Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Januar 2001
Aktenzeichen: 25 W (pat) 71/99

(BPatG: Beschluss v. 05.01.2001, Az.: 25 W (pat) 71/99)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung RONIDIN ist am 17. August 1995 ins Markenregister eingetragen worden und nach einer zuletzt im Beschwerdeverfahren vorgenommenen Beschränkung des Warenverzeichnisses noch für

"Pharmazeutische Präparate, ausgenommen Herz-/Kreislaufmittel, jedoch nicht ausgenommen Lipidsenker"

geschützt. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 30. Oktober 1995. Widerspruch hat erhoben die Inhaberin der älteren, seit dem 6. Juni 1955 für

"Arzneimittel, nämlich ein Herztonikum"

eingetragenen Marke 677 025 Korodin.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Beschwerdeverfahren die Nichtbenutzungseinrede erhoben und auch nach Vorlage von Benutzungsunterlagen durch die Widersprechende aufrechterhalten.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patentamts hat mit Beschluß vom 22. September 1998 durch eine Beamtin des höheren Dienstes die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Die Marken könnten - noch ausgehend von der Registerlage - zur Kennzeichnung gleicher, auch rezeptfreier Waren verwendet werden, weshalb auch allgemeine Verkehrskreise uneingeschränkt zu berücksichtigen seien. Selbst wenn man im Hinblick auf eine intensive Benutzung zugunsten der Widerspruchsmarke von einem nicht zu gering zu bemessenden Schutzumfang ausgehe und einen sehr deutlichen Markenabstand fordere, sei eine Verwechslungsgefahr zu verneinen. In klanglicher Hinsicht würden die Gemeinsamkeiten der Wörter in der Silbenzahl, Betonung und der Lautfolge "-oÑdin" von den Abweichungen vor allem in den Anfangskonsonanten und Vokalfolgen überlagert. Die gemeinsame Endung "-in" habe wegen des häufigen Vorkommens in Arzneimittelmarken keine kennzeichnende Bedeutung mehr. Die genannten Unterschiede führten auch zu einem anderen schriftbildlichen Gesamteindruck.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, den Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 vom 22. September 1998 aufzuheben.

Durch die vorgelegten Unterlagen, insbesondere einer eidesstattlichen Versicherung vom 9. November 1999, Packungsschachteln und Beipackzetteln, sei eine ernsthafte Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft gemacht. Die konkrete Benutzungsform der Widerspruchsmarke "KORODIN Herz-Kreislauf-Tropfen¨", die im übrigen ebenfalls unter der Nr 2 016 373 registriert sei, verändere den kennzeichnenden Charakter der Widerspruchsmarke nicht. Es seien besonders strenge Anforderungen an den einzuhaltenden Markenabstand zu stellen, da neben Warenidentität und hier angesprochenen allgemeinen Verkehrskreisen auch eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke infolge umfangreicher Benutzung seit mehr als 70 Jahren vorliege. Wie aus den eidesstattlichen Versicherungen vom 10. März 1999 und 9. November 1999 hervorgehe, seien in den Jahren 1994 bis 1998 ca 7,5 Millionen Packungen (Verbrauchseinheiten in 10ml) umgesetzt worden. Laut der Zeitschrift "Pharmazeutische Rundschau" liege "Korodin" in der stetig steigenden Empfehlungshäufigkeit bei "Cardiotonika" mit 70% im Jahr 1992 bis 95% im Jahr 1997 jeweils an erster Stelle. Die geringfügigen teilweisen Umstellungen einzelner Laute bzw Lautfolgen bewirkten keine entscheidende Umprägung des klanglichen Gesamteindrucks, wobei es mehr auf die Übereinstimmungen als auf die Abweichungen der Marken ankomme. Insbesondere bei handschriftlicher Wiedergabe bestehe auch eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Eine Verwechslungsgefahr scheide von vornherein wegen der großen Unterschiede in den Wortanfängen "RONI-" und "KORO-" aus, wobei der Hinweis in "KORO" auf "Herz" zusätzlich verwechslungsmindernd wirke. Die ohnehin regelmäßig mehr beachteten Wortanfänge würden auch deshalb aufmerksamer betrachtet, weil die gemeinsame Endung "-din" wegen häufiger Verwendung in auch benutzten Drittzeichen kennzeichnungsschwach sei. Die behauptete Bekanntheit der Widerspruchsmarke werde bestritten. Aus dem Arzneiverordnungs-Report 1998 ergebe sich vielmehr, dass "Korodin" 1997 auf Rang 223 der dort erfassten Arzneimittel lag und es somit eine ganze Reihe umsatzstärkerer Arzneimittel gebe. Durch die Kennzeichnung "KORODIN Herz-Kreislauf-Tropfen¨" würden wohl eher andere Marken der Widersprechenden, nicht aber sei die gegenständliche Widerspruchsmarke benutzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß der Markenstelle sowie auf den Inhalt der Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Der nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobene Widerspruch ist von der Markenstelle zu Recht gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen worden. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Widersprechende hat auf die nach § 43 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG wirksam erhobene Nichtbenutzungseinrede durch die eingereichten Unterlagen eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke für die im Warenverzeichnis enthaltenen Waren "Arzneimittel, nämlich ein Herztonikum" nach Zeit, Umfang sowie insbesondere auch hinsichtlich der Form hinreichend glaubhaft gemacht (§ 26 Abs 1 MarkenG). Die Bedenken der Inhaberin der angegriffenen Marke, durch die Kennzeichnung "KORODIN Herz-Kreislauf-Tropfen¨" würde nicht die gegenständliche Widerspruchsmarke benutzt, greifen dagegen nicht durch. Zunächst wird der kennzeichnende Charakter der eingetragenen Widerspruchsmarke "Korodin" durch den verwendeten Zusatz "Herz-Kreislauf-Tropfen¨" nicht im Sinne von § 26 Abs 3 Satz 1 MarkenG verändert, da dieser als bloßer beschreibender Hinweis auf das Indikationsgebiet bzw die Darreichungsform nicht schutzfähig ist und somit gegenüber "Korodin" keine eigene kennzeichnende Bedeutung erlangt. Soweit die Benutzungsform "KORODIN Herz-Kreislauf-Tropfen¨" selbst als Marke eingetragen ist, steht dies nach § 26 Abs 3 Satz 2 MarkenG der Anerkennung einer rechtserhaltenden Benutzung hier ebenfalls nicht entgegen.

Stehen sich danach "Pharmazeutische Präparate, ausgenommen Herz-/Kreislaufmittel, jedoch nicht ausgenommen Lipidsenker" der angegriffenen Marke und "Arzneimittel, nämlich ein Herztonikum" auf Seiten der Widerspruchsmarke gegenüber, können sich die Marken jedenfalls nicht mehr auf identischen Waren begegnen. Gleichwohl ist aber von auch im engeren Ähnlichkeitsbereich liegenden Waren auszugehen, da etwa die im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke ausdrücklich nicht ausgenommenen "Lipidsenker" wohl zumindest mittelbare Berührungspunkte mit dem "Herztonikum" der Widerspruchsmarke aufweisen können. Verwechslungsfördernd wirkt sich aus, daß eine Rezeptpflicht auf beiden Seiten nicht zugrundezulegen ist, so daß allgemeine Verkehrskreise uneingeschränkt zu berücksichtigen sind. Auch insoweit ist allerdings davon auszugehen, daß grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ / TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li Spalte - ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. - Lloyd / Loints) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).

Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus, wobei im Hinblick auf die dargelegte langjährige Benutzung sowie die glaubhaft gemachten Umsatzzahlen zu Gunsten der Widersprechenden eine innerhalb dieses Rahmens im oberen Bereich liegende Kennzeichnungskraft zugrundegelegt wird. Eine darüber hinaus gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, wie sie die Widersprechende geltend macht, konnte dagegen nicht angenommen werden. Die insoweit vorgelegten Tabellen über die stetig gestiegene Empfehlungshäufigkeit des Präparats "Korodin" von 70% im Jahr 1992 bis zu 95% im Jahr 1997 und eidesstattliche Versicherungen mit Angaben über jährlich 5.386.899 bis 7.596.480 verkaufte Packungen (Verbrauchseinheiten in 10 ml) in den Jahren 1990 bis 1997 sind hier zwar als Glaubhaftmachungsmittel nicht schon deshalb außer acht zu lassen, weil die Inhaberin der angegriffenen Marke eine gesteigerte Verkehrsgeltung der Widerspruchsmarke bestreitet. Denn im Hinblick auf die konkreten Angaben in den entsprechenden Glaubhaftmachungsunterlagen reicht ein bloßes Bestreiten der Tatsachen nicht (mehr) aus, um den vorgetragenen Sachverhalt insoweit als nicht "liquide" bei der Entscheidung unberücksichtigt zu lassen, wobei die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen einem Bestreiten ohnehin nicht zugänglich sind (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl., § 9 Rdn 139 mwN). Jedoch lassen Angaben zur Benutzungsdauer und insbesondere Umsatzzahlen allein regelmäßig keine ausreichend klaren Rückschlüsse auf einen erhöhten Schutzumfang einer Widerspruchsmarke zu, da selbst umsatzstarke Marken nahezu unbekannt, wie andererseits Marken trotz relativ geringer Umsätze der damit gekennzeichneten Produkte sehr bekannt sein können. Vielmehr müßten sämtliche tatsächlichen Umstände, aus denen sich eine gesteigerte Kennzeichnungskraft ergibt, liquide sein. Das ist nicht der Fall.

So geben insbesondere von amtlichen oder neutralen Institutionen erstellte Statistiken oder Verkehrsbefragungen durch demoskopische Unternehmen zum Bekanntheitsgrad und Marktanteil in konkreten Prozentzahlen - bezogen auf die angesprochenen Verkehrsbeteiligten bzw Indikationsgebiete - Aufschluß über die maßgebliche Verkehrsgeltung (vgl hierzu Althammer/Ströbele, aaO, mwN), wobei allerdings auch hier nicht allgemein und abstrakt bestimmt werden kann, bei welchem Prozentsatz etwa die Bejahung einer hohen Kennzeichnungskraft gerechtfertigt ist (vgl dazu EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. "Lloyd/Loint's). Auch Angaben zu Werbeaufwendungen erlauben unter Umständen eher Rückschlüsse auf die Kennzeichnungskraft einer Marke als die bloßen Umsatzzahlen. Eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist schließlich auch nicht gerichtsbekannt.

Hier kommt hinzu, daß die in den beiden eidesstattlichen Versicherungen genannten Umsatzzahlen sich lediglich auf die kleinste Verbrauchseinheit von 10ml und somit eine rechnerische Größe beziehen. Da aber, wie aus der ebenfalls von der Widersprechenden vorgelegten "Grosso-Preisliste" ersichtlich, der Verkauf der "KORODIN Herz-Kreislauf-Tropfen" auch in wesentlich größeren Einheiten von 30 und 100ml erfolgte, muß davon ausgegangen werden, daß die Anzahl der tatsächlich verkauften Packungen deutlich unter den in den eidesstattlichen Versicherungen genannten Zahlen liegt.

Was schließlich die vorgelegten Tabellen über die Empfehlungshäufigkeit von "CARDIOTONIKA" in den Jahren 1992 bis 1997 angeht, so weisen die jeweils erste Rangstelle und auch die Anteile in Prozentangaben für sich zwar durchaus auf eine beachtliche Stellung der Widerspruchswaren unter den OTC-Präparaten dieses Indikationsbereichs hin. Jedoch läßt die Empfehlungshäufigkeit von Arzneimitteln in Apotheken noch keine sicheren Rückschlüsse auf die - hier von der Inhaberin der angegriffenen Marke bestrittene - Bekanntheit der jeweiligen Präparate bei Endverbrauchern zu, wenn es sich wie hier um frei verkäufliche Präparate handelt, da bei dem Erwerb der Präparate in anderen Geschäften regelmäßig keine vergleichbare Verkaufsberatung stattfindet. Zu beachten ist insoweit auch, daß dabei diejenigen vergleichbaren Arzneimittel von vornherein regelmäßig unberücksichtigt bleiben, die rezeptpflichtig sind und daher nicht aufgrund mündlicher Kaufempfehlung in der Apotheke, sondern nur aufgrund vorheriger ärztlicher Verordnung abgeben werden dürfen.

Die Ähnlichkeit der Vergleichsmarken ist nach Auffassung des Senats in keiner Richtung derart ausgeprägt, daß unter Berücksichtigung der genannten Umstände die Gefahr von Verwechslungen iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen wäre. Auch bei Anlegung eines strengen Prüfungsmaßstabs hält die angegriffene Marke von der Widerspruchsmarke einen noch ausreichenden Abstand ein.

In klanglicher Hinsicht haben die Marken "RONIDIN" und "Korodin" zwar bei gleicher Silbenzahl und gleichem Sprech- und Betonungsrhythmus den Vokal "o" in der ersten Silbe sowie die Endsilbe "-din" gemeinsam. Auch unter Berücksichtigung dieser Übereinstimmungen vermitteln die Marken jedoch schon aufgrund der markanten Unterschiede in den jeweils ersten Silben "Roni-" bzw "Koro-" ein insgesamt hinreichend verschiedenes Klangbild. Zunächst weisen die Anfangskonsonanten "R" und "K" einen völlig anderen Klangcharakter auf. Die zweiten Silben haben nicht nur keinen gemeinsamen Laut, sondern enthalten mit dem "i" bzw "o" markant unterschiedlich klingende Vokale, wodurch die Marken auch insgesamt eine für den klanglichen Gesamteindruck besonders bedeutsame (vgl Althammer/Ströbele, 6. Aufl, § 9 Rdn 96) abweichende Vokalfolge aufweisen. Dabei tritt der Klangunterschied in den Anfangssilben um so mehr hervor, als zum einen Wortanfänge ohnehin regelmäßig stärker als die übrigen Markenteile beachtet werden (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 "Indorektal/Indohexal"; MarkenR 1999, 154, 156 - Cefallone). Zum anderen wird die Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise hier auch deshalb mehr auf die vorderen Markenbestandteile gelenkt, weil es sich bei der gemeinsamen Endung "-din", jedenfalls aber bei "-in", um jeweils bei Arzneimittelkennzeichnungen häufig verwendete und daher vergleichsweise eher kennzeichnungsschwache Wortelemente handelt. Auch wenn für sich kennzeichnungsschwache Bestandteile einer einheitlichen Markenbezeichnung bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr nach dem maßgeblichen Gesamteindruck nicht unberücksichtigt bleiben dürfen (vgl BGH GRUR 1996, 200 "Innovadiclophlont"), wird dieser durch die genannten Abweichungen der Bezeichnungen in den Anfangsbestandteilen hier jedoch noch hinreichend unterschiedlich gestaltet.

Im schriftbildlichen Vergleich ist ein Auseinanderhalten der Marken unter den genannten Umständen in allen üblichen Wiedergabeformen aufgrund der verschiedenen Anfangsbuchstaben, der figürlichen Abweichung in den Buchstaben "ni"/"NI" gegenüber "ro"/"RO" auch unter Berücksichtigung der vorhandenen Übereinstimmungen ebenfalls gewährleistet. Soweit die Widersprechende bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf einen Vergleich der Marken in handschriftbildlicher Hinsicht abstellt, ist zu beachten, daß diese Markenwiedergabe - abgesehen davon, daß der Beurteilung ohnehin nur eine normal leserliche Handschrift zugrundegelegt werden darf - auch bei Kennzeichnungen im medizinischen Bereich nicht mehr eine so große Rolle spielt, wobei sich diese Tendenz in Zukunft vermutlich noch verstärken wird (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 107). Denn Bestellungen von pharmazeutischen Präparaten werden von den Apotheken und Drogerien beim Pharmagroßhandel bereits weitgehend auf elektronischem Weg aufgegeben und auch Rezepte wegen der in den meisten Arztpraxen vorhandenen EDV-Ausstattung überwiegend nicht mehr handschriftlich, sondern auf maschinellem Wege erstellt. Folglich sind die Marken in erster Linie in druckschriftlicher Wiedergabe zu vergleichen, in der die genannten Markenunterschiede nicht unerkannt bleiben werden. Hierbei ist noch zu berücksichtigen, daß das Schriftbild der Marken erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort.

Für Fachleute und - aufgrund der häufigen Verwendung der Wortelemente "kor(o) bzw "cor(o)" in Arzneimittelkennzeichnungen - auch für interessierte Endverbraucher trägt schließlich der Bedeutungsanklang des Bestandteils "Koro-" (von lat.: cor) der Widerspruchsmarke in Richtung "Herz" bzw "Herzmittel" oder auch im Sinne von "Koronartherapeutika" zusätzlich zur Unterscheidbarkeit der Marken bei.

Soweit schließlich die Widersprechende zur Begründung ihrer Beschwerde unter Bezug auf ältere BGH-Rechtsprechung (zB BGH GRUR 1995, 117 "NEURAX/EUREX") ausführt, daß bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr grundsätzlich mehr auf die Übereinstimmungen als auf die Abweichungen abzustellen sei, ist auf die Auffassung des EuGH (GRUR 1998, 387, 390 Tz. 23 "Sabel/Puma"; GRUR Int 1999, 734 "Lloyd/Loint's) und die darauf bezugnehmende jüngere Rechtsprechung des BGH (vgl GRUR 1998, 924 "salvent/Salventerol"; GRUR 1999, 587 "Cefallone"; GRUR 1999, 735 "MONOFLAM/POLYFLAM") hinzuweisen, wonach im Rahmen der Prüfung der Verwechslungsgefahr insbesondere die unterscheidenden und dominierenden Elemente der Zeichen zu berücksichtigen sind. Jedenfalls führt ein rein zahlenmäßiges Übergewicht von übereinstimmenden Buchstaben nicht zwangsläufig dazu, daß die Verwechslungsgefahr stets oder auch nur häufig bejaht werden muß. Bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit als einem der wesentlichen Elemente für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist vielmehr der Gesamteindruck der Kollisionsmarken das maßgebliche Kriterium (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl., § 9 Rdn 80). Dieser Gesamteindruck kann - wie hier - zumal unter Berücksichtigung einer aus Rechtsgründen gebotenen geringeren Gewichtung von Markenbestandteilen durch wenige markante Abweichungen bereits ausreichend verschieden ausfallen.

Nach alledem war die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

Der auf das Warenverzeichnis "Pharmazeutische Präparate, ausgenommen Herz-/Kreislaufmittel, jedoch nicht ausgenommen Lipidsenker" bezogene Hinweis des Vertreters der Widersprechenden, daß diese Fassung schon nach dem Ladungszusatz vom 21. Juli 2000 nicht geeignet sei, eine Verwechslungsgefahr auszuräumen, gibt Anlaß zu folgenden Bemerkungen. Mit einer Vergleichsanregung, wie sie hier mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung verbunden wurde, soll bei den Beteiligten eine aus der Sicht des Senats sinnvoll erscheinende warenmäßige Abgrenzung mit dem Ziel einer künftigen Koexistenz der Streitmarken angeregt werden. Hierfür kann es - wenn die Benutzungslage oder die Planung der Beteiligten nicht entgegen steht - zweckmäßig sein, einen größeren als den für eine Zurückweisung des Widerspruchs durch Gerichtsentscheidung unbedingt erforderlichen Abstand herzustellen, weil dadurch spätere Streitpunkte etwa über den Umfang eines Warenoberbegriffs oder über die Abgrenzung von Indikationsbereichen eher vermieden werden können. Bloße Ausnahmevermerke sind oft nur zur Vermeidung von Warenidentität, nicht aber von hochgradiger Warenähnlichkeit und engsten Berührungspunkten geeignet. Nichts anderes sollte im Ladungszusatz zum Ausdruck gebracht werden mit der Formulierung "Allerdings ist ein nur auf Kardiaka bezogener Ausnahmevermerk wohl nicht geeignet, einen deutlichen Warenabstand herzustellen. Vorteilhafter wäre es, wenn die Inhaberin der angegriffenen Marke ... konkret die beanspruchten Warengruppen nennen würde, sofern sich diese von dem Herztonikum der Widerspruchsmarke abheben." Insbesondere war damit nicht die Ankündigung verbunden, dass der Senat bei gleichbleibender Warenkonstellation trotz der in den Marken vorhandenen Abweichungen zugunsten der Widersprechenden entscheiden würde. Vielmehr sollte ein sachgerechter Interessenausgleich angestrebt werden, was mit einer Entscheidung nicht immer möglich ist, weil das Gericht zwar eine nach den im Warenverzeichnis aufgeführten Warenbereichen geteilte Entscheidung treffen, nicht aber im Rahmen eines Warenoberbegriffs selbst Beschränkungen vornehmen kann. Konkret ist es also im vorliegenden Fall dem Senat nicht möglich, für die nach Scheitern der Vergleichsverhandlungen zu treffende Entscheidung einen weiterreichenden Ausnahmevermerk im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke zu formulieren oder diese gar auf bestimmte, den Herzstärkungsmitteln der Widerspruchsmarke ferner stehende Waren festzulegen. Vielmehr war die Frage der Verwechslungsgefahr nun nach der Register- bzw der Benutzungslage zu beurteilen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Engels Brandt Ja






BPatG:
Beschluss v. 05.01.2001
Az: 25 W (pat) 71/99


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