Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Juli 2000
Aktenzeichen: 24 W (pat) 219/99

(BPatG: Beschluss v. 04.07.2000, Az.: 24 W (pat) 219/99)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die Eintragung der Marke 396 29 971 PHYSIOSAN mit dem ursprünglichen Warenverzeichnis

"Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel"

ist Widerspruch erhoben aufgrund der Marke 788 075 PHYTOGRAN, welche für die Waren

"Arzneimittel, nämlich Nervenberuhigungs- und Nervenstärkungsmittel"

eingetragen ist.

Die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch zurückgewiesen mit der Begründung, die Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sei im Hinblick auf die allenfalls unterdurchschnittliche Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren nicht ausreichend deutlich, um die Annahme von Verwechslungen zu tragen. Die beiden Marken unterschieden sich im Bereich der zweiten Wortsilben und verfügten über nicht unerhebliche Abweichungen am Anfang der dritten Silbe.

Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens hat die Markeninhaberin das Warenverzeichnis der angegriffenen Marke beschränkt auf

"Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen zur Hautreinigung; Parfümerien; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, nämlich Hautschutzmittel, Hautreinigungsmittel und Hautpflegemittel; Haarwässer; Zahnputzmittel".

Die Widersprechende hält die beiden Marken für verwechselbar. Denn die Waren der angegriffenen Marke seien jedenfalls im Kosmetikbereich mit den Waren der Widerspruchsmarke ähnlich. Ferner liege die angegriffene Marke klanglich wie schriftbildlich im Ähnlichkeitsbereich der Widerspruchsmarke, zumal die begrifflichen Unterschiede der beiden Markenteile "PHYSIO" als Hinweis auf "physiologisch" und "PHYTO" als Hinweis auf "Pflanzen" dem hier maßgeblichen Durchschnittskonsumenten nicht auffielen.

Die Widersprechende beantragt (sinngemäß), den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Außerdem regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Ihrer Auffassung nach unterliegen die beiden Marken nicht der Gefahr von Verwechslungen. Die jetzt noch von der angegriffenen Marke erfaßten Waren seien zu den Widerspruchswaren grundsätzlich unähnlich, zumindest wiesen sie einen derart geringen Ähnlichkeitsgrad auf, daß eine Verwechslungsgefahr ohne weiteres ausgeschlossen werden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist unbegründet.

Zu Recht hat die Markenstelle den Widerspruch aus der Marke "PHYTOGRAN" zurückgewiesen und die Eintragung der angegriffenen Marke "PYSIOSAN" nicht gelöscht (§ 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG). Die beiden zum Vergleich stehenden Marken unterliegen nicht der Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke. So kann insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (vgl BGH GRUR 1999, 735, 736 "MONOFLAM/POLYFLAM"; EuGH GRUR 1998, 922, 923 Tz 17 "Canon"). Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall eine Verwechslungsgefahr insgesamt zu verneinen.

Bezüglich der angegriffenen Waren "Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Parfümerien" scheitert die Annahme einer Verwechslungsgefahr schon daran, daß diese Waren deutlich außerhalb des Ähnlichkeitsbereichs der Widerspruchswaren "Arzneimittel, nämlich Nervenberuhigungs- und Nervenstärkungsmittel" liegen (vgl Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 11. Aufl, S 63 f "Arzneimittel", insbes S 65 "Parfümerien", S 68 "Waschmittel mit desinfizierender Wirkung"); bis auf "Parfümerien" ist auch insoweit von der Widersprechenden trotz unbeschränkter Widerspruchseinlegung Warenähnlichkeit nicht geltend gemacht worden. Die übrigen jetzt noch von der angegriffenen Marke erfaßten "Seifen zur Hautreinigung; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, nämlich Hautschutzmittel, Hautreinigungsmittel und Hautpflegemittel; Haarwässer; Zahnputzmittel" gehören dagegen noch zum Ähnlichkeitsbereich der genannten Widerspruchswaren (vgl in diesem Zusammenhang auch Richter/Stoppel, aaO, insbes S 66 f). Daran ändert auch die von der Markeninhaberin vorgenommene Einschränkung der Warenbegriffe "Seifen" und "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege" auf die Behandlung der Haut nichts. Diese Kosmetika befinden sich aber im entfernteren Ähnlichkeitsbereich der Widerspruchswaren. Sie unterscheiden sich nach ihrem Verwendungszweck und mithin ihrer stofflichen Beschaffenheit nicht unerheblich von diesen Arzneimitteln, welche dem Indikationsgebiet der Hypnotika/Sedativa bzw Psychopharmaka zugerechnet werden (vgl Rote Liste 1996 und 2000).

Der Widerspruchsmarke kann ferner - zugunsten der Widersprechenden - allenfalls eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zuerkannt werden, zumal deren Bestandteil "PHYTO" als Hinweis auf "Pflanze" und deren weiterer Bestandteil "GRAN" als Verkürzung von "Granulat" nicht ohne beschreibenden Warenbezug sind.

Nachdem somit an dem markenrechtlich erforderlichen Abstand der Vergleichszeichen keine sehr hohen Anforderungen zu stellen sind, ist die Verwechslungsgefahr zu verneinen. So sind die beiden Markenwörter "PHYSIOSAN" und "PHYTOGRAN" weder schriftbildlich noch klanglich einander stark ähnlich, zumal die Bedeutungen der einzelnen Wortbestandteile "PHYSIO" und "PHYTO" sowie "SAN" und "GRAN" zusätzliche Abgrenzungskriterien bieten. Zwar sind die beiden Wörter in der Abfolge der Buchstaben bzw Laute "PHY-O-AN" identisch und gleichen sich damit am regelmäßig stärker beachteten Wortanfang sowie weitgehend in der klanglich nicht unwesentlichen Vokalfolge. Sie unterscheiden sich aber deutlich in ihrem Wortinneren. Die Buchstaben bzw Laute "SI-S" und "T-GR" verfügen über keinerlei Gemeinsamkeiten. Unübersehbar verschieden sind sie als Buchstaben in ihrer Gestalt, ebenso groß- wie kleingeschrieben, und unüberhörbar sind sie als Laute in ihrem Klangwert, wobei vor allem die markante Lautverbindung "SI" in der angegriffenen Marke phonetisch hervorsticht. Damit sind die Vergleichswörter insgesamt auch mit Blick auf die Flüchtigkeit der hier maßgebenden allgemeinen Verkehrskreise als unähnlich anzusehen. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, daß auf die Auffassung des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers, nicht auf den oberflächlichen und unaufmerksamen Verkehr abzustellen ist (vgl EuGH GRUR Int 1999,734, 736 "Lloyd"; BGH GRUR 2000, 506, 508 f "ATTACHÉ/TISSERAND") und insbesondere die unterscheidenden und dominanten Elemente der Vergleichsmarken von ausschlaggebender Bedeutung sind (vgl EuGH GRUR 1998, 387, 390 "Springende Raubkatze"; aaO "Lloyd").

Für die Annahme einer durch gedankliche Verbindung hervorgerufenen Verwechslungsgefahr fehlt es an einem identischen bzw wesensgleichen Markenbestandteil.

Nachdem mithin die Vergleichsmarken sich nicht verwechselbar nahe kommen, ist die Beschwerde zurückzuweisen.

Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlaß, aus Gründen der Billigkeit gemäß § 71 Abs 1 MarkenG einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Für die von der Widersprechenden angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlt es an den gesetzlichen Voraussetzungen des § 83 Abs 2 Nr 1 oder 2 MarkenG. Vorliegend war weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Dr. Ströbele Werner Dr. Schmitt Bb






BPatG:
Beschluss v. 04.07.2000
Az: 24 W (pat) 219/99


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