Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 25. April 2008
Aktenzeichen: 38 O 212/07

(LG Düsseldorf: Urteil v. 25.04.2008, Az.: 38 O 212/07)

Tenor

I.

Der Beklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,-- Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern, untersagt,

im geschäftlichen Verkehr außerhalb der Fachkreise zu werben

1.

für das Mittel „U E D I und II“:

1.1.

„Diabetes

Stoffwechselstörungen durch chronisch erhöhte Blutzuckerwerte“,

1.2.

„Ein wachsender Teil der deutschen Bevölkerung leidet an Diabetes Typ 2, früher „Altersdiabetes“ genannt. Doch die Erkrankung trifft in zunehmendem Maße auch jüngere Menschen.“,

1.3.

„Chronisch erhöhte Blutzuckerwerte tun zwar nicht weh, aber die Folgeschäden sind groß. Vor allem die Schädigungen der Nerven (diabetische Neuropathien) können weitere Störungen zur Folge haben, die alle Organe in Mitleidenschaft ziehen.“,

1.4.

„Eine gute Blutzuckereinstellung ist die Voraussetzung für die Verhinderung von Spätschäden des Diabetes. Eine Reihe von Mikronährstoffen spielt dabei eine wichtige Rolle für einen geordneten Stoffwechsel. Neben einer Verbesserung des Zuckerstoffwechsels unterstützen sie auch den ebenfalls gestörten Fettstoffwechsel sowie die Funktion des Nervengewebes“, weiß Dr. E. „In vielen Fällen lässt sich durch eine gezielte Zufuhr eine Besserung der Beschwerden erreichen.“

1.5.

„zur diätetischen Behandlung von Diabetes und diabetischen Polyneuropathien“,

1.6.

„Ernährung ist nicht nur eine Frage des Geschmacks, sondern auch der Gesundheit. Mit einer Nährstofftherapie - auch bilanzierte Diät genannt - können Sie die Behandlung von verschiedenen Krankheiten ernährungsmedizinisch unterstützen. Was genau sich hinter den Nährstoffbalance-Konzept von U verbirgt, erfahren sie hier und am ... bei R.“

1.7.

„Gesund und leistungsstark genießen - wer möchte das nicht. Doch ob jung, ob alt - die Anzahl der Menschen, die an chronischen Krankheiten wie Diabetes, Osteoporose oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden, nimmt ständig zu. Mangelnde Bewegung und eine ausgewogene Ernähung sind meist die Ursachen für diese Zivilisationskrankheiten. Der Stoffwechsel im Körper des Menschen funktioniert nämlich nur dann optimal, wenn die Nährstoffversorgung stimmt.“

1.8.

„Die alte chinesische Weisheit: Was immer der Vater einer Krankheit gewesen ist - die Mutter war eine schlechte Ernährung, trifft heute mehr denn je zu. Viele Ärzte und Ernährungswissenschaftler gehen davon aus, dass ein großer Teil der chronischen Erkrankungen durch eine adäquate Ernährung vermieden werden könnte“.

sofern dies jeweils geschieht wie in Anlage K 2 wiedergegeben,

2.

für das Mittel „U W B“:

2.1.

„Makuladegeneration

Versorgungsnotstand der Netzhaus“,

2.2.

„Eine häufige Ursache für Sehbehinderungen und Erblindung bei Personen über 65 Jahre ist die altersbedingte Makuladegeneration, kurz AMD genannt. Bei dieser Erkrankung setzen sich Ablagerungen in der Makula, dem Bereich der höchsten Sehschärfe auf die Netzhaut, ab. Diese Ablagerungen wirken wie ein großer schwarzer Fleck im Zentrum des Blickfeldes. Alltagsbeschäftigungen wie Lesen, Fernsehen oder Autofahren werden innerhalb kurzer Zeit unmöglich. In Deutschland leiden heute schon über zwei Millionen Menschen an dieser chronischen Augenkrankheit - Tendenz steigend.“

2.3.

„Die Ursachen der Erkrankung sind noch weitgehend unbekannt, aber sicher ist, dass vor allem hellhäutige Menschen mit blau(grauen) Augen besonders häufig betroffen sind. Ernährungswissenschaftlicher gehen davon aus, dass die Zufuhr einer bestimmten Kombination an Mikronährstoffen einen bremsenden Einfluss auf die Entstehung und den Verlauf der altersbedingten Makuladegeneration haben kann.“

2.4.

„Es gibt derzeit keine alternative Behandlungsmöglichkeit der trockenen AMD, mit 85 Prozent die häufigste Form der AMD. Mit einer hochdosierten Kombination aus Vitamin C, Vitamin E, ß-Karotin und Zink lässt sich aber das Fortschreiten der AMD um 25 Prozent und der damit verbundene Sehverlust um 19 Prozent verringern“, berichtet Dr. E, wobei er sich auf eine Studie des National Institute of Health in den USA bezieht.“

2.5

„zur diätetischen Behandlung von altersbedingter Makuladegeneration“

2.6.

„Ernährung ist nicht nur eine Frage des Geschmacks, sondern auch der Gesundheit. Mit einer Nährstofftherapie - auch bilanzierte Diät genannt - können Sie die Behandlung von verschiedenen Krankheiten ernäherungsmedizinisch unterstützen. Was genau sich hinter dem Nährstoffbalance-Konzept von U verbirgt, erfahren Sie hier und am ... bei R.“

2.7.

„Gesund und leistungsstark genießen - wer möchte das nicht. Doch ob jung, ob alt - die Anzahl der Menschen, die an chronischen Krankheiten wie Diabetes, Osteoporose oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden, nimmt ständig zu. Mangelnde Bewegung und eine ausgewogene Ernährung sind meist die Ursachen für diese Zivilisationskrankheiten. Der Stoffwechsel im Körper des Menschen funktioniert nämlich nur dann optimal, wenn die Nährstoffversorgung zunimmt.“

2.8.

„Die alte chinesische Weisheit: „Was immer der Vater einer Krankheit gewesen ist - die Mutter war eine schlechte Ernährung“, trifft heute mehr denn je zu. Viele Ärzte und Ernährungswissenschafter gehen davon aus, dass ein großer Til der chronischen Erkrankungen durch eine adäquate Ernährung vermieden werden könnte.“

sofern dies geschieht, wie in Anlage K 2 wiedergegeben,

3.

für das Mittel „U P“,

3.1.

„Osteopororse

Wichtige Faktoren, die die Knochendichte beeinflussen“,

3.2.

Unterschreitet die Knochendichte einen bestimmten Wert, spricht man von Osteoporose, was wörtlich übersetzt „poröser Knochen“ heißt. Ist die Osteoporose erst einmal fortgeschritten, führt dies zu einem vier- bis sechsmal höheren Knochenbruchrisiko - und damit natürlich auch zu weniger Agilität. Frauen sind von dieser Krankheit besonders betroffen. Sie erkranken etwa doppelt so häufig wie Männer, vor allem während und nach den Wechseljahren.“

3.3.

„Ob man an Osteoporose erkrankt oder nicht, liegt zu einem Teil an den Genen. Doch der Knochenstoffwechsel wird auch durch andere Faktoren beeinflusst. Eine Ursache für die vermehrte Freisetzung von Mineralstoffen aus dem Knochen ist zum Beispiel die erhöhte Säurebelastung durch unsere proteinreiche Kost. Normalerweise werden Säuren über die Niere wieder ausgeschieden, mit steigendem Alter jedoch verringert sich die Säureausscheidekapazität der Niere, so dass es zu einer chronischen Übersäuerung und damit Entmineralisierung des Knochens kommt.“

3.4.

„Eine Regulation des Säure-Basen-Haushaltes und die Zufuhr knochenrelevanter Mikronährstoffe spielt daher bei der Prävention und Therapie der Osteoporose eine wichtige Rolle“, erklärt Dr. E. „Eine ergänzende bilanzierte Diät, die die notwendigen, Knochenaufbau fördernden und Knochenabbau hemmenden Substanzen erhält, kann gezielt als langfristige Nährstofftherapie bei Osteoporose eingesetzt werden und dann die Knochendichte erhöhen.“

3.5.

„zur diätetischen Behandlung von Osteoporose.“

3.6.

„Ernähung ist nicht nur eine Frage des Geschmacks, sondern auch der Gesundheit. Mit einer Nährstofftherapie - auch bilanzierte Diät genannt - können Sie die Behandlung von verschiedenen Krankheiten ernährungsmedizinisch unterstützen. Was genau sich hinter dem Nährstoffbalance-Konzept von U verbirgt, erfahren Sie hier und am ... bei R.“

3.7.

„Gesund und leistungsstark genießen - wer möchte das nicht. Doch ob jung, ob alt - die Anzahl der Menschen, die an chronischen Krankheiten wie Diabetes, Osteoporose, oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden, nimmt ständig zu. Mangelnde Bewegung und eine ausgewogene Ernährung sind meist die Ursachen für diese Zivilisationskrankheiten. Der Stoffwechsel im Körper des Menschen funktioniert nämlich nur dann optimal, wenn die Nährstoffversorgung stimmt.“

3.8.

„Die alte chinesische Weisheit: „Was immer der Vater einer Krankheit gewesen ist - die Mutter war eine schlechte Ernährung“, trifft heute mehr denn je zu. Viele Ärzte und Ernährungswissenschafter gehen davon aus, dass ein großer Til der chronischen Erkrankungen durch eine adäquate Ernährung vermieden werden könnte.“

sofern dies jeweils geschieht, wie in Anlage K 2 wiedergegeben,

4.

für das Mittel „U D“:

4.1.

„Herzinsuffizienz und Hypertonie

Die Auswirkungen einer unzureichenden Herzversorgung“,

4.2.

„Beeinträchtigungen dieser Versorgung können über kurz oder lang zu schweren Erkrankungen des Herzens und des gesamten Herz-Kreislauf-Systems führen:“

4.3.

„zur diätetischen Behandlung von Arteriosklerose, Herzrhythmusstörungen, Herzinsuffizienz und Hypertonie.“

4.4.

„Ernähung ist nicht nur eine Frage des Geschmacks, sondern auch der Gesundheit. Mit einer Nährstofftherapie - auch bilanzierte Diät genannt - können Sie die Behandlung von verschiedenen Krankheiten ernährungsmedizinisch unterstützen. Was genau sich hinter dem Nährstoffbalance-Konzept von U verbirgt, erfahren Sie hier und am ... bei R.“

4.5.

„Gesund und leistungsstark genießen - wer möchte das nicht. Doch ob jung, ob alt - die Anzahl der Menschen, die an chronischen Krankheiten wie Diabetes, Osteoporose, oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden, nimmt ständig zu. Mangelnde Bewegung und eine ausgewogene Ernährung sind meist die Ursachen für diese Zivilisationskrankheiten. Der Stoffwechsel im Körper des Menschen funktioniert nämlich nur dann optimal, wenn die Nährstoffversorgung stimmt.“

4.6.

„Die alte chinesische Weisheit: „Was immer der Vater einer Krankheit gewesen ist - die Mutter war eine schlechte Ernährung“, trifft heute mehr denn je zu. Viele Ärzte und Ernährungswissenschafter gehen davon aus, dass ein großer Teil der chronischen Erkrankungen durch eine adäquate Ernährung vermieden werden könnte.“

sofern dies jeweils geschieht, wie in Anlage K 2 wiedergegeben.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 55.000,-- Euro vorläufig vollstreckbar.

Die Sicherheitsleistung kann durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Überwachung der Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs gehört.

Die Beklagte vertreibt einen Versandhandel mit unterschiedlichen Produkten, für die sie auch mit einem in gedruckter Form erscheinenden Magazin wirbt.

Mit der Klage beanstandet der Kläger Aussagen in der Magazinausgabe 5/07, die im Zusammenhang mit Produkten der Reihe U stehen. Konkret beworben werden die Mittel "U E D I und II", "U W B", "U P" und "U D". Es handelt sich jeweils um diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke zur diätetischen Behandlung von Diabetes, Makuladegeneration, Osteoporose und Arteriosklerose, Herzinsuffizienz etc.. Wegen des genauen Wortlauts der Magazinwerbung wird auf die Anlage K 2 zur Klageschrift verwiesen.

Der Kläger sieht in den in den Klageanträgen und dem Urteilstenor wiedergegebenen Angaben jeweils Verstöße gegen § 12 Abs. 1 Nr. 1 LFGB in Verbindung mit § 3 DiätV und damit wettbewerbswidriges Verhalten im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG. Die Beklagte werbe für Lebensmittel mit Aussagen, die sich auf die Beseitigung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten beziehen.

Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

der Beklagten Vollstreckungsschutz zu gewähren wobei die Sicherheitsleistung auch durch selbstschuldnerische Bankbürgschaft erbracht werden kann;

äußerst hilfsweise,

der Beklagten eine Aufbrauchs- und Umstellungsfrist von sechs Monaten zu gewähren.

Die Beklagte ist der Auffassung, vorrangig sei die EG-Verordnung Nr. 1924/2006 vom 20. Dezember 2006 (im Folgenden: HCVO) als speziellere und abschließende Regelung zu beachten. Nach Artikel 14 HCVO seien nunmehr auch krankheitsbezogene Angaben für Lebensmittel grundsätzlich zulässig. Schon der Begriff des Lebensmittels sei neu definiert. Gemäß Artikel 2 Abs. 2 Nr. 1 HCVO seien alle Angaben, die obligatorisch sind, vom Anwendungsbereich der Vorschrift ausgenommen, so dass im Hinblick auf die Besonderheiten der ergänzenden bilanzierten Diäten und deren Kennzeichnungspflichten ein Verstoß ausscheide (Anträge 1.5., 2.5., 3.5. und 4.3.). Eine Differenzierung zwischen Werbung und Kennzeichnung sei nicht zulässig. Bei den in Wahrheit lediglich drei unterschiedliche Angaben betreffenden Anträgen zu Ziffer 1.6., 1.7.,1.8., 2.6., 2.7., 2.8., 3.6., 3.7., 3.8., 4.4., 4.5. und 4.6. handele es sich zudem schon nicht um krankheitsbezogene Produktwerbung, sondern eine sachliche Information über gesundheits- oder krankheitsrelevante Themen, jedenfalls aber solche im Sinne von Artikel 10 Abs. 3 HCVO. Der Werbung fehle jegliche Irreführung, die angesprochenen Patienten verfügten über spezielle Kenntnisse. Auch bei den Angaben in den Anträgen 1.1., 1.2., 1.3., 1.4., 2.1., 2.2., 2.3., 2.4., 3.1., 3.2., 3.3., 3.4., 4.1. und 4.2. handele es sich allenfalls um Imagewerbung ohne konkreten Produktbezug.

Wegen des weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt verwiesen.

Gründe

Die Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der im Urteilstenor und den Klageanträgen niedergelegten Verhaltensweisen gemäß den §§ 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 12 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 2 LFGB und § 3 DiätV.

Die allein den Verfahrensgegenstand bildenden Angaben in der konkreten Form der Anlage K 2 zur Klageschrift sind als Aussagen, die sich auf die Beseitigung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten beziehen, in der Werbung für Lebensmittel verboten.

Dass es sich bei den beworbenen Mitteln U E I und II, U W B, U P und U D um Lebensmittel im Sinne von § 2 Abs. 2 LFGB handelt, ist zwischen den Parteien nicht im Streit. Keiner Entscheidung bedarf insoweit, ob die von der Beklagten als einschlägig angesehene Definition des Lebensmittelbegriffs zutrifft. Auch die Beklagte zieht nicht in Zweifel, dass die von ihr vertriebenen Mittel der Ernährung dienen sollen, nämlich der Zufuhr von Nährstoffen bei krankheitsbedingten Mangelzuständen.

Unstreitig ist ferner, dass die Diätverordnung als Rechtsverordnung im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 2 LFGB anzusehen ist, die in § 3 Abs. 1 und Abs. 2 DiätV nur ganz spezielle Aussagen zu diätetischen Lebensmitteln zulässt, die vorliegend - auch hinsichtlich Diabetes Mellitus - nicht eingehalten sind.

An dieser Beurteilung ändert sich nichts durch das Inkrafttreten der HCVO. Ziel auch dieser Verordnung ist der Verbraucherschutz, der nicht etwa im Hinblick auf gesundheitsbezogene Angaben bisher als zu eng empfunden, sondern lediglich harmonisiert werden sollte, vgl. Erwägungen 1., 2. , 3., 25.. Der HCVO lässt sich nicht entnehmen, dass nunmehr grundsätzlich auch krankheitsbezogene Angaben in der Werbung für Lebensmittel zulässig sind, vgl. Artikel 10 Abs. 1 HCVO. Artikel 14 HCVO eröffnet lediglich die Möglichkeit zu solchen Angaben, wenn diese konkreten Angaben nach dem Verfahren der Artikel 15, 16, 17 und 19 HCVO zugelassen worden sind. Ein solches Zulassungsverfahren durchlaufen zu haben, behauptet die Beklagte für die in Rede stehenden Angaben selbst nicht.

Die im Magazin veröffentlichten Aussagen sind auch nicht als obligatorische Angaben und damit dem Anwendungsbereich des LFGB und der HCVO entzogen anzusehen. Obligatorisch sind die in Artikel 4 der Richtlinie 1999/21/EG vom 25.03.1999 aufgeführten Etikettierungsangaben zur Kennzeichnung der Produkte und ihrer Verpackungen. Ob für derartige Kennzeichnungen die allgemeinen Grundsätze über die Werbung gelten, kann dahinstehen. Bei den vorliegenden Magazinwerbeaussagen ist das Spannungsverhältnis zwischen solchen Pflichtangaben und Werbung nicht betroffen. Die Magazinwerbung erschöpft sich nicht in der Abbildung von Verpackungen oder Umverpackungen, die ihrerseits lediglich obligatorische Angaben enthalten. Im Übrigen gilt gemäß Artikel 2 Abs. 1 d) HCVO die Begriffsbestimmung der Kennzeichnung des Artikel 1 Abs. 3 a) der Richtlinie 2000/13/EG, die ausschließlich die Etikettierung meint, nämlich Angaben, die auf jeglicher Art von Verpackung ... angebracht sind und dieses Lebensmittel begleiten oder sich auf dieses Lebensmittel beziehen.

In der konkreten Fassung der Magazinbeiträge sind auch die in den Anträgen 1.5., 2.5., 3.5. und 4.3. aufgeführten Angaben nicht als obligatorisch und damit zulässig anzusehen. Zwar erfüllen solche Angaben grundsätzlich die Voraussetzungen des Artikel 4 Abs. 4 a) der Richtlinie 1999/21/EG. Diese Vorschrift betrifft jedoch wiederum nur die Produktkennzeichnung und Etikettierung selbst ("...umfasst ferner"). Ohne die weiter nach Artikel 4 Richtlinie 1999/21/EG erforderlichen Angaben ist ein isolierter Werbehinweis betreffend die Zweckbestimmung einer diätetischen Behandlung der jeweils genannten Krankheiten für Lebensmittel nicht zulässig, da sie sich auf die Beseitigung von Krankheiten beziehen, vgl. auch Artikel 10 Abs. 2 HCVO.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass es sich bei den Aussagen in den Anträgen zu 1.6. bis 1.8., 2.6. bis 2.8., 3.6. bis 3.8. sowie 4.4. bis 4.6. um nicht produktbezogene sondern allgemeine Informationen handelt. Der Werbekontext des Magazinbeitrages ist eindeutig. Die Beklagte hat nicht allgemeine Abhandlungen über Diabetes, AMD, Osteoporose, Herzinsuffizienz und Hypertonie veröffentlicht, sondern gezielt schon in der Einleitung auf das "Nährstoffbalance-Konzept von U" verwiesen und die konkret abgebildeten und beschriebenen Produkte als Mittel zur Vermeidung der Defizitzustände werblich herausgestellt. Die Beklagte kann weder in Bezug auf das Magazin noch die von ihr betriebenen Dauerwerbesendungen in Anspruch nehmen, ein allgemein gesundheitlich aufklärendes Mandat wahrzunehmen.

Die Darstellung entspricht auch nicht den Anforderungen an einen Verweis im Sinne des Artikel 10 Abs. 3 HCVO. Die Ausführungen zu den Erkrankungen und ihren Ursachen leiten jeweils unmittelbar über zur "Therapie". Es werden nicht nichtspezifizische Vorteile geschildert. Außerdem fehlen die nach Artikeln 13 und 14 HCVO erforderlichen - regelmäßig einem Zulassungsverfahren unterliegenden - Angaben. Im Hinblick auf den engen räumlichen Zusammenhang der Aussagen in den Anträgen zu 1.1. bis 1.4., 2.1. bis 2.4., 3.1. bis 3.4. sowie 4.1. und 4.2. kann insoweit nicht von bloßer Imagewerbung ohne Produktbezug ausgegangen werden. Auch diese Beschreibungen dienen im Zusammenhang des Magazintextes einer werblichen Beschreibung der Zweckbestimmung der konkret genannten Produkte. Es erfolgt eine Bezugnahme auf die Krankheiten, zu dessen positiver Beeinflussung die Mittel eingesetzt werden sollen. Somit wird mit den allgemeinen Angaben für konkrete Produkte jenseits bloßer Imagewerbung geworben.

Dahinstehen kann, ob die Unzulässigkeit einer Lebensmittelwerbung unter Bezugnahme auf Krankheiten ein Irreführungselement erfordert. Die hier allein in Rede stehende Werbung lässt solche Elemente nämlich insoweit jedenfalls insgesamt erkennen, als der Eindruck vermittelt wird, die "Einnahme" der beworbenen Produkte sei geeignet, die beschriebenen Krankheiten, wenn nicht gar zu verhindern, so doch in ihrem Verlauf günstig zu beeinflussen. Tatsächlich geht es jedoch allein um ernähungsspezifische Besonderheiten, die nicht die Krankheiten sondern allenfalls hierdurch bedingte Ernährungsdefizite beeinflussen können.

Keiner Entscheidung bedarf ferner, ob die angesprochenen Verkehrskreise über weitergehende Kenntnisse im Hinblick auf Besonderheiten der jeweiligen Krankheiten verfügen. Das Gesetz unterscheidet nicht zwischen fachkundigen Patienten und Verbrauchern im allgemeinen. Maßgeblich ist allein, dass sich die Werbung nicht an Angehörige der Fachkreise wendet.

Die Beklagte ist damit insgesamt zur Unterlassung verpflichtet.

Ein begründeter Anlass dafür, der Beklagten Vollstreckungsschutz zu gewähren, besteht nicht. Entgegen der Auffassung der Beklagten bezieht sich die Unterlassungspflicht zunächst allein auf die konkrete Darstellung in der Werbeschrift Anlage K 2. Ein generelles Werbe- oder Vertriebsverbot könnte nur dann angenommen werden, wenn jeder Art der Werbung stets als ein Verstoß gegen den Kernbereich der Unterlassungsverpflichtung anzusehen wäre. Hiervon ist jedoch nicht ohne weiteres auszugehen. Die Vollstreckung der Unterlassungspflichten bringt auch keinen nicht zu ersetzenden Nachteil. Die Beklagte handelt mit einer Vielzahl auch gleichartiger Produkte anderer Hersteller. Aus diesen Gründen erscheint auch die Gewährung einer Aufbrauchs- und Umstellungsfrist nicht erforderlich. Die konkrete Magazinwerbung ist ohnehin nicht beliebig zu wiederholen. Der Verbraucherschutz verdient im Übrigen Vorrang vor den wirtschaftlichen Interessen der Beklagten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.

Der Streitwert wird auf 50.000,-- Euro festgesetzt.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 25.04.2008
Az: 38 O 212/07


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