Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 25. November 2009
Aktenzeichen: 8 U 61/09

(OLG Hamm: Urteil v. 25.11.2009, Az.: 8 U 61/09)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 27. Februar 2009 verkündete Urteil des Landgerichts Münster abgeändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

A.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung des Geschäftsführer - Anstellungsvertrages des Klägers vom 06.06.2005 und der zugrunde liegenden Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung.

Der Kläger und Herr C sind sowohl Gesellschafter als auch Geschäftsführer der Beklagten, wobei bezüglich des Klägers umstritten ist, ob er diese Stellung seit dem 01.01.2006 noch innehat. Der Gesellschaftszweck der Beklagten besteht in der Herstellung und dem Vertrieb von Maschinen auf dem Gebiet der Verpackungstechnik. Der Kläger und Herr W sind am Stammkapital zu 30% und zu 40% beteiligt; die übrigen 30% der Beteiligung hält die Beklagte selbst.

Der Kläger und Herr W haben einen gleichlautenden Geschäftsführer - Anstellungsvertrag, der gem. § 11 auf unbestimmte Zeit abgeschlossen ist, allerdings mit einer Frist von 6 Monaten zum Halbjahres- oder Jahresende gekündigt werden kann. Das Recht zur fristlosen Kündigung soll nach § 11 Ziffer 4. der genannten Vereinbarung "unberührt" bleiben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhalts des Vertrages vom 01.03.1997 wird auf die Anlage K 3 verwiesen.

Am 22.04.2005 fasste die Gesellschafterversammlung der Beklagten den Beschluss, den Kläger als Geschäftsführer abzuberufen; darüber hinaus wurde die ordentliche Kündigung seines Geschäftsführer - Anstellungsvertrages zum 31.12.2005 ausgesprochen. Am 06.06.2005 fand eine weitere Gesellschafterversammlung statt, in deren Verlauf der Kläger als Geschäftsführer erneut abberufen wurde. Zugleich wurde der Beschluss gefasst, den o. g. Anstellungsvertrag durch fristlose Kündigung mit sofortiger Wirkung zu beenden. Wegen der Verlaufs der Gesellschafterversammlung wird im Übrigen auf die Ablichtung des Protokolls vom 06.06.2005 Bezug genommen. Mit Schreiben vom 06.06.2005 sprach Herr C gegenüber dem Kläger die außerordentliche Kündigung des mit der Beklagten bestehenden Vertragsverhältnisses aus.

Mit seiner Klage hat der Kläger unter anderem die Feststellung begehrt, dass der am 06.06.2005 gefasste Beschluss, die fristlose Kündigung auszusprechen, und die anschließend erklärte Kündigung als solche unwirksam seien. Er hat die Auffassung vertreten, dass keine Gründe vorhanden seien, die den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung rechtfertigten.

Die Beklagte ist der Meinung gewesen, der o. g. Gesellschafterbeschluss sei wirksam; gleiches gelte in Bezug auf die Kündigungserklärung vom 06.06.2005, da verschiedene Kündigungsgründe existierten. Die Beklagte hat hierzu unter anderem behauptet, der Kläger habe einem ihrer IT - Mitarbeiter - Herrn H2 - ein Notebook zur vollständig privaten Nutzung überlassen. Den hälftigen Betrag der Anschaffungskosten (= 1.600,00 DM) habe er zudem entgegen der Absprache mit Herrn H2 nicht an sie die Beklagte - abgeführt. Ein vergleichbarer Vorgang habe sich im Oktober / November 2004 wiederholt. Die Beklagte ist zudem der Auffassung gewesen, ein weiterer Kündigungsgrund sei darin zu sehen, dass der Kläger dem Mitarbeiter T - unstreitig - gestattet habe, sich auf Kosten der Beklagten bei der L GmbH & Co. KG wegen geleisteter Mehrarbeit einen DVD - Player auszusuchen, dessen Verkaufspreis von 450,00 bis 500,00 Euro in eine an die Beklagte gerichtete Rechnung vom 09.03.2005 Eingang gefunden hätte. Die Beklagte hat ferner behauptet, die genannte Rechnung beziehe sich im Übrigen auf Elektroarbeiten, welche die L GmbH & Co. KG für den Kläger privat erbracht habe.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen D, L und K. Wegen der Ergebnisse der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 13.02.2007 verwiesen. Mit am 05.04.2007 verkündetem Teilurteil hat die Kammer festgestellt, dass der Gesellschafterbeschluss vom 06.06.2005 hinsichtlich der fristlosen Kündigung des Geschäftsführer - Anstellungsvertrages des Klägers und die in Vollziehung dieses Beschlusses am 06.06.2005 ausgesprochene fristlose Kündigung unwirksam sind. Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt, es liege kein wichtiger Grund für eine Kündigung des genannten Vertragsverhältnisses vor. Die von der Beklagten angeführten Umstände seien nicht als grobe Pflichtverletzungen zu begreifen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Urteils vom 05.04.2007 wird auf den Inhalt der Entscheidung verwiesen.

Die Beklagte hat Berufung gegen das o. g. Urteil eingelegt. Der Senat hat es mit am 14.05.2008 verkündeter Entscheidung aufgehoben und die Sache an das Landgericht mit der Begründung zurückverwiesen, der Erlass eines Teilurteils sei nicht zulässig gewesen (Az.: 8 U 120/07). Mit Beschluss vom 20.11.2008 hat das Landgericht das Verfahren - soweit es die Beschlussfassung über die fristlose Kündigung des Anstellungsvertrages und ihren Ausspruch betrifft - abgetrennt. Mit am 27.02.2009 verkündetem Urteil hat es der Feststellungsklage erneut stattgegeben und sich zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt der Entscheidung vom 05.04.2007 bezogen. Wegen der Einzelheiten zu den tatsächlichen Feststellungen und zur Begründung des landgerichtlichen Urteils wird auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Urteil ist der Beklagten am 05.03.2009 zugestellt worden. Sie hat dagegen am 16.03.2009 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel am 05.05.2009 begründet. Im Rahmen der Berufung verfolgt sie ihren erstinstanzlichen Antrag auf Klageabweisung weiter und nimmt zur Begründung maßgeblich auf ihr bisheriges Vorbringen Bezug, das sie vertieft und ergänzt. Sie vertritt die Auffassung, es stelle eine erhebliche Pflichtverletzung dar, dass der Kläger im Jahr 2001 und 2004 einem Mitarbeiter ein Notebook zur Verfügung gestellt habe. Ein weiterer Grund für eine fristlose Kündigung des Anstellungsverhältnisses ergebe sich aus dem Gesamtvorgang, welcher der Stellung der Rechnung der L GmbH & Co. KG vom 09.03.2005 zugrunde liege.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Münster vom 27.02.2009 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und verweist gleichfalls im Wesentlichen auf seinen bisherigen Vortrag. Er meint insbesondere, die Bereitstellung der Notebooks stelle keine Pflichtverletzung dar, weil es sich um belohnende Leistungen für verdiente Mitarbeiter gehandelt habe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg, da das Landgericht der Klage im Ergebnis zu Unrecht stattgegeben hat.

Teil I: Antrag zu 1.: Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses vom 06.06.2005:

Der Antrag zu 1. ist zulässig, allerdings unbegründet. Im Einzelnen:

I. Zulässigkeit des Antrags zu 1.:

Auch wenn der Kläger nach dem Antragswortlaut ausschließlich eine sog. Nichtigkeitsklage entsprechend § 249 AktG erhoben hat (vgl. dazu Baumbach/Hueck, 18. Auflage, Anhang zu § 47 GmbHG, Rdnr. 71; Lutter/Hommelhoff, 17. Auflage, Anhang zu § 47 GmbHG, Rdnr. 30), ist der Klageantrag zu 1. auch im Sinne einer Anfechtungsklage auszudeuten, die eine Gestaltungsklage darstellt (vgl. Baumbach/Hueck Anhang zu § 47 GmbHG, Rdnr. 70 und Rdnr. 176; Lutter/Hommelhoff Anhang zu § 47 GmbHG, Rdnr. 38; vgl. ferner Hüffer, 8. Auflage, § 246 AktG, Rdnr. 8). Entscheidend ist, dass der Kläger die Wirksamkeit des gefassten Beschlusses vom 06.06.2005 angreifen will, so dass Nichtigkeits- und Anfechtungsklage letztlich das identische Rechtsschutzziel richterliche Klärung der Mangelhaftigkeit eines Gesellschafterbeschlusses - verfolgen und in keinem Eventualverhältnis zueinander stehen (BGH NZG 2002, 957 ff.; BGH NZG 1999, 496 f.; Baumbach/Hueck Anhang zu § 47 GmbHG, Rdnr. 70 und Rdnr. 166; Lutter/Hommelhoff Anhang zu § 47 GmbHG, Rdnr. 78 ff.).

II. Begründetheit des Antrags zu 1.:

Der Antrag ist unbegründet, da der angefochtene Beschluss vom 06.06.2005 weder nichtig ist noch einen Mangel aufweist, der seine Anfechtbarkeit begründet.

1.

Die Klage war unmittelbar gegen die Gesellschaft zu richten (Baumbach/Hueck Anhang zu 47 GmbHG, Rdnr. 163). Der Kläger verfügt zudem sowohl in Bezug auf eine Nichtigkeits- als auch eine Anfechtungsklage über die sog. Anfechtungsbefugnis, da er zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung Gesellschafter der Beklagten war (vgl. Baumbach/Hueck Anhang zu § 47 GmbHG, Rdnr. 69 und Rdnr. 135 f.; Lutter/ Hommelhoff Anhang zu § 47 GmbHG, Rdnr. 70).

2.

Der angefochtene Beschluss weist keine Nichtigkeitsgründe auf; insbesondere ist er weder unter Verstoß gegen Einberufungsvorschriften (entsprechend § 241 Nr. 1 AktG) zustande gekommen noch ist er nach seinem Inhalt unvereinbar mit dem Wesen der GmbH (entsprechend § 241 Nr. 3 AktG; vgl. dazu Baumbach/Hueck Anhang zu § 47 GmbHG, Rdnr. 50; Lutter/Hommelhoff Anhang zu § 47 GmbHG, Rdnr. 16 f.).

3.

Der angegriffene Beschluss leidet weiterhin an keinen zur Anfechtung berechtigenden Mängeln. Im Einzelnen:

a) Der Kläger hat die sog. Anfechtungsfrist gewahrt. Auch wenn nach dem oben Gesagten nicht darauf abzustellen ist, wie er seine Klage bezeichnet hat, da sich Nichtigkeits- und Anfechtungsklage mit identischer Begründung gegen denselben Gesellschafterbeschluss richten, sind Mängel, die lediglich eine Anfechtbarkeit des Beschlusses begründen, nur dann beachtlich, wenn die Klage innerhalb der für eine Anfechtungsklage geltenden Frist erhoben wurde (BGH NJW 1997, 1510 ff.; vgl. BGH NZG 2005, 551 ff.; BGH NZG 2009, 342 ff.; vgl. Hüffer § 246 AktG, Rdnr. 13 f.; Baumbach/Hueck Anhang zu § 47 GmbHG, Rdnr. 166; Lutter/Hommelhoff Anhang zu § 47 GmbHG, Rdnr. 63).

b) Wenngleich § 246 I AktG, der eine Klageerhebung binnen Monatsfrist vorsieht, im Rahmen des GmbH - Gesetzes weder direkt noch analog anwendbar ist (vgl. Baumbach/Hueck Anhang zu § 47 GmbHG, Rdnr. 144; Lutter/Hommelhoff Anhang zu § 47 GmbHG, Rdnr. 62), muss die Klage auf Anfechtung eines Gesellschafterbeschlusses mit aller dem klagenden Gesellschafter zumutbaren Beschleunigung erhoben werden, wobei die Monatsfrist des § 246 I AktG - von eng begrenzten Ausnahmen abgesehen - als Maßstab gilt, d. h. Leitbildfunktion hat. Wird diese Frist überschritten, kommt es darauf an, ob zwingende Umstände den Gesellschafter an einer früheren klageweisen Geltendmachung des Anfechtungsgrundes gehindert haben (BGH NZG 2005, 551 ff.; BGHZ 101, 113 ff.; BGHZ 104, 66 ff.; BGHZ 111, 224 ff.; Baumbach/Hueck Anhang zu § 47 GmbHG, Rdnr. 145; Lutter/Hommelhoff Anhang zu § 47 GmbHG, Rdnr. 63).

c) Der Kläger hat die Monatsfrist in Bezug auf die vorgetragenen Anfechtungsgründe gewahrt. Zwar lässt sich nicht feststellen, wann der Beklagten der Schriftsatz vom 15.06.2005 i. S. d. §§ 253 I, 261 I ZPO zugestellt wurde, allerdings trat die Wirkung nach § 167 ZPO bereits mit Eingang des genannten Schriftsatzes bei Gericht am 15.06.2005 ein, da die Zustellung in jedem Fall "demnächst" erfolgte (zur Geltung des § 167 ZPO im Rahmen des § 246 I AktG vgl. BGH NZG 2009, 342 ff.; Lutter/ Hommelhoff Anhang zu § 47 GmbHG, Rdnr. 68; Hüffer § 246 AktG, Rdnr. 23). Eine demnächstige Zustellung liegt vor, wenn sie in nicht allzu erheblichem Abstand vom Fristablauf stattfindet (Zöller/Greger § 167 ZPO, Rdnr. 10), wobei vom Zustellungsbetreiber verursachte Zeitverzögerungen von mehr als 14 Tagen regelmäßig nicht mehr als "demnächstig" anzusehen sind (BGH NJW 2004, 3775 ff. m. w. N.; Zöller/Greger § 167 ZPO, Rdnr. 11). Von einer demnächstigen Zustellung ist hier schon deswegen auszugehen, weil der Kläger dem klageerweiternden Schriftsatz vom 15.06.2005 einen Verrechnungsscheck über den Gerichtskostenvorschuss beigefügt hat, so dass sich etwaige zeitliche Verzögerungen jedenfalls nicht auf sein Verhalten zurückführen lassen.

4.

Ein Anfechtungsgrund liegt allerdings nicht vor, da die Gesellschafterversammlung am 06.06.2005 zu Recht den Ausspruch der fristlosen Kündigung beschlossen hat. Der Gesellschafterbeschluss ist rechtmäßig, weil die Voraussetzungen des § 626 BGB im Zeitpunkt der Beschlussfassung vorlagen.

a) Gem. § 626 I BGB kann ein Dienstvertrag aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Maßstab ist dabei nicht das subjektive Empfinden des kündigenden Teils; vielmehr kommt es allein darauf an, ob objektiv aus Sicht eines verständigen Betrachters unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen der weiteren Zusammenarbeit die Grundlage entzogen ist (Baumbach/Hueck § 35 GmbHG, Rdnr. 218; Lutter/Hommelhoff Anhang zu § 6 GmbHG, Rdnr. 59). Es müssen also sämtliche Umstände ermittelt werden, die für den wichtigen Grund bedeutsam sein können (Palandt/Weidenkaff § 626 BGB, Rdnr. 38; Baumbach/Hueck § 35 GmbHG, Rdnr. 216 ff.; Lutter/Hommelhoff Anhang zu § 6 GmbHG, Rdnr. 59; vgl. BAG NZA 2006, 491 ff.), z. B. die erhebliche oder wiederholte Pflichtverletzung durch den Geschäftsführer, ein schwerer Vertrauensbruch oder sonstige Treueverstöße, das Ausmaß eines ggf. angerichteten Schadens, aber auch die Dauer des Dienstverhältnisses und die Leistung und Führung des dienstverpflichteten Geschäftsführers (vgl. Baumbach/Hueck § 35 GmbHG, Rdnr. 219 f. m. w. N.; Lutter/Hommelhoff Anhang zu § 6 GmbHG, Rdnr. 59; Palandt/Weidenkaff § 626 BGB, Rdnr. 38).

b) Im Rahmen der Interessenabwägung kommt es vor allem darauf an, inwieweit der Dienstverpflichtete ein Interesse an der Erhaltung seines Beschäftigungsverhältnisses hat und inwiefern er die tatsächlichen Umstände, die einen wichtigen Grund ausmachen, zu vertreten hat (vgl. Palandt/Weidenkaff § 626 BGB, Rdnr. 39 m. w. N.). Im Rahmen der Feststellung der Unzumutbarkeit ist zu berücksichtigen, ob dem Dienstberechtigten ein Zuwarten bis zu dem Zeitpunkt, zu dem ordentlich gekündigt werden kann, zugemutet werden darf, wobei wiederum umfassend alle Umstände zu betrachten und gegeneinander abzuwägen sind (vgl. BAG NZA 1994, 74 ff.; Palandt/Weidenkaff § 626 BGB, Rdnr. 40).

1. Kündigungsgrund: Zuwendung eines Notebooks:

a) Unstreitig wandte sich der IT - Mitarbeiter der Beklagten (Herr H im Juni 2001 an den Kläger in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer und bat um die Zahlung einer Prämie, die ihm der Kläger insofern gewährte, als er den Ankauf eines Notebooks zum Preis von 3.188,00 DM genehmigte, das sodann die Beklagte nach Eingang der Rechnung der Lieferfirma G vom 10.07.2001 bezahlte. Herr H2 sollte die Hälfte des Anschaffungspreises an die Beklagte erstatten. Dieser Vorgang wiederholte sich im November 2004, wobei die Beklagte am 07.12.2004 auf eine vordatierte Rechnung vom 19.03.2004 insgesamt 1.496,40 Euro zahlte.

b) Das Verhalten des Klägers verstieß im jeweiligen Fall gegen seine Pflichten als ordentlicher Geschäftsführer. Gem. § 5 des Gesellschaftsvertrages (nachfolgend als GV bezeichnet) konnte er für die Beklagte nur zusammen mit Herrn C oder einem Prokuristen handeln; auch nach dem Wortlaut von § 1 Ziffer 2. des Anstellungsvertrages ist zumindest eine unechte Gesamtvertretung angeordnet (vgl. dazu Lutter/Hommelhoff § 35 GmbHG, Rdnr. 39). Dessen ungeachtet hat sich der Kläger zudem über die in § 1 Ziffer 2. statuierte Regelung in der für ihn verbindlichen "Geschäftsordnung der Geschäftsführung" hinweggesetzt, wonach die Geschäftsführer kollegial zusammenarbeiten und sich gegenseitig über alle Vorgänge in ihren Geschäftsbereichen unterrichten sollen. Wenngleich der Kläger behauptet hat, über die 2001 erfolgte Zuwendung an Herrn H2 mit Herrn W gesprochen zu haben, ergibt sich hieraus keine andere rechtliche Bewertung, zumal er für die Richtigkeit dieser Behauptung beweisfällig geblieben ist. Zudem hat er nicht dargelegt, Herrn W auch im Jahr 2004 im Einzelnen informiert zu haben. Außerdem hat er andere Arbeitnehmer / Angestellte der Beklagten nicht davon in Kenntnis gesetzt, dass er Herrn H2 eine besondere Sachzuwendung hat zukommen lassen. Vielmehr hat er diese dadurch verschleiert, dass er die Anschaffung des jeweiligen Notebooks kommentarlos über die Beklagte abrechnen ließ, wobei er es im November 2004 sogar zuließ, dass die Beklagte eine auf den 19.03.2004 vordatierte Rechnung zu begleichen hatte, die sich nicht über das erworbene Notebook, sondern eine "Schaltschrankmontage" verhielt. Letztlich hat er aus dem Vermögen der Gesellschaft Zuwendungen erbracht, die auf vertraglicher Grundlage nicht eingefordert werden konnten und damit - unter Zugrundelegung der Differenzhypothese i. S. d. §§ 249 ff. BGB - einen Schaden in Höhe von jedenfalls 1.594,00 DM (= 3.188,00 DM ./. 2) im Jahr 2001 und von 1.496,40 Euro im Jahr 2004 verursacht.

c) Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass die gewährten sachlichen Vergünstigungen einem Mitarbeiter der Beklagten zugute gekommen sind, was dessen Arbeitsmotivation sicherlich erhöht haben dürfte. Nach dem bestehenden Arbeitsvertrag bestand kein Anspruch auf derartige Sonderzuwendungen, so dass der Kläger Vermögen der Beklagten zweckwidrig verwendet hat, zumal kein - auch formloser - Gesellschafterbeschluss existierte, bestimmte Arbeitnehmer mit Sonderzuwendungen zu bedenken (vgl. dazu BGH GmbHR 1997, 998 f.; BGH DStR 2007, 1358 f.; Lutter/Hommelhoff Anhang zu § 6 GmbHG, Rdnr. 59). Der Kläger hat das Gesellschaftsvermögen ohne rechtlichen Grund vermindert. Zwar mag es zutreffen, dass es durchaus üblich ist, verdienten Mitarbeitern Jahresgratifikationen o. ä. für besondere Leistungen zu gewähren, auf die sie keinen arbeitsvertraglichen Anspruch haben. Jedoch bestand für den Kläger schon mit Blick auf die seine anstellungsvertraglichen Pflichten konkretisierende "Geschäftsordnung der Geschäftsführer" die Pflicht, hierüber in jedem Fall den weiteren Geschäftsführer zu informieren, um eine einheitliche Handhabung gewährleisten zu können. Das gilt um so mehr, als der Gleichbehandlungsgrundsatz im Rahmen des Arbeitsrechts zu berücksichtigen ist (vgl. dazu BAG NJW 2006, 2875 ff.; Palandt/Weidenkaff § 611 BGB, Rdnr. 110 ff.), der sich auch auf die Gewährung von freiwilligen Sonderzahlungen des Arbeitgebers erstreckt (Palandt/Weidenkaff § 611 BGB, Rdnr. 112). Dieser Grundsatz ist unter Umständen verletzt, wenn lediglich einem Arbeitnehmer - noch dazu heimlich - eine besondere Zuwendung gewährt wird, obwohl möglicherweise weitere Arbeitnehmer vorhanden sind, die ähnlich herausragende Leistungen erbracht haben. Um die drohende Benachteiligung weiterer Arbeitnehmer zu verhindern, hätte es zu den Pflichten des Klägers gehört, die Gewährung von Sonderzuwendungen (ggf. nicht nur im Jahr 2001, sondern auch im Jahr 2004) mit dem weiteren Geschäftsführer abzustimmen. Dass er die dem Mitarbeiter H2 zumindest 2004 gewährten Sachzuwendungen vor Herrn W und den übrigen Arbeitnehmern / Angestellten der Beklagten verheimlicht hat und auch die finanzielle Beteiligung des Herrn H2 - den eigenen Vortrag als richtig unterstellt - in eine "schwarze" Kasse weitergereicht hat, so dass keine Steuern und Sozialabgaben abgeführt werden konnten, belegt, dass es ihm darauf ankam, den zugrunde liegenden Vorgang zu verschleiern, was der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers nicht entspricht.

2. Kündigungsgrund: DVD - Player / Rechnung vom 09.03.2005:

a) Zwischen den Parteien ist ferner unstreitig, dass in die Positionen der Rechnung vom 09.03.2005 der L GmbH & Co. KG ein DVD - Player im Wert von 400,00 bis 500,00 Euro eingeflossen ist, den Herr T - ein Mitarbeiter der Beklagten - auf W des Klägers als Gegenleistung für erbrachte Mehrarbeit erhalten hat.

b) Hierdurch hat der Kläger erneut gegen seine Pflichten zur sorgfältigen Geschäftsführung verstoßen, da er einem weiteren Mitarbeiter eine besondere Leistung zugewandt hat, die dieser nach seinem Arbeitsvertrag nicht beanspruchen konnte. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann zunächst in vollem Umfang auf die obigen Ausführungen - Zuwendung eines Notebooks - verwiesen werden, die hier entsprechend gelten. Die Pflichtverletzung ist vor allem insofern nicht unerheblich, als der Kläger den Erwerb des DVD - Players vor der Beklagen verschleiert hat, da er veranlasst hat, dass er in der erwähnten Rechnung vom 09.03.2005 gar nicht auftaucht. Dass der Kläger mit der L GmbH & Co. KG zusammengewirkt hat, um die Beklagte über den Umfang des eigentlich geschuldeten Rechnungsbetrages zu täuschen, lässt die Pflichtverletzung so erheblich erscheinen, dass sie in die im Rahmen der Prüfung des § 626 BGB vorzunehmende Gesamtabwägung einzubeziehen ist. Das gilt um so mehr, als es aufgrund der Manipulationen, an denen der Kläger mitgewirkt hat, für die Beklagte erheblich erschwert wurde, die Richtigkeit der Rechnung der L GmbH & Co. KG buchhalterisch nachzuvollziehen (vgl. dazu Lutter/Hommelhoff Anhang zu § 6 GmbHG, Rdnr. 59).

5. Interessenabwägung:

a) Die im Rahmen des § 626 I BGB erheblichen Pflichtverletzungen in Form von Gewährung von Sonderzuwendungen an Mitarbeiter (Notebooks / DVD - Player) sind in einer Gesamtschau so wesentlich, dass die Fortsetzung des Dienstverhältnisses mit dem Kläger bis zu dem Zeitpunkt einer möglichen ordentlichen Kündigung für die Beklagte unzumutbar war (vgl. dazu Palandt/Weidenkaff § 626 BGB, Rdnr. 39 f.). Es kann daher dahinstehen, ob der Kläger noch weitere Pflichtverletzungen (private Vereinnahmung von 1.600,00 DM; Abrechnung von privaten Elektroarbeiten über die Beklagte) begangen hat. Er hat nämlich Vermögen der Gesellschaft mehrfach bewusst und gewollt verwendet, um Mitarbeitern Sachleistungen zukommen zu lassen, auf die sie keinen arbeitsvertraglichen Anspruch hatten. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger die entsprechenden Mittel nicht eigennützig verwenden, sondern Arbeitnehmer der Beklagten dafür belohnen wollte, dass sie ihre vertraglichen Pflichten in besonderem Maße erfüllt hatten. Zwar sind Gratifikationen o. ä. durchaus üblich und können sogar freiwillig vom Arbeitgeber gezahlt werden (vgl. Palandt/Weidenkaff § 626 BGB, Rdnr. 82 f.). Allerdings hat der Kläger die Zuwendungen gegenüber dem Mitgeschäftsführer / -gesellschafter und gegenüber den übrigen Arbeitnehmern der Beklagten vorsätzlich verheimlicht. Auch wenn der Kläger den Mitarbeitern nicht von sich aus die jeweiligen Sonderzuwendungen gewährt hat, sondern erst, wenn diese derartige "Belohnungen" konkret eingefordert haben, liegen Kündigungsgründe i. S. d. § 626 I BGB vor, denn der Beklagten ist ein nicht unerheblicher Vermögensschaden von zumindest rund 1.000,00 Euro entstanden. Erschwerend kommt hinzu, dass der Kläger teilweise manipulierte Rechnungen genutzt und - sein eigenes Vorbringen als richtig unterstellt - Geld in eine "Schrottkasse" eingelegt hat, um die Sachzuwendungen zu verschleiern. Nach Abwägung aller relevanten Umstände war die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zur Möglichkeit der ordentlichen Kündigung für die Beklagte unzumutbar, was um so mehr gilt, als durch das Verhalten des Klägers die Erfüllung steuerlicher Pflichten erschwert wurde.

b) Der Senat hat im Rahmen der Gesamtschau ferner berücksichtigt, dass der Anstellungsvertrag mit dem Kläger mit einer Frist von 6 Monaten zum Halbjahres- oder Jahresende gekündigt werden kann (§ 11 Ziffer 2. des Vertrages). Die Einhaltung dieser Frist ist für die Beklagte nach dem oben Gesagten jedoch selbst mit Blick darauf unzumutbar, dass der mittlerweile 57 Jahre alte Kläger mehr als 10 Jahre als ihr Geschäftsführer fungiert hat und seit mehr als 23 Jahren im Betrieb tätig ist, ohne dass er sich jedenfalls trägt die Beklagte hierzu nicht substantiiert vor - nennenswerte Pflichtverletzungen hat zu Schulden kommen lassen. Entscheidend zu seinen Lasten wirkt sich aus, dass er in den geschilderten Fällen wiederholt - und bewusst - gegen seine Pflichten als ordentlicher Geschäftsführer verstoßen hat und die Verstöße insofern besonders schwer wiegen, als er sich im Wege eines planmäßigen Zusammenwirkens mit Dritten in verwerflicher Weise bemüht hat, sein schadensstiftendes Verhalten vor der Beklagten und ihren sonstigen Mitarbeitern zu verdecken. Hiermit hat der Kläger zugleich einen schweren Vertrauensbruch gegenüber der Beklagten verübt.

6.

Die Beschlussfassung am 06.06.2005 genügte ferner den sonstigen Voraussetzungen des § 626 BGB. Auch wenn diese - insbesondere die Einhaltung der Frist des § 626 II Satz 1 BGB - nicht den Beschluss über den Ausspruch der Kündigung als solchen, sondern die Wirksamkeit der in Vollzug erklärten außerordentlichen Kündigung betrafen, mussten sie gleichwohl bei Beschlussfassung vorliegen. Wenn eine außerordentliche Kündigung in Vollziehung des Beschlusses nämlich gar nicht (mehr) wirksam hätte erklärt werden können, wäre schon der gefasste Beschluss als solcher anfechtbar.

a) Dem Ausspruch der fristlosen Kündigung eines Geschäftsführervertrages - demzufolge auch der Beschlussfassung über die Erklärung der Kündigung - muss keine Abmahnung vorangehen (vgl. BGH NJW 2000, 1864 ff.; BGH NJW 2000, 1638 f.; BGH ZIP 2001, 1957 ff.; Baumbach/Hueck § 35 GmbHG, Rdnr. 221; Lutter/Hommelhoff Anhang zu § 6 GmbHG, Rdnr. 61a). Dieses Institut ist im Arbeitsrecht im Hinblick auf die soziale Schutzbedürftigkeit abhängig Beschäftigter entwickelt worden. Der erwähnte Schutzgesichtspunkt kann bei Leitungsorganen von Kapitalgesellschaften allerdings nicht ausschlaggebend sein. Der Geschäftsführer einer GmbH ist nicht Arbeitnehmer der Gesellschaft, sondern hat eine organschaftliche Aufgabe wahrzunehmen, vgl. § 35 GmbHG. Zu seinen Leitungsaufgaben gehört es, dass er für die Ordnungsgemäßheit und Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Gesellschaft und der für sie handelnden Personen nach außen die Verantwortung trägt und im Innenverhältnis die Arbeitgeberfunktion erfüllt (BGH NJW - RR 2002, 173 f.). Soweit Pflichtenverstöße so gravierend ausfallen, dass sie zur Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zu den Gesellschaftern oder anderen Organen der Gesellschaft geführt haben, kommt eine Abmahnung ohnehin nicht mehr in Betracht (BGH NJW 2000, 1638 f.; BGH NJW - RR 2007, 1520 f.; BGH NJW - RR 2002, 173 f.).

b) Die Beschlussfassung am 06.06.2005 erfolgte so rechtzeitig, dass die Beklagte noch die in § 626 II Satz 1 BGB statuierte Ausschlussfrist einhalten konnte; die Erklärung der außerordentlichen Kündigung in Vollzug des Beschlusses konnte also innerhalb von 2 Wochen erfolgen. Im Einzelnen:

aa) Die Frist des § 626 II BGB beginnt erst zu laufen, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglichen, ob die Fortsetzung des Dienstverhältnisses zumutbar ist oder nicht (BAGE 24, 341 ff.; BAG NZA 2006, 101 ff.; BAG NZA 2006, 1211 ff.; BAG NZA 2007, 744 ff.; vgl. BGH NJW 1996, 1403 f.; Palandt/Weidenkaff § 626 BGB, Rdnr. 23). Zu den maßgeblichen Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände (vgl. BAGE 24, 341 ff.; BAG NZA 2006, 101 ff.; BAG NZA 2006, 1211 ff.; BAG NZA 2007, 744 ff.). Der Kündigungsberechtigte, der Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt. Denn es genügt nicht allein die Kenntnis des konkreten, die Kündigung auslösenden Anlasses, also des "Vorfalls”, der einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen soll. Bei einer vom Dienstberechtigten erklärten außerordentlichen Kündigung gehören auch solche Aspekte zum Kündigungssachverhalt, die für den Dienstverpflichteten und damit gegen die Kündigung sprechen (vgl. BAGE 24, 341 ff.; BAG NZA 2006, 101 ff.; BAG NZA 2006, 1211 ff.; BAG NZA 2007, 744 ff.; Palandt/Weidenkaff § 626 BGB, Rdnr. 23).

bb) Allerdings soll die zeitliche Begrenzung des § 626 II BGB den Dienstberechtigten nicht zu hektischer Eile bei der Kündigung antreiben oder ihn veranlassen, ohne genügende Vorprüfung des Sachverhalts oder hinreichend vorhandene Beweismittel voreilig zu kündigen (BAGE 24, 341 ff.; BAG NZA 2006, 101 ff.; BAG NZA 2006, 1211 ff.; BAG NZA 2007, 744 ff.). Solange der Kündigungsberechtigte die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführt, kann die Ausschlussfrist nicht anlaufen (BAGE 24, 341 ff.; BAG NZA 2006, 101 ff.; BAG NZA 2006, 1211 ff.; BAG NZA 2007, 744 ff.).

cc) Für den Fristbeginn i. S. d. § 626 II BGB ist nach dem oben Gesagten ausschlaggebend, wann der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Bei juristischen Personen ist grundsätzlich die Kenntnis des zur Kündigung berechtigten Organs entscheidend, bei der GmbH also diejenige der Gesellschafterversammlung (BGH ZIP 2001, 1957 ff.; BGHG NJW 2000, 1864 f.; BGH NJW - RR 2002, 173 f.; BGH NJW 1998, 3274 ff.; Baumbach/Hueck § 35 GmbHG, Rdnr. 224; Lutter/Hommelhoff Anhang zu § 6 GmbHG, Rdnr. 62). Die erforderliche Kenntnis liegt aber erst dann vor, wenn der für die Entlassung des Geschäftsführers maßgebliche Sachverhalt einer Gesellschafterversammlung (§ 48 I GmbHG) unterbreitet wird (Baumbach/Hueck § 35 GmbHG, Rdnr. 225; Lutter/Hommelhoff Anhang zu § 6 GmbHG, Rdnr. 62). § 626 II BGB beruht auf dem Gedanken, dass der Berechtigte aus seiner Kenntnis die seiner Ansicht nach gebotenen Konsequenzen ziehen kann; hierzu sind die Gesellschafter, selbst wenn sie sämtlich als einzelne außerhalb einer Gesellschafterversammlung Kenntnis vom Kündigungssachverhalt erlangt haben, nicht ohne den Zusammentritt als Kollegialorgan in der Lage (vgl. BGH NJW 1998, 3274 ff.; Baumbach/Hueck § 35 GmbHG, Rdnr. 225; Palandt/Weidenkaff § 626 BGB, Rdnr. 24).

dd) Freilich darf dem betroffenen Geschäftsführer nach Sinn und Zweck des § 626 II Satz 1 BGB nicht zugemutet werden, bis zu einem unabsehbaren Zusammentritt der Gesellschafterversammlung zuwarten zu müssen. Wird daher die Einberufung der Gesellschafterversammlung einer GmbH von ihren einberufungsberechtigten Mitgliedern nach Kenntniserlangung von dem Kündigungssachverhalt unangemessen verzögert, so muss sich die Gesellschaft so behandeln lassen, als wäre die Gesellschafterversammlung mit der billigerweise zumutbaren Beschleunigung einberufen worden. Auf diese Weise bleibt die Ausschlussfrist der Gesellschafterversammlung als dem zur Kündigung befugten Organ in vollem Umfang als Überlegungsfrist erhalten und wird nicht vorweg ganz oder teilweise durch die Zeit aufgezehrt, welche die Einberufung der Versammlung erfordert (BGH NJW 1998, 3274 ff.; vgl. Baumbach/Hueck § 35 GmbHG, Rdnr. 225; Lutter/Hommelhoff Anhang zu § 6 GmbHG, Rdnr. 64).

ee) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze begann die Frist i. S. d. § 626 II Satz 1 BGB erst am 06.06.2005 zu laufen, da hier die Gesellschafterversammlung stattfand, in welcher der Kläger zu den Vorwürfen angehört wurde und sich erklären konnte. Erst nach Vorliegen dieser Erklärung konnte sich der Gesellschafter W ein abschließendes Bild von Art und Erheblichkeit der einzelnen Kündigungsgründe machen. Die Anberaumung der Gesellschafterversammlung auf den 06.06.2005 unter Beachtung der satzungsmäßigen Bestimmungen der Beklagten ist zudem ohne unangemessene Verzögerung erfolgt. Frühestens am 27.04.2005 hatte Herr W, eine Gesellschafterversammlung anzuberaumen, da er Kenntnis von Tatsachen hatte, die im Rahmen von § 626 BGB beachtlich waren. Es kann dahinstehen, wann er genau von den Vorgängen bezüglich der Notebooks (Zuwendungen an den Mitarbeiter H erfuhr, da er von dem Komplex "DVD - Player" (Zuwendungen an den Mitarbeiter T) erst am 27.04.2005 gesicherte Kenntnis erhielt, nachdem er am 22.04.2005 mit der L GmbH telefoniert und am 27.04.2005 mit Herrn T selbst gesprochen hatte. Bereits mit Schreiben vom 03.05.2005 lud er den Kläger zur Gesellschafterversammlung, wobei er die in § 6 III des Gesellschaftsvertrages statuierte Ladungsfrist von 30 Tagen einhielt.

7.

Die Beklagte hat das aus § 626 BGB folgende Kündigungsrecht zudem nicht verwirkt, § 242 BGB (vgl. hierzu BGH GmbHR 1992, 38 ff.).

a) Ein Recht ist verwirkt, wenn es der Berechtigte längere Zeit nicht geltend gemacht und sich der Verpflichtete darauf eingerichtet hat - und er sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte -, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde (BGH NJW 2006, 219 f.; BGH NJW 2008, 2254 ff., Juris - Rdnr. 22; Palandt/Heinrichs § 242 BGB, Rdnr. 87). In Bezug auf die die Zuwendungen aus Ende 2004 (Notebook) und 2005 (DVD - Player) liegen die Voraussetzungen des Zeitmoments nicht vor. Hinsichtlich der Sonderzuwendung, über die sich die Rechnung vom 10.07.2001 verhält, ist dieses Moment allerdings erfüllt, da zwischen dem Vorfall und dem Ausspruch der fristlosen Kündigung rund 5 Jahre liegen. Schon der Blick auf § 626 II BGB zeigt, dass die außerordentliche Kündigung grundsätzlich zeitnah nach Eintritt eines wichtigen Grundes zu erklären ist, um keinen Zustand langanhaltender Rechtsunsicherheit zu begründen, der sich ansonsten mit Blick auf den als Generalklausel ausgestalteten § 626 I BGB ergeben könnte. Liegen zwischen dem möglichen Kündigungsgrund und der Erklärung der außerordentlichen Kündigung mehrere Jahre, ist das Zeitmoment erfüllt (vgl. auch BGH GmbHR 1992, 38 ff.).

b) Die Voraussetzungen des Umstandsmoments liegen hingegen bezüglich der dem Mitarbeiter H2 im Jahr 2001 gewährten Zuwendung nicht vor. Der insofern darlegungs- und beweisbelastete Kläger (hierzu Palandt/Heinrichs § 242 BGB, Rdnr. 96) hat insofern nicht substantiiert vorgetragen. Das Umstandsmoment ist nur verwirklicht, wenn die verspätete Geltendmachung deswegen als Verstoß gegen Treu und Glauben zu werten ist, weil sie eine unbillige Härte begründen würde (BGH NJW 2003, 824; Palandt/Heinrichs § 242 BGB, Rdnr. 95). Es ist in der Regel erfüllt, wenn der Schuldner im Hinblick auf die Nichtgeltendmachung des Rechts konkrete (Vermögens-) Dispositionen getroffen hat (vgl. BGH NJW 1984, 1684 f.; Palandt/Heinrichs § 242 BGB, Rdnr. 95). Dass - und ggf. welche - der Kläger derartige Dispositionen getroffen hat, legt er weder dar noch ergibt sich dies aus dem Umständen des Falles. Dass er sein pflichtwidriges Verhalten im Jahr 2004 und 2005 wiederholt und es erneut gegenüber der Beklagten verschleiert hat, zeigt vielmehr, dass er sich von Anfang an darüber bewusst war, er verstoße gegen die Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Geschäftsführers.

Teil II: Antrag zu 2.: Feststellung der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 06.06.2005:

Der Feststellungsantrag zu 2. ist zulässig, allerdings ebenfalls unbegründet.

I. Zulässigkeit des Antrags zu 2.:

1.

Der Klageantrag zu 2. ist zulässig. Zwar ist das Begehren des Klägers nach seinem Wortlaut auf die Klärung einer Rechtsfrage gerichtet, da die Unwirksamkeit der am 06.06.2005 erklärten Kündigung festgestellt werden soll. Dem Antrag lässt sich allerdings im Wege der Ausdeutung entsprechend §§ 133, 157 BGB entnehmen, dass er ein konkretes Rechtsverhältnis i. S. d. § 256 ZPO zum Gegenstand hat. Diesem ist eine Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder einer Sache zu subsumieren, die ein subjektives Recht enthält oder aus der solche Rechte entspringen können (vgl. BGHZ 22, 43 ff.; Zöller/Greger § 256 ZPO, Rdnr. 3). Bloße Vor- / Tatfragen oder abstrakte Rechtsfragen können nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein, sondern nur das Rechtsverhältnis als solches (BGH NJW 1977, 1288 ff.; BGH NJW 1982, 1878 ff.; Zöller/Greger § 256 ZPO, Rdnr. 3). Der Antrag zielt ungeachtet der konkreten Formulierung im Ergebnis darauf ab festzustellen, dass der Geschäftsführer - Anstellungsvertrag des Klägers nicht durch die am 06.06.2005 erklärte außerordentliche Kündigung beendet wurde, sondern dessen ungeachtet fortbesteht (vgl. dazu Zöller/Greger § 256 ZPO, Rdnr. 3).

2.

Die Feststellungsklage kann sich jedoch grundsätzlich nur auf ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis beziehen. Ob die ordentliche Kündigung vom 22.04.2005 des Geschäftsführer - Anstellungsvertrages zum 31.12.2005 wirksam war, bedarf keiner Erörterung, da selbst ein vergangenes Rechtsverhältnis ausnahmsweise Gegenstand einer Klage nach § 256 I ZPO sein kann, wenn sich aus ihm noch Rechtsfolgen für Gegenwart oder Zukunft ergeben können (BAG NJW 1997, 3396; BAG NZA 2000, 775 f.; BAG MDR 2004, 817 f.; Zöller/Greger § 256 ZPO, Rdnr. 3a). Hierzu reicht die bestehende Möglichkeit aus, dass der Geschäftsführer - Anstellungsvertrag nach wie vor Rechtswirkungen - z. B. in Form von Gehaltszahlungen einerseits oder Schadensersatzforderungen andererseits - auslösen kann. Vor diesem Hintergrund ist zudem das besondere Feststellungsinteresse des Klägers i. S. d. § 256 I ZPO zu bejahen.

II. Begründetheit des Antrags zu 2.:

Der Antrag ist unbegründet, da die am 06.06.2005 in Vollziehung des Gesellschafterbeschlusses vom selben Tag ausgesprochene fristlose Kündigung den Geschäftsführer - Anstellungsvertrag wirksam aufgelöst hat.

1.

Für die Kündigung des Anstellungsvertrages ist die Gesellschafterversammlung im Sinne einer Annex - Kompetenz zu § 46 Nr. 5 GmbHG zuständig (BGH GmbHR 1997, 547 f.; BGH GmbHR 2000, 876 f.; Lutter/Hommelhoff § 46 GmbHG, Rdnr. 23; Baumbach/Hueck § 46 GmbHG, Rdnr. 36). Die Wirksamkeit der am 06.06.2005 erklärten Kündigung scheitert gleichwohl nicht daran, dass sie Herr C3 in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Beklagten abgegeben hat. Auch wenn die Beklagte von den Gesellschaftern, nicht hingegen von ihrem Geschäftsführer vertreten werden muss, ist zu beachten, dass neben dem Beklagten kein weiterer Gesellschafter - vom bei der Beschlussfassung am 06.06.2005 nicht stimmberechtigten Kläger abgesehen - existiert, der die Kündigungserklärung hätte abgeben können. Zudem wurde Herr C2 in der Gesellschafterversammlung vom 06.06.2005 zumindest konkludent i. S. d. §§ 164 ff. BGB bevollmächtigt, die Kündigung auszusprechen (vgl. hierzu Lutter/Hommelhoff § 46 GmbHG, Rdnr. 23; Baumbach/Hueck § 46 GmbHG, Rdnr. 40).

2.

Die am 06.06.2005 erklärte außerordentliche Kündigung ist ferner deswegen wirksam, weil es für die Beklagte wegen der vorliegenden Pflichtverletzungen des Klägers nach umfassender Interessenabwägung unzumutbar war, das Dienstverhältnis bis zum Zeitpunkt einer ordentlichen Kündigung fortzusetzen. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann - auch bezüglich der Wahrung der Frist des § 626 II BGB - in vollem Umfang auf die Ausführungen zum Antrag zu 1. verwiesen werden, die hier sinngemäß gelten.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision gem. § 543 II ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache besitzt weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.






OLG Hamm:
Urteil v. 25.11.2009
Az: 8 U 61/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/93836fcaaffe/OLG-Hamm_Urteil_vom_25-November-2009_Az_8-U-61-09




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