zur Wahrung des Gebührenanspruchs stattfinden müssen; sie bietet einen Anreiz für den Rechtsanwalt, auf die Durchführung des Termins zu verzichten. Die Anwendung der Grundsätze des § 14 RVG auf die €fiktive" Terminsgebühr nach Nr. 3106 - Ziffer 1 bis Ziffer 3 - VV RVG ist mit dem Problem behaftet, dass ein Termin tatsächlich nicht stattgefunden hat und dessen Schwierigkeit und Aufwand für den Prozessbevollmächtigten damit nicht bewertet werden können. Die Kammer vertritt die Auffassung, dass bei der Bemessung der Terminsgebühr auf den hypothetischen Aufwand abzustellen ist, der bei Durchführung eines Termins im konkreten Verfahrensstadium voraussichtlich entstanden wäre. Somit ist eine fiktive Vergleichsbetrachtung anzustellen, in welcher Höhe ein Gebührenanspruch voraussichtlich entstanden wäre, wenn ein Termin stattgefunden.

Das Gesetz eröffnet in Ziffer 3106 VV-RVG daher erneut den Gebührenrahmen in vollem Umfang und knüpft nicht an die Höhe der Verhandlungsgebühr an. Gäbe es für die Festlegung der Terminsgebühr nicht die Möglichkeit einer eigenständigen Festsetzung unter Beachtung aller der in § 14 RVG festgelegten Kriterien, hätte es der Eröffnung eines Gebührenrahmens nicht bedurft. Dafür spricht auch die Tatsache, dass der Normgeber in denjenigen Fällen, in denen keine Betragsrahmengebühren entstehen, einen festen Wert - nämlich nach Nr. 3104 VV-RVG einen solchen von 1,2 - festgeschrieben hat. Daher wäre es auch nicht gerechtfertigt, in diesen Fallkonstellationen grundsätzlich nur die Mindestgebühr in Höhe von 20,00 € anzuerkennen. Dabei wird nämlich verkannt, dass auch bei der Bemessung der fiktiven Terminsgebühralle Kriteriendes § 14 RVG in die Abwägung einzustellen sind. Anderenfalls hätte der Normgeber auch bei der fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG einen bestimmten Betrag festgeschrieben wie er es beispielsweise bei den Angelegenheiten der Beratungshilfe nach Nr. 2500 ff. VV-RVG, in Strafsachen nach den Nr. 4100 ff. VV-RVG oder den sonstigen Verfahren nach den Nr. 6100 ff. VV-RVG geregelt hat. Auch wenn in diesen Verfahren selbstredend keine Betragsrahmengebühren nach § 3 RVG entstehen, war sich der Normgeber offensichtlich durchaus der Möglichkeit der Festschreibung von Gebührenbeträgen bewusst.

Wenn danach auch bei der fiktiven Terminsgebühr von einem Gebührenrahmen zwischen 20,00 € und 380,00 € auszugehen ist, ergibt eine auf einen hypothetischen Termin bezogene Abwägung der Kriterien des § 14 RVG, dass insoweit eine insgesamt weit unterdurchschnittliche Angelegenheit vorliegt. Dem Anwalt steht die Mittelgebühr hinsichtlich der Terminsgebühr für Termine mit durchschnittlicher Schwierigkeit, durchschnittlichem Aufwand und durchschnittlicher Bedeutung für den Mandanten zu. Entscheidend ist eine Gesamtabwägung. Es müssen sämtliche den Gebührenanspruch potentiell beeinträchtigenden Faktoren miteinander und gegeneinander im Einzelfall abgewogen werden.

Unter Beachtung aller Abwägungskriterien erscheint mit Blick auf die Bemessungskriterien, die bei der Festsetzung der Verfahrensgebühr einen Betrag unterhalb der dortigen Mittelgebühr auszulösen vermochten, eine Terminsgebühr in Höhe der der Hälfte der Mittelgebühr angemessen.

Dabei ist der anwaltliche Aufwand für den nicht stattgefundenen - entbehrlichen - Termin als weit unterdurchschnittlich zu werten. Bei der fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 Nr. 3 VV-RVG - also bei Erledigung durch angenommenes Anerkenntnis - besteht die Besonderheit, dass ein Anerkenntnis vorliegt, das im (hypothetischen) Termin lediglich noch der Annahme bedurft hätte, ein solcher Termin insoweit mit keinem besonderen Aufwand verbunden gewesen wäre. Sinn und Zweck des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ist in erster Linie die sachgerechte Vergütung (des Aufwands) für den Bevollmächtigten. Diese ist aber erfahrensgemäß sehr unterschiedlich, je nachdem, ob er an einer mündlichen Verhandlung teilnehmen muss oder nicht. Nimmt der Mandant ein Anerkenntnis der Gegenseite an, führt dies auch beim Bevollmächtigten zu einer erheblichen Reduzierung seines Aufwands in diesem Verfahren. Die Annahme des Anerkenntnisses kann er dem Gericht in einem kurzen Schriftsatz mitteilen. Der im Vergleich zur notwendigen Teilnahme einer mündlichen Verhandlung also deutlich verminderte Aufwand kann gebührenrechtlich nicht außer Betracht bleiben. Unberücksichtigt bleiben darf dabei auch nicht, dass eine mündliche Verhandlung, welche regelmäßig eine zusätzliche Vorbesprechung, Vorbereitung und Terminswahrnehmung erfordert, nicht stattgefunden hat. In der Zusammenschau sieht das Gericht deshalb den Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit insoweit als weit unterdurchschnittlich an.

Da bei der Bemessung auch der Terminsgebühr gemäß § 14 RVG jedoch - wie ausgeführt - alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind, kann andererseits auch nicht allein auf den zu erwartenden geringen Aufwand allein abgestellt werden.

Wägt man die dargestellten unterdurchschnittlichen Anforderungen an die hypothetische anwaltliche Tätigkeit mit den deutlich unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen und der allenfalls durchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit für die Erinnerungsführerin und das allenfalls durchschnittliche Haftungsrisiko gegeneinander ab, ist das vorliegende Streitverfahren hinsichtlich der Festsetzung der Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG in Höhe von 100,00 € - mithin in Höhe der Hälfte der Mittelgebühr - kostenrechtlich angemessen erfasst. Dies bedeutet zugleich, dass bei einem tatsächlich stattgefundenen Termin, in dem die Annahme des Anerkenntnisses erklärt worden wäre, auch ein Betrag in Höhe dieses Betrages festzusetzen gewesen wäre. Der darüber hinaus gehende Antrag auf Festsetzung eines Betrages in Höhe von 150,00 € ist demgegenüber - auch unter Berücksichtigung eines gewissen Toleranzrahmens - unbillig.

Die Kammer vermag im Übrigen die im Lichte des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gerügte Ungleichbehandlung zu sonstigen Gerichtszweigen nicht zu erkennen, weil sich der Gesetzgeber - wie oben bereits ausgeführt - bewusst für die Differenzierung zwischen Verfahren, in denen Wertgebühren entstehen und Verfahren, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, entschieden hat. Eine der Nr. 3104 VV-RVG entsprechende Regelung - Entstehen einer 1,2-Gebühr in allen dort genannten Fällen - auch in den Fällen, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, enthält die Spezialvorschrift der Nr. 3106 VV-RVG ausdrücklich nicht. Daraus darf aber nicht der Schluss gezogen werden, dass insoweit eine Gesetzeslücke besteht, die im Wege der Rechtsprechung geschlossen werden könnte. Zur Ausfüllung von Regelungslücken sind die Richter nur berufen, wenn das Gesetz mit Absicht schweigt, weil es der Rechtsprechung überlassen wollte, das Recht zu finden, oder das Schweigen des Gesetzes auf einem Versehen oder darauf beruht, dass sich der nicht geregelte Tatbestand erst nach Erlass des Gesetzes durch eine Veränderung der Lebensverhältnisse ergeben hat (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 10. Mai 1995 - 1 RK 20/94 = BSGE 76, 109 ff.). Weder liegt hier ein absichtliches oder ein versehentliches Schweigen des Gesetzes vor, noch ist nach Inkrafttreten des RVG eine Gesetzeslücke durch eine Änderung tatsächlicher Umstände eingetreten. Der Gesetzgeber hat vielmehr ausdrücklich in Nr. 3104 VV- RVG auf die Spezialvorschrift der Nr. 3106 VV-RVG verwiesen, sofern es sich um ein sozialgerichtliches Verfahren handelt, in dem Betragsrahmengebühren entstehen und für diese Fälle einen Gebührenrahmen vorgesehen. Hätte er eine der Nr. 3104 VV-RVG entsprechende Vorschrift auch für diese sozialgerichtlichen Verfahren treffen wollen, hätte er - wie er das hinsichtlich Nr. 3104 VV-RVG geregelt hat - eine entsprechende Regelung in der Nr. 3106 VV-RVG treffen können (vgl. zum Themenkomplex der (fiktiven) Terminsgebühr bei angenommenem Anerkenntnis: Beschlüsse der seit dem 01. Januar 2009 bei dem Sozialgericht Lüneburg eingerichteten Kostenkammer vom 04. März 2009, - S 12 SF 53/09 E, vom 16. März 2009 - S 12 SF 59/09 E, - S 12 SF 64/09 E sowie vom 25. März 2009, - S 12 SF 43/09 E; vgl. ferner: Sozialgericht Lüneburg, Beschluss vom 25. August 2008, - S 6 SF 78/08 sowie vom 24. Januar 2008, - S 6 SF 29/07; so auch Beschlüsse des Sozialgerichts Lüneburg vom 19. April 2007 - S 15 SF 48/06; vom 20. April 2007 - S 15 SF 141/04; vom 02. Mai 2007 - S 15 SF 51/06; vom 22. November 2007 - S 15 SF 81/07; vom 17. Januar 2008 - S 15 SF 80/07; vom 24. Januar 2008 - S 15 SF 55/07; vom 25. Januar 2008, - S 15 SF 113/07 sowie Beschluss vom 27. Mai 2008, - S 15 SF 43/08).

3. Da die Höhe der übrigen Gebührenpositionen zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht, berechnen sich die von der Erinnerungsgegnerin zu erstattenden außergerichtlichen Kosten wie folgt:

Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV-RVG180,00 €Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV-RVG100,00 €Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV-RVG20,00 €19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV-RVG57,00 €Gesamtbetrag357,00 €Da die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle jedoch einen insgesamt höheren Betrag - nämlich einen Betrag in Höhe von 380,80 € - festgesetzt hat, konnte die Erinnerung keinen Erfolg haben.

Die Kammer sieht sich im Übrigen trotz des auch im Erinnerungsverfahren geltenden Verbots der reformatio in peius - die Erinnerungsgegnerin hat keine Erinnerung erhoben - nicht daran gehindert, einzelne (bereits festgesetzte) Gebührenpositionen zu Lasten der Erinnerungsführerin abzuändern, weil sich das Verschlechterungsverbot allein auf die Festsetzung des Gesamtvergütungsanspruches bezieht, der nicht unterschritten wird.

4. Die Entscheidung ist gemäß § 197 Abs. 2 SGG endgültig; eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (vgl. hierzu Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 197, Rdnr, 10).






SG Lüneburg:
Beschluss v. 27.04.2009
Az: S 12 SF 39/09 E


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