Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. März 2004
Aktenzeichen: 24 W (pat) 15/03

(BPatG: Beschluss v. 09.03.2004, Az.: 24 W (pat) 15/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. November 2000 und vom 27. September 2002 aufgehoben, soweit die Löschung der Marke 398 50 950 wegen des Widerspruchs aus der Marke 2 080 071 angeordnet worden ist.

Der Widerspruch aus der Marke 2 080 071 wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zurückweisung des Widerspruchs aus der Marke 737 699 wird verworfen.

Gründe

I.

Die unter der Nummer 398 50 950 im Markenregister eingetragene Wort-Bildmarkeist nach einer Einschränkung des Warenverzeichnisses im Beschwerdeverfahren noch für die Waren und Dienstleistungen

"Kosmetische Pflegeprodukte, mit Ausnahme von Seifen und Waschstücken"

geschützt.

Dagegen hat die Inhaberin der prioritätsälteren, für die Waren

"Pharmazeutische Präparate, Präparate für die Gesundheitspflege, Seifen, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, alle vorgenannten Waren zur Vorbeugung gegen oder zur Behandlung unreiner Haut"

geschützten Wortmarke 2 080 071 AKNIN-WINTHROP und der für die Waren

"pharmazeutische Präparate"

geschützten Wortmarke 737 699 Aknin Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluß vom 2. November 2000 durch einen Beamten des gehobenen Dienstes die Löschung der angegriffenen Marke wegen der Widersprüche aus den Marken 2 080 071 und 737 699 angeordnet. Die hiergegen gerichtete Erinnerung hat die Markenstelle hinsichtlich des Widerspruchs aus der Marke 2 080 071 mit Beschluß vom 27. September 2002 durch eine Beamtin des höheren Dienstes zurückgewiesen und das Erinnerungsverfahren über den Widerspruch aus der Marke 737 699 bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Widerspruch aus der Marke 2 080 071 ausgesetzt. Die Markenstelle ist der Ansicht, die angegriffene Marke komme der Widerspruchsmarke 2 080 071 verwechselbar nahe. Die durchschnittlich kennzeichnungskräftige Widerspruchsmarke und die angegriffene Marke könnten sich auf identischen Waren begegnen und wendeten sich u.a. an Laien. Auch wenn auf dem Gebiet der Arzneimittel die Neigung zur Verkürzung von Mehrwortzeichen im allgemeinen gering sei, führe die Angabe eines Herstellernamens oder Firmenschlagwortes dazu, daß der Verkehr sich am weiteren Bestandteil als der das konkrete Produkt individualisierenden Bezeichnung orientiere. Das Wort "WINTHROP" sei erheblichen Teilen des Fachverkehrs als Firmenbezeichnung bekannt und auch für Laien als solche erkennbar. "AKNIN" dagegen wirke als Zweitkennzeichnung und als eine auf dem betreffenden Warengebiet übliche fantasievolle und kennzeichnungskräftige Abwandlung einer beschreibenden Angabe, die als alleinige Benennung in Frage käme. "AXIN" und "Aknin" stimmten in ihren wesentlichen klanglichen Merkmalen überein. Der relativ geringfügige Unterschied in der Wortmitte trete gegenüber den weit gehenden Übereinstimmungen im Gesamteindruck zurück.

Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke. Sie trägt vor, zwischen den gegenseitigen Waren könne ein deutlicher Abstand bestehen. Die gegenseitigen Marken wiesen in ihrer Gesamtheit eine sehr unterschiedliche Länge auf, was auch medizinischen Laien auffallen würde. Der Verkehr habe keinen Anhaltspunkt, den Markenbestandteil "WINTHROP" als Firmenbezeichnung aufzufassen und sich am Bestandteil "AKNIN" zu orientieren, weil diese Herstellerfirma nicht mehr existiere und auch früher eher unbedeutend gewesen sei. Dagegen lehne sich "AKNIN" stark an eine beschreibende Angabe an und besitze wesentlich weniger Kennzeichnungskraft als der andere Markenbestandteil. Auch sei zu berücksichtigen, daß die Waren der Widerspruchsmarke ausschließlich über Apotheken vertrieben würden, so daß für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr Laienkreise nur eine untergeordnete Rolle spielten.

An einer gerichtlichen Entscheidung über den Widerspruch aus der Marke 737 699, über den im Erinnerungsbeschluß noch nicht sachlich entschieden worden sei, bestehe seitens der Inhaberin der jüngeren Marke ein großes wirtschaftliches Interesse.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß, 1. die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. November 2000 und vom 27. September 2002 aufzuheben, soweit die Löschung der Marke 398 50 950 wegen des Widerspruchs aus der Marke 2 080 071 angeordnet worden ist, und den Widerspruch aus der Marke 2 080 071 zurückzuweisen, sowie 2. den Widerspruch aus der Marke 737 699 zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke zurückzuweisen.

Die Widersprechende ist der Ansicht, nach der Registerlage könnten sich auch nach Einschränkung des Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke die Zeichen noch auf identischen Waren begegnen. Den angesprochenen Verkehrskreisen sei bekannt, daß auf den hier angesprochenen Warensektoren üblicherweise Kennzeichnungen aus der Firmenbezeichnung und einer individualisierenden Produktkennzeichnung gebildet würden. Bei solchen Kennzeichnungen trete die Firmenkennzeichnung hinter der Produktkennzeichnung zurück. Dieser Erfahrungssatz sei auch hier anzuwenden, da die Firma "WINTHROP" ein namhafter Hersteller von Arzneimitteln gewesen sei, an den die Erinnerung heute noch wach sei. Im übrigen sei das Wort als Firmenkennzeichnung erkennbar. Die Zeichenbestandteile "AKNIN" und "AXIN" seien wegen ihrer großen klanglichen Ähnlichkeit verwechselbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1. Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat hinsichtlich der Anordnung der Löschung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der Marke 2 080 071 in der Sache auch Erfolg. Zwischen den Marken besteht nicht die Gefahr von Verwechslungen gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 43 Abs. 2, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu Art. 4 Abs 1 Buchst. b der Markenrechtsrichtlinie, die für die Auslegung der in Umsetzung dieser Richtlinienbestimmung erlassenen Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG von maßgeblicher Bedeutung ist, ist die Frage der Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Zu den dabei maßgebenden Umständen gehören insbesondere die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie der Grad der Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. Bei der umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der Marken auf den Gesamteindruck abzustellen, den diese jeweils hervorrufen. Hierbei kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher der jeweils in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen wirkt (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 f. "Sabèl/Puma"; GRUR Int. 1999, 734, 736 "Lloyd"). Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert auch eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. So kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR Int. 1998, 875, 876 f. "Canon"; GRUR Int. 2000, 899, 901 "Marca/ Adidas"; BGH GRUR 2003, 332, 334 "Abschlußstück"). Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend keine Gefahr von Verwechslungen gegeben.

Nachdem keine Nichtbenutzungseinrede hinsichtlich der Widerspruchsmarke 2 080 071 erhoben worden ist, ist bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr von der Registerlage auszugehen. Danach können auch nach Einschränkung des Warenverzeichnisses der jüngeren Marke die Waren identisch sein, denn unter den Begriff der Mittel zur Körper- und Schönheitspflege der Widerspruchsmarke fallen auch die kosmetischen Pflegeprodukte der angegriffenen Marke. Nach der Registerlage kann es sich um ganz alltägliche, relativ geringwertige Produkte handeln, die sich an breite Verkehrskreise richten und in Drogeriemärkten, Kaufhäusern etc. vertrieben werden, was Verwechslungen begünstigt.

Da eine enge Anlehnung der Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit an eine beschreibende Angabe oder eine Schwächung durch Drittmarken nicht erkennbar ist, muß von deren normaler Kennzeichnungskraft ausgegangen werden.

Aus diesen Gründen hat die jüngere Marke einen deutlichen Abstand von der Widerspruchsmarke einzuhalten. Dieser erforderliche Abstand ist nach Auffassung des Senats gewahrt.

Die Zeichen in ihrer Gesamtheit sind nicht verwechselbar. Verwechslungen kämen allenfalls mit dem Zeichenbestandteil "AKNIN" der älteren Marke in Betracht. Voraussetzung für eine entsprechende kollisionsbegründende Wirkung ist aber, daß dem betreffenden Bestandteil eine den Gesamteindruck prägende Wirkung zukommt, wobei es nicht ausreicht, daß der übereinstimmende Bestandteil für den Gesamteindruck des Zeichens lediglich mitbestimmend ist (vgl. BGH GRUR 2000, 233 f. "RAUSCH/ELFI RAUCH"; BGH GRUR 2003, 880, 881 "City Plus"). Es entspricht einem in der Rechtsprechung anerkannten Erfahrungssatz, daß in einer aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzten Marke ein Bestandteil, der zugleich ein bekanntes oder als solches erkennbares Unternehmenskennzeichen darstellt, im allgemeinen in der Bedeutung für den Gesamteindruck der Marke zurücktritt, weil der Verkehr die eigentliche Produktkennzeichnung in den anderen Bestandteilen der Kennzeichnung erblickt. Dies schließt allerdings nicht aus, daß aufgrund der erforderlichen Heranziehung aller Umstände im Einzelfall auch ein von diesen Erfahrungssätzen abweichendes Ergebnis anzunehmen sein kann (vgl. BGH GRUR 2002, 342 "ASTRA/ESTRA-PUREN"). Um einen solchen Ausnahmefall handelt es sich hier.

Das Zeichenwort "AKNIN" weist sehr starke Anklänge an die Indikationsangabe "Akne" auf, die wegen der Bekanntheit und der Häufigkeit dieses Leidens, das die Patienten oft ohne Einschaltung eines Arztes selbst behandeln, auch von breiten Verkehrskreisen erkannt werden wird. Insoweit ist von einer Kennzeichnungsschwäche des Wortes "AKNIN" auszugehen. Kennzeichnungsschwache Bestandteile vermögen jedoch den Gesamteindruck einer mehrteiligen Marke grundsätzlich nicht zu prägen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9 Rn 411, 424). Das gilt auch für Verbindungen von Firmenbezeichnungen und kennzeichnungsschwachen Elementen in Arzneimittelmarken (vgl. BPatG 30 W (pat) 232/98 "KAMILLIN ROBUGEN / Kamillan"; BPatG 30 W (pat) 13/01 "MultiTabsratiopharm / Multitabs"; BPatG 25 W (pat) 30/99 "R+P PUR-ECHIN / ECHI-PUREN"; BPatG 25 W (pat) "Propafen-ISIS / POSTAFENE"; BPatG 25 W (pat) 90/96 "MOXILLIN-PUREN / Mobilisin"; BPatG 25 W (pat) 174/01 "Levocarb-TEVA / Levocomp"; Zusammenfassung jeweils veröffentlicht auf PROMA PAVIS CD-ROM). Außerdem drängt sich die Bedeutung des weiteren Bestandteils "WINTHROP als Name oder Firmenkennzeichnung nicht auf. Darüber hinaus wird die Zusammengehörigkeit der Markenkomponenten durch einen Bindestrich verdeutlicht, der eine Klammerwirkung erzeugt (BGH GRUR 2002, 342, 344 "ASTRA/ESTRA-PUREN"; BPatG 25 W (pat) 174/01 "Levocarb-TEVA / Levocomp"; Zusammenfassung veröffentlicht auf PROMA PAVIS CD-ROM).

Aus diesen Gründen gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, daß das Wort "WINTHROP" gegenüber "AKNIN" so stark in den Hintergrund träte, daß es für den Gesamteindruck vernachlässigt werden könnte. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr kommt deshalb nicht in Betracht.

Eine Verwechslungsgefahr durch gedankliche Verbindung ist ebenfalls nicht gegeben. Der Zeichenbestandteil "AKNIN" der Widerspruchsmarke ist wegen seiner Kennzeichnungsschwäche als Stammbestandteil nicht geeignet. Außerdem ist eine Wesensgleichheit der angegriffenen Marke "AXIN" mit dem Bestandteil "AKNIN" der Widerspruchsmarke wegen der klanglichen und schriftbildlichen Abweichungen zu verneinen.

Die Beschlüsse der Markenstelle waren deshalb insoweit aufzuheben.

2. Es ist kein Grund ersichtlich, einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs. 1 MarkenG).

3. Eine eigenständige Beschwerde gegen die Aussetzungsentscheidung der Erinnerungsprüferin liegt nach Auffassung des Senats nach dem Wortlaut der Beschwerdeschrift nicht vor, da die Inhaberin der angegriffenen Marke die Aussetzung als solche nicht angreift. Da das Verfahren über den Widerspruch aus der Marke 737 699 vor der Markenstelle ausgesetzt worden ist, ist eine Zuständigkeit des Senats insoweit nicht gegeben.

Der Antrag auf Entscheidung über den Widerspruch aus der Marke 737 699 durch den Senat ist unstatthaft. Grundsätzlich bedeutet nämlich eine Aussetzung einen Stillstand des Verfahrens im Umfang der Entscheidung, so daß im Falle des Wegfalls des Aussetzungsgrunds zunächst die originäre Zuständigkeit der Markenstelle des Deutschen Patentamts gegeben ist.

Ströbele Hacker Guth Ko






BPatG:
Beschluss v. 09.03.2004
Az: 24 W (pat) 15/03


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