Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. April 2003
Aktenzeichen: 11 W (pat) 37/02

(BPatG: Beschluss v. 07.04.2003, Az.: 11 W (pat) 37/02)

Tenor

Die Beschwerde der Patentinhaberin wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die Erteilung des am 14. Dezember 1993 angemeldeten Patents mit der Bezeichnung "Einrichtung und Verfahren zum Reinigen von Werkstücken" ist am 26. April 2001 veröffentlicht worden. Nach Prüfung des Einspruchs der A... ... GmbH in E..., hat die Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamtes mit Beschluss vom 27. Juni 2002 das Patent widerrufen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin.

Sie stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten, hilfsweise das Patent mit den Ansprüchen 1 bis 6 der erteilten Fassung und im übrigen in der Fassung der Patentschrift beschränkt aufrechtzuerhalten.

Die Einsprechende widerspricht sachlich in allen Punkten.

Sie stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.

Patentanspruch 1 lautet:

"1. Einrichtung zum Reinigen von Werkstücken mit mindestens einer Spritzdüse, welche einen gegen das Werkstück gerichteten Reinigungsstrahl erzeugt, wobei in einem Spritzraum einer Reinigungszelle die Spritzdüse ortsfest positioniert ist und das Werkstück im Reinigungsstrahl bewegbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass eine Handhabungseinrichtung mit einem 3D-programmgesteuerten Greifarm vorgesehen ist, mit welchem das Werkstück (15) greifbar und im Reinigungsstrahl bewegbar ist, und dass im Spritzraum (22) zusätzlich ein Entgratwerkzeug angeordnet ist, an welches das Werkstück (15) mittels des Greifarms der Handhabungseinrichtung (11) heranführbar ist."

Der das Verfahren betreffende Anspruch 7 lautet:

"7. Verfahren zum Reinigen von Werkstücken mit einer Einrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass das Werkstück mittels eines 3D-programmgesteuerten Greifarmes einer Handhabungsvorrichtung (11) mit dem Reinigungsstrahl in Berührung kommen, und dass die zu reinigenden Flächen des Werkstücks (15) mit dem Reinigungsstrahl in Berührung kommen, und dass mit dem Reinigen ein Entgraten des Werkstücks (15) im Spritzraum (22) der Reinigungszelle durchgeführt wird."

Bezüglich der Unteransprüche und weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Für eine Einrichtung zum Reinigen von Werkstücken mit Spritzdüsen, die auch zum Entgraten des Werkstücks dient, ist als Fachmann ein Diplom-Ingenieur mit wenigstens Fachhochschulabschluss im allgemeinen Maschinenbau und Berufserfahrung auf dem Gebiet des Entgratens und des Reinigens von Werkstücken, insbesondere des Strahlreinigens und Strahlentgratens zuständig.

1. Die Einsprechende hat die Gründe und die Tatsachen, die nach ihrer Auffassung den Einspruch rechtfertigen, innerhalb der Einspruchsfrist im Einzelnen angegeben. Der Einspruch ist gemäß §59 Abs 2 PatG ausreichend substantiiert und zulässig; dies ist auch unstreitig.

2. Die geltenden Ansprüche gemäß Haupt- und Hilfsantrag sind zulässig. Der erteilte Anspruch 1 beruht auf dem ursprünglichen Anspruch 1 mit den Merkmalen der ursprünglichen Ansprüche 2 und 5, der erteilte Anspruch 7 auf dem ursprünglichen Anspruch 9, ergänzt um die Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 10. Die anderen Ansprüche entsprechen den verbliebenen ursprünglichen Ansprüchen in angepasster Nummerierung. Dass als Entgratwerkzeug des Anspruchs 1 außer einer Entgratbürste auch andere Werkzeuge in Frage kommen können, also auch ein Strahlwerkzeug, findet sich in der Patentschrift (Sp. 2, 47, 48) sowie in den ursprünglichen Unterlagen (S. 4, 1. Abs.).

3. Die gewerblich anwendbare Einrichtung zum Reinigen von Werkstücken, bei der im Spritzraum zusätzlich ein Entgratwerkzeug angeordnet ist nach Anspruch 1 sowie das diese Einrichtung nutzende Verfahren nach Anspruch 7 mögen jeweils neu sein. Dies kann aber dahinstehen, da erfinderische Tätigkeit fehlt.

Gemäß der Patentschrift (Sp. 1, Z. 7 - 39) wird bei bekannten Einrichtungen und Verfahren auf ein ruhendes Werkstück eingewirkt, während Reinigungsdüsen dabei an einem 3-dimensional bewegbaren Arm eines Industrieroboters angebracht sind. Oder es sind Werkstücke auf einem Werkstückträger aufgespannt und fahren an feststehenden Reinigungsdüsen vorbei. Oder das Werkstück wird vor Spaltdüsen auf- und abbewegt oder lediglich um die Achse gedreht. Bei einem Verfahren zum Hochdruckwasserstrahlreinigen und -schneiden erfolge die Relativbewegung zwischen Hochdruckwasserstrahldüse und Werkstück bei der Entgratanlage sowohl mit Vorschub ohne Drehung des Werkstücks als auch mit Drehung ohne Vorschub.

Das der Erfindung zugrundeliegende objektive technische Problem (die Aufgabe), eine Einrichtung und ein Verfahren anzugeben, die ein Reinigen und Entgraten in einem Arbeitsgang mit hoher Wiederholgenauigkeit besonders auch für komplizierte Werkstücke ermöglichen (Patentschrift Sp. 48 - 52), wird mit einer Einrichtung nach dem geltenden Anspruch 1 sowie mit einem diese Einrichtung nutzenden Verfahren nach Anspruch 7 gelöst.

Der Aufsatz von AUCH, BOLEY und LORENZ "Verbesserung der Arbeitsbedingungen beim Entgraten und Putzen von Nichteisenmetall-Gußteilen" aus dem Jahr 1986 [D1] befasst sich, ausgehend von einer Ist-Zustandsanalyse, die nicht näher beschrieben ist, mit einer Umgestaltung des Rohgussnachbearbeitens. Dieses Nachbearbeiten von Rohgussteilen (Gussputzen) umfasst für den Fachmann das Beseitigen von unerwünschten Überständen, nämlich das Entgraten, aber auch das Putzen an sich, nämlich das Beseitigen der beim Entgraten erzeugten Rückstände, ggf. das Entzundern, beim Sandguss auch das Entfernen von Rückständen der Gussform, also das Reinigen insgesamt. Die Rohgussnachbearbeitung ist somit stets ein mehrere Prozesse umfassendes, kombiniertes Vorgehen. Nach der D1 werden hierfür in Frage kommende Verfahren wie z.B. das Hochdruckwasserstrahlen und Nadelfräsen überprüft und in der Praxis auch angewendet (Kurzfassung). Zum Entgraten wird die Verwendung eines Industrieroboters in Verbindung mit einem NC-Konzept gleichermaßen für die (anspruchsgemäße) Werkstück- wie auch für die Werkzeughandhabung vorgeschlagen. Der Greifer des Roboters bewegt das Werkstück sensorgesteuert innerhalb einer Anlage von einer Bearbeitungsstation zur nächsten. Die einzelnen Stationen werden nach dem Erfordernis der unterschiedlichen Entgrataufgaben bereitgehalten. Die Arbeitsstationen sind innerhalb eines Raumes, nämlich dem Arbeitsraum des Roboters angeordnet, der beim Hochdruckwasserstrahlen eine Spritzzelle bzw. ein Spritzraum ist. Das Hochdruckwasserstrahlen bringt den Einsatz von Spritzdüsen mit sich. Da für den Fachmann die Notwendigkeit der Werkstück-Reinigung nicht eigens vor Augen geführt werden muss, untersucht D1 vornehmlich zwar das Entgraten als solches, wofür offenbar Hochdruckwasserstrahlen und Nadelfräsen in Kombination oder alternativ in Frage kommen, berührt aber auch das Reinigen (Putzen).

Daher gibt der Aufsatz D1 dem Fachmann eine Einrichtung zum Reinigen (Putzen) und Entgraten von Werkstücken (aus NE-Metall) an die Hand mit einer der Zahl der Arbeitsstationen entsprechenden Anzahl von Werkzeugen in Form von Spritzdüsen (beim Hochdruckwasserstrahlen), welche jeweils einen gegen das Werkstück gerichteten Hochdruckwasserstrahl erzeugen, wobei in einem Spritzraum einer Reinigungszelle (Arbeitsraum des Roboters) die Spritzdüsen ortsfest positioniert ist und das Werkstück im Wasserstrahl bewegbar ist. Die Handhabungseinrichtung (Industrieroboter) ist mit einem 3D-programmgesteuerten Greifarm versehen, mit welchem das Werkstück greifbar und im Wasserstrahl bewegbar ist. Da in D1 bei den Bearbeitungsstationen S1 bis S3 (S. 84) vom Entgraten die Rede ist, sind diese im Spritzraum angeordneten Werkzeuge Entgratwerkzeuge, an welche das Werkstück mittels des Greifarms der Handhabungseinrichtung heranführbar ist.

Die Lösung nach Anspruch 1 des Patents sieht demgegenüber auch eine feststehende Spritzdüse im Spritzraum zur Reinigung des Werkstückes vor.

Aus dem Aufsatz von SCHLATTER "Entgraten durch Hochdruckwasserstrahlen" [D4] ebenfalls aus dem Jahre 1986 erfährt der Fachmann, dass die Hauptanwendungsgebiete der Wasserstrahltechnik u.a. das Reinigen, das Entzundern, die Gussreinigung sowie das Entgraten (S. 16, 1.2) sind. Weiterhin wird ihm mitgeteilt, dass marktübliche Hochdruckwasserstrahl-Reinigungsanlagen unter bestimmten Bedingungen bezüglich der Durchflussmenge und des Drucks (S. 26, 2.1.2) auch zum Entgraten in Frage kommen, was für ihn bedeutet, dass ein und dieselbe Anlage zum Reinigen und Entgraten einsetzbar ist. Zum Entgraten kommen spezielle Düsen zur Anwendung (S. 129, Tabelle 16), die zu unterschiedlichen Entgratergebnissen führen. Zusammenfassend lehrt D1 dem Fachmann, dass zum Behandeln eines Werkstückes innerhalb derselben Anlage die Hochdruckwasserstrahl-Parameter hinsichtlich des Drucks bzw. Durchflussmenge und der Düsenwahl jeweils darauf abzustimmen sind, ob das Werkstück zu reinigen ("weicher Strahl") oder zu entgraten ("harter Strahl") ist.

Für den Fachmann besteht problemorientiert das Erfordernis, ein Reinigen und ein Entgraten des Werkstücks vorzunehmen. Weil das Gussputzen nach D1 neben dem Entgraten immer auch eine Reinigung umfasst, findet der Fachmann, der ständig nach einfachen und kostengünstigen Wegen sucht, unter Einsatz seines fachmännischen Wissens anhand der ihm mit D4 an die Hand gegebenen Informationen, dass das Hochdruckwasserstrahlen unter entsprechender Anpassung (Druck, Durchflussmenge, Düsenwahl) sowohl zum Reinigen als auch zum Entgraten von unterschiedlichen Werkstücken geeignet ist, die Lösung seines Problems darin, eine der bestehenden Bearbeitungsstationen von D1 oder eine zusätzliche Bearbeitungsstation für das Reinigen vorzusehen, zu welcher das Werkstück mittels des ohnehin vorhandenen 3D-Greifarms des Industrieroboters computergesteuert herangeführt und im Wasserstrahl bewegt wird. Die für ihn damit nahegelegte Lösung seines Problems besteht infolgedessen darin, innerhalb eines Raumes zusätzlich zum Entgratwerkzeug auch ein Reinigungswerkzeug (oder umgekehrt) bereitzustellen. Weil die D1 zur Rohgussnachbearbeitung als Verfahren beispielsweise das Hochdruckwasserstrahlen und Nadelfräsen vorschlägt, gelangt er zu dieser Lösung unter Zuhilfenahme von D4 selbst dann, wenn an den Bearbeitungsstationen von D1 zum Entgraten auch das Nadelfräsen zum Einsatz kommt. Die Aufsätze D1 und D4 führen den Fachmann demnach auch dann direkt zur Problemlösung, wenn das in Anspruch 1 genannte Entgratwerkzeug ein anderes als ein Hochdruckstrahlwerkzeug ist.

Diese dem Fachmann durch D1 und D4 aufgezeigte Lösung, eine feststehende Bearbeitungsstation mit einer Spritzdüse zur Werkstückreinigung und ein weitere feststehende Bearbeitungsstation zum Entgraten innerhalb eines Raumes einer Einrichtung bereitzustellen, zu welchen Stationen das zu bearbeitende Werkstück mittels eines 3D-programmgesteuerten Greifarms einer Handhabungseinrichtung herangeführt wird, entspricht der Einrichtung nach Anspruch 1 des Patents, weshalb letzterer die erfinderische Tätigkeit mangelt.

Der Patentanspruch 1 ist somit nicht rechtsbeständig.

Die auf den Anspruch 1 zurückbezogenen Ansprüche 2 bis 6 enthalten weitere Ausgestaltungen der Einrichtung gemäß Hauptanspruch ohne erfinderischen Gehalt und teilen das Schicksal dieses Anspruchs.

Die Ansprüche 2 bis 6 sind somit ebenfalls nicht bestandsfähig.

Der Verfahrensanspruch 7 nach dem Hauptantrag ist auf Anspruch 1 rückbezogen und ist Bestandteil desselben Antrags wie der Vorrichtungsanspruch 1. Demzufolge bedarf es keiner weitergehenden Würdigung, da selbst für solche Ansprüche, die sich sachlich als sogenannte Nebenansprüche darstellen, keine Begründungspflicht für die Entscheidung besteht (BGH X ZB 18/95, GRUR, 120, 122 - Elektrisches Speicherheizgerät). Wie sich aber schon aus den vorstehenden Ausführungen zu Anspruch 1 nach dem Hauptantrag ergibt, fehlt dem Verfahren nach Anspruch 7 des Hauptantrags ebenfalls die erfinderische Tätigkeit, da die Aufsätze D1 und D4 dem Fachmann neben den Einrichtungen auch die darin zur Anwendung kommenden Verfahren offenbaren.

Mit dem Anspruch 7 fallen auch die auf diesen rückbezogenen Ansprüche 6 (Nummerierung gemäß Patentschrift; richtig: 8) und 9.

Der Hilfsantrag ist auf den selben Anspruch 1 gestützt wie der Hauptantrag. Da dieser Anspruch 1 aber - wie dargelegt und begründet - nicht bestandsfähig ist, kann auch der Hilfsantrag nicht zum Erfolg führen.

Dellingerv. Zglinitzki Skribanowitz Schmitz Bb






BPatG:
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Az: 11 W (pat) 37/02


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